Vielen Dank, Herr Kollege Baer. Sie haben gerade darüber gesprochen, Leiharbeit sei ein Instrument der Profitsteigerung. Stimmen Sie mit mir darin überein, dass diese Aussage sehr einseitig ist und voraussetzt, dass ein Arbeitnehmer, der über eine Leihfirma in den Betrieb kommt, über das gleiche Produktivitätsniveau verfügt wie ein Arbeitnehmer, der bereits lange Zeit in dem Betrieb beschäftigt ist?
Anders ausgedrückt: Ein Betrieb, der hoch speziell einen Wertschöpfungsprozess in seinem Unternehmen eingeführt hat, kann per se nicht sicherstellen, dass mit einem eingesetzten Leiharbeiter dieser Wertschöpfungsprozess auf gleichem Produktivitätsniveau gehalten werden kann.
- Frau Hackenschmidt, bleiben Sie doch ganz ruhig! Ich wiederhole meine Frage: Ist das nicht eine sehr einseitige These, die Sie hier aufstellen?
Ich bin nicht der Meinung, dass das eine einseitige These ist. Die Praxis in den Betrieben zeigt, dass von diesem Instrument tatsächlich häufig Gebrauch gemacht wird und Leiharbeiter zur Gewinnmaximierung eingesetzt werden. Die Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer, die in diesem Bereich beschäftigt sind, ist durchaus mit der der Stammkräfte vergleichbar. Sonst würde man das auch nicht tun.
Meine Damen und Herren! Die Einstellung der Zeitarbeitskräfte für einen so kurzen Zeitraum, wie ich ihn gerade ausgeführt habe, bedeutet fast zwangsläufig, immer wieder auf Sozialleistungen angewiesen zu sein. Wir fordern deshalb in unserem Antrag die unbefristete Einstellung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Leiharbeitsfirmen.
Mit befristeten Arbeitsverträgen und noch schlechterer Entlohnung im Bereich der Leiharbeit können wir mit Sicherheit keine Fachkräfte im Land halten oder andere zur Rückkehr ermuntern.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, faire Arbeitsbedingungen in der Leiharbeit sind dringend nötig, und zwar im Hinblick auf die Dynamik und die jeweilige Branche sowie die Folgen auf dem Arbeitsmarkt - vor allem mit Blick auf die Freizügigkeit.
Helfen Sie darum mit, die Angleichung der Arbeitsbedingungen und die Entlohnung zwischen Stammbeschäftigten und Leiharbeitern in einem Betrieb zu fördern. Helfen Sie mit, dass Leiharbeit in Betrieben erfolgreich von Arbeitnehmervertretungen und Belegschaften reguliert wird. All dies wird dazu beitragen, Brandenburg als Lebensmittelpunkt für Menschen attraktiv zu machen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, wenn Sie Ihre gestern geführte Diskussion in Bezug auf die Rückkehrer nach Brandenburg ernst gemeint haben, dann stimmen Sie unserem Antrag heute doch zu. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Baer. - Die Aussprache wird mit dem Beitrag der FDP-Fraktion fortgesetzt. Der Abgeordnete Büttner hat das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Baer, das machen wir natürlich nicht. Das haben Sie aber sicher auch nicht erwartet.
Frau Kollegin Schier hat schon hervorragend ausgeführt, dass das Thema bereits besetzt ist, und zwar bundespolitisch. Des
wegen verstehe ich nicht ganz, warum Sie diesen Antrag vorgelegt haben. Er ist aus unserer Sicht an der Stelle überflüssig. Aber das mag dahingestellt sein.
