Herr Richter, Sie sprachen davon, dass Sie eine Vergleichbarkeit zwischen kommunalen Betrieben und der Privatwirtschaft sehen. Privatunternehmen müssen Mehrwertsteuer zahlen. Für kommunale Unternehmen gilt das unter Umständen nicht. Wie bewerten Sie das?
Das sind Details. Dies können wir nach einer Verweisung gerne im Ausschuss diskutieren. Denken Sie beispielsweise an kommunale Energieversorgungsunternehmen. Da haben es die Bürger sehr leicht, zur Konkurrenz zu gehen. Das geschieht zu Hause am Computer. Mit drei Klicks sind sie bei einem anderen Anbieter. Die stehen somit in einem Wettbewerb. Sie tun aber immer so, als stünden sie in keinem Wettbewerb.
Ich kenne viele kommunale Versorgungsunternehmen, die in einem sehr harten Wettbewerb stehen. Die beklagen sich sehr über die Zusammenarbeit mit den großen Energieversorgern. Das betrifft die Verhandlungen in Bezug auf Gaslieferungen, die Stromabnahme und Einspeiseregelungen. Das ist ein harter Kampf, den auch die kommunalen Unternehmen jeden Tag bewältigen müssen. Deshalb dürfen Sie nicht sagen: Die stehen unter einem „Sonnenschirm“. Wir können über die Details aber gerne im Ausschuss debattieren. Ich bin sicher, dass wir eine vernünftige Diskussion dazu führen können.
In der Kommunalverfassung werden sogar die Aufgaben genannt, die zu erfüllen sind. Es geht um den Verkehr, die Energie, Wasser und Abwasser, Wohnung, Gesundheit sowie Zugang zu Bildung und Kultur. Das ist ausdrücklich so benannt. Das hat die Kommune zu erfüllen. Auf all diesen Feldern soll die Gemeinde in eigener Verantwortung tätig werden. Das ist praktische kommunale Selbstverwaltung, wie sie unsere Landesverfassung garantiert. Die Gemeinde entscheidet selbst, in welcher Form sie diese Aufgaben wahrnimmt. Kein Dritter entscheidet dies. Sie selber entscheidet das. Sie kann die Aufgaben im Rahmen der Verwaltung erfüllen. Sie kann kommunale Betriebe gründen. Sie kann sich auch für eine Zusammenarbeit mit anderen Kommunen entscheiden. Schließlich kann es auch an die Privatwirtschaft gegeben werden.
Der Grundsatz aber ist: Sie entscheidet es selber. Sie entscheidet, was im Gemeindegebiet das Beste ist. Alle diese Formen finden im Alltag statt.
Herr Kollege, in den letzten Tagen konnten wir lesen, dass in Unternehmen wie Nagelstudios, Restaurants und anderen Einrichtungen kommunaler unternehmerischer Sachverstand einfließen soll. Ist Ihnen ein konkreter Fall in Brandenburg bekannt, bei dem ein kommunales Unternehmen durch ein
privat geführtes Unternehmen benachteiligt oder ausgebootet worden ist? - Im Gesetzentwurf finden wir dazu nichts. Sie waren selber Bürgermeister. Ist Ihnen ein Fall bekannt, bei dem ein kommunales Unternehmen tatsächlich aufgrund des derzeit geltenden Gesetzes unternehmerisch unterlegen ist?
- Warum soll ich denn nicht die Wahrheit sagen. Mir ist kein Fall bekannt. Mir ist aber ein umgekehrter Fall auch nicht bekannt. Da müssten Sie mir ja 20 Fälle benennen können. Ich meine solche Fälle, in denen private Unternehmen durch kommunale Unternehmen in die Insolvenz getrieben worden sind.
