Neben der bekannten Problematik, dass wir uns älter rechnen, als wir sind, missfällt mir im Editorial des Maßnahmenpaketes die Aussage, dass Seniorenpolitik „unlösbar mit der Pflegepolitik des Landes verbunden“ sei. Die Aussage, etwa jeder siebte Brandenburger über 65 sei pflegebedürftig, heißt doch im Umkehrschluss: 86 % dieser Altersgruppe sind es eben nicht.
Im Übrigen umfasst Pflegebedürftigkeit von begrenztem Unterstützungsbedarf bei gut erhaltener Lebensqualität bis zur Rundum-die-Uhr-Betreuung durch qualifiziertes Pflegepersonal ein sehr weites Feld. Auch wenn chronische Erkrankungen, degenerative, demenzielle Symptome und Pflegebedürftigkeit in all ihren Facetten im höheren Lebensalter eine höhere Prävalenz aufweisen, so warne ich doch ausdrücklich davor, Seniorenpolitik auf Pflegebedarf zu reduzieren.
Pflegebedürftig sind in unserer Gesellschaft auch schwerbehinderte Kinder und Jugendliche, Opfer von Unfällen und Schwerstkranke aller Altersgruppen. Seniorenpolitik geht weit über Pflegegesichtspunkte hinaus
und sollte nicht darauf verengt werden. Auch die Betrachtungsweise einer Seniorin als potenziellem Pflegefall, der durch aktivierende Maßnahmen hinausgezögert werden kann, lehnen wir ab.
Der demografische Wandel sollte nicht als Massenanfall von Siechtum problematisiert werden. Historisch betrachtet waren ältere Menschen noch niemals so vital, so autonom, so gebildet und so lange gesund wie heute.
„Wir werden älter - na und?“ - Dieses Motto wünsche ich mir für die Seniorenpolitik in unserem Land.
Wir steuern in keine demografischen Horrorszenarien, sondern wir genießen die Früchte von Modernisierungsprozessen. Menschen altern von Beginn ihres Lebens an bis zum Tod. Um den unvermeidlichen Alterungsprozess optimal zu gestalten, müssen von Jugend an körperliche, geistige und soziale Aktivitäten gepflegt werden. Frei nach der Devise: „Wer richtig lebt, wird besser alt“, sind gesunde Ernährung, lebenslanges Lernen und geistige Regsamkeit, ein gefestigtes familiäres Umfeld, kontinuierliche sportliche Betätigung, ein erfülltes Arbeitsleben und vielfältige Sozialkontakte die besten Garanten für einen gelungen Alterungsprozess. Glücklicherweise finden sich diese aktivierenden und positiven Aspekte auch reichlich in den aktualisierten Leitlinien zur Seniorenpolitik und im kürzlich vom Kabinett verabschiedeten Maßnahmenpaket.
Die Darstellung eines differenzierten Altersbildes jenseits vom Oma-Klischee, die Betonung von bunten und individuellen Lebensentwürfen, geschlechtsspezifische Aspekte und eine Politik des aktiven Alterns begrüßen wir als Grüne ausdrücklich. Unter den 40 Maßnahmen findet sich dann auch eine ganze Menge guter Ideen, von der Überprüfung diskriminierender Altersgrenzen über die Vermittlung differenzierter Altersbilder bis zum altersgerechten Tourismus und zum Netzwerk „Gesund älter werden in Brandenburg“.
Auch wenn das Maßnahmenpaket an einigen Stellen in die Terminologie des Frühverrentungswahns zurückfällt, sehen wir doch viele positive Ansätze und unterstützen die Auffassung, dass Seniorenpolitik zu den zentralen sozialpolitischen Handlungsfeldern in Brandenburg zählt. - Vielen Dank.
Frau Nonnemacher hat vollkommen Recht, wenn sie sagt, dass man den Altersbegriff neu definieren muss. Aber ich warne davor, das mit einer Jahreszahl, einem Geburtsdatum oder sonst etwas zu machen. Zahlen helfen uns da nicht weiter, Floskeln aber auch nicht. Auf die dämliche Bemerkung „Man ist so alt, wie man sich fühlt“ geht auch so manche Muskelzerrung zurück. Man muss sich genau angucken, wie man das macht; aber das können wir vielleicht im Ausschuss vertiefen. Das ist wirklich ein spannendes Thema.
Ich fand es übrigens auch spannend, dass Sie sagten, dass wir in unserem Maßnahmenpaket und dem Vorwort dazu die Seniorenpolitik auf Pflegebedürftigkeit reduziert hätten.
