Protokoll der Sitzung vom 26.10.2000

Bei derartigen Problemen findet eine Diskussion um strukturelle und qualitative Verbesserung in der Berliner Schule gar nicht mehr statt. Sie aber halten nichtsdestotrotz an Ihrer kurzsichtigen Politik fest. Man sieht es auch an den Haushaltsberatungen, dass in diesem Bereich nicht alles so ist, wie Sie in der Presse immer behaupten. Wir wissen – spätestens seit gestern –, dass die Senatsschulverwaltung pauschale Minderausgaben in Höhe von 19,1 Millionen DM aufzulösen hat.

Ihre Redezeit ist abgelaufen.

(A) (C)

(B) (D)

Herr Präsident! Ich möchte noch eine letzte Bemerkung machen. – Das sind 13 Millionen DM aus dem vergangenen Haushalt und 6,1 Millionen DM aus dem neuen Haushalt. Man braucht aber nicht mehr Geld in diesem Bereich, sondern man müsste nur eine vernünftige Politik machen. Allein in der Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport haben Sie genügend Möglichkeiten. Sie hätten schon längst die Storkower Straße abstoßen können, Sie hätten längst die Überhangkräfte vom JAW auflösen können, Sie hätten längst die festen Stellen beim FEZ durch Honorarkräfte ersetzen können, Sie hätten längst die Doppelzuständigkeiten beim LSA auflösen können. Und schließlich hätten Sie auch einmal erklären können, warum Sie einem Millionenklub wie Hertha BSC mit 9,5 Millionen DM unter die Arme greifen wollen, wenn die Berliner Schule in einer solchen Misere steckt.

Das war dann wohl Ihre Schlussbemerkung, Herr Abgeordneter!

Bedenken Sie die Folgen Ihrer Politik! Die Jugend von Heute und die Jugend von Morgen wird es Ihnen spätestens bei den nächsten Wahlen zeigen.

[Beifall bei den Grünen]

Für die Fraktion der CDU hat nun der Abgeordnete Schlede das Wort. – Ich bitte noch einmal alle Abgeordneten, die Redezeitvorgaben selbst zu beachten. Das erleichtert uns dann allen die Arbeit.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Mutlu! Es freut mich, dass Sie die Koalitionsvereinbarung als so positiv empfunden haben, dass Sie aus ihr zitiert haben. Das zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

[Beifall bei der CDU – Wieland (Grüne): Papier ist geduldig!]

Allerdings muss ich ergänzen, dass nach meiner Auffassung noch das eine oder andere in der Koalitionsvereinbarung fehlt, wo wir uns leider nicht haben durchsetzen können. Ich nenne die beiden wesentlichen Punkte: die Wertevermittlung und die Leistungsfähigkeit von Schulen, was u. a. eine größere Anzahl von grundständigen Gymnasien und Expresszügen erfordert. Dabei fehlt noch etwas, aber vielleicht kommen wir bei diesen Fragen noch weiter, auch ohne Koalitionsvereinbarung,

[Mutlu (Grüne): Da können Sie lange warten!]

Sie sagen zutreffend, wir hätten in dieser Koalitionsvereinbarung die Priorität auf Bildung setzen wollen – und haben dies nach meiner Auffassung auch getan. Ihr Irrtum liegt darin, dass Sie meinen, wenn ich von Priorität spreche, könnte ich die realen Bezüge verlieren. Ich kann aber natürlich nur Prioritäten im Namen dieser desolaten Haushaltslage des Landes Berlin setzen. Wir können keine neuen finanziellen Rahmenbedingungen für unser Land erfinden. Unter diesen Umständen ist es dann natürlich auch nicht verwunderlich, dass man nicht alle Probleme, die das Schulwesen im Land Berlin hat – das traue ich auch einem Senator Böger nicht unbedingt zu –, auf einmal schultert.

