Protokoll der Sitzung vom 23.03.2011

(Glocke der Präsidentin)

Es ging nur um die Lautstärke im Saal.

Eine Reihe gut qualifizierter Flüchtlinge sitzt in ihren Unterkünften und kann ihren erlernten Berufen nicht nachgehen, da ihre Abschlüsse nicht anerkannt werden. Zu wenig berücksichtigen wir auch gut qualifizierte Frauen, die nach der Familienpause Weiterbildungsqualifizierungen benötigen. Viele in Teilzeit arbeitende Frauen würden gern einen Vollzeitarbeitsplatz annehmen. Hier liegen wichtige Potenziale, um dem Fachkräftemangel in Brandenburg zu begegnen Wir setzen darauf, dass die Landesregierung ihren Bericht gemäß dem Landtagsbeschluss vom Juli 2010 im II. Quartal vorlegen wird. Von daher ist der Antrag der CDU überflüssig und greift außerdem mit der Konzentration auf Erwerbslose und unter 25 Jährige deutlich zu kurz. Es ist an der Landesregierung, aufzuzeigen, wie

sie ihren Beitrag zur Aktivierung der von uns benannten Personengruppen leisten kann. - Herzlichen Dank.

(Beifall GRÜNE/B90 und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Vogel. - Für die Landesregierung wird nun Herr Minister Baaske die Aussprache bereichern.

Frau Vizepräsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin den Vorrednern - insbesondere Herrn Baer, Herrn Büchel und Herrn Vogel - sehr dankbar, dass sie darauf aufmerksam gemacht haben, dass der Landtag die Landesregierung schon im Juli vergangenen Jahres sehr deutlich aufgefordert hat, ein Konzept und Ideen vorzulegen, wie es mit der Fachkräfteentwicklung in Brandenburg weitergehen kann. Brandenburg war eines der ersten Bundesländer, wenn nicht sogar das erste Bundesland Deutschlands, das 2004 eine Fachkräftestudie in Auftrag gegeben hat. Seither arbeitet die Landesregierung sehr aktiv und intensiv mit den vielen Aktionspartnern und den Funktionären vor Ort daran, dass wir hier eine ordentliche Fachkräftestruktur hinkriegen.

Ich finde es nur, ehrlich gesagt, lieber Herr Büttner, einen Skandal, wenn Sie sagen, es wäre ein Skandal, dass wir das Problem nicht in den Griff kriegten, wenn Sie und Ihre Partei sich andauern weigern, dafür zu sorgen, dass die Leute ordentlich bezahlt werden.

(Beifall DIE LINKE und GRÜNE/B90)

Wir haben in den letzten Monaten massiv darum gerungen, ordentliche Mindestlohnvereinbarungen in den verschiedensten Branchen zu erreichen. Es meldete sich zuerst die FDP, dann die CDU, die alles nur Erdenkliche getan hat, um genau das zu verhindern. Aber wenn wir darunter leiden, dass die Leute nicht in Brandenburg ihre Arbeit suchen, dann in der Regel zum großen Teil doch deswegen, weil sie bescheuert bezahlt werden. Es sind jährlich nach wie vor 12 000 junge Leute zwischen 18 und 30 Jahren, die immer noch das Land verlassen, und zwar nicht, weil es in der Uckermark, der Prignitz, im Havelland oder in der Lausitz nicht schön genug wäre, weil sie vielleicht die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht hinkriegen - nein, die Hälfte von denen geht aus einem ungekündigten Beschäftigungsverhältnis, weil sie schlecht bezahlt werden. Da müssen wir ansetzen, wenn wir hier eine Fachkräftesicherung erreichen wollen. Das ist der Punkt, um den es da geht, und darüber werden wir uns im Mai oder spätestens im Juni unterhalten müssen, wenn uns das Konzept der Landesregierung hier vorliegt. Ihr Antrag zum jetzigen Zeitpunkt ist überflüssig wie ein Kropf. Wir arbeiten sehr intensiv an der Thematik und werden den Auftrag des Landtages vom Juli vergangenen Jahres erfüllen und hier einen entsprechenden Beschluss und einen Antrag vorlegen. - Danke.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Minister Baaske. - Das Wort erhält noch einmal die einbringende CDU-Fraktion. Frau Abgeordnete Schier hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, wir hatten einen Antrag, und Minister Baaske hat gerade wie aus der Pistole geschossen gesagt, so und so viele wanderten heute noch ab.

