Protokoll der Sitzung vom 17.12.2009

Es ist auch mehr als fraglich, ob die BA, wie das Eckpunktepapier es vorsieht, diese Fragen verbindlich für die Kommunen entscheiden kann.

Nicht absehbar ist, ob von der Möglichkeit der freiwilligen Kooperation überhaupt Gebrauch gemacht wird. Außer zu mehr Bürokratie und zu Verlusten an Synergieeffekten führt dieses von Schwarz-Gelb vorgelegte Konzept aufgrund der hierdurch unvermeidbaren Doppel- und Parallelarbeit zu einem erheblichen Anstieg der Bürokratiekosten.

Schwarz-Gelb hat auch kein Konzept, die angezettelte Verunsicherung der Mitarbeiter, die derzeit vorhanden ist, zu beenden. Es genügt dazu nicht, über vertragliche Lösungen das benötigte kommunale Personal für eine Übergangszeit noch weiter tätig werden zu lassen. Es fehlt insgesamt ein überzeugendes personalpolitisches Konzept, um die Arbeitsfähigkeit der Jobcenter aufrechtzuerhalten. Die Mitarbeiter in den Jobcentern sind dann mit eigenen Personalfragen beschäftigt. Es steht zu befürchten, dass dadurch für die Betreuung der Langzeitarbeitslosen wertvolle Arbeitszeit verloren geht.

Vor diesem Hintergrund ist klar, dass in dem Eckpunktepapier nichts zu der künftigen Betreuungsquote von Langzeitarbeitslosen steht. Es scheint wahrscheinlich, dass die Position der Bundesregierung im Moment die größten Aussichten hat, umgesetzt zu werden. Das sollte uns aber nicht davon abhalten, uns gegen das aus unserer Sicht falsche Konzept einzusetzen.

Darum sollte der Landtag heute auf der Grundlage unseres gemeinsamen Antrags Position beziehen und die ursprünglichen Beschlüsse der Länderminister, gefasst auf den Arbeits- und Sozialministerkonferenzen am 14.11.2008 und am 25./26.11.2009, bekräftigen und unterstützen.

Wir fordern in unserem Antrag die Landesregierung auf, sich weiterhin für eine Variante der gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung stark zu machen. Dies schließt nach derzeitiger Einschätzung auch die Unterstützung der Bundesratsinitiative der Länder Berlin, Bremen und Rheinland-Pfalz zur Neuorganisation der Trägerstrukturen im SGB II ein, die am Freitag erst

mals auf der Tagesordnung des Bundesrates steht. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Baer. - Wir fahren in der Debatte fort mit der CDU-Fraktion. Das Wort erhält die Abgeordnete Schier.

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Die Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe wurden zusammengeführt. Es gab einen breiten Konsens, dass es richtig ist, die Leistungen aus einer Hand zu gewähren. Bei den Zielen waren wir uns auch noch alle einig: „Fördern und fordern“ war die Devise.

Wenn Sie einen Blick in die Presse von gestern und vorgestern geworfen haben, wissen Sie, dass das Institut für Arbeitsmarktund Berufsforschung eine durchweg positive Bilanz gezogen hat. Ich möchte eine Zahl nennen: Im Juni 2006 gab es 5,44 Millionen SGB-II-Empfänger, im Juni 2009 4,92 Millionen. Das ist das Resultat einer guten Arbeit der ARGEn und Optionskommunen. Es ist ein Zeichen, dass es gezielte Trainingsmaßnahmen und eine bessere Vermittlung gibt. Gleichwohl - das war in der Presse zu lesen, und wir alle wissen es - haben wir gewisse Mankos zu verzeichnen. Ich nenne hier nur einmal die Betreuungsplätze für Frauen, die alleinerziehend sind. Um sie in Arbeit zu bringen, müssen sie natürlich ihre Kinder unterbringen können. Das ist wahrscheinlich eine nicht endende Aufgabe, die wir zu bewältigen haben.