Wir haben uns aber die Vorgabe gesetzt, den Lehrerstellenbereich im kommenden Haushaltsjahr nicht mehr zu kürzen. Wir haben beispielsweise keine zusätzlichen Kürzungen an Unterrichtsstunden. Wir haben keine Frequenzerhöhung vorgenommen. Gucken Sie sich andere Bereiche an, erinnern Sie sich an die Diskussionen im Ausschuss für Schule, Jugend und Sport über die Kürzungen der Zuwendungsempfänger! Da sind wir im Vergleich relativ gut gestellt, aber eben nur relativ angesichts der finanziellen Gegebenheiten unserer Prioritätensetzung.

Wenn ich nun Ihren Antrag über „Sicherstellung der Bildung und Erziehung in der Berliner Schule“ vom März sehe, der Grundlage für die Haushaltsberatung für das Jahr 2000 war, so

stelle ich fest, trägt er die klassischen Merkmale des letzten Haushalts, den wir beschlossen haben.

[Mutlu (Grüne): Wo denn?]

Wenn ich in Kurzform die 8 Punkte des Antrags durchgehe, dann habe ich beim 1. Punkt notiert: „erledigt“, beim 2. Punkt: „unrealistisch“, beim 3. Punkt: „zu teuer“, der 4. Punkt entspricht einem Antrag der CDU-Fraktion. Der 5. Punkt ist erfüllt – 5 % Vertretungsmittel haben wir eingestellt –, dem 6. Punkt – aktueller Personalbedarf für die Aufrechterhaltung der von Schließung betroffenen Schulstationen –, bei dem wir einer Auffassung sind, ist teilweise entgegengekommen worden, das Gleiche betrifft den 7. Punkt – Schülerklubs. Und der 8. Punkt ist praktisch obsolet – die Medienwarte stehen bereits auf kw –, und wären heute auch gar keine Hilfe, weil wir jetzt eine Systembetreuung brauchen, die gestern bei „CidS“ vorgestellt worden ist, nämlich eine flexible Verwendung der etwa 7,5 Millionen DM, die für Systemwartung und -betreuung jetzt endlich eingestellt sind. Auch da haben wir einen Schritt in die Zukunft getan.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Ich möchte noch einen weiteren Punkt betonen. Wer 8 Jahre lang Schulen verwaltet hat – das habe ich getan als Bezirksstadtrat –, der kann etwas über den äußeren Zustand von Schulen mitteilen, und der ist fraglos in vielen Ecken des Landes Berlin desolat. Dass man hier ein 100-Millionen-DM-Jahresprogramm für Sanierung angesetzt hat, ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung, das macht auf 5 Jahre eine halbe Milliarde DM, das ist anerkennenswert und zeugt auch von richtiger Prioritätensetzung. Manch anderer Bereich hätte sich das gewünscht, bei uns ist es angekommen. Natürlich darf man auch nicht die insgesamt 17,5 Millionen DM jährlich vergessen, die für die technische Aufrüstung der Schule notwendig erscheinen und uns in den nächsten 5 Jahren begleiten werden. Ich gehe davon aus, dass wir relativ schnell den Stand von Ländern wie Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen erreichen werden. Wir werden also Anschluss an die in dieser Richtung moderneren Bundesländer finden.

Ihr Antrag ist aber auch etwas von der Wirklichkeit entfernt, wenn Sie fordern, man sollte Lehrer mit einer halben Stelle einstellen, um sie gleichzeitig als Erzieher einzusetzen. Mir wäre lieber, wir könnten die Lehrer, die wir auf dem Markt haben, auch tatsächlich fachgerecht einsetzen, anstatt als Erzieher, wo wir einen gewaltigen Überhang haben, – ich möchte nicht sagen: – „zu missbrauchen“, aber überbezahlt und nicht fachgerecht einzusetzen.

[Mutlu (Grüne): Sie müssen genauer lesen!]

Wenn ich den Fachkräftemangel im Land Berlin sehe, dann wünschte ich mir mehr junge Lehrer mit der entsprechenden Fakultas in der Schule. Wenn wir dies nicht bald schaffen, dann wird Berlin zu einer Weide, auf der andere Länder grasen, um uns unsere Fachlehrer abzuwerben, und dann werden wir – trotz des Hauptstadtbonus – in den nächsten Jahren große Probleme haben, unsere Schulen fachgerecht mit Personal zu versorgen.

