Protokoll der Sitzung vom 24.03.2011

Zum Entschließungsantrag der Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion: Wir begrüßen diesen. Eine Erhaltungsstrategie für die Landesstraßen ist immer notwendig. Die darin enthaltene Zustandserfassung aller Landesstraßen ist dringend geboten. Es ist in der Tat peinlich, wenn ein eigens vom „Auto Club Europa“ eingerichteter „Schlaglochsheriff“ einen Überblick bietet, das Land Brandenburg selbst aber nur einen unbefriedigenden Überblick hat.

Ich stelle also fest: Die Landesstraßen befinden sich nach dem strengen Winter in einem schlechten Zustand. Es stehen insgesamt 17 Millionen Euro weniger zur Verfügung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hoffe sehr, dass dies nicht dazu führt, dass wir von dem Klagen auf hohem Niveau zukünftig zu einem Klagen auf niedrigem Niveau übergehen müssen. - Vielen Dank.

(Beifall FDP und vereinzelt GRÜNE/B90)

Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der Linksfraktion fort. Die Abgeordnete Wehlan spricht.

Herr Genilke, angesichts Ihrer Politik - „Greife hier mal hin, greife dort mal hin und auch mal in die Mitte rein!“ - denken Sie doch wohl nicht ernsthaft, dass wir Ihnen folgen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Auf der einen Seite mit großem Augenaufschlag Wachstumsinfrastruktur einfordern und auf der anderen Seite den Daumendruck erhöhen und einen Sparkurs verlangen - das passt nicht zusammen. Für eine Variante sollten Sie sich entscheiden; denn Sie wissen doch selbst: Ohne Moos nix los!

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist für alle Verantwortungsträger, die mit Straßenerhaltung und -sanierung zu tun haben, eine normale Sache, nach dem Winter Straßenschäden zu erfassen und nach Maßgabe der jeweiligen Möglichkeiten für Ausbesserung bzw. Erneuerung zu sorgen. Das gilt umso mehr, wenn zum wiederholten Male ein für unsere Verhältnisse harter Winter auch noch sehr zeitig eingetreten ist, sodass mehr Frostaufbrüche als sonst zu verzeichnen sind.

Was ich damit sagen will, Herr Genilke: Das, was Sie heute fordern, ist normales Geschäft der laufenden Verwaltung. Es gehört sozusagen zum Einmaleins von Verwaltungshandeln auf Bundesebene, übrigens auch auf Landesebene und, ja, auch auf kommunaler Ebene. Übrigens wird das auch dort so verstanden und umgesetzt.

Die Daten für eine Erhaltungsstrategie liegen doch längst auf dem Tisch. Es hätte also Ihrer Aktuellen Stunde nicht bedurft, erst recht nicht eines Entschließungsantrags. Es ist auch keine große Weisheit, dass Straßen, die bereits vorher nicht gerade im Bestzustand waren, deutlichere Spuren des Winters aufweisen. Das haben die Bürgerinnen und Bürger draußen, aber auch die Kolleginnen und Kollegen hier drin, die landauf, landab unterwegs sind, selbst festgestellt.

Was also ist das Problem, verehrte Antragstellerin CDU? Das Problem ist, dass Ihre Betonmentalität früherer Jahre dafür gesorgt hat, dass wir es heute mit einem großen Missverhältnis zu tun haben, einem Missverhältnis zwischen einem enormen Erhaltungsrückstau an Landesstraßen von fast 25 Millionen Euro und dem heutigen Konsolidierungsdruck, der diesen Rückstau nicht eins zu eins und auch nicht ad hoc auflösen lässt. Sie haben sich in den „fetten Jahren“ viel zu wenig darum gekümmert, den Substanzverfall zu stoppen und Vorsorge zu treffen.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Sie haben jahrelang für den Neubau gesprochen und sind Ihrer Eigentümerpflicht bezüglich der großflächigen Erneuerung der Trag- und Deckenschichten, die Sie heute noch einmal eingefordert haben, im vorhandenen Landesnetz nur ungenügend nachgekommen. Sie wussten, dass die Sanierung eines Kilometers Straße zwischen 200 000 und 300 000 Euro kostet; die Kosten für den grundlegenden Ausbau gehen in die Millionen.

