Vielen Dank, Herr Abgeordneter Maresch. - Das Wort erhält die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wiederum wird Herr Abgeordneter Jungclaus das übernehmen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Gast! Erst kürzlich hat Brandenburg die rote Laterne beim Bundesländerindex Mobilität erhalten. Hauptgrund für das miserable Abschneiden in der wissenschaftlichen Untersuchung zur nachhaltigen Mobilität ist die mangelnde Sicherheit im Verkehr. Bei der Anzahl der Verkehrstoten pro 100 000 Einwohner nehmen wir bundesweit den Spitzenplatz ein, ebenso beim Anteil der Schwerverletzten. Während in anderen Bundesländern die Zahlen der Schwerverletzten sinken, steigen sie in Brandenburg - von 2 443 im Jahr 2011 auf 2 473 im Jahr 2012. Auch für dieses Jahr gibt es keine Entwarnung.
Das zeigt uns, dass die bisherigen Maßnahmen zur Minderung der Opferzahlen noch nicht ausreichen, auch wenn die langfristige Entwicklung durchaus positiv zu werten ist. Doch das selbstgesteckte Ziel des Verkehrssicherheitsprogramms, die Unfallzahlen um 5 Prozentpunkte pro Jahr zu senken, wurde verfehlt. Umso wichtiger ist es, die bisherige Entwicklung und die bereits bestehenden Maßnahmen kritisch auf ihre Wirksamkeit zu hinterfragen, weiter zu optimieren und um geeignete weitere Maßnahmen zu ergänzen.
Wir stimmen absolut damit überein, dass wir eine größere öffentliche Wahrnehmung zu verkehrssicherheitsrelevanten Themen benötigen. An Bundesautobahnen und in Wohngebieten wird man regelmäßig an Gefahren bzw. an die Rücksichtnahme auf Kinder erinnert. Innerhalb der Städte und an wichtigen Durchgangsstraßen auf dem Land kommt dies meiner Ansicht nach viel zu kurz. Wir brauchen hier sicherlich auch mehr Temporeduzierung.
Es gilt aber ebenso, nicht nur den Zeigefinger zu erheben, sondern zu motivieren. Ein gutes Beispiel sind die an einigen Schulen installierten Smiley-Ampeln: Wer die Geschwindigkeit einhält, wird mit einem Lächeln belohnt. Aber auch sogenannte Shared-Space-Projekte in Ortszentren, bei denen alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt den Verkehrsraum nutzen können, könnten an geeigneten Stellen einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die gegenseitige Rücksichtnahme im Verkehr aus
zubauen. In den Niederlanden konnten hiermit die Unfallzahlen gesenkt und die Lebensqualität deutlich erhöht werden.
Wir gehen auch bei den Unfallschwerpunkten d’accord, dass hier weiter investiert werden muss. Zu den Alleen hat allerdings eine Kleine Anfrage aus dem Jahr 2011 ergeben, dass es dort, bezogen auf das Jahr 2010, gar keine Unfallschwerpunkte gibt. Eine Beplankung der Straßen wird vermutlich nur in wenigen Fällen begründbar sein. Hier sollten wir viel mehr auf Präventionsarbeit setzen und beispielsweise auf eine noch intensivere Aufklärung in Schulen, Fahrschulen und der allgemeinen Öffentlichkeit.
Meine Damen und Herren, es ist klar, dass man bei der Weiterentwicklung des Verkehrssicherheitsprogramms neue Entwicklungen aufgreifen muss. Dazu gehört auch die steigende Anzahl von Fahrradfahrern und Pedelec-Nutzern. Wir freuen uns über jeden, der vom Auto auf umweltfreundliche Alternativen - wie Elektrofahrräder - umsteigt. Wir erwarten dann aber auch entsprechende Investitionen in die Radwegeinfrastruktur vonseiten des Landes. An den Landesstraßen beispielsweise hinken wir dem Bauprogramm weit hinterher.
