Protokoll der Sitzung vom 23.06.2011

Punkt 4 - das ist die Garantie dafür, dass diese Angebote tatsächlich installiert werden -: Wir werden die Angebote in bestimmten Zeiträumen auf ihre Wirksamkeit hin prüfen, sodass nachvollzogen werden kann, ob diese Behandlungsangebote dem wissenschaftlichen Standard entsprechen.

Frau Blechinger sei Dank, sie hat es mit dem Jugendstrafvollzugsgesetz erkämpft: Wir haben eine zusätzliche Stelle im Kriminologischen Dienst für diese Evaluierungsaufgaben bekommen. Insofern ist mir nicht bange, dass wir diesbezüglich vernünftige und nachvollziehbare Ergebnisse erzielen werden.

Parallel dazu haben wir bereits begonnen, eine zentrale Abteilung für Diagnostik in Luckau-Duben einzurichten, die bereits tätig ist. Zudem beteiligen wir uns derzeit länderübergreifend an der Erstellung einer neuen Software für die Vollzugsplanfortschreibung. Auch haben wir im April dieses Jahres das Diakonische Werk in Potsdam damit beauftragt, die erste forensische Ambulanz zu installieren. Gegenwärtig finden die Personalgespräche statt, und noch in diesem Sommer wird diese forensische Ambulanz in Potsdam ihre Tätigkeit aufnehmen.

Der bereits angesprochene und für dieses Strafvollzugsgesetz wichtige Punkt ist die Frage des Übergangs bzw. des Übergangsmanagements, wie es im Fachjargon heißt. Natürlich gibt es Defizite. Diese gibt es in diesem Land aber bereits seit 20 Jahren. Erstens gibt es keine richtige Vernetzung der stationären und ambulanten Dienste und zweitens keine Vernetzung der freien Träger mit den staatlichen Institutionen wie Strafvollzug bzw. soziale Dienste der Justiz.

Um dieses Problem anzugehen, haben wir im vergangenen Jahr die Arbeitsgruppe Resozialisierungsgesetz gegründet, die ihre Arbeit weitestgehend abgeschlossen hat. Sicherlich habe ich noch etwas Nachbesserungsbedarf geltend gemacht, aber wir werden mit den Ergebnissen in die Diskussion gehen, nämlich in die Diskussion dahin gehend: Was ist dort machbar? Was ist vielleicht noch zu qualifizieren? - Wir diskutieren dann mit den Strafvollzugseinrichtungen, mit den sozialen Diensten und mit der Politik und werden dann schauen, welche Empfehlungen dieser Gruppe Eingang ins Strafvollzugsgesetz finden können. Unter anderem gibt es die Anregung, dass der spätere Bewährungshelfer schon frühzeitig in die Entlassungsvorbereitung eingebunden wird, um diesen Entlassungsprozess nicht abrupt erscheinen zu lassen, sondern ihn entsprechend zu gestalten, dass Wohnraum sowie Arbeit zur Verfügung gestellt werden oder möglicherweise Therapien fortgeführt werden können.

Anschließend werden wir sehen, was von dem Projekt Resozialisierung noch übrig bleibt, was landesgesetzlich separat gere

gelt werden muss und was in dieses Landesstrafvollzugsgesetz gehört. Der rechtliche bzw. zeitliche Rahmen ist jedoch klar abgesteckt. Es beginnt im Herbst dieses Jahres nach Vorlegen des Musterentwurfs. Dann bin ich auf die Debatte im Rechtsausschuss und in diesem Parlament gespannt.

Rein inhaltlich agieren wir auf der Linie, die dieser Entschließungsantrag zeigt. Insofern ist er überflüssig. Dennoch freue ich mich über den breiten Konsens in diesem Haus zu unseren künftigen Reformprojekten. - Danke schön.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Minister Schöneburg. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erhält noch einmal die Abgeordnete Niels das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Schöneburg, Sie haben sehr schön dargestellt, dass zwei Bundesländer aus der Arbeitsgruppe ausgestiegen sind. Das liegt daran, dass diese Länder bereits ein Justizvollzugsgesetz verabschiedet haben. Der lange Prozess, dass wir uns in dieser Wahlperiode über verschiedene Themen - unter anderem über Resozialisierung unterhalten, hat im Oktober 2010 begonnen. Dort fand die konstituierende Sitzung statt.

