Protokoll der Sitzung vom 29.09.2011

Die Berliner Flughäfen haben im Jahr 2009 über 40 000 Arbeitsplätze mit einer Wertschöpfung von 1,8 Milliarden Euro gesichert. Für den BER werden ausweislich der Studien des Instituts für Verkehrswissenschaft an der Uni Köln zusätzlich über 32 400 Arbeitsplätze mit einer Wertschöpfung von 1 Milliarde Euro prognostiziert. In Brandenburg würde das einen Wachstumsimpuls von zwei bis drei Prozent bedeuten - ich glaube, das können wir nicht einfach ignorieren. Das geschieht dadurch, dass die Hauptstadtregion am erwarteten Wachstum des Flugverkehrs hierzulande partizipiert, und das ist gut so.

Nun können Sie uns ja vorwerfen, dass uns die Eurozeichen in den Augen den Blick auf die Risiken vernebeln - dem ist nicht so. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das Luftfahrtgeschäft weiter wachsen wird. Auch Wirtschaftsrisiken, Aschewolken und die Revolution in Nordafrika in den vergangenen Jahren konnten nichts daran ändern.

Sehr geehrte Frau Abgeordnete, der Blick auf das rote Lämpchen sollte nicht vernebelt sein. Es leuchtet.

Mitte September hat der Flugzeugbauer Airbus bekanntgegeben, dass er langfristig mit einem Bedarf von 28 000 neuen Passagiermaschinen rechnet.

Und, Herr Vogel: Für Sie gibt es ja noch den Flughafen Tempelhof, da können Sie dann Fahrrad fahren oder spazieren gehen oder Blumen pflücken - es ist mir egal.

(Vereinzelt Beifall SPD - Lachen bei der CDU - Frau Nonnemacher [GRÜNE/B90]: Wie war das mit der Kreis- liga?)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Hackenschmidt. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Der Abgeordnete Homeyer hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich versuche jetzt, Sie irgendwie wieder herunterzuholen in diese Debatte

(Vereinzelt Beifall CDU und GRÜNE/B90)

über das wichtigste Infrastrukturprojekt unserer Region, wenn nicht in ganz Deutschland.

Bevor ich in meine Rede einsteige: Herr Vogel, ich habe mich die ganze Zeit gefragt: Was haben Sie eigentlich mit Ihrer Rede bezweckt? Ich fand es ja gut, dass Sie eine Anfrage zur aktuellen und zukünftigen Wirtschaftlichkeit des Flughafens BER gestellt haben. Dafür ist es sicherlich auch an der Zeit, es handelt sich im Wesentlichen um ökonomische Daten, und die müssen wir auch gemeinsam bewerten, keine Frage.

Aber wenn ich Ihre Rede - und ich habe wirklich gut zugehört deute, komme ich zu dem Schluss, dass Sie eigentlich Folgendes gemacht haben: Sie haben den zukünftigen Flughafen, der erst nächstes Jahr ans Netz geht, brutalstmöglich in Grund und Boden geredet.

(Vogel [GRÜNE/B90]: Ich habe Risiken erwähnt! - Günt- her [SPD]: Aber er soll wirtschaftlich sein!)

- Ja, Sie haben Risiken erwähnt. Aber Sie fordern dann in Ihrem Entschließungsantrag, dass er möglichst schnell privatisiert wird. Ich muss ehrlich sagen: Wenn ich ein Investor wäre, würde es mir nach Ihrer Rede, Herr Vogel, sehr schwerfallen, an der Sache noch ein gutes Haar zu finden.

Aber vielleicht einmal zum Inhalt der Beantwortung der Fragen zum Großflughafen durch die Landesregierung: Wir sehen natürlich auch Risiken, aber wir als CDU-Fraktion bemühen uns natürlich, ein umfassendes Bild der Lage des Großflughafens zu bekommen. Ich möchte einfach einmal feststellen, worum es eigentlich geht, damit uns das wieder bewusst wird, wenn wir darüber debattieren.