Der Inhalt des Antrags war ja, die Gründe zu benennen für Zuund Abwanderung im Arbeitsmarkt, wie die Weiterbildungsmaßnahmen angenommen werden usw. Durch einen Entschließungsantrag von uns sollte der noch weiter qualifiziert werden, und das wurde hier abgelehnt.

Ja, Herr Baer, die BA hat Mittel gekürzt - das ist richtig. Wir haben auf der einen Seite weniger Arbeitslose, auf der anderen Seite müssen wir uns angesichts immer knapper werdender Mittel darauf konzentrieren, die Leute so zu qualifizieren, dass sie genau in das Arbeitsmarktschema passen.

Die Fachkräftestudien, die jetzt nach und nach eingereicht werden, müssen viel kleinteiliger werden. Wir müssen doch, wenn wir solch ein Papier in die Hand kriegen und über die Arbeitsmarktprogramme legen, genau wissen, wo man welche Arbeitsmarktqualifikationen anbietet, damit es passgenau wird. Ich kann das alles nicht verstehen. Die Zeitungen sind jeden Tag voll von Meldungen - irgendjemand äußert sich immer zum Fachkräftemangel.

Herr Minister Baaske, ich staune schon ein wenig, und ich staune auch über die Koalition, dass sie sich so dagegenstemmt. Herr Minister, Sie sind doch jemand, der viel durchs Land reist und Maßnahmeträger besucht. Es muss Ihnen doch zu denken geben, wenn Sie Folgendes hören: Ich habe letzten Sonnabend mit einem Maßnahmeträger gesprochen, der sagte: Ich habe Leute in der Maßnahme, denen habe ich gerade beigebracht, früh um 7 auf der Matte zu stehen, denen habe ich gerade beigebracht, sich das Frühstück zu machen und eine Tagesstruktur aufzubauen, und nach 6 oder 8 Wochen entlasse ich die. - Das ist doch Vergeudung! Das können wir doch nicht zulassen.

(Beifall CDU - Minister Baaske: Genau deswegen wollen wir die AfB haben! Genau deswegen!)

Deswegen brauchen wir eine Studie, damit wir genau sagen können: Jetzt bauen wir den für diesen Arbeitsplatz auf.

(Zurufe von SPD und DIE LINKE)

- Nein, genau dafür brauchen wir die. Es kann nicht sein, dass wir die Leute in irgendeine Maßnahme schicken und dann wieder in den alten Trott entlassen. Das kann doch nicht Sinn der Ausgabe der Mittel sein. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Schier. - Wir sind damit am Ende der Aussprache zu Tagesordnungspunkt 13.

Wir kommen zur Abstimmung. Es liegt der Antrag „Fachkräftesituation zielgerichtet verbessern“ in Drucksache 5/2935,

eingebracht durch die CDU-Fraktion, vor. Wer dem Antrag Folge leisten will, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Bei einer deutlichen Mehrheit von Gegenstimmen ist der Antrag abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 13 und eröffne Tagesordnungspunkt 14:

Förderschulen als Bestandteil unseres Bildungssystems achten

Antrag der Fraktion der CDU

Drucksache 5/2938

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der CDU-Fraktion. Herr Abgeordneter Hoffmann hat das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Verehrte Schriftführer! Ja, das ist ein Job, der viel zu wenig geschätzt wird.

(Allgemeiner Beifall und Heiterkeit - Frau Wöllert [DIE LINKE]: Es sind aber auch Damen!)