[Cramer (Grüne): Dann müssen Sie das Landesschulamt auflösen!]

Ihre Redezeit ist abgelaufen!

Ja, Herr Präsident, ich komme zum Ende.

Wir haben diesen Antrag abgelehnt, weil er größtenteils nicht mehr aktuell ist und nicht die Realität trifft, obwohl einige zugegebenermaßen erwägenswerte Aspekte in diesem Antrag vorhanden sind. Die werden wir auch gemeinsam vorantragen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Für die PDS-Fraktion hat Frau Abgeordnete Schaub das Wort.

(A) (C)

(B) (D)

Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Kollege Schlede, ich finde es schon erstaunlich, wie Sie dem Haus die Situation an der Berliner Schule schönzureden versuchen.

[Mutlu (Grüne): Das machen sie doch schon die ganze Zeit!]

Der Antrag, der uns vorliegt, wurde in der Debatte zum Haushalt 2000 von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im März dieses Jahres gestellt. Inzwischen sind wir in den Haushaltsberatungen 2001, und der Antrag hat sich keinesfalls erledigt. Im Gegenteil, die im Antrag genannten Schritte zur Sicherstellung der Bildung und Erziehung in der Berliner Schule sind leider nach wie aktuell. Oder anders gesagt: Die neuen Probleme sind die alten.

Der Unterrichtsausfall ist ein zentrales Problem der Berliner Schule geblieben. Er prägt das Bild der Schule in der Öffentlichkeit. Laut Statistik des Landesschulamtes war er im Schuljahr 1999/2000 höher als im Jahr zuvor, und auch in den ersten zwei Monaten des neuen Schuljahres gibt es keine Entwarnung, ganz zu schweigen von einer Senkung des Unterrichtsausfalls unter 1 %. Stattdessen häufen sich bereits wieder die Beschwerden von Eltern über ausgefallenen Unterricht, übrigens auch zunehmend Beschwerden von Schülern über ausfallenden Unterricht. Herr Kollege Mutlu hatte schon darauf hingewiesen – das betrifft übrigens meinen, wenn man so will, Heimatbezirk Pankow –, dass verzweifelte Eltern den Versuch machten, auf eigene Kosten arbeitslose Lehrkräfte zu beschäftigen. Dass dies keine Lösung sein kann, dürfte uns allen im Hause klar sein. Es offenbart jedoch den Handlungsdruck, dem Senat und Landesschulamt unterliegen.

Eine Patentlösung hat derzeit niemand parat. Aber der Antrag enthält diskutable Vorschläge für eine Verbesserung der Personalsituation im Unterricht und im sozialpädagogischen Bereich sowohl im Hinblick auf die Arbeitsbelastung der Lehrerinnen und Lehrer – und da ist noch einmal aus der Sicht der PDS die Rücknahme der Arbeitszeiterhöhung aufgerufen – als auch für Neueinstellungen zur Verjüngung der Lehrerschaft als auch für flexiblere Handlungsmöglichkeiten der Schulen im Umgang mit Vertretungsmitteln.

Wer die Misere im Schulwesen ernsthaft beheben will, sollte sich diesem Lösungsversuch nicht verschließen, auch wenn der Antrag von der Opposition kommt. Doch nach wie vor beschränken sich die koalierenden Parteien – das haben wir eben wieder erlebt – auf eine Pauschalablehnung. Sie tun das, ohne in diesem Schuljahr bisher reale Alternativen – nicht nur Absichtsbekundungen – geboten zu haben.

Die für dieses Schuljahr anvisierte Personalausstattung der Schulen mit 105 % plus 500 zusätzliche Lehrkräfte für die langzeitkrankten Kolleginnen und Kollegen ist anscheinend bei irgendeiner Rechenkunst angekommen, was den Berliner Durchschnitt betrifft, aber nicht bei einer Vielzahl von Schulen, die sie benötigen, und natürlich auch nicht in den Bezirken. Die Personalausstattung der Schulen liegt in Wedding bei 99,7 %, in Neukölln ebenfalls unter 100 %, in Mitte, Pankow, Weißensee, Charlottenburg und Spandau ganz knapp über 100 % und in Prenzlauer Berg bei 101,7 %. Das heißt, es handelt sich um ein flächendeckendes Problem. Da kann keine Schule der anderen mehr helfen. – Das waren nur einige Beispiele.