Der Flughafen Berlin-Brandenburg ist ein öffentlich-rechtliches Unternehmen. Seit 1991 sind der Bund mit 26 % und die Länder Berlin und Brandenburg mit jeweils 37 % als Gesellschafter am Flughafen beteiligt. Die Gesellschaft wird von einer Geschäftsführung geleitet und von einem Aufsichtsrat kontrolliert. Der Landtag - wir also - ist Kontrollinstanz. Diese Aufgabe nehmen wir wahr, und zwar nicht zum ersten Mal mit dieser Debatte hier, sondern schon im letzten Jahr mit zum Beispiel Sonderausschüssen, im Wirtschaftsausschuss und Finanzausschuss, als es darum ging, dass eine Bauverzögerung eingetreten war. Also: Der Landtag arbeitet und nimmt seine Aufgabe wahr.

Im Mai 2003 wurde entschieden, dass die Gesellschafter den Flughafen in Schönefeld in Eigenregie bauen. Als Gesellschafter hat Brandenburg Steuergelder in Höhe von ca. 900 Milli

onen Euro als Kredite mit Bürgschaften bereitgestellt und der Flughafengesellschaft 160 Millionen Euro an Eigenmitteln liquide gegeben. Und, meine Damen und Herren, die Geschäftsführung hat die originäre Aufgabe, den Businessplan umzusetzen, indem sie den Flughafen wirtschaftlich für uns betreibt. Sie muss dafür sorgen, dass Zins und Tilgung gewährleistet sind und möglichst eine Renditezahlung an die Gesellschafter erfolgt, und sie muss nicht zuletzt dafür sorgen, dass der neue Flughafen pünktlich im Sommer 2012 ans Netz geht. Daran werden wir die Geschäftsführung und den Aufsichtsrat messen.

(Beifall CDU)

Von der Antwort, meine Damen und Herren der Landesregierung, habe ich mir mehr Transparenz versprochen, trotz der teilweise berechtigten Hinweise auf Geschäftsgeheimnisse.

Aber, ich denke, man kann, wenn man aufmerksam liest, Folgendes feststellen. Erstens: Der Flughafen kann wirtschaftlich betrieben werden. Zweitens: Die Risiken sind beherrschbar. Drittens: Die Erwirtschaftung von Gewinnen ist machbar. Diese Ziele lassen sich aber nur verwirklichen, wenn die Gesellschafter die Rahmenbedingungen entsprechend gestalten

(Schulze [SPD]: Woher wissen Sie das?)

und damit meine ich, dass das, was im Businessplan vorgesehen ist, umgesetzt und nicht von der Politik, Herr Schulze, wie zum Beispiel bei der LEG geschehen, die einmal eine gesunde Gesellschaft und mit vielem und guten Kapital ausgestattet war, durch ständig neue Forderungen an die Wand gefahren wird.

(Beifall CDU)

Kosten: 150 Millionen Euro. Sie waren verantwortlich, Herr Schulze. Genau das dürfen wir hier nicht machen.

Die Gesellschafter tragen auch dazu bei, dass der Betrieb pünktlich am 3. Juni 2012 aufgenommen werden kann und dass alle Geschäftsbereiche - also Aviation und Non-Aviation erfolgreich sind.

Trotzdem sind einige Fragen offen: Ist die Gesellschaft in der Lage, die Mehrkosten für den Lärmschutz, für Bauverzögerungen, zusätzliche Sicherheitsanlagen zu stemmen? Wir erwarten hier Transparenz, wir erwarten eine klare Aussage, inwieweit das finanziell umsetzbar ist. Eines ist auch klar: Vertrauend auf die gemachten Angaben wollen wir weder von der Geschäftsführung noch vom Aufsichtsrat weitere unangenehme Überraschungen erleben, denn ursprünglich war geplant, dass der Flughafen in den nächsten Tagen - nämlich am 30. Oktober 2011 - seinen Betrieb aufnimmt. Nun gehen wir davon aus, dass der Beginn des Flugbetriebs ohne weitere Verzögerungen im Juni 2012 zu erleben ist.

Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, noch einmal klar zu sagen: Wir sind für den Flughafenneubau in Schönefeld, wir sehen darin den Wirtschaftsmotor für die Region für Brandenburg und für Berlin -, davon sind wir überzeugt. Selbstverständlich müssen bei allen Maßnahmen und künftigen Entwicklungen des Flughafens die gesetzlichen Bedingungen eingehalten und die Bürger frühzeitig einbezogen werden.

Ich sage hier ganz klar an die Adresse der Flughafengeschäftsführung, und ich kann nur appellieren, dass schon im Interesse des zukünftigen Flughafens die Lärmschutzanträge der betroffenen Bürgerinnen und Bürger in unmittelbarem Umfeld des Flughafens großzügig umgesetzt werden, und zwar, meine Damen und Herren, unbürokratisch und ohne eine Krämerseele zu sein.

(Beifall CDU sowie der Abgeordneten Prof. Dr. Heppe- ner [SPD])

Herr Abgeordneter Homeyer, dazu haben Sie leider keine Zeit mehr.

Nur dann werden wir auch Vertrauen gewinnen und das ist die Aufgabe. Was ich bis jetzt gehört habe, gibt es da noch Nachholbedarf. Ich komme zum Ende.

Herr Abgeordneter Homeyer, ich bitte Sie, Ihre Rede zu beenden.

Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin.

Das Ende ist schon erreicht.

Meine Fraktion wird sich zum Entschließungsantrag enthalten. Ich werde dagegen stimmen, weil das ausgemachter ökonomischer Unsinn ist. - Danke.

(Beifall CDU und FDP)

Der Abgeordnete Homeyer hat seine Redezeit deutlich überschritten. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE fort. Die Abgeordnete Wehlan wird sprechen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zur Einordnung der heutigen Debatte für meine Fraktion folgende drei Punkte feststellen:

Erstens. Mit Schönefeld im dicht besiedelten Speckgürtel Berlins wurde der denkbar ungünstigste Standort für das Schutzgut Gesundheit politisch durchgesetzt, aber auch für eine gute wirtschaftliche Entwicklung des Flughafens selbst, denn jeder Flughafen braucht zuallererst die Akzeptanz in der Region, die Akzeptanz der Menschen.

Zweitens. Trotz unserer damaligen Standortablehnung steht die Linke in Brandenburg seit November 2009 mit Rot-Rot auf

Landesebene in politischer Verantwortung für den Flughafen Schönefeld. Mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.03.2006 wurde die Rechtmäßigkeit des Flughafens bestätigt. Der Planfeststellungsergänzungsbeschluss zum Nachtflugverbot und den Nachtrandbetriebszeiten wurde am 6. Oktober 2009 noch durch den Verkehrsminister der Vorgängerregierung, Herrn Dellmann, unterschrieben.

Was bleibt, ist die Feststellung: Das, was vor unserer Regierungsbeteiligung beschlossen, entschieden und verhandelt worden ist, können wir nicht einfach wegbeschließen. Beschlüsse und Gerichtsentscheidungen zum Flughafen Berlin-Brandenburg sind in Kraft, und Herr Vogel, Sie wurden in Berlin anscheinend sehr schnell von ebendieser nüchternen bzw. ernüchternden Feststellung eingeholt, denn nicht nur der Berlin-Macher hat sich dazu erklärt, sondern er hat sich zu einem Verhandlungsergebnis mit den Grünen erklärt, und nach seinen Worten gab es eine Einigung darüber, dass beim künftigen Großflughafen Berlin-Schönefeld eine Expansionsstrategie verfolgt werde. Das konterkariert Ihren Antrag natürlich total, aber das wissen Sie auch.

