Protokoll der Sitzung vom 23.06.2011

Wir alle wollen gern auch im Winter sicher von A nach B kommen. Das ist ein Anliegen zum Wohl der Allgemeinheit. Durch die Gesetzesänderung wird eine ohnehin in vielen Kommunen praktizierte Aufgabenverteilung nun durch Landesrecht abgesichert.

Das Potsdamer Urteil vom Dezember letzten Jahres hatte auch in meinem Wahlkreis für erhebliche Verunsicherung gesorgt. Diese Verunsicherung hat in der Folge umso deutlicher gezeigt, wie sehr die Kommunen auf die Mitwirkung der Grundstücks

eigentümerinnen und Grundstückseigentümer bei der Reinigungspflicht für Gehwege und teilweise auch für Straßen angewiesen sind. Denn in Zeiten, in denen es immer schwieriger wird, elementare Aspekte der Daseinsvorsorge - wie eine ausreichende Gesundheitsversorgung, die allgemeine Erreichbarkeit von Schulen und Bildungseinrichtungen oder einen guten öffentlichen Nahverkehr - zu gewährleisten, ist eine Kostenübernahme oder Aufgabenübernahme durch die öffentlichen Kassen häufig schlichtweg nicht möglich. Wir bewegen uns doch hier auch in dem Spannungsfeld zwischen den beiden Fragen danach, was wir uns aus öffentlichen Mitteln noch leisten wollen und was wir uns noch leisten können. Die Reinigungspflicht für Gehwege und teilweise auch für Straßen gehört nach unserer Auffassung weder zu dem einen noch zu dem anderen.

Schließlich bleibt es den Kommunen freigestellt, individuelle Lösungen im Einvernehmen mit der Bürgerschaft zu entwickeln. Verschiedene Varianten sind denkbar und werden auch bereits in Brandenburg praktiziert. Eine Aufgabe des Landes sehen wir aber an dieser Stelle definitiv nicht. Gleichwohl gibt es einige offene Fragen, beispielsweise: Wie praktikabel ist die geforderte Reinigung tatsächlich auf unbefestigten Straßen? Muss Eis- und Schneefreiheit hergestellt werden, oder reichen in Extremsituationen auch Fegen und Abstumpfen? Gibt es unterschiedlichen Umsetzungsbedarf oder Schwierigkeiten im Speckgürtel oder im ländlichen Raum?

Als umweltpolitischer Sprecher unserer Fraktion ist es mir natürlich auch ein Anliegen, eine deutliche Einschränkung der Streusalznutzung hinzubekommen.

(Beifall GRÜNE/B90)

Streusalz ist Gift, insbesondere auch für unsere Brandenburger Alleen, eines unserer wichtigsten landschaftsbildprägenden Kultur- und Naturgüter. Wir kennen das ja aus der Diskussion in anderen Zusammenhängen. Viele Kommunen haben das bereits erkannt und in ihren Satzungen entsprechend formuliert. Hier erscheint uns aber eine gesetzliche Regelung auf Landesebene dringend geboten. Das sollte hier präzisiert und nicht - wie bei Ihrem Gesetzentwurf - auf eine mögliche Rechtsverordnung verwiesen werden.

Der Überweisung in den Ausschuss werden wir natürlich gern zustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall GRÜNE/B90)

Das Wort erhält noch einmal die Landesregierung. - Diese zeigt Verzicht an. Damit kommen wir zur Abstimmung.

Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs in der Drucksache 5/3349, Zweites Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Straßengesetzes, eingebracht von der Landesregierung, an den Ausschuss für Infrastruktur und Landwirtschaft. Wer dieser Überweisung Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig an den Ausschuss für Infrastruktur und Landwirtschaft überwiesen worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 6 und rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Weiterentwicklung der Begabungsförderung (gemäß Beschluss des Landtages vom 07.10.2010 - Drs. 5/2105 [ND]-B)

Bericht der Landesregierung

Drucksache 5/3364

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung. Frau Ministerin Münch - sie ist nicht anwesend.

(Genilke [CDU]: Sie ist mit Herrn Hoffmann unterwegs! - Heiterkeit)

Ich bitte Frau Dr. Münch, in den Saal zu kommen.

(Dombrowski [CDU]: Nehmen Sie den nächsten Tages- ordnungspunkt, Herr Genilke ist vorbereitet!)

