Protokoll der Sitzung vom 11.11.2010

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Es ist nicht überraschend, dass Herr Petke dieses Thema aufgegriffen hat. Ich finde auch, es war ein berechtigtes Anliegen, das in einem Antrag zu formulieren. Herr Petke, Sie hätten heute die Möglichkeit gehabt, Größe zu zeigen. Sie hätten heute sagen können: Das Thema ist aufgegriffen worden. - Herr Petke hört wie immer nicht zu, er ist bei dieser Geschichte sozusagen abwesend. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, Größe zu zeigen. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, sich das an Ihre Brust zu heften. Das hätten Sie alles machen können - nein, Sie machen daraus ein großes Theater, und das zeigt eben, dass es Ihnen nicht um die Lösung dieses Problems, sondern um Ihren Auftritt hier geht. Damit betreiben Sie Verunsicherung. Ich wiederhole diesen Vorwurf: Sie betreiben Verunsicherung mit diesem Thema.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE und SPD)

Der Minister hat eindeutig klargestellt, dass es keine solche Gebühr - noch einmal: es wäre keine Steuer, sondern eine Gebühr gewesen - geben wird. Das ist eine ganz klare Aussage. Damit gehen wir jetzt um. Der Antrag ist gegenstandslos und damit eigentlich nicht mehr diskussionswürdig. In jedem Fall wird er abgelehnt. - Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Die Abgeordnete Nonnemacher spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zugegeben: Letzte Woche habe ich mich noch ein wenig über den vorliegenden Antrag gewundert. Ein Vorratsantrag? Ein prophylaktischer Antrag? Nachdem der schwarz-grüne Senat Ende September in Hamburg nach österreichischem Vorbild eine so

genannte Kostenbeteiligung bei leichten Verkehrsunfällen beschlossen hat - Frau Stark, es ist beschlossen und nicht in der Diskussion -,

(Frau Stark [SPD]: Die Umsetzung ist beschlossen!)

wurde Mitte Oktober über ähnliche Pläne in Brandenburg nachgedacht. Es sollten erst einmal die Erfahrungen aus Hamburg ausgewertet und ergebnisoffen geprüft werden. Außerdem sei eine „Blaulichtsteuer“ primär zur Entlastung der Polizei und nicht zur Generierung von Einnahmen interessant. Die Gebühr könne eine Lenkungsfunktion erhalten. Nun hat der Herr Innenminister vorgestern der „Blaulichtsteuer“ eine klare Absage erteilt. Wir begrüßen das. Ich denke, es ist trotzdem legitim, kurz darüber nachzudenken, welche Probleme sie aufwirft.

Wenn für die Aufnahme von Bagatellunfällen und Blechschäden Gebühren erhoben werden, dann führt das auch dazu, dass ernste Ordnungswidrigkeiten oder andere Straftatbestände nicht mehr geahndet werden. Hinter Bagatellunfällen verbirgt sich häufig Fahren unter Alkohol- oder Drogeneinfluss. Es werden nebenbei Fahrer ohne Führerschein erwischt oder Fahrzeuge mit gefährlichen technischen Mängeln auffällig. Ob es sich wirklich um eine Bagatelle handelt, lässt sich ohne Hinzuziehen der Polizei vielleicht gar nicht klar ermitteln.

Der Ruf nach polizeilicher Hilfe darf nicht zur Lotterie werden. Ist der Unfallgegner betrunken oder führerscheinlos, bezahlt man nicht. Stellt sich der Unfall wirklich als Bagatelle heraus, werden Gebühren fällig. Das hat mit Rechtssicherheit und dem Anspruch eines Rechtsstaates nichts mehr zu tun.

Polizeiarbeit ist Teil der staatlichen Daseinsvorsorge und darf nicht von der finanziellen Leistungsfähigkeit der Beteiligten abhängen. Genauso, wie gute Bildung kein Luxusgut darstellen soll, darf Rechtssicherheit nicht vom Geldbeutel abhängig gemacht werden. Im Übrigen wird bei einer „Blaulichtsteuer“ leicht übersehen, dass Polizeipräsenz immer ein Bußgeld für den Unfallverursacher nach sich zieht, welches sonst nicht fällig werden würde.

