Protokoll der Sitzung vom 20.01.2011

Unsere Vorstellungen gehen in einigen Punkten sogar noch weiter, wie unsere Bundestagsfraktion bereits vor einem Jahr in ihrem Antrag „Zeitarbeitsbranche regulieren - Missbrauch bekämpfen“ formuliert hat. Wir Grünen fühlen uns historisch durchaus für die schlechten Arbeitsbedingungen in der Leiharbeit mitverantwortlich. Durch die Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes 2002 unter Rot-Grün wurde der Boom der Leiharbeit überhaupt erst möglich. Was damals bei über 5 Millionen Arbeitslosen als Brücke in den ersten Arbeitsmarkt gedacht war, hat sich schnell als Fehlentwicklungen herausgestellt, und diese Fehlentwicklungen müssen jetzt dringend korrigiert werden.

Missbrauch von Leiharbeit hat zu Lohndumping und zur Substitution von Stammbelegschaften geführt. Es besteht dringlicher Regelungsbedarf, um die Erosion regulärer, sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse durch Zeitarbeit zu stoppen. Die Intention, Menschen dauerhaft in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen, hat sich als Illusion erwiesen. Der sogenannte Klebeeffekt, nämlich die Übernahme von Zeitarbeitern und Zeitarbeiterinnen durch den Entleihbetrieb, liegt nur bei 7 %. Studien zeigen, dass, wer vor dem Einsatz in der Leiharbeit arbeitslos war, es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nach Beendigung der Beschäftigung in der Zeitarbeitsbranche wieder ist. Leiharbeit ist im hohen Maße prekäre Beschäftigung, bedeutet Niedriglohn, in über 10 % ergänzendes ALG II, und Leiharbeit ist natürlich überwiegend weiblich.

Die Leiharbeit hat sich in der Dekade von 1998 bis 2008 nahezu verdreifacht: auf eine Dreiviertelmillion Beschäftigte. Mit der Wirtschaftskrise von 2009 kam ein Einbruch. Jetzt, 2010, hat mit dem Aufschwung die Beschäftigung in der Leiharbeit fast die Millionengrenze erreicht. Die Leiharbeitsquoten in den Betrieben der Metall- und Elektroindustrie bewegen sich auf sehr hohem Niveau, und unser Gesundheitswesen ist - nebenbei - zu einem Eldorado für Leiharbeit geworden.

Meine Damen und Herren, ich weiß, wovon ich rede. In meiner Klinik habe ich auf der Intensivstation in mancher Schicht fast nur noch mit Leasingkräften zusammengearbeitet. Neben den arbeitsmarktpolitischen Problemen haben sich dabei oft auch Qualitätsprobleme ergeben. In einem Notfallteam muss jeder Handgriff sitzen, und eine Leasingkraft, die trotz vorhandener beruflicher Qualifikation die Infrastruktur und die Verfahrensabläufe des Hauses nicht kennt, kann kein adäquater Ersatz für eine Stammbelegschaft sein. Dieses Phänomen nimmt aber gerade im Gesundheitswesen in unglaublichem Maße zu.

Wir Grünen wollen Zeitarbeit nicht generell unmöglich machen. Sie kann bei verantwortlicher Handhabung Flexibilisierungsvorteile gerade für kleine Unternehmen bieten. Ziel muss aber der Ausbau regulärer, sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse unter Schutz von Zeitarbeitnehmerinnen und Zeitarbeitnehmern wie Stammbelegschaften gleichermaßen sein. Dazu wollen wir die Durchsetzung des Prinzips „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ durch Streichung des Tarifvorbehalts.

Glücklicherweise hat das Bundesarbeitsgericht der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personal-Service-Agenturen jetzt die Tariffähigkeit aberkannt; das war überfällig. Wir wollen einen Zuschlag in Höhe von 10 % des Bruttolohns für Zeitarbeiterinnen und Zeitarbeiter zum Ausgleich für unsichere Beschäftigung und zur Verringerung des Anreizes, reguläre Arbeit zu verdrängen. Dies ist zum Beispiel in Frankreich schon länger üblich. Wir wollen ein Synchronisationsverbot mit Mindestlohn in der verleihfreien Zeit sowie ein Recht auf Qualifizierung, und wir fordern eine Quote von maximal 10 % Leiharbeit in Großbetrieben mit über 200 Beschäftigten sowie ein Verbot der konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung. Auch das ist ein großes Problemfeld mit immer weiterer Auslagerung in sogenannte Töchterbetriebe.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Meine Damen und Herren, sozial ist nicht, was Arbeit schafft, sondern sozial ist, was gute Arbeit schafft.