Die Ausgangskoordinaten haben Sie benannt: 5 800 Landesstraßenkilometer mit 1 513 Ortsdurchfahrten und 686 Brücken auf Landesstraßen.

Ihre in der Begründung zum Antrag vorgenommene Beschreibung von Schäden infolge einer unzureichenden Wartung und Erneuerung ist ebenfalls nicht neu. Der Landesrechnungshof Sie haben es doch selbst zitiert - hat diese Zustandsbeschreibung bereits zu Zeiten Ihrer Regierungsverantwortung vorgenommen. Und wie war da Ihre Reaktion? - Aussitzen. Dabei

hätten Sie damals in Anbetracht der Finanzen noch anders reagieren können. Einen Antrag meiner Fraktion lehnten Sie damals ab. Jetzt, wo die Finanzierungsquellen nicht mehr so üppig sprudeln - wofür Ihre Partei auf Bundesebene kräftig gesorgt hat -, wollen Sie Rot-Rot immer wieder in Erklärungsnot bringen. Das wird Ihnen aber nicht gelingen. Ich sage Ihnen auch warum: Weil Rot-Rot ein Konzept hat und handelt.

(Beifall DIE LINKE sowie Heiterkeit und Zurufe bei der CDU)

- Ja, genau! Das unterscheidet uns aber voneinander.

(Beifall DIE LINKE)

Unser Konzept wird bestimmt durch Schwerpunkte wie Bildung, Wissenschaft und Arbeit, Arbeit, von der man leben kann. Es sagt auch ganz deutlich, was nicht mehr geht oder nicht mehr so schnell geht bzw. längere Zeit braucht. Das wird bei den Bürgerinnen und Bürgern verstanden, wie die letzten Umfragen zeigen.

Wir haben deutlich gesagt, dass der Erhalt der 5 800 km Landesstraßen künftig Vorrang vor dem Neubau haben wird. Punkt, Herr Genilke. Deshalb ist der Landesstraßenbedarfsplan 2010 2014 mit 18 Neubauprojekten deutlich abgespeckt. Punkt, Herr Homeyer.

(Beifall DIE LINKE)

An vorderster Stelle des Konzeptes der Landesregierung rangieren die Regionalen Wachstumskerne, denn funktionierende Straßen sind Teil der Entwicklungskonzepte in den Regionen. Das gilt auch für die Zubringerstraßen für den BBI. Die Vernetzung mit den entsprechenden Netzknoten, die die regionale und überregionale Anbindung garantieren, wird auch weiterhin entscheidend sein. Von den jährlich bereitstehenden rund 50 Millionen Euro für den Erhalt und Neubau von Landesstraßen sind 5 Millionen Euro für Neubauprojekte vorgesehen. Und wir sagen: Keine Kürzung von Planungsmitteln für Bundesstraßen, Herr Homeyer. Punkt. Das sind immerhin 28 Millionen Euro Landesmittel. Aber hiermit sorgen wir weiter dafür, dass die landesweite Erschließung erfolgt.

Wir sagen ganz deutlich, dass wir eigentlich schon gestern und vorgestern hätten neue Entwicklungen und Veränderungen mitdenken und befördern müssen. Das geschieht nun aber erst heute und morgen. Nach der aktuellen Raumordnungsprognose 2020 bis 2050, der Sie sich nicht verschließen können, werden künftig nur noch wenige Regionen in Deutschland wachsen. Der weitaus überwiegende Teil wird durch mehr oder weniger starke Bevölkerungsrückgänge gekennzeichnet sein. Brandenburg gehört dazu. Die Folgeentwicklungen dieses Wandels haben aber entscheidenden Einfluss auf Umfang und Bedarf der verkehrlichen Infrastruktur.

