Protokoll der Sitzung vom 28.06.2017

(Wichmann [CDU]: Aber das geschah vor allem durch die Landkreise!)

Warten Sie ab - holen Sie Luft! Wenn wir wollen, dass alle Kreisverwaltungen im Land auch in zehn oder zwanzig Jahren solche unvorhersehbaren Ereignisse stemmen und bewältigen können, müssen wir ihre Leistungsfähigkeit bewahren und er halten. Deshalb müssen wir auch Veränderungen konkret nach vollziehen.

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, in den vergangenen Jahren hieß es regelmäßig, die Haushaltsentwicklung im Lande und bei den Kommunen sei so gut, dass man jetzt wirklich keine Reform mehr zu machen brauche. Diese Argumente haben wir oft ge hört - auch von der Opposition.

(Dr. Redmann [CDU]: Sie sparen doch gar kein Geld!)

Ich weiß nicht, wer jetzt dazwischen gerufen hat, aber wie kann man so etwas behaupten? Wie kann man die einmalige Zeit von Boom-Jahren in der Geschichte des Landes Branden burg auf die Ewigkeit hinweg fortschreiben wollen? Wie kann man so naiv sein?

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE - Zuruf des Abgeordneten Wichmann [CDU])

Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren: Es wird auch wieder andere konjunkturelle Entwicklungen geben, auf die wir uns jetzt vorbereiten müssen - mit der heutigen Stärke.

(Lachen des Abgeordneten Dr. Redmann [CDU])

Herr Dr. Redmann, Sie sind noch nicht so lange im Parlament - ich bin es jetzt knapp 19 Jahre und ich weiß, was es bedeutet, wenn es dem Land finanziell schlecht geht, und was es bedeu tet, Sparmaßnahmen einzuleiten.

(Zurufe des Abgeordneten Dr. Redmann [CDU])

- Gehen Sie ans Mikrofon, wenn Sie etwas sagen wollen!

Wenn Sie diese Reform in einer Zeit anstreben, in der es uns finanzpolitisch deutlich schlechter geht, warte ich einmal auf das Konzept der CDU in Brandenburg, wie man das dann ma chen will.

Dann sagt die CDU gebetsmühlenartig, wir bräuchten keine Reform, weil …

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Da ich ihn dazu aufgefordert habe, lasse ich diese eine Zwi schenfrage zu.

Herr Abgeordneter, können Sie beziffern, in welcher Größen ordnung die von Ihnen geplante Reform Finanzen bei den Kommunen sparen wird?

Ich weiß nicht, wie oft wir das jetzt wiederholen, aber hören Sie doch einfach meinem Redebeitrag zu - dann werden Sie sehr deutlich erkennen, warum wir diese Reform machen und welchen Sinn und Erfolg sie haben wird.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE - Zurufe von der CDU)

Die CDU Brandenburg ignoriert übrigens auch noch einen an deren Punkt: Wir haben permanent gehört, wir bräuchten diese Reform nicht, weil die Prognosen der Bevölkerungsentwick lung jetzt doch ganz andere seien. Alle verfügbaren Studien - alle! - sagen aber ganz konkret, dass die Bevölkerung in Bran denburg erstens weiterhin schrumpfen wird, dass die Vertei lung der Bevölkerung zweitens auf das Land noch ungleichmä ßiger sein wird als heute. Dieses Bild ist doch ganz klar: Auf einem engen Ring von nur 10 % der Landesfläche, nämlich rings um Berlin, werden 50 % der Brandenburgerinnen und Brandenburger leben. Das ist eine enorme Entwicklung. Auf den übrigen 90 % der Landesfläche werden Menschen dagegen in sehr, sehr dünn besiedelten Gebieten leben.

Angesichts solch extremer Unterschiede müssen wir im Land jetzt einfach handeln. Wenn wir den Blick auf moderne Ver waltung werfen, dann dürfen wir auch nicht wegschauen, mei ne Damen und Herren. Wir dürfen nicht wegschauen! Das blo ße Nein der CDU hält auch diese Entwicklung der Demogra fie - mit Verlaub - nicht auf.

Die Bevölkerung in Brandenburg wird - wie in ganz Deutsch land - immer älter. Wir werden ein Drittel der erwerbsfähigen Menschen verlieren. Das wird natürlich - wer wäre denn so blauäugig, das zu leugnen? - auch in den Kreisverwaltungen und in den Rathäusern ankommen. Deswegen glauben wir, dass diese Reform jetzt notwendig ist.

Ich möchte zuletzt auf die Forderung nach einem Reformstopp eingehen, die mit der Volksinitiative begründet wird. Gerade dieses Argument scheint mir persönlich aber nicht schlüssig, denn der Politik wird doch so oft vorgeworfen, wir würden nur unsere Fahne in den Wind hängen und uns nach Stimmungen richten. Ich sage: Mit dieser Reform, die wir jetzt gemeinsam lange diskutiert haben, ist genau das Gegenteil der Fall. Wir wissen, dass diese Reform nicht beliebt ist, und ich wage eine Prognose: Solche Reformen werden nie beliebt sein, auch wenn die Ablehnung in Brandenburg groß, aber zuletzt doch spürbar gesunken ist.

