Protokoll der Sitzung vom 14.06.2001

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Vizepräsident Momper

Der Dringlichkeit wird nicht widersprochen.

Der Hauptausschuss empfiehlt mehrheitlich – gegen die Stimmen der CDU – die Annahme des Antrags mit einem neu formulierten ersten Absatz. Wird hierzu die Beratung gewünscht? – Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wer dem Antrag der Fraktion der PDS – Drucksache 14/1252 – unter Berücksichtigung der Beschlussempfehlung des Hauptausschusses – Drucksache 14/1304 – seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Damit ist das beschlossen.

Die lfd. Nr. 16 ist bereits durch die Konsensliste erledigt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 17, Drucksache 14/1264:

Vorlagen – zur Kenntnisnahme – gemäß Artikel 64 Abs. 3 VvB

Die Zusammenstellung der Verordnungen liegt Ihnen vor. Überweisungsanträge liegen mir nicht vor. Ich stelle damit fest, dass das Haus von den Verordnungen Kenntnis genommen hat.

Die lfd. Nrn. 18 bis 20 sind durch die Konsensliste erledigt.

Ich komme damit zur

lfd. Nr. 23, Drucksache 14/1272:

Antrag der Fraktion der Grünen über Pfand für Dosen: Berlin stimmt zu!

Hierzu gibt es einen Änderungsantrag der CDU-Fraktion – Drucksache 14/1272-1. Der Ältestenrat war davon ausgegangen, dass auf die Beratung des Antrag verzichtet werden kann. Inzwischen bittet die Fraktion der CDU um Beratung. Zuerst hat jedoch die Fraktion der Grünen als Antragstellerin das Wort zur Begründung. – Bitte, Frau Kollegin!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Argumente für das Einwegpfand liegen auf der Straße – im wahrsten Sinn des Wortes. Wenn ich morgens von meiner Haustür zur Straßenbahn gehe – etwa 150 Meter –, dann sehe ich dort regelmäßig mindestens 10 bis 15 Bierdosen. Ich haben dort allerdings noch nie eine Pfandflasche gesehen.

Von den subjektiven Betrachtungen nun zu den objektiven Fakten: Wir wissen alle – die Zahlenwerke belegen das –, dass sich das Mehrwegsystem, das in Deutschland einmal gut ausgebaut war, auf dem Rückzug befindet. Inzwischen wird ein Drittel des Biers in Dosen abgefüllt. Auch die PET-Einwegflasche nimmt erheblich zu. Ein Drittel des Biers in Dosen heißt auch, dass nur noch zwei Drittel für die Mehrwegabfüllung zur Verfügung stehen. Damit ist schon die angestrebte Mehrwegquote von 72 Prozent nicht mehr zu schaffen. Seit 1997 wird diese Quote ganz regelmäßig nicht geschafft.

Auch Beobachtungen aus anderen Ländern zeigen, dass dort, wo die Politik nicht gegensteuert, das Mehrwegsystem Schaden nimmt und die Mehrwegquote zurückgeht. Belgien ist hierbei vielleicht das krasseste Beispiel: Die Mehrwegquote ist dort von 70 auf 20 Prozent zurückgegangen. Demnach muss politisch gegengesteuert werden. Wir sagen: Schluss mit ex und hopp!

[Beifall bei den Grünen]

Die Benachteiligung des Mehrwegsystems – die faktisch besteht – muss beendet werden. Deswegen hat die Bundesregierung – und inzwischen auch der Bundestag – beschlossen, auf ökologisch nachteilige Verpackungen ein Pfand zu erheben. So wird ökologisch zum Vorteil von Mehrweg wirksam gelenkt. Außerdem werden wir weniger Dosen und Einwegflaschen in unseren Parks sehen, was ästhetische Vorteile bringt.