Das haben wir, glaube ich, nicht getan. Ganz im Gegenteil, wir haben sehr wohl hervorgehoben, dass es darum geht, zu sagen, wie fit unsere neuen Alten sind und was man mit denen alles „anfangen kann“. Ich will das hier heute darstellen, ohne in der Tiefe auf das Maßnahmenpaket einzugehen. Das wollen wir in den nächsten Landtagssitzungen noch tun. Das sollten wir keinesfalls vorwegnehmen. Wir sollten heute mit Leidenschaft und in aller Ruhe - wie Sieglinde Heppener das gerade sagte - darüber reden, wie wir mit der Seniorenwoche, die in den nächsten Tagen durch das ganze Land ziehen wird, umgehen.
Fakt ist - das ist richtig -: Der demografische Wandel marschiert. Er wird nicht aufzuhalten sein. Das ist ein Megatrend unserer Zeit. Sie haben Recht: Er wird medial leider zu oft apokalyptisch begleitet. Das gehört sich einfach nicht. Ganz im Gegenteil, man hat die Risiken darin zu sehen - das ist vollkommen richtig -, aber vor allen Dingen die Chancen. Es geht darum, in den nächsten Jahren die Chancen hervorzuheben und zu schauen, was man sich mit diesem demografischen Wandel tatsächlich an Möglichkeiten erschließen kann. Frau SchulzHöpfner hat auf einige hingewiesen.
Wir werden also nicht aussterben. Wir werden gemeinsam in dieser Gesellschaft, zumindest in Deutschland, älter; wir werden auch immer weniger. Das alles ist auch richtig; darauf können wir uns realitätsbewusst einstellen. Es geht um aktives Altern in sozialer Sicherheit, so weist es auch der Titel dieser Aktuellen Stunde aus. Das heißt aber auch, sich für den Fortbestand der Generationen einzusetzen, dafür zu sorgen, dass es
Solidarität unter den Generationen gibt. All das wird dafür sorgen, dass es in der Zukunft ein friedliches Miteinander geben wird. Der Aufhänger ist die morgen in Luckenwalde zu eröffnende Brandenburgische Seniorenwoche, sie findet übrigens das 18. Mal statt, das erste Mal 1994 fand sie auf Initiative von Regine Hildebrandt und des damals gerade neu gegründeten brandenburgischen Seniorenbeirats statt. Der Seniorenbeirat hat sich - übrigens auch ein Ausdruck des wachsenden Selbstverständnisses der Senioren - 1998 in Seniorenrat umfirmiert, weil er eben nicht nur Beirat der Landesregierung sein wollte, sondern ein selbstständiges Gremium, das von sich aus agiert und der Landesregierung entsprechend ins Handwerk fahren und sagen kann: „Leute, so und so stellen wir uns das vor“, Bedürfnisse deutlicher artikulieren kann, als man das zum Beispiel als Beirat kann. Ich denke, das war eine weise und richtige Entscheidung, die damals getroffen wurde.
Die Woche trifft jedes Jahr wieder den Nerv der Zeit. Es geht um viele Veranstaltungen, Foren, Gespräche. Es gibt Meetings zwischen Jung und Alt. Es gibt einen Austausch mit den polnischen Nachbarn über Seniorenarbeit in Polen und in Brandenburg. Es gibt aber auch Sport, Spiel, Gesang und geselliges Beisammensein. All das gehört dazu, um deutlich zu machen, was unsere Senioren bewegen können. Das ist immerhin eine ganze Menge.
Die Woche steht seit 2003 unter der Schirmherrschaft des Ministerpräsidenten. Traditionell geben wir 65 000 Euro dazu, um die vielen Veranstaltungen im Land organisiert zu bekommen. Ich erlebe jedes Jahr zunehmend mehr Mitstreiter, mehr Mitorganisationen, mehr Leute, die auch viel Spaß an dieser Seniorenwoche haben.
Aktives und gutes Beispiel für das wachsende Selbstbewusstsein bei den Senioren sind auch die Seniorenbeiräte. Wir haben inzwischen über 150 im Land. Über 2 000 Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler wirken in diesen Seniorenbeiräten mit. Über 600 der Mitglieder in den Seniorenbeiräten sind über 70 Jahre alt. Auch das ist ein Indiz dafür, wie fit man jenseits der 70 noch ist, wenn man sich politisch - das ist es ja - einbringen kann. Für uns Jungs bedauerlich: Zwei Drittel in diesen Runden sind Frauen,
so aktive und tolle Frauen wie Sieglinde Heppener. Für uns Jungs ist es bedauerlich, dass wir daran oftmals nicht mehr teilnehmen können, weil wir uns in den Vorjahren schon so stark verausgabt haben, dass wir dann nicht mehr leben.