Schon heute stellt die Finanzierung von Infrastruktur eine erhebliche Belastung für die öffentlichen Haushalte dar. Ein wesentliches Problem sind in diesem Zusammenhang die Folgekosten einer aufgrund sinkender Nutzerzahlen überdimensionierten Infrastruktur. Zukünftig sind deshalb mit öffentlichen Mitteln geförderte Maßnahmen im Bereich der Infrastruktur bereits im Vorfeld auf ihre Demografiefestigkeit und langfristige Wirkung zu überprüfen, damit absehbare spätere Anpassungsstrategien vermieden werden können.

Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass Nachhaltigkeitschecks als ein neues Planungsinstrument für öffentlich geförderte Infrastrukturmaßnahmen Wissenschaft und Praxis zu kritischer Diskussion herausfordern werden. Darüber hinaus muss es uns noch besser gelingen, die engere Verzahnung von Straße und Schiene herzustellen. Und wir müssen im weiteren Verlauf die Prozesse im Auge haben, die eine nachhaltige Entwicklung ausmachen. Es kann nicht darum gehen, viel Verkehr zu erzeugen, sondern es wird in Zukunft eher darum gehen, verkehrssparende Systeme zu unterstützen. Das gilt zum Beispiel für regionale Wirtschaftskreisläufe ebenso wie für dezentrale Standorte öffentlicher Einrichtungen. Hier liegt ein Schlüssel künftiger Strukturentwicklung.

Ich möchte Sie, Herr Genilke, die Mitglieder Ihrer Fraktion alle zu unserer Nachhaltigkeitskonferenz der Linken einladen, die am Freitag um 9.30 Uhr im Raum 306 hier im Landtag Brandenburg stattfinden wird. Hier können wir über all diese Fragen mit Experten und Vertretern aus der Praxis diskutieren.

(Beifall DIE LINKE)

Der Abgeordnete Jungclaus spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Eigentlich bin ich der CDU für diese Aktuelle Stunde dankbar, denn es ist völlig unstrittig, dass die massiven Straßenschäden in unserem Land die Sicherheit im Straßenverkehr gefährden. Der Zustand der Landesstraßen wird insgesamt nur zu ca. 50 % als gut eingeschätzt, wobei es erhebliche Unterschiede zwischen dem Grundnetz und dem sogenannten grünen Netz sowie zwischen freien Strecken und Ortsumfahrungen gibt. So sind die Ortsdurchfahrten im Grundnetz nur zu gut einem Drittel in gutem Zustand. Dies ist besonders gravierend, da hier zur Gefährdung der Sicherheit auch noch die stärkere Lärmbelastung für die Anwohnerinnen und Anwohner sowie Erschütterungsschäden an Gebäuden dazukommen. Auch Radfahrer, die in diesem Zusammenhang immer gerne vergessen werden, sind von innerörtlichen Straßenschäden in besonderem Maße betroffen.

(Beifall GRÜNE/B90 und des Abgeordneten Jürgens [DIE LINKE])

Die CDU fordert nun in ihrem Antrag eine Klärung, wie angesichts der massiven Einsparungen im Straßen- und Infrastrukturetat der Verfall der brandenburgischen Straßen gestoppt werden kann. Eigentlich waren wir auch geneigt, Ihrem Entschließungsantrag zuzustimmen. Ich sage „eigentlich“, denn das war vor der Rede des Kollegen Genilke.

(Beifall GRÜNE/B90)

Dabei ist uns die Motivation dann doch wieder zu deutlich herausgekommen. Auch der Schrei nach mehr Mitteln war als Motivation für den Antrag zu deutlich. Mehr Finanzmittel für den Straßenverkehr wird es nicht geben. Das unterstützen wir auch vorbehaltlos.