Nun gibt es ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts; Herr Baer ist darauf eingegangen. Wir haben eine gewisse Organisation: zum einen die Optionskommunen, zum anderen die ARGEn. Wenn Sie immer auf Schwarz-Gelb herumkloppen, möchte ich Ihnen deutlich entgegnen: Als das SGB II eingeführt wurde, war es die CDU, die gesagt hat: Wir wollen Optionskommunen. Wenn Sie von der SPD damals zugestimmt hätten, hätten wir heute überhaupt keine Diskussion. Das muss man ganz klar sagen.

(Beifall CDU und FDP)

Wir haben Optionskommunen und wir haben die ARGEn. Was aber immer verschwiegen wird, worauf es vielleicht hinausläuft, ist Folgendes: Es gibt 21 kooperative Jobcenter. Sie sind weder in einer Optionskommune noch in einer ARGE zusammengeschlossen und bedienen sich gegenseitig, das heißt, BA und Kommunen haben einen Kooperationsvertrag geschlossen.

Ich sehe im Moment zwei Ansätze: Zum einen könnten die Optionskommunen ausgedehnt werden. Das ist auch der Wille der Kommunen. Zum anderen besteht die Möglichkeit, Kooperationsverträge zu schließen. Es gab ein Gespräch mit Frau von der Leyen. Sie hat angekündigt, im März 2010 einen Gesetzentwurf einzubringen.

Das Ziel muss es doch sein, Hilfe unter einem Dach zu bieten. Wenn Sie mit den Agenturen sprechen, stellen Sie fest, dass sie besser vorbereitet sind, als wir es alle wahrhaben wollen. Der

Kunde geht dann nicht mehr nur durch eine Tür hinein, sondern er muss noch einmal durch die Nachbartür gehen. Ich würde also nicht so schwarzmalen. Vor allen Dingen verbreiten Sie damit auch eine gewisse Verunsicherung. Im Vordergrund steht für mich nämlich nicht die Modellwahl, sondern die Vermittlung der Arbeitslosen in Arbeit. Ihr Antrag zurrt schlichtweg nur eines fest, nämlich die Verfassungsänderung. Den Antrag lehnen wir ab. - Vielen Dank.

(Beifall CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Schier. - Das Wort erhält für die Fraktion DIE LINKE Herr Abgeordneter Dr. Bernig.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Den Bezug unseres Antrags hat mein Kollege Detlef Baer schon genannt. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts war die Politik vor die Aufgabe gestellt, die Ausführung des Sozialgesetzbuches II neu zu organisieren. Zum 1. Januar 2011 muss diese Neuorganisation stehen. Da etwa ein Jahr Vorlauf notwendig ist, um die Neuorganisation so hinzubekommen, dass sie auch in der Praxis halbwegs funktioniert, ist es höchste Zeit für eine Lösung.

Es ist wahrlich kein Geheimnis, dass DIE LINKE den Grundsatz von Hartz IV, wonach man den Arbeitslosen nur richtig Beine machen müsse, dann fänden sie schon einen Job, für ebenso falsch hält wie die Annahme, es bestünde nur ein Vermittlungsproblem, und wenn das gelöst sei, habe sich auch die Arbeitslosigkeit aufgelöst.

Dennoch darf man und dürfen vor allem die Betroffenen wenigstens erwarten, dass die Abläufe, sei es im Zusammenhang mit der Vermittlung oder im Zusammenhang mit der Leistungsgewährung, überschaubar, verständlich und nachprüfbar sind.

Genau dieser Anspruch wird aufgegeben, wenn die Bundesregierung nun die getrennte Aufgabenwahrnehmung einführt und damit praktisch Hartz IV an dem einzigen Punkt „rückabwickelt“, der für Langzeitarbeitslose noch irgendwie einen Fortschritt darstellt. Ich glaube nicht, Frau Schier, dass das Neubeschildern von Türen insoweit besonders hilfreich ist.

