Protokoll der Sitzung vom 15.11.2012

Drittens fordert die Volksinitiative einen Erhalt der Studienkapazitäten. Auch hier gibt es die klare Zusicherung seitens der Landesregierung, dass diese Kapazitäten erhalten bleiben.

Viertens gibt es ihre Forderung nach einer entscheidenden Mitbestimmung und einer stärkeren Einbeziehung in den Prozess. Das ist eine Forderung, die wir als Linke ganz klar unterstützen. Dies wurde nicht in dem Maße umgesetzt, wie wir uns das wünschen und wie Sie sich das wünschen. Hier geht mein ganz klarer Appell an die Landesregierung, diesen Teil aus der Volksinitiative stärker aufzunehmen, sich ihm noch einmal deutlicher anzunehmen, hierüber mit den Betroffenen in den beiden Hochschulen noch einmal stärker als bisher den Dialog und das

Gespräch zu suchen und die Möglichkeit zu mehr Mitbestimmung zu eröffnen.

(Beifall DIE LINKE und GRÜNE/B90)

Letztens - das ist der Punkt, auf den schon die Kollegin Melior eingegangen ist - fordern die Initiatoren den Erhalt beider Hochschulen. In diesem Fall können wir nicht mitgehen. Wir haben dafür Gründe, die ich in der Diskussion zu dem Gesetz noch einmal erläutern werde. Aber es gibt unterschiedliche Herangehensweisen an die Empfehlungen der Lausitz-Kommission. Eine Empfehlung ist, beide Hochschulen zu erhalten. Dieser Empfehlung schließen wir uns nicht an. Wir haben gute Gründe, zu sagen: Der Erhalt beider Hochschulen ist nicht der richtige Weg für die Lausitzregion. Deswegen lehnen wir die Volksinitiative ab. - Danke schön.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Die Abgeordnete von Halem spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zur Aktuellen Stunde im Februar dieses Jahres hatten wir die Lausitz-Hochschulen schon einmal auf der Tagesordnung. Ich habe schon damals ganz dringend eine Strategie zur Einbindung der Beteiligten angemahnt. Eine solche Strategie hat die Landesregierung offensichtlich bis heute nicht gefunden. Das Referat Strategische Kommunikation hat auch im MWFK versagt.

Stattdessen gibt es in der Region ein gewaltiges Engagement gegen die Fusion oder Neugründung - eine Volksinitiative, die innerhalb sehr kurzer Zeit 40 000 Unterschriften gesammelt hat und mit viel Herzblut und Leidenschaft ihre Forderungen vorträgt. Dort hinten sitzen die Vertreter, seien Sie willkommen!

Dieses große Engagement für die Hochschulen in der Lausitz begrüßen wir ausdrücklich, und wir teilen fast alle Forderungen uneingeschränkt: den Erhalt der Studien- und Lehrkapazitäten, die Überarbeitung der Hochschulfinanzierung, Mitbestimmungsrechte für die Beteiligten sowie die Erstellung eines Brandenburger Gesamtkonzepts vor der Entscheidung über die Zukunft einzelner Hochschulen.

Wir gehen über die Forderungen der Volksinitiative noch hinaus und beantragen auch in diesem Jahr zum dritten Mal, den Brandenburger Hochschulen wenigstens das knappe Geld zur Verfügung zu stellen, das ihnen der Haushaltsplan eigentlich zuweist, um endlich die strukturelle Minderausstattung zu beenden. Gerade im Umstrukturierungsprozess ist eine solche Minderausgabe unerträglich. Dass sich die Landesregierung hier nicht bewegt, ist schwer zu ertragen. Brandenburg trägt schon viel zu lange die rote Laterne in der Hochschulfinanzierung.

(Beifall GRÜNE/B90 und vereinzelt CDU)

Die erste und zentrale Forderung der Volksinitiative allerdings lautet:

„Wir fordern den Erhalt der BTU Cottbus und der Hochschule Lausitz als eigenständige Einrichtungen in der Lausitz...“

Das heißt, die Volksinitiative lehnt eine Fusion der Hochschulen kategorisch ab. Das mag dem regionalen Interesse entsprechen.