(Vereinzelt Beifall GRÜNE/B90 und SPD sowie: Richtig!)

Wir brauchen in Brandenburg gute Arbeit zur Bewältigung der Zukunftsaufgaben.

Minister Baaske setzt die Debatte für die Landesregierung fort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Kollegin Nonnemacher, Sie müssen sich nicht ganz so viel Asche aufs Haupt streuen. Wenn wir noch einmal in das Jahr 2002/2003 zurückschauen - ich habe - damals unter anderem auch mit Fritz Kuhn - die Verhandlungen sehr eng im Bundeswirtschaftsministerium begleitet -, dann müssen wir uns einmal überlegen: Was war eigentlich der Auslöser für die Novellierung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes? Das waren insbesondere die Anträge, die wir aus Sachsen von Herrn Milbradt und Herrn Biedenkopf gehört haben, und es waren insbesondere die Anträge, die wir von Herrn Koch aus Hessen bekommen haben, die den Kündigungsschutz massiv lockern wollten. Da war die Antwort, die von SPD und Grünen gegeben wurde: Nein, wenn ihr unbedingt Flexibilisierung am Arbeits

markt haben wollt, dann werden wir eben nicht den Kündigungsschutz lockern, sondern dafür sorgen, dass die Leiharbeit über das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz aus der Schmuddelecke herausgeholt wird.

2002/2003 war es Realität, dass sich niemand zuzugeben getraut hat, dass er in der Leiharbeit ist. Niemand hat sich zuzugeben getraut, dass er Leiharbeitgeber ist, weil: Leiharbeit war schmuddelig. Es war ein Ansehensverlust, wenn man gesagt hat, dass man in dieser Branche arbeitet. Heute gibt es - nur in Brandenburg - 500 Unternehmen, die Leiharbeit machen, also Leiharbeitsunternehmen. Ich rede jetzt nicht von entleihenden, sondern ich rede von verleihenden Unternehmen. Das macht schon einmal deutlich, dass da in den letzten Jahren viel passiert ist. Es ist richtig, dass wir 2002 im Gesetzentwurf von Rot-Grün stehen hatten: Es gilt Equal pay. - Das war im Übrigen auch lange Zeit Auffassung der B-Seite, sprich der CDU und der FDP. Equal pay ist das Gebot der Stunde. Das akzeptieren wir. Das ist auch ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit, und das gehört dann eben auch in die Leiharbeit.

Ehrlicherweise muss man sagen, lieber Kollege Baer, es waren die Gewerkschaften, die dann gesagt haben - ich kann mich gut an das Gespräch mit Herrn Sommer erinnern -: Wir wollen aber natürlich auch mit den Verleihern Tarifverträge abschließen, die besonders auf die Situation der verleihenden Betriebe eingehen und dann Dinge regeln können, die eben auch in der Verleihbranche notwendig sind. - Da haben wir alle gesagt: Das ist vernünftig, das akzeptieren wir. Das hat auch etwas mit Tarifautonomie zu tun, und das wollen wir so machen. - Dass das in den Folgejahren regelmäßig durch die Christlichen Gewerkschaften untergraben wurde, hatten wir alle damals nicht auf dem Schirm. Es wäre danach eigentlich so gewesen, dass wir 2004/2005 hätten sagen müssen: Die Tarifverträge, die für die Verleihbranche abgeschlossen werden, verdienen ihren Namen nicht, wir streichen den Tarifvorbehalt aus dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz wieder. - Das wäre eine logische Konsequenz gewesen, die man einfach aus der Erfahrung von zwei, drei Jahren schon längst hätte folgen lassen müssen, zu der aber einerseits manchmal der Mut, andererseits auch die Mehrheiten gefehlt haben, und darum ist es nicht passiert.