- Ja, aber dazu müssen Sie die Zusammenhänge erläutern. Normalerweise betreibt eine Kommune ein Schwimmbad. Das ist eine kommunale Aufgabe. Es geht darum, den Bürgern ein Gesundheitsangebot zu machen. In dem Schwimmbad könnte sich ein Restaurant befinden. Da sagen Sie: Das muss ein Privater betreiben. - Der alte Grundsatz, alles, was Geld bringt, soll privatisiert werden, und alles, was Geld kostet, soll kommunalisiert werden, gilt bei Ihnen immer noch.
Das ist nicht vernünftig. Wenn in einem solchen Restaurant Geld verdient werden kann, dann können die Eintrittspreise sehr moderat gehalten werden, sodass der Bürger davon etwas hat. Das halte ich für eine ganz vernünftige Regelung.
Sie sprechen häufig vom Geld verdienen. Das bedeutet bei Ihnen meistens Privatwirtschaft. Da jedoch, wo der Private nicht will, weil die Landschaft sehr weiträumig ist und kein Geld verdient werden kann, muss die Kommune bzw. der Steuerzahler tätig werden. Das ist aber nicht unser Grundsatz. Wir müssen die kommunale Daseinsvorsorge für alle Bürger gewährleisten. Dazu müssen wir die kommunalen Organisationen stärken, sodass sie das dann auch können.
(Frau Dr. Ludwig [CDU]: Nagelstudios als kommunale Daseinsvorsorge? - Lebhafter Widerspruch bei SPD und DIE LINKE)
- Nicht doch. Ich sage noch einmal: Solche minimalen Ausnahmeerscheinungen zum Prinzip der Kommunalwirtschaft zu erklären ist lächerlich. Der wirtschaftliche Einsatz solcher Fälle bewegt sich im Promillebereich. Darüber erregen Sie sich, anstatt das Wesen der Kommunalwirtschaft zu begreifen. Das ist völlig unsinnig.
Natürlich können wir über Einzelheiten reden. Wenn es aber in diesem Schwimmbad andere Einrichtungen gibt, die mit be
trieben werden, dann geht davon die Welt nicht unter. Das ist doch nicht die Kommunalwirtschaft. Das sind lächerlich geringe Außenseitererscheinungen. Sie aber hängen daran die Kommunalwirtschaft auf. Dabei ist das doch nur ein Promillebereich. Wenn Sie keine weiteren Argumente haben, bin ich sehr zufrieden. Das ist dann kein Problem.
Meine Damen und Herren, ein Gesetzentwurf ist oft ein Kompromiss. Auch dieser Gesetzentwurf ist ein Kompromiss. Der Minister hat das bereits gesagt. Den einen geht der Gesetzentwurf zu weit. Die anderen sagen, ihr wart viel zu zaghaft und nicht mutig genug. Deshalb ist er ja auch ein Kompromiss. Wir werden das im Ausschuss im Detail behandeln. Ich bitte Sie deshalb, der Überweisung zuzustimmen. Dann können wir all diese Einzelfragen klären. Sie dürfen mir glauben, ich kenne noch viele Beispiele.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Richter. - Bevor die Abgeordnete Teuteberg das Wort erhält, möchte ich recht herzlich Schülerinnen und Schüler des Elsterschloß-Gymnasiums Elsterwerda begrüßen. Herzlich willkommen!
Nunmehr wird die Aussprache mit dem Beitrag der FDP-Fraktion fortgesetzt. Frau Abgeordnete Teuteberg, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Daseinsvorsorge durch oder Daseinsvorsorge für kommunale Unternehmen - das ist hier die Frage. Bei dem heute zu debattierenden Gesetz geht es um eine ganz grundsätzliche Auseinandersetzung. Es geht um Weichenstellungen, die weitreichende Konsequenzen haben werden. Deshalb wäre ich Ihnen auch dankbar, wenn Sie die Einwände und die Kritik nicht allzu schnell abtun würden. Es geht hier nicht darum, ein paar Hürden zu beseitigen, vor denen Stadtkämmerer vermeintlich stehen, wenn sie etwas Gutes erreichen wollen, sondern es geht ganz grundsätzlich darum, wie wir die Gesellschaft verfasst sehen wollen, damit sie künftigen Herausforderungen gewachsen ist. Es geht darum, wem Politik dabei welche Rolle zuweist.