Sehr geehrter Herr Kuhnert von der SPD, sehr geehrte Frau Mächtig von der Linken, wir sind die Legislative, wir sind die gesetzgebende Gewalt. Insofern ist es doch vollkommen legitim, wenn es eine vom Minister eingerichtete Arbeitsgruppe gibt, die sich inhaltlich mit dem Thema Resozialisierung beschäftigt, auch mit anderen Bundesländern zusammen, und wir als Legislative, als Landtag sagen: „In diese oder jene Richtung soll es aus Brandenburger Sicht gehen.“ Nicht, dass wir warten müssen und nichts tun, bevor ein ministerieller Entwurf vorliegt. So verstehe ich uns nicht.

(Vereinzelt Beifall CDU)

Was ist eigentlich im Oktober 2010 geschehen? Frau Mächtig und die gesamte Fraktion DIE LINKE trafen auf die sehr kompetente Fraktion der SPD. Das Arbeitspapier, das Herr Kuhnert angesprochen hat, ist von 2007. Daran sehen Sie, dass Ihr Lob nicht unberechtigt war. Ich habe wirklich sehr gut recherchiert. Jedoch ist daraus kein Antrag erwachsen.

(Holzschuher [SPD]: Fragen Sie mal die Kollegen von der CDU!)

Wenn im Koalitionsvertrag 2010, sehr geehrter Herr Fraktionsvorsitzender Holzschuher, steht, dass Sie überprüfen, ein Resozialisierungsgesetz auf die Beine zu stellen, dann ist es so, dass wir mit unserem Antrag zeitlich vollkommen in der richtigen Schiene liegen. Zudem haben wir überhaupt nicht die Einrichtung einer Arbeitsgruppe gefordert, Herr Kuhnert. Lesen Sie einfach nochmals Punkt 2, dann kommen Sie auch darauf: Auf einen Entwurf verständigen mögen sich mehrere Bundesländer. Dass es verschiedene Arbeitsgruppen gibt, wissen wir ebenfalls.

Mir ist hier und heute vollkommen unklar, Herr Kuhnert, liebe SPD, warum Sie erwarten, dass wir einen Antrag mit einem

Neuigkeitswert vorbringen, und warum mir vorgeworfen wird von hinten durch die Brust -, dass ich etwas gesagt hätte, was bekannt ist. Wenn es einen solchen fachlich-inhaltlichen Konsens gibt, warum geben wir dann nicht Minister Schöneburg den Auftrag, für die restlichen Monate in der Arbeitsgruppe die Kriterien, die wir vorgeschlagen haben, einzubringen? - Danke.

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU sowie vereinzelt FDP)

Es gäbe jetzt noch die Möglichkeit für die anderen Fraktionen, im Rahmen einer Minute die überzogene Redezeit der Landesregierung zu nutzen. Möchte dies jemand in Anspruch nehmen? - Das ist nicht der Fall.

Dann sind wir am Ende der Debatte und kommen zur Abstimmung. Es geht um den Antrag in der Drucksache 5/3375, eingebracht von den Fraktionen CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Resozialisierung von Straftätern verbessern. Wer diesem Antrag Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Stimmenthaltungen? Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 12 und rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Soziale Ausrichtung und finanzielle Grundlagen der Arbeitsförderung sichern

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 5/3385

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE. Der Abgeordnete Dr. Bernig hat das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Anfang April 2011 hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Leistungssteigerung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vorgelegt. Dieser sieht eine Reihe von Streichungen und Änderungen bisheriger Arbeitsmarktinstrumente vor. Die Bundesregierung behauptet, sie verbessere damit die Beschäftigungschancen für Erwerbslose. Tatsächlich setzt sie jedoch die 2010 von Schwarz-Gelb beschlossenen Kürzungen in der Arbeitsmarktpolitik um.