Ich beginne einmal mit dem Positiven. Sie haben in einem Punkt Recht, nämlich mit dem, was Sie eingangs schreiben:
„Der Landtag Brandenburg begrüßt den Abschluss des Flächentarifvertrages der nordwestdeutschen Stahlindustrie zum 1. Oktober 2010.“
Mit dem nächsten Satz haben Sie auch noch Recht; das begrüßen wir auch. Wenn sich die Tarifvertragsparteien darauf einigen, dann findet das auch die ausdrückliche Zustimmung unserer Fraktion. Das ist überhaupt nicht der Streitpunkt an dieser Stelle. Sie sagen dann aber:
Und dann kommt Ihre Forderung. Herr Baaske ist doch im Vermittlungsausschuss. Was macht er denn da all diese Wochen?
Ich gehe doch davon aus, dass sich der Minister für das einsetzt, was Sie bzw. Ihre Regierungskoalition hier fordern.
Aber worüber reden wir hier eigentlich? Die rechtliche Grundlage für die Leiharbeit, also das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, kommt nicht von FDP oder CDU. Es waren ein SPD-Minister, und zwar Arbeitsminister Walter Arendt, und ein SPDBundeskanzler, auf deren Initiative das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz 1972 entstanden ist, und es war eine SPD-geführte Bundesregierung, die die Leiharbeit 2003 im Zuge der HartzReformen gelockert und dadurch maßgeblich dazu beigetragen hat, dass die Zahl der Leiharbeiter zwischen 2003 und 2008 deutschlandweit von 400 000 auf 800 000 gestiegen ist.
Gerade den Sozialdemokraten stünde es also am wenigsten zu, hier eine Generalkritik an dieser Überlassungspraxis zu äußern.
Aber vielleicht kommen wir doch noch zu einigen Übereinstimmungen. Ich glaube, das wird schwierig, aber ich möchte einige Punkte nennen, die aus unserer Sicht wichtig sind.
Ganz klar, auch wir als FDP - das ist übrigens auch nichts Neues, Herr Baaske weiß das auch aus dem Vermittlungsausschuss stehen zu dem Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Dieser Grundsatz muss in der Zeitarbeitsbranche auch gestärkt werden. Ich glaube, so weit stimmen wir noch überein. Nach einer Einarbeitungsfrist muss ein Zeitarbeiter den gleichen Lohn wie die Stammbelegschaft erhalten.
- Frau Wöllert, bleiben Sie doch ruhig. Sie können nachher noch darauf reagieren. Sie haben noch alle Zeit der Welt.
Zeitarbeit dient der flexiblen Reaktion auf Auftragsschwankungen, ist aber kein Mittel zur Ersetzung von Stammbelegschaft oder für Lohndifferenzierungen nach unten. Ich glaube, darauf können wir uns auch noch einigen. Zeitarbeit soll auch dazu dienen, Arbeitsuchenden eine Chance zu geben, den Weg in den ersten Arbeitsmarkt zurückzufinden. Wenn wir aber Equal pay ab dem ersten Tag zahlen, dann ist das doch das K.o. für die Zeitarbeit und vor allem auch das K.o. für den Einstiegsweg.
Im Bericht über das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz steht als Ergebnis, dass Verleihunternehmen überwiegend Arbeitskräfte einstellen, die vor Beginn des Zeitarbeitsverhältnisses nicht unmittelbar oder überhaupt noch nicht beschäftigt waren. Wenn wir diese Leiharbeit als Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt nutzen können, so ist das doch eine nützliche und sinnvolle Regelung. Die Entwicklung, die wir mit der unter Rot-Grün eingeführten Tariföffnungsklausel gesehen haben, wonach mittlerweile nahezu 100 % der Mitarbeiter nach Zeitarbeitstarifvertrag entlohnt werden, muss dahin gehend ergänzt werden, dass die Gleichbehandlung mit der Stammbelegschaft, die dahinter zurückgetreten ist, erreicht wird. Deswegen muss auch die Möglichkeit im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, vom Grundsatz „Equal pay“ abzuweichen, zeitlich begrenzt werden. Ich glaube nicht, dass es richtig ist, eine zeitliche Begrenzung auf zwölf Monate festzulegen. Wenn der Bericht zur Arbeitnehmerüberlassung uns gesagt hat, drei Monate sei die Dauer des durchschnittlichen Arbeitseinsatzes - das haben Sie, Herr Baer, gerade noch einmal bestätigt -, dann muss man wahrscheinlich genau in diese Richtung, in Richtung drei Monate, kommen.