Getrieben ist dieser Gesetzentwurf davon, dass Sie nicht verinnerlicht haben, was die Grundfesten einer freien Gesellschaft sind und warum dazu die möglichst freie wirtschaftliche Betätigung ihrer Bürger gehört.
Bei diesem Vorhaben der Regierungskoalition vereinen sich drei grundsätzliche Irrtümer, die die Grundfesten unserer Gesellschaftsordnung, für die die Menschen vor 20 Jahren auf die Straße gegangen sind, infrage stellen: Demokratie, Rechtsstaat und Marktwirtschaft.
Lassen Sie mich zu jedem der drei Punkte kurz das Problem skizzieren. Der erste Irrtum besteht darin, dass Sie der Überzeugung sind, Gewinnstreben vereinbare sich nicht mit Gemeinwohl, und deswegen bedürfe es im Interesse der Bürger einer Ausweitung des staatlichen Sektors, den ein nicht näher bestimmtes öffentliches Interesse treibt.
Die Aussage des Ministerpräsidenten, dass Gewinne privater Unternehmen schließlich in die Verlängerung von Luxusjachten flössen, legt davon beredtes Zeugnis ab. Das ist Klassenkampfrhetorik von geringer Originalität.
Leider verfehlt sie nicht ihre Wirkung. Bei dem Schaden, den solche Polemik auslöst, können Sie sich alle mit viel Pathos verliehenen Unternehmerpreise sparen.
Markt und Wettbewerb sowie der Vorrang von privater Initiative und privatem Eigentum vor staatlicher Zuständigkeit und staatlichem Eigentum sind die Grundfesten sozialer Marktwirtschaft, und nur die größtmögliche Entfaltung der wirtschaftlichen Betätigung der Bürger kann überhaupt zu einem leistungsfähigen Mittelstand - auch in Brandenburg - führen. Nur das sichert den Fortbestand der freiheitlichen Wirtschaftsordnung.
Der Staat hat dabei durchaus eine wichtige Rolle. Aber er muss Schiedsrichter und nicht Spieler sein. Wir brauchen effektive Regulierung statt Rekommunalisierung.
Sie verwechseln beim Thema „starker Staat“ allzu leicht Aufgabenfülle und Allmacht mit Stärke. Wirklich stark aber sind der Staat und die Kommunen nur, wenn sie sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren und diese Kernaufgaben mit Durchsetzungskraft erfüllen.
Zum Thema Rechtsstaat: Gemäß Artikel 1 Abs. 3 und Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes ist die öffentliche Hand immer grundrechtsgebunden - egal, in welcher Rechtsform sie sich betätigt -, und die wirtschaftliche Betätigung greift in Grundrechte ein. Übrigens sind auch Unternehmer Bürger - eine Selbstverständlichkeit, die nicht jeder hier verinnerlicht hat. Dass sich die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung aus guten Gründen ändern könnte und aus der Schrankentrias der Kommunalverfassung eine Klagebefugnis privater Unternehmer abgeleitet werden könnte, haben die Sozialdemokraten dann wohl doch erkannt. Warum sonst haben sie 2008 einen Satz in die Kommunalverfassung eingefügt, der den möglichen Klagen einen Riegel vorschieben soll?
Mit Ihrem Gesetzentwurf verschärfen Sie die unselige Tendenz, die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen als rechtsfreien, vor allem rechtsschutzfreien Raum zu etablieren. Herr Kollege Richter, Kommune ist zwar nicht einfach mit Staat gleichzuset
zen, im Verhältnis zum Bürger aber sehr wohl. Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie schützt die Kommune vor der Hochzonung von Aufgaben auf das Land oder den Bund, sie gibt jedoch keine grundrechtlichen Erleichterungen. Die Kommune ist genauso gegenüber ihren Bürgern grundrechtsgebunden. Es gibt keine zusätzlichen Befugnisse.