Die schwarz-gelbe sogenannte Leistungssteigerung bedeutet, Rechtsansprüche der Erwerbslosen abzubauen, den Billiglohnsektor auszudehnen, Instrumente für öffentlich geförderte Beschäftigung zu streichen und Arbeitgeber aus der Finanzierung der Arbeitslosigkeit zu entlassen. Auch hier werden, wenn es beim Gesetzentwurf der Bundesregierung bleibt, hauptsächlich Langzeitarbeitslose die Verlierer sein.

Wir haben in Brandenburg über 30 000 Langzeitarbeitslose über 50 Jahre. Hinzu kommen schwerbehinderte Menschen, Alleinerziehende, Geringverdienende sowie Migrantinnen und Migranten. Dazu kommen die örtlichen strukturellen Defizite an Arbeitsplätzen, die eine schnelle Integration in den ersten Arbeitsmarkt verhindern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, für uns ist klar: Kürzungen bei der Arbeitsmarktpolitik führen nicht zur Verbesserung der Vermittlung.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE und GRÜNE/B90)

Gute und nachhaltige arbeitsmarktpolitische Maßnahmen müssen ausreichend finanziert werden. Nur so sind langfristige, wirkungsvolle Weiterbildungsprogramme und öffentlich geförderte Beschäftigung möglich. Nur so lässt sich die verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit bekämpfen. Um den Druck zur Aufnahme schlecht bezahlter und prekärer Arbeit zu beseitigen, ist zugleich die Zumutbarkeit bei der Vermittlung in Arbeit neu zu regeln.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Oppositionsfraktionen, Sie polemisieren ja mit Vorliebe gegen öffentlich geförderte Beschäftigung und gegen unser Programm „Arbeit für Brandenburg“. Insbesondere die CDU jubelt über jede Schwierigkeit, die uns ihre Bundesregierung in den Weg legt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir stehen zu öffentlich geförderter Beschäftigung unter vernünftigen Bedingungen existenzsicher bezahlt und in sinnvolle Projekte investiert, die etwas zu mehr Lebensqualität in den Städten und Gemeinden beitragen, die helfen, soziale Strukturen zu erhalten oder im Sport, in der Kultur und im Umweltschutz etwas Nützliches zu leisten. Es bleibt widersinnig und falsch, dass Menschen mit ihren Fähigkeiten erzwungenermaßen zu Hause sitzen oder in Übungskaufhäusern Plastikobst gegen Plastikgeld verkaufen, während Kommunen und Vereine Projekte nicht verwirklichen können, weil niemand da ist, der sie umsetzen kann.

Wir wollen endlich Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren können. Dazu müssen im Bund die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Der Antrag „Soziale Ausrichtung und finanzielle Grundlagen der Arbeitsförderung sichern“ stellt das Erfordernis einer soliden Finanzbasis der Arbeitsmarktpolitik an den Anfang. Wir bitten die Landesregierung, auf Bundesebene darauf hinzuwirken, dass die massiven Kürzungen im Eingliederungstitel korrigiert werden. CDU und FDP hierzulande reden gebetsmühlenartig von Weiterbildung und Qualifizierung von Arbeitslosen, wo die Landesregierung etwas tun müsse - aber das tut sie auch! Wenn Sie sich den Mittelansatz im Rahmen des arbeitspolitischen Programms ansehen, wird das ganz deutlich. Von 2005 bis 2010 hat sich der Mitteleinsatz für Qualifizierungen fast verdoppelt: von 13 auf 25 Millionen Euro.

Ihre Bundesregierung dagegen, meine Damen und Herren, hat mit ihrer Kürzungspolitik dafür gesorgt, dass die Zahl der neu begonnenen beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen seit Beginn gegenüber dem Vorjahreszeitraum um fast die Hälfte, nämlich um fast 48 %, zurückgegangen ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu einer soliden Finanzierung gehört auch ein verlässlicher Rechts- und Finanzierungsrahmen für die Anbieter öffentlich geförderter Beschäftigung. Ich habe in den letzten Monaten sehr oft mit Arbeitsfördergesellschaften gesprochen. Dort ist man daran gewöhnt, mit ständig wechselnden Förderbedingungen umzugehen. Wenn aber gar kein Instrument mehr da ist, mit dem man die finanzielle Überlebensfähigkeit sichern kann, wenn statt 200 Euro plötzlich nur noch 30 Euro für die Betreuung eines Langzeitarbeitslosen zur Verfügung gestellt werden, dann wird das Know-how

dieser Anbieter sehr schnell weg sein, weil sie selbst weg sind. Das ist aktuell eine reale Gefahr.

