Protokoll der Sitzung vom 25.04.2012

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Ja!)

Diese Stunden, die sie mehr haben, gehen rein. Das hat mit der Lehrerstundenzuweisung 1,7 oder 1,8 nichts zu tun. Die Kurse, die eingerichtet sind, bleiben erhalten. Es wird möglicherweise ein Stück weit weniger Wahlmöglichkeiten bei den sogenannten „exotischen Kursen“ Spanisch, Psychologie, Pädagogik, Recht geben. Diese Profilbildung ist an manchen Schulen möglicherweise in Gefahr.

Jetzt komme ich zu einem Punkt, der uns Sorgen gemacht hat. Es ist bei diesem Zuweisungsmodell, das ich in jedem Fall für ein gerechteres halte, auch passiert, dass den Schulen, die sich der Inklusion in der Vorstufe, nämlich der Integration, gewidmet haben, indem sie gemeinsamen Unterricht durchführen und deswegen nur 23 Kinder in einer Klasse haben, weniger Stunden zugewiesen wurden. Das kann natürlich nicht sein. Es ist uns zugesagt worden - Sie waren im Ausschuss dabei -, dass hier nachgesteuert wird. Fragen Sie in Ihren Schulämtern nach.

Die Schulämter, die ich gefragt habe, haben jetzt die endgültige Zuweisung gemacht. Aus dieser endgültigen Stundenzuweisung heraus ergibt sich, dass die meisten Schulen im Prinzip auf dem Level, den sie haben, weiterfahren können.

Es tut mit leid: Wenn am Humboldt-Gymnasium zugegeben wird, dass es auch Kurse mit 12 und 13 Schülern in der Sekundarstufe II gibt - 18-jährige Jugendliche -, kann ich sehr wohl damit leben, dass 20 oder 22 Schüler in einem solchen Kurs sind und trotzdem noch eine richtig gute Qualität gewährleistet werden kann. Dafür freue ich mich, dass eine Klasse mit 27 oder 28 Grundschulkindern jetzt mehr Möglichkeiten hat, Teilungsunterricht durchzuführen.

Ich bin der Auffassung, dass diese VV-Unterrichtsorganisation angemessen und im Rahmen dessen, was wir steuern wollen, auch richtig ist. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD und von Minister Dr. Markov)

Während Frau von Halem für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ans Rednerpult tritt, halte ich fest, Herr Finanzminister: Die Vokabel „Mist“ hätte vielleicht in den vorherigen Tagesordnungspunkt gepasst, als es um Massentierhaltung ging, aber nicht als Kommentar zu einem Abgeordnetengespräch. - Frau von Halem, bitte.

(Beifall CDU und FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wird Sie nicht verwundern: Auch wir stellen uns in die Reihe der Kritiker.

(Minister Dr. Markov diskutiert mit Präsident Fritsch)

- Sie können das hinterher diskutieren. - Wir begrüßen die bessere Ausstattung für Grund- und Oberschulen; aber sie darf nicht auf Kosten von Gymnasien gehen. Es ist aus unserer Sicht sehr wohl angemessen, dass die großen Klassen im Speckgürtel besser versorgt werden. Aber die Folge darf keine Schlechterstellung kleiner ländlicher Schulen sein.

Selbstverständlich kritisieren wir, dass die VV-Unterrichtsorganisation gegen den Willen des Landesschulbeirates umgesetzt wird. Und selbstverständlich finden wir es auch lachhaft, dass jetzt festgelegt ist, dass die Stunden der Sonderpädagogen nur als letzte Maßnahme zur Unterrichtsvertretung genutzt werden dürfen. Das klingt geradezu so, als hätten die Schulleitungen die Stunden der Sonderpädagogen bislang aus Lust und Tollerei zur Unterrichtsvertretung verwandt. Trotzdem hat die Ministerin natürlich Recht, wenn sie sagt, es handele sich gar nicht um eine Kürzung, sondern nur um eine neu zu justierende Verteilung, aber natürlich innerhalb eines gewissen Stellenrahmens, und dieser ist nicht gottgegeben.

Die Tatsache, dass wir hier über eine relativ kleinteilige Verwaltungsvorschrift diskutieren, hat damit zu tun, dass wir hier eine Stellvertreterdebatte führen. Es geht eigentlich nicht wirklich um die VV-Unterrichtsorganisation. Wir haben es mit einem rhetorischen Stilmittel zu tun - übertragen ins Politische -,

nämlich einer Metonymie: Hier steht das Einzelne - nämlich die Zuweisung von Lehrerwochenstunden für bestimmte Schulformen und Jahrgangsstufen - in der Beziehung zum Ganzen, nämlich der Versorgung mit Lehrkräften, vulgo: der SchülerLehrer-Relation.