Die lange Debatte ist inzwischen relativ müßig, denn das Pfand kommt sowieso. Entweder es kommt in der modernen Fassung, die jetzt beschlossen worden ist – Pfand auf alle ökologisch nachteiligen Verpackungen – oder es kommt in der Form,

wie sie die alte Bundesregierung aus CDU und FDP 1993 beschlossen hat und die damals auch in Gesetzesform gegossen wurde. Letztere würde dazu führen, dass beispielsweise auf Bierdosen ab Januar 2002 ein Pfand erhoben werden muss, aber auf Brause- und Coladosen nicht. Das ist weder öko- noch irgendwie logisch. [Beifall bei den Grünen]

Einwegpfand ist ökologisch wirksam. Es ermöglich auch, sortenreiner zu sammeln, Stoffkreisläufe besser zu schließen und Ressourcen zu schonen. Es ist ein Anreiz, öfter zu Mehrwegverpackungen zu greifen. Außerdem finden wir keine Dosen mehr in der Landschaft. Zudem entlastet das die Stadtkasse, weil die BSR die Dosen nicht mehr einsammeln muss.

[Beifall bei den Grünen]

Der Vorwurf – den wir hier sicher später noch hören werden –, dass Pfand auf Einweg die Mehrwegverpackung verdrängt, ist unsinnig. Es ist im Gegenteil erwiesen, dass pfandfreier Einweg Mehrweg verdrängt. Diesen Weg dürfen wir nicht weiter gehen.

[Beifall bei den Grünen]

Dosenpfand ist wirtschaftlich vertretbar. Es ist ein marktkonformes Instrument. Es ist kein Verbot. Der Verbraucher hat weiterhin die Wahl zwischen Einweg und Mehrweg. Es werden lediglich gleiche Startbedingungen hergestellt. Dafür kann jeder Marktwirtschaftler nur sein.

Der Mittelstand ist sicherlich geteilter Meinung. Es gibt aber größere Teile des Mittelstands – beispielsweise viele mittelständische Brauereien –, die auf Mehrweg gesetzt haben und die sich mittlerweile durch Einwegverpackungen massiv bedrängt fühlen. Aber – wie gesagt – diese Debatte ist müßig, da das Pfand ohnehin kommt, und zwar am 1. Januar 2002.

[Beifall bei den Grünen]

Auch wenn im Zweifelsfall nur auf Bierdosen, es hilft dem Handel in keiner Weise weiter.

Schon vor dem Hintergrund der drängenden Zeit ist der Änderungsantrag der CDU nicht sinnvoll. Einerseits würde das vorgeschlagene Verfahren viel zu lange dauern, andererseits senkt das Verfahren weiterhin die Mehrwegquote, und Einweg würde zunehmen. Die versprochene dreistellige Millionensumme, die an die Bundesländer gezahlt werden soll, klingt nach DSD, ist kartellrechtlich umstritten, unpraktikabel und unseriös. Es riecht nach freiwilliger Selbstverpflichtung. Das haben wir seit 1993. Gebracht hat es nichts.

[Beifall bei den Grünen]

Dieser neuerliche Versuch erinnert an den Hochspringer, der die zwei Meter ungefähr sieben Jahre trainiert hat und sie nicht schafft und sich dann die Latte auf 1,20 Meter legt. Er schafft es dann vielleicht, aber zu den Olympischen Spielen kommt er nicht.

Deshalb sollten wir mutig voranschreiten. Nur Flaschen stehen auf Dosen. Berlin steht auf Mehrweg und stimmt deshalb am 22. Juni im Bundesrat dem Dosenpfand zu.

[Beifall bei den Grünen]

Für die CDU-Fraktion hat nun der Kollege Faber das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von den Grünen kann man einfach nicht erwarten, dass sie sich für ökonomische Zusammenhänge interessieren. Daher überrascht es auch nicht, dass die Sicherung von Arbeitsplätzen in der grünen Politik keine Rolle spielt. Aus diesen Gründen verwundert es nicht, dass Sie aus rein ideologischen Gründen das Zwangspfand auf Biegen und Brechen durchsetzen wollen. Dass aber ein sozialdemokratischer Berliner Senator den Verlust von schätzungsweise 2 000 Arbeitsplätzen im Berliner Handel und 1 000 Beschäftigungsverhältnissen in der Berliner Recycle-Wirtschaft billigend in Kauf nimmt, ist mir unverständlich.

