Das taucht natürlich in keiner Statistik auf, weil Ihnen kaum jemand erzählen wird, dass er für so wenig Geld arbeitet, weil er sonst keinen Arbeitsplatz hätte.
Ich bin lange genug in der Politik, um zu wissen: Das Gegenteil von gut ist nicht böse, sondern gut gemeint.
Frau Blechinger, da haben Sie mich missverstanden. Ich rede nicht davon, dass das BMAS Studien gemacht hat, die sich mit England oder Spanien beschäftigen, sondern das BMAS hat Studien für Deutschland erstellt, und zwar für Bereiche, in denen bereits Mindestlöhne existieren. Da wurde festgestellt: In Branchen, in denen Mindestlöhne gezahlt werden, kommt es nicht zu Kündigungen oder Arbeitsmarktschädigungen. Nur das wollte ich sagen. Es geht nicht darum, dass dort etwas prophezeit wird, sondern es wurde etwas nachgewiesen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU-Fraktion hat heute wieder einmal eine Chance verpasst, und zwar die Chance, sich endlich einmal zu einer modernen, zukunftsgerichteten Politik zu bekennen und sich dem anzuschließen, was jetzt auch immer mehr von Parteimitgliedern der CDU in Deutschland erkannt wird: Dass es mit der sozialen Verwerfung im Land so nicht weitergehen kann. Es ist dringend erforderlich, dass wir an einer Reihe von Stellen - nicht nur beim Mindestlohn - als Staat im Interesse der Stabilität unseres Landes nachsteuern.
Millionen von Menschen sind, obwohl sie in Vollzeit arbeiten, gezwungen, zur Erreichung ihres Lebensunterhaltes zum Amt zu gehen und um Almosen zu betteln. Das, meine Damen und Herren, ist eine Schande für unser Land.
Es verstößt - das ist schon gesagt worden - gegen die Menschenwürde. Es ist die Aufgabe eines Rechtsstaats, zumal eines
Günter Baaske hat sehr ausführlich, deutlich und im Detail erklärt, warum wir einen bundeseinheitlichen Mindestlohn brauchen. Deswegen hatte ich und habe ich immer noch die Hoffnung, dass Frau Schier - sie hat ja nachher noch einmal das Wort -, sich hat überzeugen lassen.
Zwischendurch kam jetzt Frau Blechinger ans Mikrofon und hat gezeigt, dass sie das nicht verstanden hat. Sie hat nicht verstanden, warum es eine staatliche Verpflichtung ist, für Menschen einen existenzsichernden Mindestlohn zu erzeugen. Das ist eine Verantwortung, die ein Staat hat. Frau Schier hat erzählt, wir würden bestellen, was andere bezahlen müssen. Sie haben es eben nicht verstanden. In Wahrheit bezahlen wir das, wovon andere profitieren. Der Staat leistet Subventionen! Er subventioniert Arbeit, damit andere Gewinne machen können. Das ist zutiefst unsozial und verstärkt die Verwerfungen in unserem Land.
Deswegen, Herr Lipsdorf, reden Sie von Marktwirtschaft in einem Zusammenhang, in dem der Staat Marktwirtschaft verzerrt, indem er Subventionen für Lohnempfänger leistet. Das hat mit Marktwirtschaft nichts zu tun. Der Mindestlohn garantiert wenigstens in diesem Segment Marktwirtschaft.
Ich weiß, dass es schöner wäre, wenn wir in Deutschland in allen Branchen so starke Gewerkschaften hätten, dass wir über diese Diskussion hinweggehen könnten, weil damit alle von guter Arbeit gut leben könnten. Aber es ist leider nicht so. Ja, Herr Lipsdorf, da gebe ich Ihnen Recht: Starke Gewerkschaften sind gut für das Land. Aber ich bin überzeugt, dass der Mindestlohn nicht etwa die Tarifautonomie schwächen, sondern die Menschen in die Lage versetzen wird, von ihrem Einkommen zu leben. Er wird ihnen auch die Chance geben, sich anderen Dingen zu widmen, sich zum Beispiel für Mitbestimmung in den Betrieben zu engagieren und vielleicht auch gewerkschaftlich tätig zu sein. Ich bin überzeugt - und mit mir sind es die Gewerkschaften inzwischen auch -, dass gerade der Mindestlohn eine Stärkung der Arbeitnehmerrechte in Deutschland bringen wird.