Das bedeutet jedoch nicht, Herr Vogel, und damit sind wir wieder d'accord, Denkverbote aufzuerlegen. Für die Linke ist es ein mit Zahlen und Analysen belegter Fakt, dass Fluglärm gesundheitsschädlich ist, und natürlich ist es für die Betroffenen bedauerlich, wenn immer wieder Gerichte anstelle der Politik entscheiden müssen. Aber es ist auch Aufgabe der Justiz, den Einzelnen oder Minderheiten gegenüber politischen oder Mehrheitsentscheidungen zu schützen, wenn dies geboten ist. Ob das geboten ist, ob und wie der Lärmschutz ausreichend gegenüber den wirtschaftlichen Interessen gewichtet wurde, wägt gegenwärtig das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ab. Wenn wir auf diesem Wege zu mehr Lärmschutz kommen, wäre das ein Ergebnis, über das ich mich auch persönlich sehr freuen würde.

Drittens. Der Flughafen Berlin-Brandenburg befindet sich in öffentlicher Hand, und ich zitiere aus dem Vortext Ihrer Großen Anfrage:

„Etwaige finanzielle Forderungen Dritter oder die Notwendigkeit einer direkten und regelmäßigen Alimentierung der Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH aus dem Landeshaushalt würden die politischen und haushalterischen Spielräume in der Zukunft stark belasten.“

Ja, genau darum geht es, Herr Vogel. Auch wenn für die Linke die Wirtschaftlichkeit nachrangig steht, ist für uns ebenfalls klar, dass das nicht bedeuten kann, dass sie überhaupt nicht mehr zur Kenntnis genommen werden soll. Für eine unvertretbar hohe finanzielle Belastung durch den Flughafen Schönefeld für den Landeshaushalt haben wir heute, anders als die Opposition, Verantwortung. Herr Dellmann meinte damals sinngemäß, dass mit dem Planfeststellungsergänzungsbeschluss und dem eingeschränkten Flugbetrieb von 22 bis 0 Uhr und von 5 bis 6 Uhr die Wirtschaftlichkeit bereits nachrangig gestellt wurde. Eine weitere Einschränkung des Flugbetriebes bei den Nachtrandzeiten würde erhebliche Arbeitsplatzverluste und Auswirkungen für die öffentliche Hand zur Folge haben.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es sind noch genau 14 Tage bis zum Urteil in Leipzig. Wir werden dann wissen, ob diese Einschätzung Bestand hat.

Zwei Punkte im Umgang mit der Großen Anfrage und Ihrem Entschließungsantrag, Herr Vogel, möchte ich aufgreifen: die nun im Raum stehende Privatisierung und die Entgeltordnung. Während vonseiten der Länder Berlin und Brandenburg zurzeit keine Veräußerung ihrer Gesellschafteranteile geplant ist, hat sich der Bund zur Prüfung ab 2013 erklärt, und Sie, Herr Vogel, wollen mit Ihrem Antrag ein Privatisierungsverfahren sofort einleiten.

Ich darf daran erinnern, dass bereits zwei gescheiterte Privatisierungen hinter uns liegen. Dazu hat sich auch der Landtag in vielen Debatten, auch vor dieser Legislaturperiode, verständigt, und ich frage Sie, Herr Vogel: Welches Konzept verfolgen Sie damit? Welches der vorhandenen Probleme wollen Sie damit eigentlich lösen? Sie packen in Ihrem Antrag völlig gegensätzliche Ziele zusammen und verlangen von der Landesregierung, dass sie diese umsetzt - frei nach dem Motto „Wünsch dir was“. Aber der einzige Flughafen, der all diese Wünsche erfüllen könnte, wäre ein nicht gebauter Flughafen, und das rückwirkend ab Ostern 1996.

Der zweite Punkt betrifft die Start- und Landeentgelte, ich hatte es angeführt. Wir meinen, dass es der „verlärmten“ Bevölkerung nicht zu vermitteln ist, dass zukünftig der Flugbetrieb auch noch subventioniert werden soll. Seit der letzten Woche und unserer Diskussion im Fachausschuss wissen wir, wie schwer sich die FBS mit der Umsetzung der auch vom Gesetz vorgeschriebenen Lärmschutzmaßnahmen tut; Herr Homeyer, darin sind wir sehr nah beeinander.