Der besondere Gegenstand des Tagesordnungspunktes ist Teil der allgemeinen, übergeordneten Fragestellung und gewinnt Relevanz nur in Beziehung auf dieselbe. Auch wenn wir hier gebetsmühlenartig die Wiederholung hören, es würde nur umstrukturiert - die Frage ist eigentlich eine andere, und damit treffen wir des Pudels Kern: Wir brauchen mehr Lehrkräfte.

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

Diese Einstellung scheint jetzt sogar der Ausschuss für Haushaltskontrolle zu teilen, wie wir der Aussage von Herrn Bommert heute früh entnehmen konnten.

Laut Fortschreibung des Schulressourcenkonzepts vom August 2011 müssten zum Schuljahr 2012/13 - also jetzt - 461 Vollzeiteinheiten und damit 494 Personen neu eingestellt werden. Dazu kommen die mehr als 100 Lehrerinnen und Lehrer, die zusätzlich einzustellen die Landesregierung im Rahmen des Pilotprojekts „Inklusion“ versprochen hatte.

(Beifall der Abgeordneten Blechinger [CDU])

Das steht in der Pressemeldung zur Halbzeitbilanz und ist dort nachzulesen.

Das bedeutet, dass die Gesamtzahl der Lehrkräfte von 16 758 auf 16 858 anwachsen müsste. Und es macht natürlich hellhörig, wenn in der neuesten Pressemitteilung nur noch die Rede davon ist, 100 Lehrkräfte für das Inklusionsprojekt „bereitzustellen“, aber nicht mehr von zusätzlich Einzustellenden. Wenn wir die 494 aus dem Schulressourcenkonzept plus die 100 zusätzlichen Lehrkräfte für die Inklusion nehmen, sind wir bei knapp 6 00 Lehrkräften. Und wo sind diese 600 Lehrkräfte, die dieses Jahr eingestellt werden sollen? Stellen Sie die ein, Frau Ministerin Münch? Wie viele Vorverträge gibt es schon? Laut Ressourcenplanung brauchen wir nächstes Jahr - 2013/14 - 714 Personen; da wird die Misere noch größer. 450 Lehrerinnen und Lehrer werden jedes Jahr fertig ausgebildet - und woher werden die anderen gezaubert?

Auf den Reisen durch Brandenburg im Rahmen meiner Inklusionstour schallt mir immer wieder entgegen, die Decke sei zu knapp bemessen - jetzt. Und es wird noch viel schlimmer werden: Da ist diese VV-Unterrichtsorganisation in der Kleinteiligkeit, wie wir sie heute diskutieren, wahrscheinlich nur ein erster Schritt. In diese Situation hat sich die Landesregierung durch die spärlichen Einstellungen der letzten Jahre sehenden Auges begeben. Das ist der Kern der Debatte, und das ist unsere Kritik. Und, Herr Günter: Ja, hier entscheidet sich, ob wir Brandenburg gestalten oder verunstalten.

(Beifall GRÜNE/B90, CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete von Halem. - Wir setzen mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Ministerin Dr. Münch hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Hoffmann, ich freue mich ausdrücklich über das Engagement der CDU-Fraktion für gute Schulen in unserem Land, denn Sie haben Recht - ja, das ist auch einmal einen Applaus wert -,

(Beifall CDU)

dass ein positives Lernklima und auch die Leistungsbereitschaft von Schülern und Lehrern wichtig für eine gute Schule sind. Aber zu einer guten Schule gehört natürlich noch viel mehr: Eine gute Schule fördert die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen und führt möglichst alle zu guten Abschlüssen und zu einem erfolgreichen Berufseinstieg. Vor allem wird in einer guten Schule - und auch das haben Sie betont, was mich sehr gefreut hat - jede Schülerin und jeder Schüler individuelle gefördert und kann die eigenen Potenziale zur Entfaltung bringen. Das entspricht unserem Konzept der Chancengleichheit in der Schule für alle. Ich freue mich sehr, dass Sie dieses Ziel teilen.

