Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Auf der Webseite der S-Bahn ist folgender Satz zu lesen:
„In Berlin am Puls der Zeit wird Mobilität großgeschrieben. Bis zu 1,3 Millionen Fahrgäste befördert die S-Bahn Berlin an Werktagen. Die rot-gelben Züge gehören zum Stadtbild wie das Brandenburger Tor und der Fernsehturm.“
Leider gehören zum Stadtbild seit einiger Zeit aber auch in der Kälte vergeblich auf Züge wartende Fahrgäste, überfüllte Waggons und um Ausreden ringende Bahnvertreter. So ist es auch nicht verwunderlich, dass einem die Mahnungen, Kommentare und Beiträge und die Forderungen aus Berlin und Brandenburg, die wir gehört haben, inzwischen häufig bekannt vorkommen.
Bereits im letzten Jahr ist es nicht gelungen, die S-Bahn zu spürbaren und - dies schon gar nicht - zu nachhaltigen Verbesserungen zu bewegen. Die Deutsche Bahn AG hat aus dem SBahn-Chaos offenkundig nichts gelernt. Ihr Auftreten in diversen Anhörungen und Erörterungsgesprächen in den letzten Wochen war geradezu empörend.
Das bundeseigene Verkehrsunternehmen tut so, als sei es für den desaströsen Zustand ihres Tochterunternehmens S-Bahn nicht verantwortlich, und versucht anderen den schwarzen Peter zuzuschieben. „Alle reden vom Wetter - wir nicht!“, dieser berühmte Werbeslogan der Bahn aus den 60er Jahren hat inzwischen definitiv seine Gültigkeit verloren. Das Wetter ist schuld, die Zulieferer, die Schneeräumfahrzeuge, die Schnee auf Schienen schieben usw. Eigene Fehler werden nicht erkannt, womit das Management der Bahn nun selbst ein Teil des Problems wird. Denn der erste Schritt zur Problemlösung wäre die Erkenntnis des eigenen Versagens, und die Deutsche Bahn AG hat versagt.
Sie hat im Einklang mit der Bundesregierung die S-Bahn mit völlig überzogenen Renditeforderungen jahrelang geschröpft, um für den geplanten Börsengang attraktiv zu erscheinen. Personal, Werkstätten und Fuhrpark der S-Bahn blieben dabei auf der Strecke. Diese verfehlte Verkehrspolitik müssen nun die SBahn-Kunden ausbaden, besonders in den brandenburgischen Kommunen, die zeitweise komplett von der S-Bahn abgeschnitten waren. Die Verwendung der Dividende für die Behebung dieser Missstände sollte daher eine Selbstverständlichkeit sein.
Eine Antwort auf die Frage, welche Maßnahmen ergriffen werden, um dieses Problem zu lösen, und wann das der Fall sein wird, haben wir trotz zahlreicher Sondersitzungen nicht bekommen. Stattdessen flüchtet sich das Management in technische Details, garniert mit hübschen Bildchen der nicht funktionierenden Technik.
Wir haben es heute schon mehrfach gehört: Hauptschuld trifft die Deutsche Bahn AG und den Bund. Nun sind wir hier aber im Landtag. Auch die Landesregierungen von Brandenburg und Berlin haben bisher noch nicht den richtigen Ton getroffen und agieren nach wie vor wie zahnlose Tiger. Dabei hatten sie sich einen ihrer Zähne selbst gezogen, als sie voreilig und ohne Not vertragliche Ausstiegsoptionen aufgaben. Es gibt wahrlich ein klägliches Bild ab, wenn Minister Vogelsänger mitteilen lässt, es gebe keine kurzfristige Möglichkeit, die Bahn zu einem vertragsgerechten Agieren zu zwingen. Immerhin sind die Länder Brandenburg und Berlin Auftraggeber der Verkehrsleistungen. Damit, Herr Minister, haben Sie ein erhebliches Druckmittel in der Hand.
Im Vordergrund der Bemühungen der Landesregierung müssen Antworten auf die Fragen stehen, wie S-Bahn-Kunden wieder zügig und verlässlich an ihre Reiseziele gelangen. Eine Aktuelle Stunde und Entschließungsanträge sind schön und gut - allein die Wirkung unserer Debatte wird sich in Grenzen halten.
