Protokoll der Sitzung vom 16.11.2000

Berlin ist in diesem Zusammenhang nicht irgendein Bundesland. Die deutsche Lesben- und Schwulenbewegung nahm hier ihren Anfang. Schon in den zwanziger Jahren gab es hier eine blühende Kultur. Auch heute ist Berlin wieder ihre Hauptstadt. In keiner anderen deutschen Stadt leben so viele Lesben und Schwule wie hier. Diese haben ein Recht darauf zu erfahren, was ihre Abgeordneten über die Lebenspartnerschaften denken. Dies gilt umso mehr, als der Berliner Senat im Bundesrat am 1. Dezember diesen Jahres dazu Stellung beziehen muss. Wir wollen wissen, ob die lesbischen und schwulen Berlinerinnen und Berliner mit einem klaren Ja vom Senat rechnen können. Alles andere als ein Ja wäre nicht nur ein Schlag ins Gesicht der Schwulen und Lesben, sondern aller Bürgerinnen und Bürger, denen gleiche Bürgerrechte für alle ein Anliegen sind.

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Der Senat hat im Bundesrat die Interessen aller Berlinerinnen und Berliner zu vertreten. Lesben und Schwule gehören dazu.

Das Abgeordnetenhaus hat im Juni 1995 mit breiter Mehrheit eine neue Verfassung beschlossen. Diese sieht vor, dass niemand wegen seiner sexuellen Identität benachteiligt werden darf und dass andere – auf Dauer angelegte – Lebensgemeinschaften als die Ehe Anspruch auf Schutz vor Diskriminierung haben. Diese Verfassung wurde durch die Volksabstimmung im Oktober 1995 bestätigt. In der aktuellen Diskussion muss das Abge

ordnetenhaus bekennen, ob der damalige Beschluss nur eine leere Floskel war oder ob Berlin daran mitwirkt, diesen Verfassungsartikel mit Inhalt und Leben zu füllen.

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Am 25. Juni 1998 hat das Berliner Abgeordnetenhaus mit großer Mehrheit – quer durch alle Fraktionen – beschlossen, dass sich der Senat im Bundesrat für eine rechtliche Regelung für „eingetragene Partnerschaften“ einsetzen soll. Daraufhin hat der Bundesrat am 10. Juli 1998 mit der Stimme Berlins die Bundesregierung aufgefordert, einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem ein Rechtsinstitut „Eingetragene Partnerschaft“ geschaffen wird und dass dieses Rechte und Pflichten beinhalten soll, die denen von Eheleuten entsprechen. Herr Diepgen, ich bitte um Ihre geschätzte Aufmerksamkeit: Ich erinnere nochmal daran, dass der Bundesrat dies mit der Stimme Berlins beschlossen hat.

Seit vergangenen Freitag gibt es diesen Gesetzentwurf. Jetzt gilt es, Herr Diepgen: Stehen Sie zu Ihrem Wort! Sagen Sie am 1. Dezember Ja im Bundesrat!

[Beifall bei den Grünen und der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Stimmen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, unserem Thema für die Aktuelle Stunde zu, damit wir hier und heute klar machen können, dass auch das Berliner Parlament zu seinem Beschluss von 1998 steht! Setzen wir ein deutliches Signal für eine weltoffene und tolerante Metropole: Berlin sagt Ja!

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Fraktion der CDU hat mir mitgeteilt, dass sie ihren Antrag zurückzieht.

Dann stimmen wir zuerst über den Antrag der Fraktion der SPD ab. – Wer dem Antrag der SPD auf Durchführung einer Aktuellen Stunde zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen! – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei einer Gegenstimme und einigen Stimmenthaltungen ist das so beschlossen. Damit haben alle anderen Anträge ihre Erledigung gefunden. Wie immer rufe ich die Aktuelle Stunde unter dem Tagesordnungspunkt 1 A auf. Wir werden sie mit der dringlichen II. Lesung des Krankenhausunternehmens-Gesetzes verbinden.

Folgende M i t g l i e d e r d e s S e n a t s haben sich für die zeitweise A b w e s e n h e i t während unserer h e u t i g e n S i t z u n g e n t s c h u l d i g t : Herr Senator Kurth ist inzwischen schon da, so dass ich davon ausgehe, dass die Finanzministerkonferenz schon beendet ist. Herr Senator Strieder beziehungsweise Senator Dr. Stölzl werden ab 16.00 Uhr abwesend sein. Grund ist die Sitzung des Kuratoriums für die Errichtung des Holocaustmahnmals. Sie werden sich aber bemühen, dass jeweils nur eine Person nicht an unserer Sitzung teilnehmen wird.

Damit kommen wir zur

lfd. Nr. 1:

Fragestunde gemäß § 51 der Geschäftsordnung

Das Wort hat der Abgeordnete Apelt von der CDU-Fraktion zu einer Mündlichen Anfrage über

Ankauf der Sammlung Berggruen

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat: Sieht der Senat Chancen, die weltberühmte Sammlung Berggruen für die Stadt Berlin zu erhalten?

Zur Beantwortung erteile ich dem Regierenden Bürgermeister das Wort! – Wenn Sie sich zu Zusatzfragen melden wollen, dann tun Sie das bitte erst nach der Beantwortung!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter, Ihre Frage beantworte ich eindeutig mit einem Ja. Mit der Person von Prof. Berggruen und seiner Sammlung hat sich ein Glücksfall für Berlin ergeben. Dieser räumt uns die Chance ein, nicht nur einen von der NS-Herrschaft vertriebenen Berliner mit seiner Heimatstadt auszusöhnen, sondern zugleich auch etwas von der entsetzlichen Kulturbarberei der Nazis rückgängig zu machen.