(Beifall GRÜNE/B90)

Fest steht: Die Erreichbarkeit aller Landesteile ist für Autofahrer schon längst gegeben. Der Bedarf an Straßen ist - bis auf extreme Ausnahmen - gedeckt. Trotzdem leisten wir uns nach wie vor überflüssige Straßenbauprojekte, die hohe Folgekosten für die Instandhaltung nach sich ziehen. Das Ergebnis ist: Instandhaltung und Sanierung bleiben auf der Strecke. Der vorgeschlagene Landesstraßenbedarfsplan sieht die Finanzierung von Neu- und Ausbaumaßnahmen vor, auf die das Land gut und gerne verzichten kann. Die Priorität meiner Fraktion in der Verkehrspolitik liegt auf Instandhaltung und Sanierung des bestehenden Straßennetzes. Das haben wir zur Genüge in den Haushaltsverhandlungen und sonstigen Diskussionen zum Landesstraßenbedarfsplan zum Ausdruck gebracht.

Es ist doch geradezu absurd, auf der einen Seite Millionen Euro teure Umgehungsstraßen durchprügeln zu wollen, während man auf der anderen Seite die vorhandene Infrastruktur verrotten lässt.

(Beifall GRÜNE/B90)

Das alles geschieht auf einer rechtlich mehr als fraglichen Basis. In das bestehende Straßennetz zu investieren ist wesentlich sinnvoller, als die knappen Finanzmittel für neue Betontrassen durch bevölkerungsarme Landstriche zu vergeuden.

(Beifall GRÜNE/B90)

So ist es beispielsweise eine absolute Verschwendung, mehr als 8 Millionen Euro zu investieren, um bevölkerungsarme Tagebaugebiete anzuschließen, wie es bei der geplanten L 522 der Fall ist. Von dieser Maßnahme werden höchsten 4 000 Menschen profitieren, die schon jetzt ausreichend Zubringer nutzen können. Und, liebe Landesregierung, ein solches Vorhaben eignet sich auch nicht als Entschädigung für die von Ihrer verfehlten Energiepolitik betroffene Bevölkerung.

(Beifall GRÜNE/B90)

Auch die Streichung der geplanten Ortsumfahrung Falkensee, die eigentlich gar keine Umfahrung ist und die nicht zuletzt aufgrund der Trassenführung durch ein FFH-Gebiet hoch umstritten ist, würde für die nächsten 15 Jahre - je nach Berechnungsart 20 bis 60 Millionen Euro freisetzen, die in die Instandsetzung und Sanierung bestehender Straßen investiert werden könnten.

(Beifall GRÜNE/B90)

Wir haben noch einen weiteren Vorschlag, wie in der Straßenverkehrspolitik Geld eingespart werden kann. Salz ist ein extrem aggressives Streumittel, das Folgeschäden verursacht, deren Behebung ebenfalls sehr kostspielig ist. Der Verzicht auf Salz würde erhebliche Summen einsparen.

(Beifall GRÜNE/B90)

Auch die Tatsache, dass zahlreiche sanierte Straßen bereits nach kurzer Zeit wieder erhebliche Schäden aufweisen, ist einer falschen Prioritätensetzung geschuldet. Maßnahmen zur Sanierung sind nur unzureichend mit Geldern ausgestattet, sodass häufig nur kosmetische Verbesserungen vorgenommen werden können. Ein nachhaltiger Umgang mit Steuergeldern sieht anders aus.

(Beifall GRÜNE/B90)

Zusammenfassend kann man sagen: Die Landesregierung muss ihre Verkehrspolitik einer grundsätzlichen Prüfung unterziehen. Das Gutachten des Parlamentarischen Beratungsdienstes, wonach der vorgelegte Gesetzentwurf zum Landesstraßenbedarfsplan nicht gesetzeskonform ist, sollte dazu Anlass genug sein. - Vielen Dank.