Protokoll der Sitzung vom 13.04.2011

Minister Woidke, lassen Sie eine Frage zu? Sie wird gestellt von wem wird sie gestellt?

Der Tumult geht aber nicht von meiner Redezeit ab, Frau Präsidentin?

Nein, er geht nicht davon ab.

Ich möchte Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, besonders aus der CDU-Fraktion, § 102 der Gemeindeordnung Baden-Württemberg vorlesen:

„Die Gemeinde darf ungeachtet der Rechtsform wirtschaftliche Unternehmen nur errichten, übernehmen, wesentlich erweitern oder sich daran beteiligen, wenn 1. der öffentliche Zweck das Unternehmen rechtfertigt, 2. das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf steht und 3. bei einem Tätigwerden außerhalb der kommunalen Daseinsvorsorge der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Anbieter erfüllt wird oder erfüllt werden kann.“

Gleiches gilt in Bayern.

Das heißt - andersherum gesagt -: Wir haben in unserem Gemeindewirtschaftsrecht stehen, dass auch im Bereich der Daseinsvorsorge geprüft werden muss, ob ein Privater die Aufgabe auch im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge wirtschaftlicher vornehmen kann. In Bayern und Baden-Württemberg muss dieses nicht einmal geprüft werden, meine sehr geehrten Damen und Herren, sondern nur in Bereichen außerhalb der Daseinsvorsorge. Ich bitte Sie, hier auch etwas zur Versachlichung der Debatte beizutragen.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE und der Abgeordneten Stark [SPD])

Einen weiteren Punkt, der mich in Ihren Diskussionen ohne Ende gestört hat, möchte ich hier auch noch kurz benennen dürfen. Ich habe den Eindruck, Sie leiden an einem großen Misstrauen gegenüber unseren kommunalen Unternehmen.

(Frau Wehlan [DIE LINKE]: Genau!)

Sie leiden an einem großen Misstrauen gegenüber kommunalen Verantwortungsträgern und gegenüber kommunalen Mandatsträgern.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte Sie daran erinnern, dass diese kommunalen Entscheidungsträger demokratisch legitimiert sind. Die Daseinsvorsorge ist verfassungsrechtlich garantierter Bestandteil der Selbstverwaltung.

Das Land bzw. der Landtag sollte grundsätzlich davon ausgehen, dass in den Gemeinden mit der Frage, ob und inwieweit sich eine Gemeinde wirtschaftlich betätigt, verantwortungsvoll umgegangen wird.

Ich glaube, der Gesetzentwurf ist praktikabel. Er wird sich bewähren, wenn er denn die Zustimmung des Hohen Hauses findet. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Woidke. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Herr Abgeordneter Petke hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Minister Dr. Woidke, lassen Sie mich eingangs sagen: Ich finde es albern, wenn Sie der CDU-Fraktion unterstellen, sie würde die Kompetenz und die Fähigkeiten der kommunalen Abgeordneten in den Vertretungen des Landes anzweifeln. Ich glaube, eine Partei, die über eine ähnlich hohe Anzahl an Abgeordneten in den kommunalen Vertretungen wie die SPD verfügt, in dieser Weise zu verdächtigen ist eines Mitglieds der Landesregierung nicht gerade angemessen.

Ich möchte zum vorliegenden Gesetzentwurf sprechen. Ich hätte erwartet - diese Erwartung habe ich schon im Zusammenhang mit einem Antrag der CDU-Fraktion zu dieser Problematik geäußert -, dass man, nachdem wir gemeinsam - CDU und SPD im Jahr 2008 die Kommunalverfassung und die Vorschriften zur kommunalen Daseinsvorsorge geändert haben, begründet, was sich in den wenigen Jahren verändert hat, worin die Probleme der kommunalen Unternehmen im Land bestehen und an welchen Stellen gesetzliche Änderungen notwendig sind, wenn man im Jahr 2010 ein Gesetz mit dem großspurigen Titel „Gesetz zur Stärkung der kommunalen Daseinsvorsorge“ vorlegt.