Sehr bedauerlich ist, dass sich die Mehrheit der Sozialminister auf ihrer Sondersitzung am 14.12.2009 von bisherigen, wiederholt getroffenen Vereinbarungen verabschiedet hat. Offenbar lässt sich eine Mehrheit der CDU-geführten Länder vor den parteipolitischen Karren spannen und wechselt ihre Meinung schneller als das Hemd. Berlin, Brandenburg, Bremen, Rheinland-Pfalz und Thüringen haben dieser 180-Grad-Wende nicht zugestimmt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, machen wir uns doch ganz sachlich die Unterschiede zwischen getrennter und gemeinsamer Aufgabenwahrnehmung klar. Natürlich ist es besser, von einem Träger einen Bescheid in die Hände zu bekommen als von zwei, wie es bei der getrennten Aufgabenwahrnehmung der Fall wäre. Die Bescheide sind doch heute

schon kaum verständlich und - wie die Rechtsprechung zeigt oftmals nicht korrekt. Das wird doch nicht besser mit zwei Bescheiden, die sich wiederum aufeinander beziehen müssen.

Meine Damen und Herren, es ist völlig klar, dass nunmehr ein erheblicher Entscheidungsdruck da ist. Man wird nicht ewig neue Modelle entwickeln und diskutieren können. Wir haben Ihnen deshalb einen Antrag vorgelegt, der nach wie vor das Modell der 86. ASMK unterstützt, welches sich wiederum weitgehend an das Modell der „Zentren für Arbeit und Grundsicherung“ anlehnt. Das heißt: gemeinsame Aufgabenwahrnehmung durch die Agenturen für Arbeit und die Kommunen, was eine Änderung des Grundgesetzes einschließt.

Dieses Modell ist nicht die Lösung aller arbeitsmarktpolitischen Probleme. Beispielsweise halten wir es immer noch für falsch, dass Arbeitsmarktpolitik in zwei Rechtskreisen stattfindet, nämlich im SGB III und im SGB II. Wir haben also immer noch Arbeitslose in zwei Gruppen mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten und unterschiedlichen Zuständigkeiten.

Die Grenze verläuft zwar nicht mehr zwischen den Systemen Arbeitslosenversicherung und Sozialhilfe, sondern zwischen beitragsfinanzierter Arbeitslosenversicherung und steuerfinanzierter Grundsicherung. Aber es ist eine Grenze, und das bleibt unbefriedigend.

Es gibt im Moment organisatorisch leider kein Modell, das alle Probleme löst, jedenfalls dann nicht, wenn man die Hartz-Gesetze nicht viel tiefgreifender infrage stellt.

Aber das Modell der verfassungsrechtlichen Absicherung der gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung ist die klar bessere Alternative gegenüber der getrennten Aufgabenwahrnehmung.

Es ist schon in höchstem Maße erklärungsbedürftig, weshalb die Bundesregierung im Grunde gar nichts löst und offensichtlich darauf vertraut, es werde schon irgendwie funktionieren. Dies ist nicht im Interesse der Betroffenen. Deswegen bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Bernig. - Die Debatte wird fortgeführt mit der Fraktion der FDP. Der Abgeordnete Büttner hat das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die anstehende Reform der Betreuung und Vermittlung von Langzeitarbeitslosen, wie sie im Koalitionsvertrag zwischen Union und FDP auf Bundesebene vereinbart worden ist, ist im Sinne der Menschen.

Mit den überregionalen Kenntnissen der Bundesagentur für Arbeit über den Arbeitsmarkt einerseits und der Verbundenheit der Kommunen mit den Problemen der Menschen vor Ort andererseits kann die Betreuung der Langzeitarbeitslosen besser wahrgenommen werden als auf zentralistischem Wege von Nürnberg aus.

Eine Änderung des Grundgesetzes lehnen wir Liberalen dennoch ab. Es ist nicht richtig, dass unsere Verfassung den Gesetzen angepasst wird. Unsere verfassungsrechtliche Ordnung ist eine andere: Gesetze müssen sich am Grundgesetz orientieren, nicht andersherum.

