Protokoll der Sitzung vom 23.01.2013

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin ausgesprochen dankbar, dass sich der Landtag heute mit der Preisgestaltung beim Strom beschäftigt. Lassen Sie mich vorab drei Bemerkungen machen:

Erstens. Ich rede im Folgenden nicht von den Preisen an der Strombörse, sondern von den umgewälzten Kosten der Energiewende. Als die Landesregierung Brandenburgs nach dem Beschluss zum Atomausstieg deutlich gemacht hat, dass die Energiewende nicht zum Nulltarif zu haben ist, sondern dass wir mit Kostensteigerungen für die privaten Haushalte und die mittelständische Wirtschaft zu rechnen haben, sind wir von vielen Seiten kritisiert worden als diejenigen, die Panik schüren wollten, was die Belastungen durch die Energiewende betrifft.

Meine Damen und Herren! Unsere Schätzungen sind in etwa eingetreten. Wir sind damals davon ausgegangen, dass die private mittelständische Wirtschaft Kostensteigerungen um etwa 15 % zu erwarten hat und der durchschnittliche Verbraucherhaushalt jährlich etwa 200 Euro mehr aufwenden muss. Bereits damals haben wir darauf hingewiesen, dass wir neben den politischen und technologischen Konzepten ein Gesamtfinanzierungskonzept für die Energiewende brauchen, und zwar kein bundesländerbezogenes, sondern eines, das bundesweit und im europäischen Kontext gilt. Vor dieser Herausforderung stehen wir nach wie vor.

Es ist vereinbart worden, dass die Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin entsprechende Gespräche führen. Meine Damen und Herren von der FDP, ich darf Sie bitten, Ihren Einfluss geltend zu machen, damit diese verabredeten Gespräche endlich einen inhaltlichen und zeitlichen Rahmen bekommen. Geschieht dies nicht, wird auch das Jahr 2013 ein verlorenes Jahr für die Energiewende sein, wie schon das Jahr 2012.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Wovon reden wir denn, wenn es um die „Kosten der Energiewende“ geht? Ein Bestandteil sind die Kosten des Netzausbaus. Wir sind seit Jahren unterwegs, eine bundesweit einheitliche Regelung für die Umwälzung der Kosten für den Netzausbau im 110-kV-Bereich zu erreichen. Sowohl die Grünen als auch die FDP sind nach wie vor in mehreren Landesregierungen vertreten. Gegenwärtig ist es im Bundesrat nicht möglich, eine einheitliche Auffassung dazu herzustellen, dass diese Kosten auch bundesweit umgewälzt werden müssen.

Natürlich erleiden wir einen sozialen und wirtschaftsstrukturellen Nachteil dadurch, dass die Kosten einseitig in Ostdeutschland umgewälzt werden. Um dieses Problem zu lösen, brauchen wir keine Aktuellen Stunden, sondern politische Aktivitäten, die uns bei dem Vorhaben unterstützen, einen bundesweit einheitlichen Rahmen zu setzen.

Zweiter Punkt: Wir müssen in diesem Zusammenhang auch von der Mehrwertsteuer reden. Die Energiewende ist doch das zentrale gesellschaftliche Projekt; darin sind wir uns sicherlich alle einig. Warum werden dann auf diesen Preis noch 19 % Mehrwertsteuer aufgeschlagen? Eine Reduktion dieser Steuer ist ein Steuerungsinstrument, das man einsetzen kann, um die Kosten tatsächlich zu senken.

Dritter Punkt: Stromsteuer. Im Bundesrat haben bisher mehrere Anträge, die Stromsteuer abzuschaffen oder zumindest zu reduzieren, keine Mehrheit gefunden. Dabei geht es nicht darum, die Steuer zu senken, sondern darum, sich die Zeit einzukaufen, um ein bundesweit einheitliches Finanzierungskonzept für die Energiewende zu entwickeln. Damit könnten die Nachteile ausgeglichen werden, die sich gegenwärtig aus der Preisgestaltung der Energiewende ergeben.