- Das wäre ein gutes Indiz dafür, dass wir doch irgendwann zur Vernunft kommen und nicht mehr all die Untugenden mitnehmen, die uns in jungen Jahre etwas stärker begleiten als die Frauen.
Das wichtigste, das alle Themen in der Seniorenwoche begleitet, ist die soziale Sicherheit. Da geht es eben nicht nur um die
materielle Sicherheit, sondern es geht auch um die soziale Geborgenheit. Da geht es immer wieder darum: Wie wird man alt? Hat man Freunde? Hat man Verwandte? Hat man Leute, die um einen herum sind, oder sind es Netzwerke, die vor Ort entstanden sind, um einen im Alter zu begleiten? Es gibt vielfältige Dinge, die im Land wirken. Ich freue mich darüber, wenn die Netzwerke da sind, wenn womöglich Freunde, wenn Familie nicht mehr greifen kann, weil man weggezogen ist, weil die Kinder weggezogen sind, weil man selber ganz woanders lebt als dort, wo man aufgewachsen ist, wo eine neue Heimat entsteht und man von neuen Menschen umgeben ist.
Wir brauchen die Älteren dringend; das wurde schon gesagt. Die Fachkräftestudie macht sehr deutlich darauf aufmerksam, dass wir die Potenziale der Älteren als unverzichtbar ansehen müssen, dass wir natürlich auch altersgerechte Arbeitsplätze brauchen - das ist ein ganz wichtiger Punkt -, dass man also nicht Arbeitsplätze hat, auf denen man gar nicht bis zum 65. oder 76. Lebensjahr arbeiten kann, weil man es im Rücken hat oder man die Füße oder die Knie nicht mehr belasten kann. Das funktioniert natürlich nicht. Das ist eine dringende Aufforderung an die Arbeitgeber - ich habe mich sehr gefreut, dass bei dem Beitrag von Frau Schulz-Höpfner vorhin auch die CDU geklatscht hat -, da aktiver zu werden und mehr darauf zu achten, dass gute Arbeit eben auch einen Arbeitsplatz beinhaltet, auf dem man gesund alt werden kann und auf dem man bis ins hohe Alter arbeiten und leben kann.
Gut zu sehen ist übrigens: Die Beschäftigung der Älteren hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Mein Wort geht in Richtung von Frau Schulz-Höpfner, aber auch in Richtung von Frau Wolff-Molorciuc. Wir werden da nicht übereinkommen. Ich bin ein Verfechter der Rente mit 67 Jahren. Das mag daran liegen, dass ich Mathematiklehrer war und sehr gut nachvollziehen kann, dass der Altersquotient, den die Kollegin Prof. Dr. Heppener hier dargestellt hat, durchaus richtig ist. Es wird sehr, sehr schwer sein, mit immer weniger Leuten und in Anbetracht einer längeren Lebenserwartung die Rente bis ins hohe Alter zu erwirtschaften. Das ist eine rein mathematische Angelegenheit. Ich glaube nicht, dass es unbedingt etwas mit biologischen Gesichtspunkten zu tun hat, sondern das ist einfach eine Rechnerei, die man vorlegen kann.
Ich bin auch ganz optimistisch, dass das gelingt. Wir haben erreicht, dass bei der Gruppe der über 55-Jährigen die Erwerbsquote innerhalb von nur vier Jahren von 39 % auf 56 % nach oben gegangen ist. Man muss kein Prophet sein, um zu erahnen oder zu wissen, dass diese Entwicklung so weitergeht. Wir werden die Älteren auch in zukünftigen Jahren ohne Probleme mit 65 oder 67 Jahren im Erwerbsleben halten können. Es wird eine Unabdingbarkeit sein, wenn wir unseren wirtschaftlichen Vorsprung und unser Wirtschaftsniveau halten wollen. Es wird anders gar nicht funktionieren, als sie im Erwerbsleben zu lassen.
Einen Punkt möchte im ersten Teil noch ansprechen. Es geht um die Pflege. Wir werden mit unseren Unternehmen verstärkt darüber reden müssen, wie man Erwerbstätigkeit und Pflege unter einen Hut bringt. Es wird zunehmend so sein, wenn wir uns die Entwicklung anschauen - derzeit 90 000 Pflegebedürftige, 2030 130 000 Pflegebedürftige -, dass wir die familiären Aspekte stärker berücksichtigen müssen. Das heißt: Die Familie muss besser in die Lage versetzt werden zu pflegen. Wenn ältere Menschen pflegebedürftig werden, wollen sie in aller
Regel zu Hause gepflegt werden. Auch die Jüngeren - hier wurden sogar die Enkel angesprochen -, also die Enkel und die Kinder, auch die Schwiegerkinder, wollen in der Regel den Eltern, auch den Schwiegereltern, das zurückgeben, was sie früher von ihnen erfahren haben. Sie wollen auch pflegen.