Heute, denke ich, gibt es nach wie vor große Vorbehalte, insbesondere seitens der FDP - das muss ich ganz ehrlich sagen -, da weiter voranzukommen, was gerade die Streichung des Tarifvorbehalts bzw. auch eine Fristenregelung angeht. Man muss nicht nur über Fristen reden, man kann auch über Prozente reden, oder man kann auch sagen: Wir machen einen Tarifvertrag, der zum Beispiel die Entleihbranche in den Mindestlohn hineinbringt - was die Branche übrigens will. Es gibt schon lange das Begehr der Verleihbranche, mit einem Tarifvertrag ins Arbeitnehmerentsendegesetz aufgenommen zu werden, der dann auch entsprechende Regularien enthält. Nur: Wir kommen auch mit einem einfachen Mindestlohn in der Leiharbeit nicht weiter. Der hilft vielleicht den Kollegen, die derzeit als Hilfsarbeiter unterwegs sind, wenn da sechs, sieben oder acht Euro drinstehen. Aber er hilft keinesfalls den Juristen oder den Leuten, die als Ingenieure in Leiharbeit verliehen werden. Dafür braucht man auch eine Regelung. Entweder findet man dann einen Tarifvertrag, der dann eben für die Juristen, für die Ingenieure auch Mindestlohnbedingungen vorsieht, oder man findet eine Regelung, die zum Beispiel sagt: Für vier Wochen könnten wir uns vorstellen, 90 % der Entlohnung zu zahlen, nach zwei Wochen 95 % und danach eben 100 %. All das wären Din

ge, die man sich vorstellen könnte, über die dann auch diskutiert wird.

Aber Entschuldigung - jetzt muss ich noch einmal zur FDP gucken -: Wenn Sie sagen, wir würden uns da nicht bewegen, will ich Ihnen sagen, wo wir uns schon bewegt haben. Wir haben schon gesagt, dass wir in diesem Ausschuss in Berlin zum Beispiel nicht mehr über das Synchronisationsverbot reden, weil das die FDP nicht mitmacht. Wir haben gesagt, wir reden auch nicht mehr über die Höchstüberlassungsdauer, weil das die FDP nicht mitmacht. Aber wir haben gesagt: Dann lasst uns doch mindestens beim Mindestlohn und bei der Equal-pay-Regelung ordentliche Schritte gehen! - Und da kommt der Vorschlag übrigens von Herrn Kolb von der FDP - mit 12 Monaten. Sie haben eben selbst gesagt: 12 Monate ist irrlichtern, weil: So weit werden die Leute nicht kommen; die Durchschnittszeit liegt nach meiner Kenntnis bei zwei Monaten. Wenn jetzt von drei Monaten gesprochen wird, würde ich nicht darum streiten. Ich weiß aber, dass zum Beispiel 11 % der entliehenen Beschäftigten für Zeiten unter einer Woche entliehen werden. Das heißt also, auch da muss man eine Regelung finden, und dann, denke ich, brauchen wir nicht über Monate zu sprechen, sondern müssen über Wochen reden.

Wenn Sie sagen, verehrter Herr Büttner, die FDP wäre da bereit: Bitte sehr, die Arbeitsgruppe trifft sich am Sonntag. Ich hoffe, Sie haben bis dahin Herrn Kolb - vielleicht auch Herrn Westerwelle - angerufen und durchgestellt, dass sich die FDP an dieser Stelle bewegt. Wir können uns am Montag gern darüber unterhalten, was dabei herausgekommen ist. Ich bin gespannt, aber die Verhandlungen laufen ja von Montag zu Dienstagnacht - mal sehen.

Es wäre gar nicht schlecht - ich habe auch einige Signale gehört, dass sich die FDP da bewegt -, wenn dann auch einmal von Brandenburg aus ein Signal an die Bundes-FDP gegeben und gesagt würde: Leute, bei der Leiharbeit müssen wir mehr können, als wir in den vergangen Jahren gekonnt haben. - Es muss da einfach zu einer gerechteren Entlohnung kommen. Sie müssen sich Leute am Fließband vorstellen. Die einen arbeiten für 20 Euro, die anderen am gleichen Fließband für 13 Euro. Dass da der Betriebsfrieden nicht gewahrt sein kann, liegt auf der Hand. Dass wir da andere Regularien brauchen als die, die wir in den letzten sieben Jahren hatten, ist eine logische Folge. Ich hoffe und wünsche, dass wir in den nächsten Tagen noch besser vorankommen und zu mehr Gerechtigkeit, insbesondere bei der Leiharbeit, finden. - Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall SPD und GRÜNE/B90)

Während die Abgeordnete Wöllert, die für die Linksfraktion sprechen wird, an das Mikrofon tritt, begrüße ich unsere Gäste der Ehm-Welk-Oberschule in Lübbenau. - Herzlich willkommen und einen spannenden Nachmittag für euch hier im Landtag Brandenburg!