(Beifall CDU)

Zu dieser Frage findet sich im Gesetzentwurf der Landesregierung leider überhaupt nichts. Man findet dort den Verweis auf einen Landtagsbeschluss, aber keinerlei Problembeschreibung dahin gehend, dass Unternehmen in kommunaler Trägerschaft gegenüber Unternehmen in privater Hand benachteiligt seien. Ich darf es einmal so sagen: Die Mitglieder der Landesregierung ergehen sich in Sonntagsreden - der Ministerpräsident zu Recht an vorderster Stelle -, indem sie die Unternehmerinnen und Unternehmer in Brandenburg für ihr Engagement und dafür, wie sie persönliche Risiken auf sich nehmen, um Brandenburg voranzubringen, um Arbeitsplätze zu schaffen und unseren Wohlstand zu sichern, loben. Wenn es aber darum geht, im Einzelnen etwas zu regeln und etwas vorzulegen, was die Rahmenbedingungen des wirtschaftlichen Handelns der gelobten Unternehmerinnen und Unternehmer zu verbessern hilft, ist von Misstrauen und fehlender Augenhöhe die Rede, und es wird infrage gestellt, dass es zwischen der kommunalen und der unternehmerischen Seite einen fairen Ausgleich gibt.

(Beifall CDU)

Wir sehen in dem Gesetzentwurf einen rot-roten Irrweg. Bei nüchterner Betrachtung gibt es keinen wirklichen inhaltlichen Grund, aus dem dieser Gesetzentwurf jetzt vorgelegt wird. Ich hätte mich gefreut, wenn Ihr Haus, Herr Minister Woidke, die wirklichen Probleme auf der kommunalen Ebene aufgegriffen hätte. Der Ministerpräsident hat vor einiger Zeit auf einer Tagung des Städte- und Gemeindebundes gesagt, die Ämter in Brandenburg gehörten abgeschafft. Dieser Aussage ist keinerlei Regierungshandeln und keinerlei Aktivität des Parlaments gefolgt.

Herr Abgeordneter Petke, lassen Sie eine Frage des Abgeordneten Dr. Scharfenberg zu?

Ich kann mich sehr gut erinnern, dass im Zusammenhang mit der Novellierung der Kommunalverfassung im Jahr 2008 massive Kritik an den Regelungen zur wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen geäußert worden ist. Es ist deutlich geworden, dass die Regelungen unzureichend waren und sich insofern all die Zeit Handlungsbedarf ergab. Können Sie sich auch daran erinnern, Herr Petke?

Herr Dr. Scharfenberg, ich bedanke mich für die Frage. Ich habe vorhin in Bezug auf die wasserwirtschaftliche Gesetzgebung das Protokoll gelesen. Ich habe viele Aussagen des Kollegen Burkardt von der CDU-Fraktion gefunden, auch Aussagen des Kollegen Holzschuher und der Anzuhörenden habe ich nachgelesen. Ich kann nicht bestätigen, dass es massive Kritik gegeben hat. Der Vertreter der kommunalen Unternehmen hat damals Punkte genannt, die sich jetzt im Gesetzentwurf wiederfinden. Er hat sie jedoch nicht als großartiges Problem dargestellt. Der damalige Entwurf der Kommunalverfassung ist, was die Änderungen betrifft, im Wesentlichen gelobt und als fähiges Instrument angesehen worden, um kommunale Daseinsvorsorge tatsächlich zu gestalten. Insofern kann ich Ihre Aussage nicht bestätigen.

Sie beschreiten einen Irrweg. Der Minister des Innern hat geschildert, dass es unnötige Hemmnisse gäbe. Ihr Haus, Herr Minister, hat vor drei, vier Jahren den Gesetzentwurf, der jetzt geändert werden soll, erarbeitet. Ich frage mich, worin Ihr Haus unnötige Hemmnisse sieht. Ich kann sie in der gegenwärtigen Gesetzgebung nicht erkennen. Sie wollen die Handlungsspielräume erhöhen. Sie sagen, es sei nichts zum Auslandsengagement von kommunalen Unternehmen geregelt. Es gilt das Örtlichkeitsprinzip, wonach sich kommunale Unternehmen in ihrem Engagement auf das Territorium der Gemeinde beschränken sollen. Mir ist nicht bekannt, dass eine Gemeinde in Brandenburg über Besitztümer im Ausland verfügt.

(Beifall CDU)

Was Rot-Rot hier tut, ist, einen Irrweg zu beschreiten, der zu mehr Risiken auf der kommunalen Ebene führen wird - Risiken, die, wenn sie überzogen sind, zulasten der Steuerzahler in Brandenburg gehen. Es lassen sich viele Fälle aufführen, man braucht sich bloß den Abfluss der Mittel aus dem § 16 FAG anzuschauen.