Wir haben auf unserem Landesparteitag am 3. November Folgendes beschlossen:

„Welcher konkreten Entscheidungen es bedarf, die Hochschullandschaft zukunftssicher und erfolgreich neu auszurichten, bleibt für uns noch offen.“

Das ist bislang auch die Position der Landtagsfraktion gewesen. Insofern ist eine Enthaltung zur Volksinitiative folgerichtig, auch wenn wir die weiteren Forderungen teilen.

Wir sind uns doch alle einig, dass es in der Lausitz einen Erneuerungsprozess geben muss. Es muss sich etwas bewegen, damit die Studien- und Arbeitsplätze an den Hochschulen in der Lausitz auch für die nächsten Jahrzehnte erhalten werden können. Das wird seit zehn Jahren von Expertinnen und Experten konstatiert, vom Wissenschaftsrat im Jahr 2002 bis hin zu den Buttler- und Emmermann-Kommissionen. Einer Fusion bedarf es dabei nicht zwingend.

Wir haben die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sich die Vertreter der Hochschulen an einen Tisch setzen, um eine gemeinsame Antwort auf den Veränderungsprozess zu formulieren. Die Forderung nach einer besseren Kooperation steht im Raum, und wer könnte sie besser mit Leben füllen als die Akteure selbst? Die Hochschulen selbst sind die Experten.

Weil wir fast alle Forderungen der Volksinitiative unterstützen und gleichzeitig die Forderung nach einer Neugründung nicht als der Weisheit letzten Schluss ansehen, ist es nur folgerichtig, dass wir gegen die Beschlussempfehlung des Hauptausschusses stimmen. Denn dieser begrüßt zudem das Errichtungsgesetz als Grundlage des weiteren Verfahrens.

Im Übrigen - das muss an dieser Stelle auch noch einmal gesagt werden - war es natürlich ein Affront, wenige Tage vor Anhörung der Volksinitiative im Ausschuss das Errichtungsgesetz im Kabinett zu beschließen und damit den Initiatoren sehr deutlich zu machen, was man von ihnen und ihrem Engagement hält, und einer ergebnisoffenen Diskussion jeglichen Boden zu entziehen.

(Beifall GRÜNE/B90 und vereinzelt CDU)

Jetzt aber geht es darum, die Strategie der Konfrontation zu beenden. Von Anfang an haben wir betont, dass der Reformprozess einer offensiven Kommunikation mit den Beteiligten bedarf. Daher fordern wir die Landesregierung erneut auf, diese Beteiligung zu sichern, zu stärken und zu unterstützen.

Zudem muss der Reformprozess in der Lausitz in enger Abstimmung mit dem landesweiten Hochschulentwicklungsplan erfolgen. Frau Ministerin, Sie wollten ihn bis zum Ende des Jahres vorlegen. Ich habe das heute hier noch einmal gehört, und ich hoffe, dabei bleibt es.

Für uns bleibt zu hoffen, dass die Hochschulangehörigen mit der Kreativität und dem Engagement, das sie in der Volksinitiative gezeigt haben, die neuen Strukturen in der Lausitzer Hochschullandschaft gestalten werden. Hochschulautonomie bedeutet, in den Gremien der akademischen Selbstverwaltung und im offenen Diskurs die Hochschule im durch das Gesetz gegebenen Rahmen selbst zu gestalten. Ihre Zukunft haben die Lausitzer Studierenden, Professorinnen und Professoren, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst in der Hand - trotz allem, auch jetzt noch.

(Beifall GRÜNE/B90)

Als Nächster spricht der Abgeordnete Hoffmann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Natürlich ist es möglich, dass sich 42 000 Menschen im Kollektiv irren. Natürlich ist es auch möglich, dass einzelne und von sich und ihrer Sache besonders überzeugte Menschen Recht haben, obwohl große Demonstrationen und eine Volksinitiative dagegen sprechen. Es könnte doch aber auch sein, dass sich Positionen verändern, dass Polarisierungen sich als unproduktiv erweisen, denn Demokratie ist ein kompliziertes Ding im richtigen Leben und auf jeden Fall mehr als eine mathematische Übung oder die Macht der größeren Zahl.