(Allgemeiner Beifall)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Tja, Frau Schier, so ist das mit der Theorie und der Praxis, und so ist das schon zu Goethes Zeiten gewesen, denn der hat im Faust schon sagen

lassen: „Ein Blick ins Buch und zwei ins Leben, das wird die rechte Form dem Geiste geben.“ - Genauso ist es mit der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes gekommen. Das Leben hat uns gezeigt, dass das, was in der Theorie beabsichtigt war, so nicht funktioniert hat. Das merken nicht nur die Menschen, die in der Leiharbeit tätig sind, weil selbst diejenigen, die über eine Ausbildung verfügen, wesentlich weniger Lohn bekommen als nicht Ausgebildete. Das zeigen neuerliche Studien ganz deutlich, denn: Das mittlere Einkommen einer Vollzeitkraft betrug in der Zeitarbeit 2009 gerade einmal 1 393 Euro brutto inklusive aller Zuschläge und Jahresleistungen, und das ist erstaunlich wenig, wenn man bedenkt, dass viele Leihkräfte in der Industrie arbeiten, wo die mittleren Löhne der Stammkräfte mehr als doppelt so hoch sind. Das mittlere Gehalt von Leiharbeitern liegt satte 900 Euro unter dem Einkommen aller Beschäftigten ohne Berufsabschluss in festen Arbeitsverhältnissen. Spätestens das müsste Ihnen die Augen öffnen.

In der jüngsten Studie „Soziale Gerechtigkeit in der OECD Wo steht Deutschland?“ - sie ist erst am Jahresanfang veröffentlicht worden - heißt es: Die Ungleichverteilung der Einkommen hat in Deutschland im gleichen Zeitraum sogar so stark zugenommen wie in kaum einem anderen OECD-Mitgliedsstaat. Und nach Erkenntnissen der Bertelsmann Stiftung ist die Langzeitarbeitslosigkeit nur in einem der anderen in der Studie untersuchten OECD-Mitgliedsstaaten noch höher als in Deutschland. Wenn das kein Grund ist, jetzt endlich politisch zu handeln, dann weiß ich nicht, wann Sie diesen Handlungsbedarf sehen. Diesem Handlungsbedarf wird unser Antrag gerecht.

Herr Büttner muss sich gar keine Sorgen um meine Aufregung machen. Ich stelle nur ganz einfach fest: Ich bin immer begeistert von seinem wirklich engagierten Eintreten für Familienfreundlichkeit, Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wie das mit einem so flexibilisierten Arbeitsmarkt und mit so niedrigen Löhnen und Gehältern möglich sein soll, das sollte er mir einmal vormachen. Hierzu sage ich: Dieser Fakt regt mich auf. Deshalb, so denke ich, sollte unser Antrag breite Unterstützung finden. - Danke.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der Rednerliste für diesen Tagesordnungspunkt angelangt. Ich stelle den Antrag in der Drucksache 5/2667 von SPD und Linksfraktion zur Abstimmung. Wer ihm Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist dieser Antrag ohne Enthaltungen bei etlichen Gegenstimmen angenommen.

Ich verlasse damit den Tagesordnungspunkt 8 und rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Musische Bildung in Kitas nicht beeinträchtigen

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion DIE LINKE der Fraktion der CDU

Die Debatte wird vom Abgeordneten Günther eröffnet. Er spricht für die SPD-Fraktion.

Werter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Kindertagesbetreuung hat Konjunktur in Brandenburg und in Deutschland, und das ist auch gut so. Aber nicht nur das Thema Betreuung im Sinne von „Wir bieten ein Dach über dem Kopf an“ und „Wir kümmern uns um die Kinder den ganzen Tag“, sondern vor allem das Thema Bildung in Kindertagesstätten sowie bei Tagespflegepersonen wird immer wichtiger und gewinnt in deren Arbeit immer mehr an Bedeutung.