Deswegen ist es nicht nur eine Frage sozialer Gerechtigkeit, eine Frage des sozialen Friedens in unserem Land, sondern auch eine Frage, wie wir die Gewerkschaften stärken. Wir tun das, indem wir die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stärken. Auch dazu trägt der Mindestlohn bei. Deswegen ist unser Antrag ein guter Antrag für die Menschen im Land. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Holzschuher. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Abgeordneten Schier von der CDU-Fraktion fort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Holzschuher, wenn Sie hier sagen: „Und dann müssen die, die den ganzen Tag arbeiten gehen, zum Amt gehen und um Almosen betteln“, dann machen Sie diese Menschen durch Ihre Formulierung zu Bittstellern.
Herr Minister, Sie sprechen immer davon, dass Sie den Menschen unter der unteren Lohngrenze mehr Geld im Portemonnaie lassen möchten. Ich erinnere an die Bundesratsinitiative, die von Brandenburg abgelehnt wurde, wo die Menschen nämlich mehr Geld im Portemonnaie gehabt hätten, wenn die kalte Progression abgeschmolzen wäre.
Herr Dr. Bernig, es haben ja fast alle darauf hingewiesen, dass es 27 Staaten mit Mindestlohn gibt. Bei diesem Mindestlohn haben Sie aber ausgeblendet, wie die wirtschaftliche Situation in diesen Ländern, wie hoch die Arbeitslosigkeit - gerade auch die Jugendarbeitslosigkeit - ist und wie es mit der Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt aussieht.
Danke schön, liebe Kollegin. Zur Aufstocker-Problematik: Für 22 000 Aufstocker werden nach einer Erhebung durchschnittlich 200 Euro durch den Staat und damit den Steuerzahler aufgebracht. Das sind also gesellschaftliche Kosten - für Brandenburg auf ein Jahr hochgerechnet - von über 100 Millionen Euro. Finden Sie es als CDU richtig, dass der Staat diese Aufgabe übernimmt? Wäre es nicht die Aufgabe der Unternehmen, ihre Mitarbeiter ordentlich zu entlohnen?
Die Unternehmen haben die Menschen in Arbeit gebracht. Wenn sie die Löhne nicht zahlen können, dann ist es die Aufgabe des Staates, dort einzugreifen.
Das ist unser Solidarsystem. Ich verstehe die Diskussion grundsätzlich nicht. Wir haben eine soziale Marktwirtschaft. Wir wollen einen Mindestlohn, der von den Tarifpartnern ausgehandelt wird. Davon rücken wir nicht ab. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Schier. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE fort; Herr Abgeordneter Dr. Bernig hat dazu Gelegenheit.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Es reizt mich, vieles zu sagen, ich will mich aber auf etwas Grundsätzliches beschränken.
Frau Schier, mit Ihrer Aussage rechtfertigen Sie Billiglöhne und damit die Tatsache, dass Gewinne den Unternehmen zugutekommen und die Verluste sozialisiert und durch die Gesellschaft getragen werden.
Frau Nonnemacher, Sie haben das Zustandekommen des Vergabegesetzes kritisiert, dass nämlich erst auf Druck der Gewerkschaften eine Mindestanforderung von 8 Euro zustande gekommen ist. Ich will Ihnen nichts unterstellen, aber de facto kritisieren Sie damit die Arbeit des Parlaments.
Es ist ein völlig normaler Vorgang des gesellschaftlichen Diskurses, dass SPD, Linke, FDP, alle demokratischen Parteien, sich an diesem Prozess beteiligen und einen Regierungsentwurf vervollkommen. Das ist nicht zu kritisieren,
Herr Lipsdorf, Sie fordern ein Gesamtkonzept und eine Wirtschaftsstrategie, die die Stärken der Menschen in den Mittelpunkt stellt. Da fragt man sich natürlich: Und was ist mit den Schwachen? An anderer Stelle stellt die FDP immer die Leistungsträger in den Vordergrund. Aber was ist mit den anderen? Herr Büttner hat gestern wieder den Slogan bedient: Gut ist, was Arbeit schafft. Ich füge hinzu: egal, zu welchen Konditionen.
Das kann ich nicht nachvollziehen. Ich glaube eher, dass den Menschen Ihre Wirtschafts- und Sozialpolitik Angst macht.