Wer je an einer Universität gearbeitet hat, der weiß, mit welchem konservativen Beharrungsvermögen selbst die kreativsten Lehrstühle und Institute agieren können, wenn es um eine sie selbst betreffende strukturelle Veränderung geht. Ich gebe zu, dass manche Form des ersten Protestes gegen das Vorhaben der Ministerin, die Hochschullandschaft im Süden des Landes grundlegend umzugestalten, bei mir keine Sympathie ausgelöst hat. Mit gewissem Respekt habe ich dagegen das forsche Handeln der Ministerin zur Kenntnis genommen, denn Veränderung im Hochschulsystem des Landes Brandenburg halte ich für nötig - des Landes, nicht bloß in der Lausitz, und das ist das Problem.

Der wichtigste Punkt ist dabei eine grundlegende Überarbeitung der Hochschulfinanzierung in Brandenburg, eine der vier Forderungen der Volksinitiative. Ich unterstütze allerdings auch die anderen drei Forderungen - auch diejenige, die BTU und die Hochschule Lausitz als eigenständige Einrichtungen zu erhalten. Meine Gründe sind zum einen: die Ignoranz gegenüber einer sich im Verlaufe der Auseinandersetzungen entwickelnden hochschulpolitischen Debatte im Lande und besonders an der BTU, aber auch an der Hochschule Lausitz; hier entstanden kluge Ideen und Konzepte, die ich vor zwei oder drei Jahren nicht für möglich gehalten hätte. Der zweite wichtige Grund für meine Unterstützung der Volksinitiative ist der vorliegende Gesetzentwurf, der ja im nächsten Punkt der Tagesordnung behandelt werden soll.

1968 gab es Studentenunruhen in der Schweiz, weil ein Bundesgesetz über die Eidgenössischen Technischen Hochschulen die Autonomie von Hochschulen und Forschungseinrichtungen durch zentralere Verwaltung usw. einschränken sollte. So ist es letztlich auch gekommen. Erst im Jahr 2003 wurde ein Autonomieartikel wieder in dieses Gesetz aufgenommen. Max Frisch

leider viel zu selten an brandenburgischen Theatern aufgeführt hat sich damals „als Laie“ und als „Staatsbürger ohne Macht“, wie er schreibt, in diesen Streit eingemischt. Die Änderungen seien an den Bedürfnissen des Landes ausgerichtet, meinte die Regierung. „Doch wer sagt uns, was die Bedürfnisse des Landes sind?“, fragt Max Frisch. Die Studierenden wurden jedenfalls nicht einmal gefragt, geschweige denn in den Prozess einbezogen.

(Zuruf von der SPD: Aber niemand will hier die Autono- mie kippen!)

Nicht viel besser erging es den Professoren.

Die Notwendigkeit zur Veränderung alter Strukturen sahen viele, die Regierung aber wollte durchregieren und interessierte sich dafür nicht. Frisch entwickelte dann Sympathie für die Studentenschaft, die das Gesetz in der Mehrheit abgelehnt hat nicht einfach so, sondern „da sie das neue Gesetz nun kennt“. Kein Verständnis hatte der Schriftsteller dafür, dass die Studierenden als temporäre Erscheinung an Hochschulen angesehen wurden und deshalb von einer Mitsprache in diesem Prozess komplett ausgeschlossen waren. Außerdem, so betont er, sei Mitsprache noch lange keine Mitbestimmung. Und dann formuliert er sehr hart, dass es sich bei dem Gesetzesentwurf zwar um ein Dokument formal-demokratischer Perfektion handele, der ganze Prozess und das Gesetz selbst aber lediglich zum Zwecke des Fortbestandes der Scheindemokratie auf den Weg gebracht worden seien.

So geht es also nicht bloß darum, ob eine oder zwei Hochschulen richtig sind, ob zentral oder separat geleitet, sondern um die Frage: Wie wollen wir regiert werden? Und so lautet dann auch der Titel der kleinen, sehr aktuellen Schrift von Max Frisch aus dem Jahre 1968: „Wie wollen wir regiert werden?“

Der demokratische Prozess der Volksinitiative „Hochschulen erhalten“ im Brandenburg des Jahres 2012 hat Konzepte und Ideen, intellektuelle und organisatorische Leistungen hervorgebracht, auf die wir nicht einfach verzichten sollten. Manches braucht noch Zeit, anderes ist als Aufgabe klar. Und dass wirklich Eile geboten ist, bezweifle ich, denn kluge demokratische Mitbestimmung könnte dabei auf der Strecke bleiben. - Danke.