Wir werden dieses Ziel mit Erfolg erreichen und auch die Rahmenbedingungen dafür sichern. Die VV-Unterrichtsorganisation - und ich bin meinen Vorrednern Herr Günter und Frau Große ausgesprochen dankbar, dass sie noch einmal kleinstteilig erklärt haben, was sich hinter diesem sperrigen Begriff verbirgt - steht dem nicht im Wege, sondern sie ist ein wichtiges Steuerungsinstrument, um die Qualität an den Schulen überall sichern zu können.

Die Rahmenbedingungen sind durch den Haushalt vorgegeben, durch den Haushaltsgesetzgeber bestimmt, und die Verwaltungsvorschriften ändern daran selbstverständlich nichts. Wie Sie wissen, sind die Rahmenbedingungen nicht verändert worden, denn die Regierungskoalition hat die gesamte SchülerLehrer-Relation bis zum Ende der Legislaturperiode festgeschrieben. Und das ist nicht trivial, meine Damen und Herren, denn es ist eine Schüler-Lehrer-Relation, die im Bundesvergleich im oberen Drittel liegt und auf die wir auch wirklich stolz sein und bezüglich derer wir froh sein können, dass wir sie gesichert haben.

Die VV-Unterrichtsorganisation sorgt dafür, dass die Ressourcen bedarfsgerecht verteilt werden. Dafür müssen wir tatsächlich alle Schulen im Blick haben - die ganz kleinen Schulen, die wir in den ländlichen Regionen immer noch ermöglichen, obwohl sie uns unverhältnismäßig viele Ressourcen kosten, aber natürlich auch die großen Klassen, die wir im Umfeld der Städte, vor allen Dingen um Berlin herum, haben. Das heißt, auch wenn die Schüler-Lehrer-Relation gleich bleibt, sind natürlich Anpassungen notwendig, denn mit dem demografischen Wandel verändern sich die Schülerzahlen, und damit werden die kleinen Schulstandorte noch kostenintensiver. Ich hatte das ja im Bildungsausschuss ausführlich erläutert, und auch heute wurde uns das eindrücklich dargestellt.

Für die sonderpädagogische Förderung haben wir in die VVUnterrichtsorganisation die Ausstattung eingestellt, die wir bisher hatten. Das heißt, es kommt de facto zu keiner Schlechterstellung. Das bezieht sich darauf, dass wir bisher eine „Biszu“-Ausstattung hatten und jetzt einen Richtwert einführen. Das heißt, die De-facto-Ausstattung verändert sich in den aller

meisten Fällen gar nicht. Für die Förderschwerpunkte LES sowie Sehen und Hören entsprechen die neuen Richtwerte sogar den bisher geltenden Maximalwerten. Für die anderen Förderschwerpunkte haben wir die tatsächliche Ausstattung als künftige Richtgröße angesetzt, und in diesem wichtigen Bereich werden deshalb keine Stunden reduziert. Frau Große hat es bereits erwähnt: Die Schulämter werden hier im Bedarfsfall, wenn es de facto zu einer Schlechterstellung kommen sollte, auch nachsteuern.

Jetzt zur Ausstattung der gymnasialen Oberstufe: Die wird tatsächlich um die Absenkung von 1,8 auf 1,7 reduziert, und diese Reduktion erscheint mir angesichts der statistischen Daten als angemessen. Schauen wir uns die Schüler-Lehrer-Relation in der gymnasialen Oberstufe in Brandenburg an: Im Schuljahr 10/11 war sie mit 1:11,9 um fast 10 % besser als der Bundesdurchschnitt von 1:13,2. Es kann mir niemand sagen, dass es sich hierbei um eine drastische Absenkung handele; das ist eine äußerst moderate Absenkung um etwa 5 %. Die Ausstattung liegt nach wie vor über dem Bundesdurchschnitt und erlaubt auch durchschnittliche Kursgrößen von sogar unter 20 Schülern. Ich halte deshalb die Absenkung der Ausstattung um 5 % für durchaus angemessen. Im Übrigen werden die Schulen im nächsten Schuljahr so ausgestattet, dass bestehende Kurse - dieses Schreckgespenst wurde von Ihnen durch den Saal getrieben - in den derzeitigen 11. Jahrgangsstufen an Gymnasien bzw. 11. und 12. Jahrgangsstufen an Gesamtschulen und beruflichen Gymnasien so weitergeführt werden können.

Frau Ministerin Dr. Münch, lassen Sie eine Frage zu?

Nein, ich möchte gern zu Ende ausführen.