In dieser Legislaturperiode steht das Thema S-Bahn bereits zum fünften Mal auf der Tagesordnung. Das wird auch so weitergehen, wenn die Landesregierung nicht endlich handelt. Daher fordere ich Sie an dieser Stelle nochmals eindringlich auf, den SBahn-Vertrag zu kündigen und den Betrieb im Rahmen einer Auferlegung weiterführen zu lassen. Gleichzeitig muss die Neuausschreibung von Teilstrecken unverzüglich vorbereitet werden.
Hier wundert es mich schon ein wenig, wenn die Kollegin Wehlan sagt, Ausschreibungen machten zurzeit keinen Sinn, weil
die Lieferung fünf Jahre dauern würde. Das ist genau der Grund, warum wir jetzt anfangen müssen! Selbst das Bahnmanagement sagt, die aktuelle Situation sei nur mit neuen Zügen in den Griff zu bekommen. Diese neuen Züge bekommen wir nur mit neuen Verträgen, neue Verträge nur mit neuen Ausschreibungen. Ich hoffe, diese Kausalkette erkennt nun auch die Landesregierung und beginnt gemeinsam mit Berlin schnellstmöglich mit der Ausschreibung der S-Bahn-Leistungen; denn nur so können Sie den Bürgerinnen und Bürgern in Zukunft dieses Chaos ersparen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Nutzer der Bahn! Es ist ganz deutlich: Das Land Brandenburg ist in Verantwortung für den schienengebundenen Personennahverkehr. Wir werden dieser Verantwortung gerecht, und ich möchte daran erinnern, was wir gemeinsam seit 1996 in der Entwicklung des Bahnverkehrs und des Nahverkehrs erreicht haben.
Herr Beyer, ich finde es gut, dass wir heute eine Aktuelle Stunde haben. Die Menschen haben ein Recht darauf, zu erfahren, wie es weitergeht. Deswegen brauche ich gar nicht in die Geschichte zu schauen, sondern ich werde darauf sehen, wie es weitergeht. Das Thema S-Bahn ist Thema Nummer 1 in Berlin wer hätte das vor zwei Jahren gedacht! Das zeigt: Wie wichtig Infrastruktur ist, wird Menschen erst so richtig bewusst, wenn Infrastruktur nicht funktioniert. Das sollte uns auch Ansporn bei Haushaltsberatungen sein. Es ist schon eine riesige Kraftanstrengung, die bestehende Infrastruktur zu erhalten, und darum müssen wir gemeinsam kämpfen.
Ein funktionierender Nahverkehr ist ein Standortvorteil für die Menschen. Die Menschen sind darauf angewiesen. Die S-Bahn ist und bleibt für Brandenburg und Berlin unverzichtbar. Ich will die S-Bahn, und ich will, dass sie fährt. Hier ist auch nichts mit zahnlosem Tiger: Die Hälfte der Zahlungen habe ich im Januar eingestellt; ich halte das für richtig. Wenn die Bahn nachweist, dass sie den Vertrag erfüllt, dann bekommt sie auch das entsprechende Geld - anders geht es nicht.
Dabei ist die Krise bei der S-Bahn nur die Spitze des Eisbergs. Verspätungen und Zugausfälle im Regional- und Fernverkehr gab es in ganz Deutschland. Das Beispiel Hoyerswerda wurde genannt. Diese Stadt hat immerhin 37 836 Einwohner, und es gab dort keinen Bahnverkehr mehr. Das ist nicht hinnehmbar, so etwas darf einfach nicht passieren.
Daher war dies auch ein Thema der Verkehrsministerkonferenz am 10. Januar dieses Jahres. Im Wesentlichen war das Thema die Finanzierung der Infrastruktur - ein ganz wichtiges Thema -, die Zukunft der Regionalisierungsmittel sowie die Frage, wie es mit den Entflechtungsmitteln weitergeht. Aber wir hatten ein
anderes Drehbuch: Herr Dr. Grube war auf meine Initiative hin Gast der Verkehrsministerkonferenz. Er hielt dort einen interessanten Vortrag: Zuerst gab es eine Entschuldigung - das ist richtig -, dann hat er die Bahnmitarbeiter in Schutz genommen dies möchte ich auch unterstreichen -, einschließlich der S-BahnMitarbeiter, denn diese leiden genauso darunter, dass das System nicht funktioniert. Dann gab es Vorwürfe: Vorwürfe an die Bahnindustrie und an das Eisenbahn-Bundesamt. Beim Letzteren kann man Dinge beschleunigen, aber die Sicherheit der Fahrgäste muss Primat sein. Das muss auch beim EisenbahnBundesamt weiterhin gelten. Als Nächstes gab es Ankündigungen: Investitionen in Höhe von insgesamt 43 Milliarden Euro. Die Verkehrsminister waren schon sehr erstaunt darüber, wie schnell das geht und wie hoch die Investitionen sein sollen das werden wir sicherlich noch einmal mit dem Bahnchef zu besprechen haben. Ursache ist eine schlecht gewartete Infrastruktur, sowohl im Netz wie auch bei den Fahrzeugen, und eine nicht ausreichende Fahrzeugreserve. Hier sage ich in Richtung der CDU: Das ist Verantwortung der Bahnunternehmer!