Vieles, was in dem Antrag steht, sehen wir mehr oder weniger als selbstverständlich an. Wir werden der Überweisung des Antrags daher zustimmen. Letztlich entscheiden nach Überarbeitung des Verkehrssicherheitsprogramms aber die Taten und die zur Verfügung stehenden Mittel über die weitere Entwicklung. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Jungclaus. - Das Wort erhält die Landesregierung. Herr Minister Vogelsänger, bitte.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Das Thema Verkehrssicherheit ist ein Dauerthema. Deshalb herzlichen Dank für den Antrag.
Das Verkehrssicherheitsprogramm ist in Überarbeitung. Herr Petke, Sie haben darauf hingewiesen, auf der Homepage ist alles entsprechend abrufbar. Wir werden uns sehr intensiv im Ausschuss damit zu beschäftigen haben, weil es insbesondere darum geht, das Bewusstsein der Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer zu ändern. Denn jeder hat seine ganz besondere, eigene, persönliche Verantwortung.
Deshalb ist es selbstverständlich, dass ich dem Parlament - insofern gebe ich den Ball wieder zurück - immer wieder den Vorschlag unterbreite, bei den direkten Mitteln für die Arbeit der Verkehrssicherheit nicht zu kürzen. Das sage ich auch für die nächsten Jahre zu, wenn ich hier die entsprechende Verantwortung habe, weil ich weiß, wie wichtig das Ehrenamt bei den Verkehrswachten und den Elterninitiativen ist. Dafür möchte ich ganz herzlich danken.
Zu Gregor Beyer: Du hast eine Zahl genannt. In der vorigen Woche fand in Potsdam das bundesweite Treffen der Kinderunfallkommissionen statt. Die Idee für diese Treffen ist in NRW entstanden. Es sind Initiativen, die in den Städten für
mehr Verkehrssicherheit insbesondere für Kinder sorgen. Da hat man mir die Vorbereitung gegeben. Man ist richtig geschockt, wenn man die Zahlen liest. Im Jahr 1992 sind 43 Kinder im Straßenverkehr im Land Brandenburg gestorben. Im letzten Jahr waren es drei Kinder. Das sind drei Kinder zu viel, das will ich überhaupt nicht bestreiten. Diese Zahl 43 ist trotzdem eine schockierende Zahl. Deshalb müssen wir weitermachen und mit der Vision leben, dass es keine toten Kinder mehr im Straßenverkehr geben möge. Das ist ein ganz wichtiges Ziel.
Ich habe im Dezember - deshalb spreche ich von Gemeinsamkeit - einen sehr schönen Termin, bei dem ich den 50 000en Führerschein im Rahmen des „Begleiteten Fahrens mit 17“ überreichen werde.
Ich halte dieses Projekt deshalb für so wichtig und interessant, weil es ein gemeinsames Lernen ist. Diejenigen, die mit ihren Kindern unterwegs sind, überlegen sich auch, was man als Verkehrsteilnehmer macht. Das ist ein gegenseitiges Lernen. Deshalb: Lassen Sie uns an diesem Thema weiterhin parteiübergreifend arbeiten.
Es ist meine letzte Rede hier in dem alten Landtag. Es hat mir viel Freude mit den Abgeordneten gemacht. Ich freue mich auf den neuen Landtag und auf die Debatte zur Verkehrssicherheitsarbeit. - Herzlichen Dank.
Es hat sicherlich auch den Abgeordneten Spaß gemacht mit diesem Minister. - Herr Abgeordneter Petke, gehe ich recht in der Annahme, dass Sie Ihre Stimme jetzt schonen möchten.
Damit sind wir am Ende der Aussprache angelangt. Die CDUFraktion hat die Überweisung des Antrages an den Ausschuss für Infrastruktur und Landwirtschaft beantragt. Wir kommen demzufolge zur Abstimmung. Wer der Überweisung des Antrages „Verkehrssicherheit in Brandenburg“, Drucksache 5/8163, eingebracht durch die CDU-Fraktion, zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Sehe ich nicht. Damit ist dieser Antrag einstimmig überwiesen worden.