„Förderschulen als Bestandteil unseres Bildungssystems achten“ - wir stellen heute diesen Antrag, weil wir mit sehr großer Sorge beobachten, wie die Regierungskoalition an das Thema „inklusive Bildung“ herangeht und wie sie offensichtlich gewillt ist, dieses Thema umzusetzen, nämlich nicht sorgfältig und durchdacht, sondern kurzsichtig und konzeptlos.

Im letzten Jahr wurden zu diesem Thema Regionalkonferenzen durchgeführt; sie haben ein sehr unterschiedliches Bild gezeigt. In den Workshops wurde zwar deutlich, dass alle über Inklusion reden, die Landesregierung aber immer noch keinen blassen Schimmer hat, wie das in der Praxis tatsächlich umgesetzt werden soll, wie es so umgesetzt werden kann, dass es auch funktioniert.

In der Zusammenfassung der Regionalkonferenzen kann man im Prinzip sagen: Sie haben sich da Ihre eigene Realität gemalt. Sie haben rosarot überzeichnet und die existierenden Probleme schlicht ausgeblendet.

In diesem Frühjahr werden wir weitere Regionalkonferenzen haben. Mittlerweile wird klar, was Ihr Konzept ist. Ihr Konzept beinhaltet, die Förderschulen zu schwächen, sie zu schließen und die Kinder an die Regelschulen zu schicken. Das wollen Sie dann als Inklusion verkaufen. Sie vertrauen darauf, dass eine höhere Macht später alles richten werde.

(Lachen bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir reden andauernd von Inklusion. Wir reden davon, dass wir das unbedingt machen müssen. Es ist aber immer noch so, dass viele Menschen im Land gar nicht wissen, was damit überhaupt gemeint ist.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Deshalb wollen wir hierzu eine Grundsatzdebatte im Landtag. Denn ich fände es fatal, wenn die Landesregierung am Parlament vorbei bereits im Vorfeld des für den Spätsommer angekündigten Konzepts an vielen Stellen vollendete Tatsachen schafft

(Glocke des Präsidiums)

und es dabei bewenden lässt, dass man sagt: Inklusive Bildung betrachten wir als Sparmaßnahme. Wir betrachten dies als Alibi zur Abschaffung von Förderschulen.

(Frau Lehmann [SPD]: Was?)

Ich will an dieser Stelle noch einmal ganz klar sagen - auch um Missverständnissen vorzubeugen: Jawohl, wir wissen, dass Deutschland die Behindertenrechtskonvention ratifiziert hat. Wir wissen, dass wir daran gebunden sind.

(Frau Lehmann [SPD]: Richtig!)

Wir bekennen uns auch dazu. Aber Inklusion kann nur dann funktionieren, wenn wir die Rahmenbedingungen so anlegen, dass wir es schaffen, auch bei den Menschen dafür Akzeptanz zu wecken.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Wir müssen dafür Sorge tragen, dass das, was kommt, besser ist als das, was wir jetzt haben. Da haben wir große Bedenken. Diese Akzeptanz erreichen wir nicht, wenn Sie - lange bevor wir die entsprechenden Rahmenbedingungen auch nur ansatzweise geschaffen haben - die bestehenden Strukturen mutwillig zerstören, nur um sich mit dem Label „Inklusion“ zu schmücken.

Sie sind dabei, meine Damen und Herren, die Förderschulen abzuschaffen, und Sie haben keine Alternative anzubieten. Das ist zynisch, verantwortungslos und mit uns nicht zu machen.

(Beifall CDU)

Deshalb gibt es heute unseren Antrag. Wir fordern Sie im Prinzip in sechs Punkten dazu auf, das funktionierende System der Förderschulen so lange zu erhalten, bis Sie wirklich sicherstellen können, dass Sie ein mindestens gleichwertiges System vorhalten können. Wir dürfen die Lehrer und die Schüler an Förderschulen nicht stiefmütterlich behandeln. Ich will an der Stelle ganz klar sagen, dass sie das auch nicht verdient hätten. Wir dürfen uns nicht abwenden, sondern müssen auch den Förderschulen weiterhin Aufmerksamkeit widmen.