Ich komme jetzt zu den Defiziten im Netz: Die jährlich geforderte Abführung von 500 Millionen Euro an den Bund ist und bleibt unverantwortlich.
Herr Bundesminister Dr. Ramsauer braucht das nicht schönzureden: Einnahmen landen beim Finanzminister - das ist auch in Brandenburg so -, sie landen also bei Herrn Dr. Schäuble und nicht im Verkehrsressort. Das ist Politik „rechte Tasche - linke Tasche“. Das, was man an Investitionen zur Verfügung stellt die 4 Milliarden wurden genannt -, nimmt man über diesen Weg wieder ab.
Jetzt wird es richtig spannend: Auf der Verkehrsministerkonferenz gab es einen einstimmigen Beschluss. Nun muss man einmal schauen, wer so Verkehrsminister ist: Wir haben fünf Verkehrsminister, gestellt von CDU und CSU, wir haben fünf Verkehrsminister, gestellt von der SPD, wir haben vier Verkehrsminister, gestellt von der FDP, und wir haben zwei Verkehrsminister, gestellt von den Grünen. Dies ist durchaus eine Zusammensetzung, die nicht unbedingt üblich ist.
„Die Verkehrsministerkonferenz fordert den Bund auf, die für den im Normalbetrieb erwarteten Qualitätsstandard sowie für den in Extremsituationen definierten Mindeststandard notwendigen Finanzmittel dauerhaft bereitzustellen. Solange diese Mittelbereitstellung nicht gewährleistet ist, sind eventuelle Gewinne der DB AG in Abstimmung mit dem Bund hierfür zu verwenden.“
Es soll also keine Gewinnabführung geben. Dies ist ein einstimmiger Beschluss von 16 Verkehrsministern. Das soll unser Maßstab in der Auseinandersetzung mit dem Bund sein.
Ich werde weiter für einen guten und leistungsfähigen ÖPNV im Land Brandenburg kämpfen. Bei Ausschreibungen war das
Land Brandenburg Vorreiter. Bei Ausschreibungen gab es als Bedingung immer verbesserte Verkehrsleistungen und verbesserte Fahrzeuge. Dabei wird es auch bleiben.
Zur aktuellen Situation bei der S-Bahn: Wir hatten einen gemeinsamen Termin am 7. Januar. Hier waren Bürgermeister, Landräte, Abgeordnete, von der CDU sogar der Generalsekretär, Frau Kircheis und Herr Jungclaus dabei. Ich halte es für gut, dass wir dort gemeinsam über Lösungswege gesprochen haben, denn nur gemeinsam und durch eine ordentliche Öffentlichkeitsarbeit mit ausreichenden Informationen bekommen wir das Winterchaos 2010/2011 in den Griff. Es gab Übereinstimmung: Lieber einen verlässlichen Fahrplan als einen Fahrplan, der immer wieder störanfällig ist.
Diesen Fahrplan gibt es ab dem 24. Januar dieses Jahres - eine richtige Entscheidung für die Nutzer. Es heißt aber auch: Anschlüsse müssen stimmen. Viel Abstimmung ist notwendig. Der nächste Termin ist am 4. Februar; ich lade die Sprecher der Fraktionen dazu ein. Dann müssen wir gemeinsam mit den Bürgermeistern entscheiden, wie lange dieser Notfahrplan gilt und was die Erfahrungen der ersten zwei Wochen besagen.