Wir haben das beispielsweise bei der Kita-Initiative und bei der Anhörung gemerkt, die wir im Bildungsausschuss zu dem Thema hatten. Kitas machen sich auf den Weg, profilieren sich inhaltlich, geben sich ein unverwechselbares Profil und stellen sich auch dem Qualitätswettbewerb. Das alles sind sehr positive Entwicklungen.

Es ist uns im vergangenen Jahr auch gelungen, den Kita-Personalschlüssel zu verbessern - ein finanzieller Kraftakt für das Land. Was wir noch nicht geschafft haben, obwohl auch das immer von den Kitas eingefordert wurde, ist, die Freistellungsmöglichkeit für Verwaltungsarbeit sowie für Vor- und Nachbereitungszeiten zu verbessern. Das Bedürfnis ist artikuliert, und es ist klar und deutlich angekommen.

Was wir nun aber tun sollten, auch wenn es uns nicht möglich ist, jedes Mal 36 Millionen Euro neu auf den Tisch zu legen, ist, zumindest dafür Sorge zu tragen, dass die Bildungsarbeit, besonders die musische Bildungsarbeit, in den Kitas nicht gestört, nicht behindert, sondern befördert wird. Damit meine ich nicht einfach nur den finanziellen Aufwand, der möglicherweise damit verbunden ist, sondern auch zusätzlichen Arbeitsaufwand, den wir den Kitas nicht aufbürden sollten.

In dieser Situation, wo Bildung in den Kitas immer wichtiger wird, kam Ende des vergangenen Jahres die Nachricht, dass die GEMA jetzt im Auftrag einer anderen Rechteorganisation für das Kopieren aus Liederbüchern Gebühren von den einzelnen Kitas verlangen möchte. Hier wurde von 56 Euro im Jahr gesprochen, womit man dann 500 Kopien frei hätte. Dies gilt beispielsweise auch dann, wenn man sich mit den Eltern trifft, die Eltern also Kopien von den Liedern bekommen, die die Kinder singen, und sie zum gemeinsamen Singen einlädt. Das Problem sind hierbei jedoch nicht nur die zusätzlichen Kosten. Ich denke, diese wären wahrscheinlich noch zu tragen, obwohl auch dort eine zusätzliche Belastung nicht sinnvoll ist, um das System der Kindertagesbetreuung weiter zu unterstützen. Ein Problem könnte zusätzlicher Aufwand sein, der in den Kitas entsteht. Das Problem ist aber auch, wenn man solche Meldungen liest, vor allen Dingen die Unsicherheit, die in den Kitas entsteht, wie es jetzt weitergeht.

Ich möchte hier ausdrücklich sagen: Die GEMA möchten wir mit unserem Antrag nicht an den Pranger stellen. Sie hat eine Aufgabe, die auch wichtig ist. Sie sorgt nämlich dafür, dass Komponisten, die in aller Regel freiberuflich tätig sind, den verdienten Lohn für ihre Arbeit bekommen. Dieser Lohn steht ihnen zu. Die wenigsten von diesen Komponisten sind so millionenschwer wie die Beispiele, die wir hierbei möglicherweise in unseren Köpfen haben. Nein, die Forderungen der GEMA ha

ben nach Ansicht des Ministers rechtlich Bestand. Nichtsdestotrotz fordern wir, dass die Landesregierung - das muss immer der erste Schritt sein - diese Forderungen rechtlich prüft, und zwar sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach, denn man kann schon die Frage stellen, ob die Höhe der Gebühr, die man für Kopien zahlen soll - also 500 Stück - für eine Kindertagesstätte nach Brandenburger Vorbild angemessen ist.

Wir fordern die Landesregierung mit unserem Antrag auch auf, vor allen Dingen etwas gegen die Verunsicherung in den Kitas zu tun und sich in geeigneter Weise an die Kitas und die Träger zu wenden, und zwar an alle rund 1 700 Kitas sowie an die Tagespflegepersonen, und in diesem Zusammenhang einmal über die rechtliche Situation im Umgang mit Musikrechten aufzuklären, was das Singen in den Kitas und was möglicherweise auch das Auftreten bei Festen und Veranstaltungen anbelangt, die ja hoffentlich reichlich Gelegenheit geben, die Kitas in der Gemeinde bzw. in der Stadt auftreten zu lassen. Was zu beachten ist bei Kopien, wenn Bücher benutzt werden, wenn also aus Liederbüchern Kopien gezogen werden, und welche Möglichkeiten es darüber hinaus gibt, auch rechtefrei Lieder in der Kita zu nutzen, dafür gibt es Kataloge, die diese Lieder beinhalten. Aber wer möchte schon immer nur die gleichen Lieder aus den gleichen Katalogen singen? Man möchte sich dort natürlich frei entfalten und suchen können.