Welche Einstellung Sie tatsächlich zu den kommunalen Unternehmen, auch zu landeseigenen, haben, gibt die Diskussion um die rechtlich mindestens fragwürdige Unterstützung der Brandenburger SPD durch die LASA und die Wirtschaftsförderungsgesellschaft im Landkreis Dahme-Spreewald her. Was der Kollege Ness äußert, dass es für ihn eine Selbstverständlichkeit sei, dass kommunale und landeseigene Unternehmen eine Partei unterstützten - obwohl es möglicherweise gegen § 25 des Parteiengesetzes verstößt -, ist etwas, was den tatsächlichen Sinn der Novelle anschaulich dokumentiert. Es ist sicherlich nur ein zeitlicher Zufall.

Herr Abgeordneter Petke, Sie haben Ihre Redezeit überschritten.

Vielen Dank für den Hinweis. - Bei nüchterner Betrachtung hat uns der Gesetzentwurf nicht überzeugt. Bei nüchterner Betrachtung kommen wir zu dem Ergebnis, dass er zu mehr Risiken führen wird. Er wird das Gegenteil des Gewollten bewirken und die Kommunen schwächen. Einer Ausschussüberweisung stimmen wir dennoch zu. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Petke. - Wir kommen zum Beitrag der SPD-Fraktion; Herr Abgeordneter Richter hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste! Herr Kollege Petke begann seine Rede mit dem Satz: „Ich finde es albern, wenn...“ Das kann ich auch tun. Ich finde es albern, wenn Frau Dr. Ludwig der Koalition unterstellt, sie wolle zurück zum Kommunismus. Das finde ich albern.

(Beifall SPD)

Das hat sie gestern mehrere Male getan und in ihrer völlig überzogenen Wortwahl jedes Maß verloren. Ich möchte einmal drei Zitate anführen. Eigentlich hatte ich mir ein kleines Konzept überlegt, aber das lege ich nun beiseite und zitiere Frau Dr. Ludwig.

„Wir haben 40 Jahre DDR hinter uns, jetzt erleben wir das Schlimmste ideologische Gesetz von Rot-Rot. Es übersteigt alle Befürchtungen der CDU.“

„Rot-Rot praktiziert ausschließlich Ideologie, sie haben sich auf den Weg zurück zum Sozialismus gemacht.“

Glauben Sie wirklich, dass wir auf dem Weg zum Sozialismus sind?

(Frau Dr. Ludwig [CDU]: Staatswirtschaft ist Sozismus!)

Wenn Sie jetzt Ja sagen, machen Sie sich lächerlich. Wenn Sie Nein sagen, frage ich mich, warum Sie es dann behaupten. Das alles passt vorn und hinten nicht zusammen.

(Beifall SPD)

„Die heimische Wirtschaft wird durch Staatswirtschaft ersetzt.“

Sie verwechseln permanent Staatswirtschaft mit Kommunalwirtschaft. Das ist nicht dasselbe, und das wissen Sie auch. Ein kommunales Unternehmen gehört der Kommune, nicht dem Staat. Der Eigentümer Kommune entscheidet, was er mit seinem Unternehmen vorhat. Er entscheidet wie jeder private Unternehmer. Wenn er Gewinn erzielt, entscheidet er, was er damit macht. Wenn der Unternehmer die Kommune ist, gilt das genauso. Warum können Sie nicht einfach akzeptieren, dass wir eine Gleichrangigkeit der kommunalen Wirtschaft mit der privaten Wirtschaft herstellen wollen?

Ja, wir wollen die Kommunen bei der Wahrnehmung der immer schwieriger werdenden Aufgabe der Erfüllung der Daseinsvorsorge stärken. Das wollen wir tatsächlich. Wir befinden uns dabei auf dem Boden des Grundgesetzes. Artikel 28 regelt das. Zudem gilt unsere Kommunalverfassung. Ich hoffe dabei, dass Sie nicht argwöhnen, dass das Grundgesetz und die Kommunalverfassung der Wegbereiter für den Sozialismus seien. In § 2 Abs. 1 heißt es:

„Die Gemeinde erfüllt in ihrem Gebiet alle Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung.“

(Zurufe von der CDU: Was? Gehört dazu auch das Aus- land?)

Herr Abgeordneter Richter, lassen Sie eine Frage durch den Abgeordneten Herrn Genilke zu?

Aber selbstverständlich.