Zum Beginn eines Entleihverhältnisses, also in der Einarbeitungszeit, und für eine befristete Zeit danach ist es sinnvoll, eine gewisse Flexibilität bei der Entlohnung zuzulassen. Danach wollen wir die Angleichung des Lohnes an den der Stammbelegschaft. Deshalb haben wir in diesem Bericht gesagt: Diese drei Monate sind eine Zielmarke, über die wir durchaus auch gesprächsbereit sind.
Ich sehe auch Korrekturbedarf beim Anstellungsverhältnis von Leiharbeitern in den Leiharbeitsfirmen und bei den Mitbestimmungsrechten der Betriebsräte bei der Einstellung von Zeitarbeitern. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass wir das Problem der Befristung von Zeitarbeitsverhältnissen mit einer Zweiplus-X-Regelung lösen. Das Arbeitsverhältnis würde so auf zwei Einsätze im Einsatzbetrieb begrenzt - in der Hoffnung, dass dort ein Klebeeffekt für den Arbeitnehmer entsteht -, und erst beim dritten Einsatz im Entleihbetrieb wird aus der befristeten eine unbefristete Anstellung in der Leiharbeitsfirma.
Der Vermittlungsausschuss berät das Ganze. Das bedeutet aber auch - weil ich immer höre, es gebe kein Entgegenkommen seitens der Bundesregierung - ein Entgegenkommen der SPD-geführten Länder, meine Damen und Herren. Das betrifft im Übrigen auch die Grünen, die nachher noch einmal darauf eingehen werden. Führen Sie diese Diskussion im Vermittlungsausschuss, damit wir im Interesse einer vernünftigen Regelung der Arbeitnehmerüberlassung eine Lösung finden! Ich bin sicher, Herr Baaske, die Bundesregierung ist dazu bereit. Auch meine Fraktion hier im Landtag wie auch die Bundestagsfrak
tion sind dazu bereit, auch wenn Sie nachher behaupten werden, man bewege sich um keinen Millimeter. Das glauben wir nicht. In einer gewissen Art und Weise sehen Sie also, dass Sie unsere Unterstützung haben. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Büttner. - Frau Abgeordnete Nonnemacher spricht nun für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe gestern und heute viele CDU-Anträge befürwortet. Ich bin jetzt einmal ganz sozialdemokratisch.
Mit dem hier vorliegenden Antrag rennen die Koalitionsfraktionen bei uns Grünen sozusagen offene Scheunentore ein. Die hier erhobenen Forderungen nebst Begründung unterstützen wir vollinhaltlich.
Auch wenn wir gestern ein Rückkehrerprogramm durchaus als sinnvoll erachtet haben, stimmen wir, wie gesagt, als Teil der Opposition diesen Anträgen auf jeden Fall zu.
Unsere Vorstellungen gehen in einigen Punkten sogar noch weiter, wie unsere Bundestagsfraktion bereits vor einem Jahr in ihrem Antrag „Zeitarbeitsbranche regulieren - Missbrauch bekämpfen“ formuliert hat. Wir Grünen fühlen uns historisch durchaus für die schlechten Arbeitsbedingungen in der Leiharbeit mitverantwortlich. Durch die Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes 2002 unter Rot-Grün wurde der Boom der Leiharbeit überhaupt erst möglich. Was damals bei über 5 Millionen Arbeitslosen als Brücke in den ersten Arbeitsmarkt gedacht war, hat sich schnell als Fehlentwicklungen herausgestellt, und diese Fehlentwicklungen müssen jetzt dringend korrigiert werden.