Schließlich müssen wir über das EEG reden. Auch wenn es Ihnen, meine Damen und Herren von den Grünen, nicht gefallen hat: Bei der „Leitstern“-Verleihung wurden zwei bemerkenswerte Reden gehalten. Die eine hielt Herr Töpfer; ich empfehle, sie nachzulesen. Die zweite war die Juryrede, in der Brandenburg als führendes Bundesland in diesem Bereich gewürdigt wurde. Den „Leitstern“ haben wir nicht für den quantitativen Ausbau der erneuerbaren Energien bekommen, sondern für unsere politische Konzeption und unsere Fähigkeit, die Energiewende auch in der Industrie- und Technologiepolitik umzusetzen und dabei Akzeptanz neu zu definieren. Ich weiß, dass das einigen nicht gefallen hat; einige offene Briefe sind schon geschrieben worden. Dennoch bleibe ich dabei: Das ist der Weg, den wir einschlagen müssen, wenn wir die Energiewende tatsächlich zum Erfolg führen wollen.

Meine Damen und Herren! Noch eine Anmerkung zu den Ausnahmeregelungen für stromintensive Unternehmen: Die Landesregierung begrüßt ausdrücklich, dass es ein derartiges Instrument gibt.

Was zu überprüfen ist, das sind die Kriterien der Ausnahmeregelung. Denn es wird ohne Kriterien, die verhindern, dass unter anderem auch Golfplätze von der Strombelastung befreit sind, keine bundesweite Akzeptanz geben. Das funktioniert schlicht und ergreifend nicht. Wenn es nicht sehr schnell zu einem gesamtdeutschen Finanzierungskonzept kommt, werden wir angesichts des Strompreises und der daraus resultierenden Belastung der mittelständischen Industrie und der privaten Verbraucher eine sinkende Akzeptanz der Energiewende zu verzeichnen haben.

Es gibt verschiedene Vorschläge, sowohl vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung als auch von vielen politischen und anderen Institutionen, wie relativ schnell Belastungen für die mittelständische Wirtschaft und bestimmte Verbraucherhaushalte abgemildert werden können.

Das kann aber nur der erste Schritt hin zur Gestaltung eines Gesamtfinanzierungskonzepts für die Energiewende in Deutschland sein. Dieses ist die Voraussetzung dafür, dass wir nicht nur in Brandenburg, sondern deutschlandweit zu einer Akzeptanz der Energiewende und zu bezahlbarer Energie kommen.

Meine Damen und Herren, wir in Brandenburg haben aus meiner Sicht mit der Energiestrategie 2030 ein Konzept, das uns industriepolitisch, technologiepolitisch, verbraucherbezogen und auch unter Akzeptanzgesichtspunkten ein Instrument in die Hand gibt, um das zu leisten, was wir als Bundesland leisten können, nämlich Kosten und Lasten der Energiewende gleichmäßiger zu verteilen und vor allen Dingen so gering wie möglich zu halten. Insofern finde ich, dass die heutige Debatte noch einmal deutlich macht: Die Diskussion, die wir als Landesregierung, als Koalition seit über zwei Jahren führen, bedarf nicht nur der Unterstützung des Parlaments, sondern findet sie auch. Ich hoffe, dass es uns gelingt, deutschlandweit - über Parteigrenzen hinweg - eine Einigung in diesen Fragen herbeizuführen. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Das Wort erhält noch einmal die Abgeordnete Hackenschmidt für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bretz, das war das Sahnehäubchen: Auf den leeren Antrag eine leere Rede! So viel warme Luft bei so einem ernsten Thema - das tut schon weh. Sie wollen marktwirtschaftliche Grundsätze, aber auch bezahlbare Preise? Sie müssen sich entscheiden, ob Sie in Fragen der Energie nach links oder sich marktradikal positionieren wollen. Ich weise Sie ernsthaft darauf hin: Die Bevorzugung der Windenergie steht im Bundesbaugesetzbuch. Das hätten Sie ändern können. Ob hier in der Opposition, die nämlich da, wo sie zuständig ist, auch handeln kann, oder im Bund, wo Sie Ihre Kompetenzen und Ihre Verbindungen nutzen könnten setzen Sie solch eine Änderung, wenn Sie sie denn wollen, auch durch, anstatt hier nur zu lamentieren!

Ich kann dem Wirtschaftsminister nur Recht geben: Wir haben mit der Energiestrategie 2030 ein Konzept, was wir machen und wie wir es umsetzen wollen.