Herr Hoffmann ist da; Herr Hoffmann, haben Sie Frau Ministerin Dr. Münch mitgebracht? - Nein.

Ich würde jetzt entscheiden, den Tagesordnungspunkt zu verschieben.

Mir wird signalisiert, dass das nicht geht. - Wir suchen die Frau Ministerin.

Ich unterbreche die Sitzung. - Mir wird gerade mitgeteilt, wann Frau Ministerin da sein wird. - Frau Ministerin Dr. Münch ist da.

(Allgemeiner Beifall)

Wir waren ein bisschen schnell in der Abarbeitung der Tagesordnung, insofern haben die Zeitpläne nicht gestimmt. Da es ein Bericht der Landesregierung ist, war es nicht möglich, die Abgeordneten vorzuziehen. Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Liebe Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Besondere Begabungen von Kindern und Jugendlichen sind ein kostbarer Schatz für die ganze Gesellschaft. Der weltweite Wettbewerb um Märkte, Innovationen und neue Technologien wird immer mehr zu einem Wettbewerb des Wissens, des strategischen Denkens und der Kreativität. Deswegen sind die besonderen Begabungen von Kindern und Jugendlichen eine wichtige Zukunftsressource, und es geht darum, die Begabungen möglichst gut zu fördern. Wichtig ist es auch - das ist ein Brückenschlag zur Aktuellen Stunde, die wir heute Morgen hatten -, dass wir bei möglichst allen Kindern diese Begabungen finden. Bei der Art und Weise, wie wir zurzeit im separierten Schulsystem unsere Kinder fördern, sind sicherlich die Bedingungen dergestalt, dass es uns nicht gelingt, die Begabung bei allen Kindern zu entdecken, denn sie sind gleich verteilt und nicht nur dort zu finden, wo Kinder im Gymnasium anlanden.

Die begabungsgerechte und entwicklungsgemäße Förderung besonders begabter Kinder und Jugendlicher ist deshalb eine gemeinsame Aufgabe aller Bildungseinrichtungen. Begabungsför

derung bedeutet Förderung der Gesamtpersönlichkeit, und sie ist damit immer auch eine individualisierte Förderung. Es gibt kaum eine Fördermaßnahme, die für alle Begabungen gleichermaßen geeignet ist. Deswegen ist es wichtig, ein breites Spektrum an Begabungsförderung und Förderangeboten bereitzuhalten.

Wir verfolgen dabei drei unterschiedliche Förderansätze: erstens die Begabtenförderung im schulischen Unterricht. Da Begabtenförderung im schulischen Unterricht beginnt, spielt die Individualisierung des Unterrichts eine besondere Rolle. Auch hier können wir den Bogen wieder schließen; denn individualisierter Unterricht bedeutet Förderung sowohl für das Kind mit Problemen als auch für den Begabten. Wichtige Maßnahmen sind individuelle Lernstandsanalysen, individuelle Förderpläne und arbeitsteilige Kleingruppenarbeit - alles Themen, die wir auch beim Thema gemeinsamer Unterricht und Inklusion brauchen. Leistungsstarke Schülerinnen und Schüler werden als Tutoren für ihre Mitschüler eingesetzt, im Unterricht werden Freiräume für selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Lernen geschaffen. Es ist sehr beeindruckend, wenn man einmal in eine Klasse geht und sieht, wie die Kinder selbstverantwortlich und sehr konzentriert an ihren jeweils eigenen Fragestellungen auf unterschiedlichem Niveau arbeiten.

Der zweite Förderansatz ist die Verkürzung von Lern- und Ausbildungszeiten oder deren Beschleunigung, die sogenannte Akzeleration mit flexiblen Eingangsklassen. Sie wissen, es ist möglich, die ersten beiden Schuljahre in einem, in zwei oder drei Jahren zu durchlaufen, mit dem 12-jährigen Bildungsgang zum Abitur, den wir für alle verkürzt haben, mit einer frühzeitigen Einschulung oder auch mit der Möglichkeit, Ausbildungszeiten, ganze Klassen zu überspringen.