Die Lenkungsfunktion von Gebühren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein zweischneidiges Schwert. So hat auch die Praxisgebühr die Wartezimmer der Ärzte nicht wirklich geleert, für Arme in unserem Land aber den Zugang zu medizinischen Leistungen erschwert. In Zeiten leerer Kassen lassen sich jede Menge kreative Ideen der Geldbeschaffung diskutieren. Eine Demonstrationsabgabe, fällig bei Anmeldung; Zahlungen für den Feuerwehreinsatz, wenn sich der gemeldete Brand nur als schwelende Zigarettenkippe im Papierkorb herausstellt; Gebühren für den Rettungswagen bei Gesundheitsproblemen, die sich als banale Befindlichkeitsstörungen entpuppen; Einführung des Schuldprinzips in die gesetzliche Krankenversicherung mit doppeltem Beitrag für Raucher, Trinker, Übergewichtige und Risikosportler? Nein, diese Überlegungen sind untauglich. Sowohl für den Sozialstaat als auch für den Rechtsstaat gilt: Die Inanspruchnahme darf nicht durch finanzielle Hürden infrage gestellt werden. Insofern können wir diesem Antrag zustimmen und bekennen uns zu einer bürgernahen Polizei, die jedem - unabhängig von finanziellen Erwägungen Hilfe, Schutz und Sicherheit bietet.

(Beifall GRÜNE/B90 und FDP)

Minister Woidke spricht.

Sehr gehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zwei Dinge, Herr Petke, haben mich ein wenig gewundert. Das erste, was schon von Vorrednern angemerkt wurde, ist, dass Sie auf diesen Tagesordnungspunkt heute nicht verzichtet haben. Ich habe es klar gesagt, in der Pressemitteilung auch klar begründet, ich muss das alles nicht hier wiederholen: Es wird keine sogenannte Blaulichtsteuer in Brandenburg geben.

Der zweite Punkt, der mich wundert, ist allerdings ein anderer. Er hat etwas mit dem Beginn der heutigen Sitzung, mit dem 1. Tagesordnungspunkt bzw. schon mit der gestrigen Sitzung, nämlich dem Punkt der Verwaltungsmodernisierung, zu tun: Sie sind offensichtlich im Großen und Globalen der Meinung, wir sollten uns mit anderen Bundesländern vergleichen, wir sollten Vorschläge der Opposition aufnehmen, wir sollten von der Erfahrung anderer lernen. Andererseits stehen Sie, wenn solche Prüfungen erfolgen, wenn es Strukturreformen gibt, in der ersten Reihe und schreien Zeter und Mordio.

(Frau Stark [SPD]: Ohne die Zusammenhänge zu kennen!)

Herr Petke, liebe Kollegen von der CDU, das passt nicht zusammen.

(Holzschuher [SPD]: Das passt zur CDU!)

Wir sind gut beraten, auch in Zukunft Erfahrungen anderer euopäischer Länder, aber auch Initiativen anderer Bundesländer, zum Beispiel die Initiative des CDU-geführten Hamburg zur Einführung einer „Blaulichtsteuer“, zu prüfen, meinetwegen auch kritisch, aber ergebnisoffen zu prüfen und die Erfahrung anderer für unsere Arbeit zu nutzen. Ich sage aber noch einmal: Hamburg wird es tun, wir werden es nicht tun. In Brandenburg wird es eine sogenannte Blaulichtsteuer nicht geben. - Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Der Abgeordnete Petke hat noch drei Minuten Redezeit.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man vertraut der SPD beim Thema innere Sicherheit nicht mehr.

(Oh! bei der SPD - Zuruf von der SPD: Man vertraut auch Ihnen nicht! - Frau Muhß [SPD]: Gut, dass wir Herrn Petke haben!)

Daran hat doch die Opposition keinen Anteil. Es sind doch Ihre Vorschläge. Sie sagen: Ein Präsidium. - Wir sagen: Das geht. Sie sagen: Vier Direktionen. - Wir sagen: Wenn man das richtig macht, geht das. - Die entscheidende Frage nach der Anzahl der Wachenstandorte beantworten Sie nicht. Sie schreiben einen fünf- oder sechsseitigen Brief an die Bediensteten der Poli

zei. Herr Minister, das unterscheidet Sie wohltuend von Ihrem Amtsvorgänger. Ich hab's hier auf meiner Maschine. Sie sagen, Sie lernen noch, weil Sie erst seit vier Wochen dabei sind.