(Beifall der Abgeordneten Holzschuher und Bischoff [SPD])

Ich glaube, dass wir in Brandenburg dank Innovationen bei der Energiespeicherung ein Teil des Deutschlands der Denker sind. Es gibt hier hervorragende Unternehmerinnen und Unternehmer, die Ideen in die Tat umsetzen, auf der Hannover-Messe darstellen und dafür auch gewürdigt werden. Ich glaube, dass wir auf dem richtigen Weg sind, um Innovationen und Technologien nach vorne zu bringen. Damit können wir den Verlust von Weltmarktanteilen - nach dem Desaster in der Solarindustrie - wettmachen. Wir müssen nicht schneller und billiger werden; wir müssen besser und innovativer sein. Das hat auch etwas mit Nachhaltigkeit zu tun.

Thomas Domres und der Minister haben es deutlich gesagt: Wenn wir über ein KfW-Programm die energetische Sanierung voranbringen, dann ist das auch ein nachhaltiges Konjunkturprogramm für Handwerk und Industrie, die seit Jahrhunderten den Wohlstand in Deutschland sichern. Das müssen wir wieder mehr in den Fokus rücken: „Made in Germany“ bzw. „Made in Brandenburg“.

Ferner malen Sie das Bild eines dramatischen Bevölkerungsrückgangs an die Wand. Ich glaube, Sie haben da irgendwie eine Studie, ja?! Die Bevölkerungsanzahl sinkt - das wissen wir. Wir wissen auch: Im Randgebiet - wo ich herkomme, aus Elbe-Elster - sinkt sie stärker als im Berliner Speckgürtel. Aber die letzte uns bekannte Studie sieht die Bevölkerung bei 2,2 Millionen, nicht unter 1 Million. Ja, es gibt dieses Problem; das ist nicht einfach durch Politik zu gestalten. Aber wo wollen Sie im Speckgürtel noch Flächen für erneuerbare Energien hernehmen? Sie sind nun einmal im Randgebiet da, und das ist auch eine Chance für die Region, Wertschöpfung überhaupt in Angriff zu nehmen, weil Flächen da sind. Wir haben in ElbeElster Konversionsflächen, natürlich! Es ist richtig, sie zu nutzen, damit diese sonst nutzlosen Flächen Geld einbringen und etwas zur Wertschöpfung beitragen.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

Herr Bretz, Sie sprachen von der Vollendung der Wertschöpfungskette, also von der Erzeugung bis zum Verbrauch. Wir sind ein Energieexportland, wir wollen Strom verkaufen. Das ist doch für uns ein etwas kürzeres Ende der Wertschöpfungskette, denn wir müssen dieses Produkt an den Mann, an die Frau bringen.

Ich glaube, das große Defizit, das wir alle sehen, tritt bei der Speicherung auf. Es gibt in diesem Bereich auch Ideen, zum Beispiel „Power to gas“, das heißt, das vorhandene Gasnetz für die Speicherung von Energie zu nutzen. Auch wenn der Energiepreis an der Strombörse wegen der Produktion und Einspeisung von grünem Strom sinkt, bin ich zuversichtlich, dass wir für das Speicherproblem Lösungen finden werden, weil sich auch an unseren Forschungseinrichtungen wirklich kreative Köpfe damit beschäftigen. Ich glaube, die Potenziale können wir uns - wie immer - noch gar nicht richtig vorstellen; wir können da einen großen Sprung nach vorne machen.

Thomas Domres hat das RENPlus-Programm für die Kommunen erwähnt, für das wir gemeinsam gekämpft haben. Sie sind gefordert - denn Sie tragen in vielen kommunalen Bereichen Verantwortung -, das zu nutzen, sich externen Sachverstand zu holen, um unser gemeinsames Ziel, Energie einzusparen und damit unserem Klimaziel näher zu kommen, in Angriff zu nehmen. Es ist gut, sich externen Sachverstand - darauf legen Sie ja immer Wert: Fachleute - heranzuholen, um Potenziale deutlich zu machen.

Ich glaube schon, dass wir mit gemeinsamen Anstrengungen in die richtige Richtung - bis hin zur Einspeisung dieser Themen in die Bildung zum Zwecke einer Bewusstseinsänderung bei der Bevölkerung - etwas erreichen können. Wir müssen uns nicht verstecken. Im Bundesvergleich stehen wir gut da. Wir sind - ich will es wiederholen - zum dritten Mal mit dem „Leitstern“ ausgezeichnet worden, was deutlich macht: Wir sind auf dem richtigen Weg. - Danke.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Jetzt hat Herr Bretz das Wort für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Hackenschmidt, Ihre Rede war das intellektuelle Sahnehäubchen des heutigen Tages - so viel kann man vorausschauend sagen.