Man muss dann aber auch ermöglichen, Beruf und Pflege unter einen Hut zu bringen. Das kann nicht immer zulasten der Frauen gehen, die auf Erwerbstätigkeit verzichten, die auf Karriere verzichten, die auf Alterseinkommen verzichten. Wir brauchen einen gesellschaftlichen Konsens. Wir geben 2,5 Millionen Euro für den INNOPUNKT aus, den wir gerade gestartet haben, über den wir viele Unternehmen ansprechen wollen, um zu überlegen: Wie bekommen wir hier verträgliche Lösungen hin? Schönen Dank erst einmal dafür, und dann reden wir nachher noch einmal.
Herr Präsident! Meine Damen und Herrenn! Das, was wir gerade gehört haben, hat schon gezeigt, mit welcher Neugierde und mit welchen großen Erwartungen wir auf die Diskussion im Ausschuss und im Plenum schauen können. Es sind die Fragen angesprochen worden, die wir diskutieren werden.
Sie haben sicherlich so wie ich das Gefühl: Wenn man an einem Problem zieht, wird der Faden immer länger. Man stößt auf viele Fragen, die nicht mehr nur das Leben von älteren Menschen - ich wehre mich auch dagegen, zu sagen ab 50, ab 60 -, sondern die uns alle im Land betreffen und die auch in die Richtung gehen, jetzt zu überlegen: Wie wollen wir bis zum Jahre 2030 in diesem Land leben? Ich freue mich auf die Diskussion.
Deshalb nur ein paar Gedanken. Erstens: Wir sollten das mit dem Altersbild sehr ernst nehmen, weil davon viel abhängt. Wenn man der Meinung ist, dass Krankheit zum Alter gehört, dann wird man beim Arzt als älterer Mensch anders behandelt, weil er mir sagt: Wenn Ihnen die Augen tränen, ist das eine Alterserscheinung. - Ganz schlimm wird es, wenn man meint, weil die Wahrscheinlichkeit, an Demenz zu erkranken, mit wachsendem Alter steigt, Demenz sei eine Alterserscheinung. Demenz ist eine Krankheit. Da merkt man schon, wie es aufhört, beim Altersbild von einem hochtheoretischen Problem zu einer sehr praktischen Frage zu kommen.
Das hat meiner Meinung nach mit dem Umgang mit Altersarmut zu tun. Ja, ich stimme allen warnenden Stimmen zu. Auch wenn wir jetzt ganz aktuell noch mit einer gewissen Beruhigung da herangehen können, wissen wir doch, dass in nahester Zukunft Altersarmut zu den zentralen Problemen unserer Gesellschaft werden wird.
Wir werden dem aber nicht nachkommen, indem wir einen Schalter umlegen. Das hat viele Seiten, damit fertig zu werden. Das betrifft die Arbeitskräfteproblematik. Ich habe die Befürchtung, dass die Unternehmen, wenn sie sich darüber Ge
danken machen, den Arbeitsmarkt wieder älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu öffnen - dazu gab es in der letzten Zeit wichtige Konferenzen -, das nur angesichts des Problems der Fachkräftesicherung sehen. Es ist ein Lebensrecht der Menschen zu arbeiten. Achten Sie auf die entsprechende Leitlinie! Wir haben das Wort „gesetzlich“ in dem Zusammenhang gestrichen, dass man bis zum Renteneintritt arbeiten soll.
Altersarbeit hat etwas mit Mindestlöhnen zu tun. Wenn Sie sich die Durchschnittsrenten von Männern und Frauen ansehen, stellen Sie fest, dass Altersarmut auch etwas mit gleicher Bezahlung, mit gleichem Lohn für gleiche Arbeit für Männer und Frauen zu tun hat.
Zweitens: Altersarmut hat aber auch etwas mit Prävention und mit Gesundheit zu tun. Ja, wir werden länger arbeiten müssen. Der Mathematiker hat das nachgewiesen. Wir werden länger arbeiten können. Wir haben nicht mehr dieses defizitäre Altersbild, sondern wir haben ein Altersbild, das von der Kompression der Morbidität ausgeht. Das bedeutet: Wir bleiben doppelt so lange gesund, als uns Lebensjahre geschenkt werden. Das ist nachgewiesen. Also werden wir auch länger in der Lage sein zu arbeiten. Es wird uns Spaß machen zu arbeiten; ich rede da nicht wie die Blinde von der Farbe. Es hat also etwas mit dem Altersbild zu tun.