Liebe Kollegen, was hindert Sie eigentlich daran, hier im Parlament nicht jeden Vorschlag der Landesregierung - und mag er so abwegig sein wie die „Blaulichtsteuer“ - zu rechtfertigen zu versuchen. Ich hätte, Frau Kollegin Stark und Herr Kollege Dr. Scharfenberg, schon erwartet, dass Sie sagen: Da hat sich jemand verrannt.

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Sie haben sich verrannt! - Holzschuher [SPD]: Warum macht es dann die CDU in Brandenburg?)

Sie sagen, das sei aus rechtlichen Erwägungen nicht weiterverfolgt worden. In der Pressemitteilung von Herrn Dr. Woidke findet sich zu rechtlichen Erwägungen überhaupt nichts. Da finden Sie die praktischen Gründe, warum man diesen abwegigen Vorschlag nicht weiterverfolgt.

Ich darf einmal aus dem ersten Zeitungsbericht zitieren, in dem steht, dass der neue Innenminister damit rechnet, dass bei Bagatellunfällen künftig diese Gebühr berappt werden und man nicht bei jedem Bagatellunfall die Polizei rufen soll. Darum geht es doch. Es geht um die dahinter liegende Absicht, bei Bagatellunfällen abzukassieren. Es geht darum, dass die Menschen nicht mehr die Polizei rufen, wenn sie glauben, dass sie die Polizei brauchen. Wenn man bei Unfällen anfängt, wo hört man dann auf? Das Nächste ist dann Ruhestörung, dann folgt Graffiti,

(Zuruf des Abgeordneten Speer [SPD])

dann folgen die Dinge, bei denen der Vorgänger des jetzigen Innenministers einmal gesagt hat: Na ja, das müssen die Menschen dann vielleicht in Kauf nehmen. - Weil das nicht unser Weg ist, weil das nicht der Weg des Landes Brandenburg sein kann, diskutieren wir das hier.

Herr Dr. Scharfenberg, es ist doch nicht die CDU, die diesen Quatsch in die Öffentlichkeit gebracht hat. Es ist das Innenministerium, das diesen Vorschlag gemacht hat. Sie dürfen sich nicht darüber wundern, dass er entsprechend diskutiert wird.

(Holzschuher [SPD]: Was machen die denn in Hamburg für einen Quatsch?)

Meine Kolleginnen und Kollegen, ich wünschte mir, dass Sie ein wenig selbstbewusster werden, dass Sie sich einmal die Frage stellen, wer hier im Bereich der Inneren Sicherheit solche Vorschläge macht. Wir waren es nicht, niemand von der Opposition. Deswegen springen Sie doch einmal und stimmen diesem sehr vernünftigen Antrag der CDU-Fraktion zu. - Danke schön.

(Beifall CDU und FDP - Frau Stark [SPD]: In der Schule würde es heißen: Danke - Setzen!)

Vielen Dank, Herr Petke. - Wir sind damit am Ende der Aussprache und kommen zur Abstimmung. Es geht um den Antrag in Drucksache 5/2251, eingebracht von der CDU-Fraktion

„Keine Strafsteuer für Polizeieinsätze“. Wer diesem Antrag Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Dem Antrag ist nicht Folge geleistet worden. Er ist mit einer deutlichen Mehrheit abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 9 und eröffne Tagesordnungspunkt 10:

Der Landtag muss bei der Polizeistrukturreform mitentscheiden!

Antrag der Fraktion der CDU der Fraktion der FDP der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ich eröffne die Aussprache mit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Die Abgeordnete Nonnemacher hat das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste, sofern noch vorhanden!

„Nicht die Regierung hält sich ein Parlament, sondern das Parlament bestimmt und kontrolliert die Regierung“,

(Beifall GRÜNE/B90 und vereinzelt DIE LINKE)

sagte der Präsident des Deutschen Bundestages Norbert Lammert anlässlich der konstituierenden Sitzung nach der Bundestagswahl 2009.

(Speer [SPD]: Die Regierung ist auch Verfassungsorgan, das wissen Sie?)

Herrn Lammert treibt seit einiger Zeit die Sorge um, dass die parlamentarische Demokratie immer weniger geachtet und das Parlament gar als Trickkiste angesehen wird, in der eine Mehrheit macht, was sie will.

Nun wollen wir Grünen der rot-roten Landesregierung keinesfalls vorwerfen, sie peitsche die Polizeireform durch das Parlament wie die Bundesregierung die Gesetze zur Verlängerung der Akw-Laufzeiten. Wir mahnen aber eine weitergehende Beteiligung des Parlaments an der Ausgestaltung der Polizeireform an.