Zur Fahrzeugfrage: Am 7. Januar haben mich Journalisten gefragt, warum ich denn nicht ausdrücklich die 2 Milliarden Euro an Fahrzeuginvestitionen begrüßt habe. Erst einmal müssen diese 2 Milliarden Euro aufgebracht werden, und neue Fahrzeuge einzusetzen ist erst in vier bis fünf Jahren realistisch. Es wird nicht der gesamte Fahrzeugpark auf einmal ersetzt werden können. Übrigens schließen neue Fahrzeuge Ausschreibungen nicht aus. Ich habe ja beim Thema Regionalverkehr beschrieben, dass dort immer neue Fahrzeuge vorgeschrieben wurden. Es muss aber jedem bewusst sein, dass wir mit der vorhandenen Fahrzeugflotte noch mindestens zehn Jahre zu fahren haben. Deshalb brauchen wir auch Investitionen in das bestehende Wagenmaterial.
Herr Jungclaus, Ihr Zitat war ja gut, aber nicht vollständig: „Alle reden vom Wetter, wir nicht, wir fahren immer“. - Das war der Werbeslogan der Deutschen Bundesbahn 1966. Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass die Bahn, dass die SBahn immer fährt. Solche Beispiele wie die Einstellung der Fahrten nach Strausberg-Nord, Wartenberg und Hennigsdorf müssen der Vergangenheit angehören. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In welche Richtung muss die Bahn fahren? In erster Linie müssen diejenigen das Sagen bekommen, denen die Bahn gehört. Auch wenn es Ralf Holzschuher nur sinngemäß so gesagt hat: Wir brauchen in Zukunft wieder eine Bürgerbahn statt den angegangenen Börsenwahn. Daher müssen die Fahrgäste mehr Mitspracherecht erhalten. Die Politik, in diesem Fall der Bund, muss die Interessen der Eigentümer statt die Kapitalmarktinteressen wahrnehmen. Es kann nicht sein, dass ein selbstherrlicher Bahnchef wie Herr
Mehdorn schaltet und waltet, wie er möchte. Der Bahnchef muss an die Vorgaben der Politik gebunden werden - und nicht umgekehrt.
Herr Grube muss nach meinem Dafürhalten eine faire Chance bekommen, seine Ideen zu entwickeln. Ein solches Chaos wie bei der DB AG entsteht nicht über Nacht, genauso wenig verschwindet es über Nacht - leider. Herr Grube hat schon gute Akzente gesetzt, indem er erst einmal alle ehemaligen Politiker, die sich in der DB auf ihre alten Tage eine goldene Nase verdienen wollten, vor die Tür gesetzt hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die wichtigste Strategie des DB-Konzerns darf nicht in erster Linie ein Wachstum an Rendite um jeden Preis sein. Es muss unter Beachtung der Wirtschaftlichkeit vorrangig um Wachstum an Fahrgästen und transportierten Gütern gehen. Zunächst muss sich der Konzern auf sein Kerngeschäft als Deutsche Bahn konzentrieren. Es darf eben nicht darum gehen, mit Immobilienspekulationen in der Stuttgarter Innenstadt Quartalsgewinne und somit Prämien für den Vorstand zu erwirtschaften.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen eine grundlegende Neuausrichtung im Fernverkehr. Wir brauchen keine Züge, die mit Geschwindigkeiten und Fahrzeiten unterwegs sind, die Flugzeugen ähnlich sind - bei den dünnen Reifen muss man Angst haben, dass sie tatsächlich irgendwann abheben. Wir brauchen wieder technisch zuverlässige Züge, die gerade auf Mitteldistanzen die Fahrgäste pünktlich und vor allem wieder günstiger ans Ziel befördern, gute Anschlüsse bieten und nicht nur Metropolen, sondern auch die Regionen erschließen. Der ICE mit seinen teuren Neubautrassen ist nicht das Nonplusultra. In Brandenburg hält er nämlich gar nicht. Wir haben erlebt, wie fast das gesamte Land Scheibchen für Scheibchen, Region für Region vom Fernverkehr abgehängt wurde. Die Uckermark hat erst beim letzten Fahrplanwechsel erneut ein Streichkonzert an Intercitys erlebt. Potsdam als größte Stadt des Landes wird nur noch von einem einzigen Intercity am Tag angefahren.
Übrigens, die Abhängung von Fernverkehr kostet auch uns als Land enorm viel Geld. Wir müssen wegfallende Leistungen mit Regionalzügen ersetzen. Sonst wäre der Zug in diesen Regionen sprichwörtlich abgefahren. Daher brauchen wir wieder einen Fernverkehr, der die Lücke zwischen ICE und Bummelzug schließt. Das Projekt eines flächendeckenden Deutschlandpaktes wäre hier eine geeignete Maßnahme.