Der dritte Förderansatz bezieht sich auf die Anreicherung von Lernangeboten. Dazu gehören Wettbewerbe, Schülerakademien und Landesseminare, ebenso Stipendienprogramme für bestimmte Schwerpunkte, Kooperation mit wissenschaftlichen Einrichtungen - hier haben wir beispielsweise mit dem Frühstudium für besonders begabte Schüler in Sek I und Sek II die Möglichkeiten geschaffen, schon vorzeitig Vorlesungen und Seminare an den Hochschulen zu besuchen. Wir haben Schulen mit besonderer Prägung oder auch mit besonderen fachlichen Schwerpunkten. Außerdem haben wir die Leistungs- und Begabungsklassen und das bereits erwähnte Juniorstudium.

Eine wichtige Voraussetzung für das Erkennen besonderer Begabungen ist die diagnostische Kompetenz der Pädagogen. Inzwischen haben 29 Lehrkräfte aus öffentlichen Schulen das Diplom als Spezialist in der begabungsfördernden Bildung des Internationalen Centrums für Begabungsforschung erworben. 45 Lehrkräfte wurden als Moderatoren der Impulskreise ausgebildet, einer interaktiven Fortbildungsmethode zum Erkennen und Fördern von besonderen Begabungen; denn auch ein Kind, das scheinbar stört und verhaltensauffällig ist, kann durchaus ein Kind mit einer ganz besonderen Begabung sein.

Im Schuljahr 2006/2007 wurden 25 Lehrkräfte für die Beratungsstützpunkte der Begabtenförderung qualifiziert. Die Beratung von Eltern und Lehrkräften, die Erstellung von Förderplänen und Begleitung der eingeleiteten Fördermaßnahmen durch die Beraterinnen und Berater haben die Fördersituation mit erkennbaren Erfolgen im Aufbau eines regionalen Kooperationsnetzes und einer guten Zusammenarbeit mit den Schulpsychologinnen und Schulpsychologen im Land verbessert.

Der Ihnen vorliegende Bericht macht deutlich, dass mein Ressort bereits zahlreiche erfolgreiche Initiativen auf den Weg gebracht hat, um allen Kindern und Jugendlichen zu ermöglichen, ihre besonderen Begabungen optimal zu entfalten. In einem nächsten Schritt geht es mir insbesondere darum, die Formen der Begabtenförderung weiterzuentwickeln, auch zu evaluieren, die Weiterbildung der Lehrkräfte zu konsolidieren und die Initiativen noch stärker miteinander zu vernetzen, sodass das System begabungsfördernder Maßnahmen im Land noch besser wirksam werden kann.

Ein zentraler Baustein der Begabungsförderung ist in jedem Fall eine stärkere Individualisierung des Unterrichts in dem Sinne, dass tatsächlich jedes Kind dort abgeholt wird, wo es steht, und auch in seinen besonderen Begabungen gefördert wird. - Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag des Abgeordneten Hoffmann fort, der für die CDU-Fraktion sprechen wird.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns heute mit dem Bericht der Landesregierung zur Weiterentwicklung der Begabungsförderung. Das geht zurück auf eine Diskussion im letzten Jahr und einen mit den Stimmen der Regierungskoalition verabschiedeten Entschließungsantrag, in dem Sie Ihre Landesregierung aufforderten, bis Ende März die Fortschreibung des Berichts vorzulegen.

Jetzt haben wir Mitte Juni, und der Bericht ist da. Ich glaube, wir sind uns darüber einig, dass ein gutes Bildungssystem größtmögliche individuelle Förderung jedes Einzelnen gewährleistet und dass es unsere Kinder zu Eigenverantwortung und Selbstständigkeit befähigt. Ein gutes Bildungssystem muss unsere Kinder auch in der Entwicklung ihrer Begabungen und Talente unterstützen. Ein gutes Bildungssystem muss deshalb natürlich auch Leistungsanreize für besonders begabte und leistungsstarke Schüler vorhalten. In Brandenburg wurden in den Jahren mit der Regierungsbeteiligung der CDU sinnvollerweise auch Strukturen der Begabtenförderung aufgebaut, von denen in diesem Bericht auch die Rede ist.

Die Palette von Begabungen ist extrem vielfältig. Es gibt sprachliche, mathematische, geisteswissenschaftliche, technische, handwerkliche, musisch-künstlerische, sportliche, gesellschaftswissenschaftliche und soziale Begabungen, die alle gleichberechtigt nebeneinander stehen.