Ursachen für dieses Defizit sind u. a. in einer zum Teil falschen oder ungenauen Bedarfsplanung zu suchen. Die Schülerzahlen sind bekanntlich nicht um die erwartete Höhe zurückgegangen, sondern etwa nur um die Hälfte des berechneten Rückgangs, und wir hörten heute schon vom Senator, dass es leider mehr langzeiterkrankte Kollegen, und zwar deutlich mehr als angenommen gibt. Eine weitere Ursache sind bisher unzureichend erfolgte, aber dringend notwendige und auch geplante Neueinstellungen.

Erhöht haben sich damit allerdings die Arbeitsbelastungen der Lehrkräfte, die in den Schulen unterrichten, und zwar in doppelter Hinsicht. Ihre Pflichtstundenzahl wurde bekanntlich erhöht, und mit dem Rundschreiben des Landesschulamts zur Verringerung des Unterrichtsausfalls werden sie zu mehr Vertretungsunterricht verpflichtet, als das bisher der Fall war. Da sind

bisher verschiedene, aus objektiven Gründen ausgefallene Stunden wie Hitzefrei in der Unterstufe – ich begrenze das absichtlich darauf, weil ich schon höre, was da an Protesten kommen könnte –, aber auch Vertretungsstunden infolge von Klassenfahrten sind zu erteilen. Nicht, dass bisher nicht vertreten wurde, wenn ein Kollege auf Klassenfahrt war. Aber wenn er auch noch Stunden vertreten soll, die er auf der Klassenfahrt zugebracht hat, dann hört für mich der Spaß auf. Übrigens werden nun Klassenfahrten mit dieser Begründung be- und auch verhindert.

Auch Ihre Redezeit, Frau Abgeordnete, beträgt schon über 5 Minuten.

Ich komme zur Schlussbemerkung: Von einer Qualität des Unterrichts kann in dieser Phase überhaupt nicht die Rede sein. Das wird ein Grund sein, weshalb am 11. November die Protestaktion der Berliner Eltern, Lehrer und Schüler stattfindet, zu der ich die Solidarität der PDS-Fraktion erklären möchte. Selbstverständlich sind wir an diesem Tag an der Seite der Demonstranten und Protestierenden auf der Straße. – Vielen Dank!

[Beifall bei der PDS]

Vielen Dank, Frau Schaub! – Für die SPD-Fraktion hat Frau Neumann das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass die Opposition die Demonstration begrüßt – in Kenntnis der Tatsache, dass die Eltern erklärt haben, diese Demonstration begriffen sie als Unterstützung für Senator Böger und den Bildungsschwerpunkt. Sie wollen damit klar machen, dass Bildung ein Schwerpunkt in der Politik sein sollte, und damit sind sie im Konsens.

[Widerspruch bei der PDS und den Grünen – Wieland (Grüne): Das sieht die GEW etwas anders!]

Mein Redebeitrag begründet die in der Drucksache 14/719 empfohlene Ablehnung Ihres Antrages. Die Überschrift Ihres ursprünglichen Antrages ist ja noch gut und in Ordnung – kein Wunder, Sie haben selbst dargelegt, sie ist eigentlich nur die Fortsetzung unserer Koalitionsvereinbarung und des tätigen Handelns der Koalitionäre und des Senators Böger. Allerdings reicht eine Überschrift nicht aus. Man muss ständig Politik vorantreiben, sie muss aktuell sein. Ihr Antrag ist leider von der Zeit überholt; das sieht man schon an dem Datum des Berichtszeitraums.

[Zurufe von den Grünen]

Die Zeit ist eben so, das können wir nicht mehr ändern.