Deshalb bitten wir die Landesregierung, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass wieder vernünftige und verlässliche Rahmenbedingungen hergestellt werden. - Ich danke Ihnen und bitte Sie um Zustimmung zum vorliegenden Antrag.

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD und GRÜNE/B90)

Die Abgeordnete Schier spricht für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte einmal aus der Begründung des Antrags zitieren:

„Mit dem Programm 'Arbeit für Brandenburg' und anderen Maßnahmen verfolgt die Landesregierung das Ziel, auch sogenannten marktfernen Arbeitslosen soziale Teilhabe und existenzsichernde Beschäftigung zu bieten.“

Existenzsichernde Beschäftigung für drei Jahre! - Ich will einmal an das Ranking der Jobcenter erinnern. Im Durchschnitt werden in der Bundesrepublik Deutschland die Menschen zu 18,7 % integriert. Brandenburg integriert 14,9 % in den ersten Arbeitsmarkt und ist damit absolutes Schlusslicht. Dagegen liegen wir bei der öffentlichen Beschäftigung mit 22 % an zweiter Stelle. Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass das des Rätsels Lösung ist. Sie verlangen Rahmenbedingungen auf Bundesebene. Die wird es geben mit Arbeitsgelegenheiten, mit Mehraufwandsentschädigungen - jawohl, das ist öffentlicher Beschäftigungssektor.

(Zuruf des Abgeordneten Holzschuher [SPD] - Frau Wöl- lert [DIE LINKE]: Das meinen Sie jetzt nicht wirklich!)

Aber die Instrumente sind dahin gehend gebündelt, dass wir auf Qualifizierung setzen. Wir haben heute über die fehlenden Fachkräfte gesprochen und festgestellt, dass wir Leute brauchen, die qualifiziert werden müssen. Wir haben freie Stellen im Land, die wir nicht besetzen können. Deswegen ist oberstes Ziel: Nicht allgemein beschäftigen, sondern qualifizieren! Vielen Dank.

(Beifall CDU sowie vereinzelt FDP)

Der Abgeordnete Baer spricht für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe bereits in meinem vorhergehenden Beitrag auf die glücklicherweise sinkenden Arbeitslosenzahlen hingewiesen. Doch auch wenn die Zahl der Arbeitslosen insgesamt, auch die der Langzeitarbeitslosen, gesunken ist, so ist nicht zu übersehen, dass es in diesem Bereich deutliche Verfestigungstendenzen gibt. Schwerbehinderte und ältere Menschen, Alleinerziehende, Migrantinnen und Migranten sowie Geringqualifizierte sind

immer noch überdurchschnittlich von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen. Dem gilt es entgegenzuwirken. Wir müssen diese Menschen mit gezielten Qualifizierungs- und Eingliederungsmaßnahmen wieder bzw. überhaupt erst in Arbeit bringen.

Leider gibt es auch in einigen Regionen Brandenburgs ein strukturelles Defizit an Arbeitsplätzen. Das heißt, gerade dort wird auch künftig öffentlich geförderte Beschäftigung erforderlich bleiben. Arbeitslose Menschen mit Vermittlungshandicap müssen möglichst passgenau für den Arbeitsmarkt qualifiziert und individuell gecoacht werden. Aufgrund regionaler Strukturprobleme wird eine Vermittlung jedoch weiterhin schwierig bleiben. Hier brauchen wir öffentlich geförderte Beschäftigung. Sie ist für uns im Land Brandenburg immer noch unverzichtbar. Die von der Bundesregierung in diesem Bereich vorgenommenen Kürzungen sind da kontraproduktiv; der Kollege Bernig hat darauf verwiesen.