Ich weiß, Herr Senftleben: Ich werde die CDU Brandenburg damit nicht überzeugen. Sie haben sich persönlich und als Par tei entschieden, die Verwaltungsstrukturreform - eigentlich ein eher trockenes Thema - zur gezielten Stimmungsmache zu missbrauchen.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

Tatsächlich sah die CDU aber noch vor wenigen Jahren genau den gleichen Reformbedarf wie das Parlament insgesamt. Es waren christdemokratische Ministerpräsidenten wie Georg Milbradt in Sachsen oder Wolfgang Böhmer in Sachsen-An halt, die solche Kreisgebietsreformen - gegen Widerstände und Vorbehalte in ihrem Land, auch von anderen Fraktionen und Bürgern - durchgeführt haben.

(Wichmann [CDU]: Allerdings mit 2 500 Quadratkilome tern als Obergrenze, nicht 5 000!)

Herr Senftleben, Sie sind Vorsitzender der CDU Brandenburg. Ihr Ehrenvorsitzender Jörg Schönbohm, der vor der Landtags wahl 1999 - ich war damals selbst im Wahlkampf - für die CDU Brandenburg eine Gemeindegebietsreform ausgeschlos sen hat, hat sie nach einer klaren Einsicht in die Notwendigkeit einer Veränderung der kommunalen Familie gegen alle Wider

stände und Klagen als Innenminister anschließend durchge setzt. Ich wünsche mir manchmal - so komisch es klingt; ich hätte es mir damals auch nicht vorstellen können - einen knor rigen Typen wie Jörg Schönbohm hierher zurück.

Die heutige CDU Brandenburg hat sich jedoch entschieden, für ihr großes Ziel, die Staatskanzlei zu übernehmen, lieber die Zukunft des Landes aufs Spiel zu setzen.

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE)

Mit Ihrer außerparlamentarischen Opposition wollen Sie ei gentlich der rot-roten Koalition eine politische Niederlage be reiten. Sie wollen uns treffen und merken einfach nicht, dass Sie in Wahrheit damit dem Land Brandenburg eine Wunde schlagen.

(Beifall SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE - Wider spruch bei der CDU)

Herr Senftleben, Sie haben vielleicht einen Plan, um gemein sam mit Herrn Petke in die Staatskanzlei einzuziehen, aber Sie haben keinen Plan für die Zukunft des Landes Brandenburg.

(Beifall SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Wir werben für diese Reform, und wir werden auch mit fal schen Ängsten aufräumen. Die Schulen und Krankenhäuser werden bleiben, wo sie sind. Bürger fahren auch künftig ext rem selten zum Kreissitz. Mindestens 95 % ihrer konkreten Anliegen werden im Rathaus oder direkt in der Gemeinde erle digt und haben mit dem Landkreis rein gar nichts zu tun.

(Zuruf des Abgeordneten Schulze [BVB/FREIE WÄH LER Gruppe])

Wir gehen heute in die parlamentarische Beratung. Ich lade al le Kolleginnen und Kollegen im gesamten Parlament ein, aktiv mit uns zusammen die Zukunft Brandenburgs zu gestalten. Die Grünen haben ja schon erste inhaltliche Vorschläge gemacht, über die wir diskutieren werden. Die CDU fordere ich auf, ihre Blockadehaltung zu beenden. Wir jedenfalls stellen uns den Herausforderungen im Land Brandenburg! - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank. - Ich setze die Aussprache fort und zu uns spricht der Abgeordnete Petke für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Ministerin Golze, Frau Kollegin Richstein hat mich auf den Wortlaut des Beschlusses im Havelland hinge wiesen. Dort heißt es ganz klar:

„Aus den vorgenannten Gründen lehnen wir den Referen tenentwurf, was den Zusammenschluss des Landkreises Havelland mit der kreisfreien Stadt Brandenburg an der Havel anbelangt, ab.“

(Zurufe: Den Referentenentwurf! Nicht die Strukturre form! - Wer lesen kann, ist klar im Vorteil!)

In diesem Punkt, Frau Ministerin Golze, ist der Referentenent wurf identisch mit dem vorliegenden Gesetzentwurf.

(Beifall CDU, AfD und BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)

Herr Minister Schröter, wenn die Kollegen meiner Fraktion hier im Landtag darauf hinweisen, dass, wenn man den Notruf der Polizei wählt, viele Minuten vergehen, bevor etwas ge schieht, dass innerhalb einer Legislaturperiode unter Führung von SPD und Linken über eine Million Schulstunden ausfallen, dass in den Regionalexpresszügen nach und durch Berlin zwi schen Frankfurt und Brandenburg an der Havel die Leute in der Früh und am Abend stehen müssen, dass überall Stundenaus fall, Kriminalitätsbelastung usw. diskutiert wird - dann sagen Sie uns, wir redeten das Land schlecht.

(Zuruf: Er will es nicht wahrhaben!)

Aber wenn Sie mit dem Steuergeld der Brandenburger eine Ra diowerbung schalten, in der ein fiktives Frankfurt (Oder), Prig nitz oder eine fiktive Uckermark in 10, 20, 30 oder 40 Jahren als eine Region dargestellt wird, in der man niemanden mehr anrufen kann - so es denn überhaupt noch ein Telefon gibt -,

(Vereinzelt Lachen)

dann nennen Sie das „Vorsorge“! Sie verunsichern! Sie reden unsere Kommunen schlecht!

(Beifall CDU und BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)