In diesem Sinne bitte ich sehr um Unterstützung unseres Antrags. Es ist zugegebenermaßen sicherlich nicht so aufwendig wie die Verbesserung des Kita-Personalschlüssels. Es ist sicher eine kleine, aber wichtige Sache, was die tägliche Arbeit in den Kitas angeht. Deshalb bitte ich Sie um Unterstützung. Ich freue mich sehr, dass die drei großen Parteien diesen Antrag hier eingebracht haben. Das zeigt, wie wichtig die Arbeit in unseren Kitas ist. Eine Zustimmung zu diesem Antrag würde auch die Bildung in unseren Kindertagesstätten weiter verbessern. - Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall SPD, DIE LINKE und CDU)

Der Abgeordnete Hoffmann spricht für die CDU-Fraktion.

Werter Herr Präsident! Werte Kollegen! Sie haben es richtig angesprochen, Herr Günther: Wir hatten zum Jahreswechsel eine ganze Menge von Presseberichten, die zum Thema gemacht haben, dass die GEMA Briefe an die Kitas geschickt und sie über die Rechtslage informiert hat, wobei darauf hingewiesen wurde, dass in bestimmten Situationen Gebühren zu zahlen sind. Es ist allerdings damals in der Berichterstattung nicht so richtig deutlich geworden, dass es sich dabei tatsächlich um Gebühren handelt, die dann anfallen, wenn Texte kopiert werden, sondern es war eher der Tenor, dass für das Singen in Kitas Gebühren erhoben werden sollen. Ich glaube, das war der Punkt, an dem sich dann auch zu Recht die Empörung entzündet hat. Mittlerweile ist allerdings klargestellt, dass es in keiner Weise darum ging, Gebühren für das Singen in Kitas zu erheben. Das hat auch die GEMA in einer Pressemitteilung klargestellt. Alle wissen, wie wichtig das Singen für Kinder ist. Ich selbst bin auch begeisterter Musiker und singe furchtbar... gern.

(Heiterkeit bei CDU, SPD sowie bei der Fraktion DIE LINKE)

Wie gut das für die Entwicklung ist, sehen Sie ja an mir - ich habe mich auch prächtig entwickelt. Daran gibt es gar keinen Zweifel.

(Vereinzelt Beifall SPD, FDP und DIE LINKE)

Das heißt also, dass wir alle ein großes Interesse daran haben, dass die Kinder in den Kindertagesstätten und bei den Tagespflegepersonen ganz ungestört singen können, wie sie lustig sind. Dies wird aber auch nicht in Abrede gestellt; das muss man einmal klar sagen. Trotzdem haben wir uns dazu entschlossen, mit Ihnen gemeinsam diesen Antrag zu stellen, denn diese Empörung bzw. diese Aufregung ist nicht einfach so vom Tisch zu fegen. Insofern ist es gut, dass wir die Landesregierung auffordern, bei den Einrichtungen für Klarheit zu sorgen. Ich bin kein Freund übertriebener Hysterie und freue mich deshalb, dass wir diesen unbürokratischen Weg bewerkstelligt haben.

Meines Erachtens ist der Weg, zunächst einmal den konkreten Bedarf zu eruieren, der richtige; denn geht es tatsächlich um das Kopieren von Texten und Noten, muss man schon sagen, dass in den Kitas die wenigsten Kinder in der Lage sein werden, mit Texten und Noten etwas anzufangen - die meisten singen die Lieder frei aus dem Kopf -, sodass ich auch glaube, dass der tatsächliche Bedarf an Kopien in den Kitas überschaubar ist.

Das Kopieren von Texten und Noten betrifft natürlich auch einige Horte. Dort kann es wiederum ein wenig anders sein. Dennoch glaube ich, dass es ein erster richtiger Schritt wäre, den Bedarf zu ermitteln.