(Beifall FDP sowie vereinzelt CDU)

Aus diesem Grunde haben sich Union und FDP auf Bundesebene für eine verfassungsfeste Lösung entschieden, die auf einer freiwilligen Zusammenarbeit zwischen Bundesagentur für Arbeit und Kommunen basiert.

(Schulze [SPD]: Eine Grundgesetzänderung ändert eini- ges!)

Auf der Grundlage eines Mustervertrages, der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales ausgearbeitet wird, kann die Bundesagentur den Kommunen attraktive Angebote für eine freiwillige Kooperation machen.

(Schulze [SPD]: Das wissen wir!)

Ziel ist es dabei, unnötige Bürokratie und Kosten zu vermeiden und eine bürgerfreundliche Verwaltung zu schaffen. Dieses Vorgehen geht in die richtige Richtung, so wie es nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit vorgesehen ist, nämlich ohne das Grundgesetz beliebig zu ändern, wie es die SPD auf Bundes- und Länderebene gerne hätte.

Als bessere und gern gesehene Alternative bieten sich die Optionskommunen an, denn ihre Arbeit hat sich in den letzten Jahren durchaus bewährt. Deshalb begrüßen wir, dass im Koalitionsvertrag auf Bundesebene die Befristung für die Optionskommunen aufgehoben wurde. Wir sehen uns daher in Gemeinschaft mit Herrn Minister Baaske, der sich dieser Forderung der Geschäftsführer der ARGEn angeschlossen hat und diese unterstützt.

In einem Brandbrief an die Bundeskanzlerin wird - wie zu lesen war - gefordert, die Betreuung von Arbeitslosen in einer Hand, nämlich der der Kommunen, zu belassen. Das unterstreicht ein Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom Freitag letzter Woche, der besagt, dass die Landkreise Langzeitarbeitslose in eigener Verantwortung betreuen wollen.

Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Landrat Hans Jörg Duppré, sieht das genauso. In einer Pressemitteilung vom 8. Oktober dieses Jahres forderte er zu Recht eine unbegrenzte Erweiterung der Optionskommunen. Das ist auch die Überzeugung der FDP.

Die Betreuung der Menschen ohne Arbeit kann so effektiv und besser gestaltet werden, unter anderem weil die zur Verfügung gestellten Mittel viel besser ausgeschöpft werden als bei den ARGEn. Vor allem die dezentralen Strukturen sorgen für mehr Flexibilität und Handlungsspielräume bei der Vermittlung und Betreuung der betroffenen Personen, nicht zuletzt weil man auf die Probleme der Menschen vor Ort viel besser eingehen kann. Die Kommunen sind näher am regionalen Arbeitsmarkt, kennen lokale und regionale Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger sowie der Wirtschaft, sodass die Aufgabe, Menschen in Arbeit zu bringen, wesentlich besser erfüllt wird.

Durch einheitliche IT-Systeme, entsprechende Anlaufstellen und mehr Bürgerfreundlichkeit werden zudem auch die Gelder effizienter eingesetzt. Die Menschen haben einen Ansprechpartner, was in ihrer schwierigen Situation nur hilfreich ist. Jede dieser Kommunen kann eigene Lösungsansätze herausarbeiten. Dadurch ist ein Vergleich der Strategien möglich. Die besten Optionskommunen dienen dann als Vorbild. Die Ergebnisse können stetig verbessert werden.

Meine Damen und Herren! Um eine gütliche Lösung zu finden, muss nicht gleich das Grundgesetz strapaziert werden. Im Gegenteil, durch die flächendeckende Einführung der Optionskommunen ist eine bessere Aufgabenwahrnehmung vorprogrammiert, und kommunale Entscheidungsspielräume bleiben erhalten. Davon profitieren nicht zuletzt die Bürgerinnen und Bürger im Land Brandenburg. - Vielen Dank.

(Beifall FDP sowie vereinzelt CDU)

Wir setzen mit dem Beitrag der Fraktion GRÜNE/B90 fort. Die Abgeordnete Nonnemacher spricht.