(Vereinzelt Beifall)

Frau Ministerin Kunst spricht für die Landesregierung.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Vertretern der Volksinitiative und allen, die sich an der Diskussion zur Hochschulentwicklung so intensiv beteiligt haben, für ihr Engagement danken. Es ist ihr Verdienst, dass das Thema in den letzten Monaten so in das Zentrum gerückt ist, und ich bin fest davon überzeugt, dass das der Sache dient.

Es ist ein gutes Zeichen für die Identifikation mit ihren Hochschulen, dass sich Studierende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den letzten Monaten sehr engagiert haben. Ebenso wurde deutlich,

dass gerade die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Cottbus hinter ihrer Universität stehen. Die noch relativ junge BTU ist eine wichtige Einrichtung für Wissenschaft und Bildung, aber auch für die Kultur in der Stadt.

Das gilt auch für die Stadt Senftenberg, die ganz unaufgeregt ihre Hochschule schätzt und unterstützt. Die Verankerung der Hochschulen in den Kommunen und die Verzahnung mit Gesellschaft und Wirtschaft sind überaus wertvoll, und gerade sie sollen mit der dann insgesamt größeren Universität nicht schwächer, sondern sie sollen stärker werden.

Meine Damen und Herren, die Forderungen der Volksinitiative nach verlässlicher Finanzausstattung, nach langfristiger Hochschulplanung und nach qualitativer Stärkung des Hochschulstandortes Lausitz gehen in vielen Bereichen konform mit dem, was wir im Rahmen der Neugründung vorhaben. So wird zum Beispiel innerhalb der Landesregierung derzeit ein Finanzierungskonzept mit einer Laufzeit von vier bis fünf Jahren auf der Basis abgestimmter Hochschulverträge erarbeitet. Dass wir das jetzt tun, ist ein Ergebnis auch der Aktivitäten der Volksinitiative.

(Beifall SPD)

Gerade diesbezüglich haben wir kaum einen Dissens.

Meine Damen und Herren, streitig bleibt vor allem die Frage, ob es zwei Hochschulen oder eine gemeinsame Universität in der Lausitz geben soll, denn an der Präsenz in Cottbus und in Senftenberg ändert sich ja durch die Neugründung nichts - es wird weiterhin drei Campusstandorte geben. Insofern wird nichts zerschlagen, sondern es bleibt, wie es ist, und wird wachsen.

Der Gesetzentwurf der Landesregierung zur Neuordnung der Hochschulregion Lausitz ist seit Mitte Oktober 2012 öffentlich. Es gab vereinzelt Kritik, weil wir damit nicht gewartet haben, bis über die Volksinitiative entschieden wurde. Dem möchte ich widersprechen, denn von vielen Seiten wurde andererseits eingefordert, dass die Landesregierung ihre Vorstellung konkreter macht, wie wir zum Beispiel die Verbesserung für Studienanfänger ausgestalten wollen, wie die einzelnen Fächer sich entwickeln können, welche Perspektiven es eigentlich gibt. Diese Themen sind für die Hochschullandschaft in der Lausitz von wesentlicher Bedeutung, und es wäre ein Versäumnis, sie nicht zu behandeln - und zwar jetzt -, mit der Perspektive, dass es der Start für die beiden Hochschulen ist, sich weiterzuentwickeln und zu entfalten. Die Weiterentwicklung von Hochschulen ist immer ein längerer Prozess. Was wir heute beginnen, wird sich also erst in einigen Jahren voll entfalten.

Die Entwicklung der neuen Hochschulstruktur in der Lausitz ist das Resultat zweier Gutachten hochkarätig besetzter Kommissionen sowie eines mehrmonatigen Dialogprozesses mit Mitgliedern der beteiligten Hochschulen und kommunalpolitisch Verantwortlichen. Hinzu kommen mehrere Fachforen, die der Wissenschaftliche Beirat bereits durchgeführt hat. Man kann über die Schlussfolgerungen, die die Landesregierung aus den Expertenurteilen und den Gesprächen mit den Beteiligten gezogen hat, unterschiedlicher politischer Meinung sein. Der gerade teilweise angeklungene Vorwurf, wir hätten ohne ausreichende Diskussion entschieden oder konzeptlos gehandelt,

ist dagegen völlig unbegründet und muss in aller Deutlichkeit zurückgewiesen werden.