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Diese Zahlen ergeben sich aus den Kosten, die auf den Berliner Handel zukommen. Denn nicht nur Investitionskosten von 252 Millionen DM für Rücknahmeautomaten und die jährlichen Folgekosten z. B. für Wartung oder den Energiebedarf von ca. 125 Millionen DM muss der Lebensmitteleinzelhandel tragen. Darüber hinaus würde durch die Lagerung von zurückgenommener Einwegpackungen wertvolle Verkaufsfläche verloren gehen. Der daraus resultierende Umsatzverlust wird durchschnittlich 4 % betragen. Diese Belastungen treffen einen Wirtschaftszweig besonders hart, dessen Umsatzrendite ohnehin bei nicht einmal 1 % liegt. Da würden sich selbst die von Herr Trittin errechneten 1,8 Pfennig Mehrkosten für jede Getränkepackung katastrophal auf die Rendite auswirken. Die ohnehin schwache Berliner Kaufkraft würden nochmals 50 Millionen DM jährlich durch ein zinsloses Darlehen entzogen, das den Verbrauchern für das Pfand gewährt werden müsste.

Eigentlich sollte Herrn Senator Strieder aus dem Ressort bekannt sein, welche wichtige Bedeutung gerade der mittelständische Einzelhandel für die Stadtentwicklung hat. Wenn Herr Strieder auch keinen wirtschaftlichen Argumenten aufgeschlossen ist, darf man doch von einem Umweltsenator erwarten, dass er zumindest im Interesse des Umweltschutzes handelt. Doch durch die Einführung des Zwangspfandes wird das bisher sehr gut funktionierende Mehrweg-Recycle-System einen enormen Schaden erleiden und damit die von den Grünen proklamierte Lenkungswirkung ad absurdum geführt.

Schon die Tatsache, dass sie das in Berlin 27 Millionen DM Lizenzgebühren im Jahr verlieren wird und dadurch ihr Netz der Recycling-Sammelplätze stark ausdünnen müsste, zeigt, dass die bisherigen selbst von der Senatsverwaltung für Umwelt gelobten Erfolge bei der Müllverwertung nicht mehr zu realisieren sind. Darüber hinaus werden viele Handelseinrichtungen gezwungen sein, Mehrwegverpackungen aus dem Sortiment zu nehmen, weil zwei Pfandsysteme nicht zu finanzieren sind.

Auch das von den Grünen in den Vordergrund gerückte Littering-Problem ist durch einen Zwangspfand nicht zu lösen, da gerade einmal 3 % des Littering-Mülls auf Getränkedosen zurückzuführen ist. Was will man eigentlich nächstens bepfanden, um dieses Problem zu lösen? Zeitungen? Immerhin haben Zeitungen und O-Papier einen Anteil von 17 % an dem LitteringAufkommen. Daher ist es unverständlich, dass der Vorschlag des Handels, der Industrie und der Entsorger abgelehnt wird, jährlich 250 Millionen DM für den Aufbau Anti-Littering-Organisationen bereitzustellen, wenn im Gegenzug auf einen Zwangspfand verzichtet wird. Dieses Angebot könnte dazu beitragen, dass auch die restlichen 97 % Müll aus der Landschaft verschwinden würden. Diese Vorschläge von Handel und Industrie wurden abgelehnt, sich zu verpflichten, jährlich mindestens 23 Milliarden Liter in ökologisch vorteilhaften Getränkeverpackungen abzufüllen.

[Unruhe]

Entschuldigen Sie, Herr Kollege Faber! Meine Damen und Herren Kollegen! Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die notwendigen Gespräche draußen führen würden. Es ist wirklich unhöflich gegenüber einem Redner, der sich bemüht, seine Sachargumente vorzutragen.

[Beifall bei den Grünen und vereinzelter Beifall bei der PDS]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Sie zugehört haben: Das sind Sachargumente! Also: Über 90 % der Getränkeverpackungen wieder zu befüllen bzw. wieder zu verwerten und den Verkauf ökologisch vorteilhafter Getränkeverpackungen verstärkt zu fördern. Es drängt sich der Verdacht auf, dass es den Grünen nicht um eine ökologisch sinnvolle Lösung des Problems geht, sondern nur um eine Rehabilitierung bei ihrer Wählerklientel. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Faber! Das Wort hat nunmehr Frau Hinz für die Fraktion der PDS. – Bitte schön, Frau Hinz!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Debatten, die heute hier im Plenum geführt wurden, ist es, denke ich, nicht der Tag und die Stunde des Dosenpfandes. Man hätte doch wie verabredet auf diese Diskussion verzichten sollen. interjection: [Beifall bei der PDS und den Grünen]

Deshalb will ich mich auch gar nicht in irgendwelche Einzelheiten verlieren.