(Beifall CDU und FDP)

Aber der Reihe nach! Frau Kollegin Hackenschmidt, Sie haben verschiedene Dinge nicht verstanden. Im letzten Jahr ist eine elektrische Leistung von 230 Gigawatt nicht ins Netz eingespeist worden, weil die Netze in der Bundesrepublik Deutschland überlastet waren. Über 30 % dieser Leistung, Frau Kollegin Hackenschmidt, entfallen auf das Netzgebiet des Landes Brandenburg. Das entspricht einer Stadt von mehr als 100 000 Einwohnern, die Sie ein Jahr kostenlos mit Strom hätten versorgen können. So viel zu Ihren Ausführungen.

(Beifall CDU)

Zweiter Punkt, Frau Kollegin Hackenschmidt: Das Land Tschechien hat sein Stromnetz bereits durch Maßnahmen vom deutschen Netz abgekoppelt. Die Polen überlegen, ob sie das auch tun werden, weil Deutschland mit seiner Überproduktion erneuerbarer Energien die Netze der anderen Staaten belastet. Auch diese Tatsache sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen.

Meine Damen und Herren von Rot-Rot, Ihr Entschließungsantrag ist eine politische Bankrotterklärung, weil Sie Ihre Energiestrategie 2030, die Sie hier vor einem Jahr eingeführt haben, mit nicht einem Wort in Ihrem Entschließungsantrag erwähnen.

(Beifall CDU)

Offenkundig ist Ihre Energiestrategie 2030 eine schmucklose Tapete, die nach einem Jahr wieder von der Wand fällt.

(Bischoff [SPD]: Das ist aber eine schmucklose Rede!)

- Herr Kollege Bischoff, warten Sie es ab!

Deshalb liegt der Ausbaustand der erneuerbaren Energien in Brandenburg schon in Ihrer Verantwortung. Sie haben in Ihrer „Energiestrategie“ - so nennen Sie das ja - vermieden, sich auf konkrete Ausbauziele zu verständigen. Niemand in der Bundesrepublik hat gesagt, Herr Minister Christoffers, dass Brandenburg den Ausbau der erneuerbaren Energien so vornehmen solle, wie Sie ihn vorgenommen haben. Es ist Ihre

Aufgabe, für das Land Brandenburg einen Kompass und ein Koordinatensystem einzuführen, und nicht Aufgabe der Bundesrepublik Deutschland, meine sehr verehrten Damen und Herren von Rot-Rot.

(Beifall CDU und FDP - Zuruf der Abgeordneten Mäch- tig [DIE LINKE])

Kommen wir auf die Befreiung energieintensiver Unternehmen von der EEG-Umlage zu sprechen: Herr Kollege Domres, wenn Sie über einen solchen Zusammenhang reden, sollten Sie sich wenigstens sachkundig machen.

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Das ist eine Unverschämt- heit!)

Golfplätze sind nicht Bestandteil dieser Ausnahmegenehmigung.

(Beifall der Abgeordneten Niels [GRÜNE/B90])

Ich bekenne mich ausdrücklich zu diesen Ausnahmetatbeständen und befürworte diese auch. Ich möchte Ihnen begründen, warum. Über 30 Unternehmen in Brandenburg sind von dieser Ausnahmeregelung betroffen. Als Beispiel möchte ich die Betonwerke CEMEX nennen. Wenn man das umsetzte, was Sie hier fordern, Herr Domres, hieße das, dass die Energiekosten allein dieses Betonwerkes! - um 10 Millionen Euro stiegen. Das würde Arbeitsplätze in Brandenburg gefährden. Sie sollten sich sachkundig machen, bevor Sie hier so einen Klamauk erzählen.

(Beifall CDU und FDP - Zuruf des Abgeordneten Dom- res [DIE LINKE])

Abschließend möchte ich sagen: Sie sollten nicht so viel auf den Bund schielen, sondern Ihre eigenen Hausaufgaben erledigen. Das würde diesem Land guttun. Aber dazu fällt Ihnen offenkundig nicht viel ein. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)