Ich schließe Tagesordnungspunkt 10 und eröffne den nunmehr letzten - historischen - Tagesordnungspunkt in diesem Haus, Tagesordnungspunkt 11:
Stichtagsregelung für Nachdiplomierung bei Fachund Ingenieursausbildung abschaffen - Gleichwertige Abschlüsse anerkennen
Dieser Antrag führt uns zurück in die Vergangenheit. Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der CDU-Fraktion. Herr Abgeordneter Prof. Dr. Schierack, Sie haben die Gelegenheit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Antrag eröffnet einer bestimmten Gruppe von Absolventen von Fachschulen und Ingenieurschulen der ehemaligen DDR die Möglichkeit, ihren Abschluss nach bundesdeutschem Recht prüfen, einstufen und möglicherweise anerkennen zu lassen. Es geht um all diejenigen, die ihr Studium in der Endphase der DDR begannen, dann mindestens drei Jahre studierten und das Studium nach dem 31.12.1990 beendet haben. Artikel 37 des Einigungsvertrages sieht eine sogenannte Stichtagsregelung vor. Nach dieser Regelung werden Abschlüsse, die vor dem 31.12.1990 erworben worden sind, auf Antrag geprüft und gegebenenfalls anerkannt.
Das Recht auf Eingruppierung und Anerkennung - nach bundesdeutschem Recht - von Abschlüssen, die nach dem 31.12.1990 erworben wurden, sind bisher nicht möglich.
Das Oberverwaltungsgericht in Sachsen hat im Jahr 2011 diese nichtbegründete Unterscheidung nach einem Stichtag für eine Nachdiplomierung für nichtig erklärt und deutlich gemacht, dass Artikel 37 uneingeschränkt auch für nach 1990 erworbene Abschlüsse gelte.
Sowohl Sachsen als auch Mecklenburg-Vorpommern sind dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts gefolgt und wenden diese Stichtagsregelung nicht mehr an, und das zum großen Vorteil der Betroffenen. In Sachsen ist mit dieser Änderung die Zahl der Anträge auf Anerkennung deutlich gestiegen; allein in diesem Jahr sind es 400 und im letzten Jahr waren es mehr. In Mecklenburg-Vorpommern konnten schon zwei Wochen nach der neuen Regelung 60 Anträge positiv beschieden werden.
Meine Damen und Herren, mit der Annahme des Antrages beenden wir eine meines Erachtens sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung von DDR-Abschlüssen. Die Anerkennung war bisher ausschließlich abhängig von einem Stichtag und nicht davon, welche Ausbildung und Leistung die Betroffenen nachweisen können.
Wir freuen uns, dass unser Antrag fraktionsübergreifend Anklang gefunden hat. Und ich freue mich auch für die betroffenen Menschen in Brandenburg, die von dieser neuen Praxis profitieren werden.
Vielen Dank, Herr Prof. Dr. Schierack. - Wir setzen mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Frau Abgeordnete Melior hat das Wort.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! 23 Jahre nach der Deutschen Einheit ist das ein richtiger, wichtiger Schritt; Herr Schierack ist darauf eingegangen. Dennoch will ich noch einmal einordnen, wie es sich eigentlich verhält.
§ 37 des Einigungsvertrages sagt, dass die Abschlüsse, die zu DDR-Zeiten erworben wurden, auch anerkannt sind. Das, was wir heute hier verändern, ist der Stichtag für die Nachdiplomierung, also für die Aufwertung von Abschlüssen. Es ist ein schwieriger Prozess, dass wir die Abschlüsse, die in der Diktatur, und die Abschlüsse, die in der Demokratie erworben wurden, zu vereinigen versucht haben, das heißt, auf ein gemeinsames Niveau zu bringen. Deswegen gab es diese Sonderregelung. Und auch nur unter dem Vorzeichen, dass es eben zwei unterschiedliche Systeme waren, ist diese Regelung möglich. Denn sonst würde man gegenüber allen, die lange studieren, um einen höherwertigen Abschluss zu erreichen, ungerecht sein und sagen: Da habt ihr halt Pech gehabt. - Es geht auch anders und einfacher.