[Beifall des Abg. Landowsky (CDU)]

Mit Hilfe von Prof. Berggruen kann eine Lücke in den Berliner Museen geschlossen werden.

Ich möchte hier von dieser Stelle – auch wenn noch nicht sämtliche Verhandlungen zum Erhalt der Sammlung abgeschlossen sind – schon jetzt Herrn Professor Berggruen für das Angebot danken, dass er seine Sammlung Berlin zur Verfügung stellen möchte. Wir wissen durchaus, dass in Zusammenhang mit einer Erbfolge stehende Probleme gelöst werden müssen.

[Beifall bei der CDU – Beifall des Abg. Dr. Zotl (PDS)]

Es geht darum, in welcher Form wir diese Sammlung für Berlin erhalten können und die notwendigen finanziellen Aufwendungen dafür zu erfüllen. Es gibt seit Monaten intensive Anstrengungen und Überlegungen, in welcher Form die Voraussetzungen für den Erhalt der Sammlung in Berlin geschaffen werden können. Es gab Gespräche mit der Bundesregierung, mit dem Bundeskanzler sowie mit Vertretern der Wirtschaft. Die wirtschaftlichen und finanziellen Voraussetzungen müssen in einem Dreiklang der Verantwortung geschaffen werden. Zum einen ist die Verantwortung der Bundesregierung, die ich auch als einen Teil der Verantwortung in Deutschland sehe, dass Kulturgüter nicht aus Deutschland abgezogen werden sollen, sondern für dieses Land erhalten bleiben müssen. Unser spezielles Interesse ist, sie für Berlin zu erhalten.

Es gibt ferner eine besondere Verantwortung für Berlin sowie der Gesamtgesellschaft. Ich bin der Bundesregierung und dem Deutschen Bundestag sehr dankbar, dass sie ein Zeichen mit der Entscheidung gesetzt haben, über einen bestimmten Zeitraum gegebenenfalls 200 Millionen DM zur Verfügung zu stellen.

[Beifall der Abgn. Landowsky (CDU) und Frau Dr. Rusta (SPD)]

Dieses sollte mit großem Beifall in diesem Haus aufgenommen werden!

[Beifall bei der CDU und der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Die weiteren finanziellen Maßnahmen müssen in mittelbarer und unmittelbarer Verantwortung des Landes Berlin und durch die Wirtschaft aufgebracht werden. Dabei denkt der Senat an eine Finanzierung sowohl über Stiftungen als auch über andere Möglichkeiten nach.

[Hoff (PDS): Welche?]

Die intensiven Gespräche darüber finden im Augenblick statt.

Die Zwischenrufe, insbesondere in der persönlichen Ausstrahlung, die mit den Zwischenrufen verbunden sind, werte ich als ein Zeichen von kulturpolitischer Unvernunft.

[Beifall bei der CDU – Hoff (PDS): Was?]

Dass wir eine solche Stiftung für Berlin erhalten müssen, sollte eigentlich jedem Berliner klar sein. Das ist ein Stück von kulturpolitischer Zukunft und Bereicherung der Stadt. Ich bin sehr dankbar allen gegenüber, die hier einen Beitrag leisten wollen.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

(A) (C)

(B) (D)

Angenommen, dass es sich möglicherweise bei der Mitteilung des Bundes, hier Mittel zur Verfügung zu stellen, nicht um ein Geburtstagsgeschenk für den Regierenden Bürgermeister handelte, möchte ich wissen, wie der Senat die ungewohnte Großzügigkeit des Bundes an dieser Stelle bewertet.

[Landowsky (CDU): Positiv!]

Herr Regierender Bürgermeister!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Meine Damen und Herren! Der Senat bewertet dies noch mehr als positiv. Es ist das Ergebnis von Gesprächen und auch das Ergebnis – das möchte ich hier ausdrücklich betonen – des Engagements des Bundeskanzlers, der die Bedeutung dieser Sammlung nicht nur für Berlin, sondern für Deutschland insgesamt richtig einschätzt. Unsere Verantwortung besteht darin, dass wir erhalten wollen. Dies gilt auch im Hinblick auf die Verantwortung, die wir durch die Finanzierung beispielsweise der Räumlichkeiten übernommen haben.

Darüber hinaus gibt es die besondere Verantwortung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Das ist eine gemeinsame Verantwortung auch von Bund und Ländern. Hier geht es um ein großes Projekt. Ich bin optimistisch, dass wir in der Gemeinsamkeit mit Verantwortung und Übernahme von Sponsorentätigkeit aus dem Bereich der Wirtschaft den Erhalt dieser Sammlung in Berlin erreichen werden. Ich kann aus meiner Sicht nur sagen, dass alles andere der Verantwortung für diese Stadt widersprechen würde.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wer diese Sammlung leichtfertig aus der Stadt weggibt, erfüllt nicht die Verantwortung für die Berliner und Deutschland als Kulturnation – wenn ich diesen Begriff einmal nutzen darf –!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Die nächste Zusatzfrage geht an den Abgeordneten Liebich von der Fraktion der PDS, bitte sehr!