Es geht uns bei der Begabtenförderung darum, Menschen mit unterschiedlichen Stärken, Fähigkeiten und Voraussetzungen so gut wie möglich zu fördern. Das Fördern von Begabungen schließt immer auch die Förderung von Leistung ein. Bei einer solchen Vielfalt an unterschiedlichen Begabungen ist auch nur folgerichtig, dass es nicht den einen Weg in der Begabungsförderung gibt, sondern dass es viele unterschiedliche Maßnahmen gibt. In diesem Bericht werden auch etliche davon genannt: Wettbewerbe, Schülerakademien, Stipendienprogramme, Schulen spezieller Prägung und eben natürlich auch die Leistungs- und Begabungsklassen.

So gut und so richtig diese Instrumente alle sind, ein Knackpunkt liegt für mich zunächst einmal darin, dass es uns tatsächlich gelingen muss, die Pädagogen in den Einrichtungen mit dem notwendigen Know-How auszustatten, dass sie diese Begabungen auch erkennen können. In diesem Bericht wird auf die sogenannte Underachiever hingewiesen. Das sind also Kinder, die eine hohe Begabung haben und die, weil die Begabung nicht als solche erkannt wird, dann eben auch nicht entsprechend gefördert werden, die dann unmotiviert sind, die schlechtere Leistungen bringen und oft auch durch Leistungsverweigerung auffallen oder andere Verhaltensauffälligkeiten zeigen. Ich finde, gerade das muss uns natürlich besonders wehtun. Deshalb müssen wir an dieser Stelle noch deutlich besser werden. Entsprechende Maßnahmen schlägt der Bericht gleich vor: Know-How beim pädagogischen Personal, also bei Lehrern und Erziehern - da sind wir wieder beim Thema der notwendigen Reform der Erzieherausbildung -, und dann natürlich auch die Beratung und Unterstützung durch Schulpsychologen. Darüber haben wir hier auch schon etliche Male diskutiert. Hier wird deutlich, wie wichtig deren Arbeit eben auch im Bereich der Begabungsförderung ist. Meine Damen und Herren, das sind Aufgaben, die leider zu oft hinten runterfallen, weil der Tag auch für Schulpsychologen nur 24 Stunden hat.

Zu guter Letzt möchte ich natürlich auch ein Wort zu den Leistungs- und Begabungsklassen verlieren. Die LuBK sind mittlerweile nicht nur ein fester, sondern auch anerkannter Bestandteil der Begabtenförderung unseres Bildungssystems geworden. Sie sind bei Schülern, Eltern und Lehrern gleichermaßen beliebt und dementsprechend auch übermäßig stark nachgefragt. Das zeigt sich daran, dass es deutlich mehr geeignete Bewerber gibt, als wir Plätze haben, und dass es leider vielen geeigneten Bewerbern nahezu willkürlich versagt bleibt, diesen Weg der Begabungsförderung auch zu gehen. Meine Damen und Herren, die Leistungs- und Begabungsklassen sind ein Erfolgsmodell, und es ist nach wie vor ungerecht, dass vielen Kindern der Weg in dieses gut funktionierende Förderinstrument aufgrund ideologischer Befindlichkeiten versperrt bleibt.

Der Bericht macht also deutlich, dass sich einiges bewegt hat, seit die CDU das Thema Begabungsförderung auch in Brandenburg aufgerufen und salonfähig gemacht hat.

(Oh! bei der SPD)

Aber es bleibt auch weiterhin noch einiges zu tun, und ich hoffe, dass es uns gelingt, das gemeinsam anzupacken. - Danke schön.

(Beifall CDU)

Der Abgeordnete Günther spricht für die SPD-Fraktion.

Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Vorbereitung auf diese Rede fiel mir auf, was wir von unseren Lehrerinnen und Lehrer eigentlich so alles erwarten. Wir gehen davon aus, dass jedes, wirklich jedes Kind begabt ist. Wenn das so ist, wovon ich wirklich überzeugt bin, dann ist klar, dass viele Kinder mit unterschiedlich ausgeprägten Begabungen in einer Klasse sitzen. Wir erwarten nun, dass diese vielen Begabungen der unterschiedlichsten Art nicht nur er

kannt, sondern auch gefördert werden. Ein Zauberwort heißt dabei Individualisierung von Unterricht. Klingt schwierig, aber es geht. Es geht erstaunlicherweise sogar in Brandenburg.

(Zurufe von der SPD: Was ist das denn? - Heiterkeit bei der CDU)