Ihre Forderung - jetzt komme ich zu dem Thema, das Frau Blechinger bereits mehrfach angesprochen hat -, die Einsparungen aus der Schulzeitverkürzung bei den Gymnasien zu kompensieren, kann ich nicht nachvollziehen. Es handelt sich hier auch um einen verkehrten Ansatz, denn die Anzahl der Stunden in den Klassen 5 bis 10 ist ja festgelegt. Die Zahl dieser Stunden ist durch die KMK auf 265 festgelegt, und insofern sind wir natürlich an diese Zahl gebunden. Sie wird eingehalten, denn sie wird in den Jahrgangsstufen 5 bis 12 tatsächlich ausgereicht. Das heißt, es ändert sich im Grunde nichts, und diese Zahlen fließen längst in das System ein, denn wir haben für die Schulzeitverkürzung bereits ab dem Schuljahr 2007/2008 den Stundenumfang in den Jahrgangsstufen 7 bis 10 erhöht, und zwar nicht nur in den Gymnasien, sondern auch in den Gesamt- und den Oberschulen. Deshalb werden die eingesparten Ressourcen selbstverständlich wieder eingesetzt.

Sie sehen also: Im Grunde ist die VV-Unterrichtsorganisation zwar ein sperriger Begriff, es geht aber darum, mit den gleichbleibenden Ressourcen überall auskömmlichen und qualitativ hochwertigen Unterricht zu sichern, um die Rahmenbedingungen für gute Schulen zu sichern. Deswegen empfehle ich Ihnen auch, diesen Antrag abzulehnen. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Ministerin Dr. Münch. - Herr Hoffmann kann das Wort nicht mehr erhalten, weil die Redezeit deutlich ausgeschöpft wurde. Demzufolge sind wir am Ende der Aussprache.

Ich komme zur Abstimmung über den Antrag in der Drucksache 5/5123, eingebracht durch die CDU-Fraktion „Profilbildung an Schulen ermöglichen“. Wer diesem Antrag Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung ist dieser Antrag mit deutlicher Mehrheit abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 14 und rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:

Ein Plus für Bus und Bahn: Für einen modernen Nahverkehr als Rückgrat öffentlicher Daseinsvorsorge

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 5/5129

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Abgeordneter Jungclaus hält ihn.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste! Seit Minister Vogelsänger vor einigen Monaten die ersten Eckpunkte zum neuen Landesverkehrsplan vorgestellt hat, wurde vor allem über vermeintlich zu niedrige Fahrgastzahlen und die sich daraus angeblich zwangsläufig ableitenden Taktausdünnungen und Streckenstilllegungen diskutiert. Dies führte verständlicherweise zu extremer Verunsicherung in den Regionen. Am Montag nun ließ der Minister die Katze aus dem Sack: Der massive Druck seitens der Öffentlichkeit, der Opposition, eventuell des Koalitionspartners

(Lachen des Abgeordneten Jürgens [DIE LINKE])

und vielleicht auch des vorliegenden Antrags hat nun zumindest dazu geführt, dass vorerst keine Strecken stillgelegt werden. Ich betone: vorerst, denn im gleichen Atemzug hat sich der Minister ganz klar für Stilllegungen nach diesem Zeitraum ausgesprochen; des Weiteren sind für die Jahre 2013 und 2014 für diverse Strecken Taktausdünnungen bereits beschlossene Sache.

Auch wenn es nun bei einigen ein kleines Aufatmen gab - die meisten Reaktionen schwanken zwischen Empörung und Entsetzen. Denn mit Ihrem Vorhaben, Herr Vogelsänger, würden Sie einigen Gegenden Brandenburgs den Todesstoß versetzen. Mit Ihrer Politik befördern Sie genau jene Regionen, die ohnehin mit großen wirtschaftlichen und demografischen Problemen zu kämpfen haben, endgültig auf das Abstellgleis. Stilllegungen und Taktausdünnungen werden besonders die dünn besiedelten Regionen mit hoher Arbeitslosenquote - wie die Prignitz oder die Uckermark - treffen. Sie treffen jene Regionen, in denen die Grundversorgung ohnehin auf ein Minimum zurückgefahren wird.

In der heutigen Zeit werden Mobilitätsanforderungen gestellt, denen sich der Einzelne nicht entziehen kann. Deshalb wird der Wegfall des ÖPNV die Abwanderung mit all ihren negativen Konsequenzen weiter verschärfen. Gerade in den strukturschwachen Regionen müssen die Menschen mobil sein; gerade hier sind Pendlerinnen und Pendler auf eine gutes ÖPNV-System angewiesen. Dies sicherzustellen liegt in der Verantwortung der Landesregierung.