Wir haben jetzt schon die Regelung, dass mit einem zusätzlichen Jahr an der Fachhochschule oder drei Jahren Berufstätigkeit diese Anerkennung erfolgen kann. Was wir verändern - und das ist der gemeinsame Vorschlag -, ist der Stichtag, der damit wegfällt. Damit kann auch ein später erworbener Abschluss noch nachdiplomiert werden.
Ich freue mich besonders, dass es ein gemeinsamer Antrag ist. Mit diesem gemeinsamen Antrag beenden wir eine Ungerechtigkeit, die sich aus dem Einigungsvertrag ergeben hat, und untermauern noch einmal die guten Seiten des Brandenburger Weges. Von daher freue ich mich, dass dies der Schlusspunkt unter den Debatten hier im alten Landtag ist.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Melior. - Wir kommen zum Beitrag der FDP-Fraktion, Herr Abgeordneter Beyer hat das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin zwar nicht der zuständige Fachpolitiker, aber ich gestehe gerne, dass ich bei diesem letzten Tagesordnungspunkt ganz besonders gerne den Kollegen Lipsdorf hier vertrete, und zwar aus zwei Gründen: Was den fachlichen Inhalt des Antrages anbelangt, haben die Vorredner alles gesagt. Ich betone hier gerne noch einmal die Notwendigkeit der Änderung der Stichtagsregelung, einmal weil Stichtagsregelungen immer ein klein wenig etwas von Willkür haben. Man muss irgendwann einen Tag festlegen. Auch wenn ich mich jetzt für befangen erklären müsste, füge ich hinzu: Da ich in der Familie selbst so einen Fall habe, bin ich umso froher, dass hier dieser Antrag vorliegt, der diese Stichtagsregelung in der Tat abschafft.
Der zweite Punkt ist der, dass es mich besonders freut, dass der letzte Tagesordnungspunkt an dieser historischen Stelle mit einem gemeinsamen Antrag aller Fraktionen zu Ende geht. Ich denke, das ist ein gutes Signal.
Ich stecke gerne, das sage ich jetzt einmal, die eine oder andere Kritik von dem einen oder anderen ein, wenn es dann heißt: Jetzt wart ihr alle wieder viel zu harmonisch. - Das ist aber gar nicht der Gegenstand von Politik. Ich denke, der Gegenstand von Politik ist, dass man kompromissbereit sein soll, ohne kompromisshörig zu sein. Das ist ein ganz kleiner, aber sehr entscheidender Unterschied. Das haben wir meines Erachtens hier gelebt, zumindest habe ich das hier so wahrgenommen. Genau das wünsche ich dem neuen Hohen Hause, dann etwas tiefer hier in der Stadt Potsdam. Ich bedanke mich recht herzlich für die gute Zusammenarbeit an dieser Stelle.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Beyer. - Wir kommen zum Beitrag der Fraktion DIE LINKE. Herr Abgeordneter Jürgens hat das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Kollegen Melior und Schierack haben zu den sachlichen Inhalten dieses Antrages alles Wichtige gesagt. Es geht uns erstens um eine Vereinfachung der Anerkennung von DDR-Abschlüssen und es geht uns zweitens um das Ende einer Ungerechtigkeit, die es immer bei Stichtagen gibt. Warum soll jemand, der im Dezember 1990 einen Abschluss gemacht hat, diesen leichter anerkannt bekommen, als jemand, der ihn im Januar 1991 gemacht hat? Das war der Stichtag. Insofern ist das ein berechtigtes Anliegen.