Herr Wruck, können Sie mir sagen: Wenn das Volk doch gar nicht weiß, dass diese Regierung das Land so in die finanzielle Katastrophe führt, und auch gar nicht wissen kann, was da alles bei der Bankgesellschaft passiert, hat es dann nicht das Recht, noch einmal zu wählen?
Eine Demokratie hat Parteien und Parlamentarier, die das, was sie festgestellt haben – sie haben nämlich die Regierung zu kontrollieren –, in die Öffentlichkeit zu bringen haben. Ich sehe in dieser Frage überhaupt keinen Widerspruch, Frau Oesterheld. Deshalb meine ich, wir sollten uns nicht über den Willen des Volkes hinwegsetzen, sondern wir sollten, wenn wir das schon angeleiert haben, das Volksbegehren, den Volksentscheid durchführen, so wie er vorgesehen ist und uns nicht in einer seltenen Arroganz darüber hinwegsetzen und einen Beschluss des Parlamentes fassen, der möglicherweise verfassungswidrig, aufhebbar und dubios ist.
Herr Dr. Wruck, ich bin kein Jurist. Sie werden mir aber sicher sagen können: Am 22. Oktober 1995 hat meines Wissens eine Volksabstimmung über die Berliner Verfassung stattgefunden, die ausdrücklich die Möglichkeit der Auflösung des Parlaments bzw. der vorzeitigen Beendigung der Legislaturperiode durch eine Zweidrittelmehrheit vorsieht. Glauben Sie, dass das Volk da nicht ausreichend seinem Willen Ausdruck verliehen hat, dass es so etwas hier auch ermöglichen will?
Herr Gaebler! Ist Ihnen nicht bekannt, dass es ein verfassungsfestes Minimum gibt? Das heißt, es gibt bestimmte Punkte, die in einer Verfassung festge
schrieben sind, über die sich das Volk auch nicht hinwegsetzen kann. Wenn also das Grundgesetz das als verfassungsfestes Minimum begreift, dann kann man – z. B. auch die Grundwerte – dies nicht durch eine Entscheidung des Volkes abschaffen. Das heißt verfassungsfestes Minimum. – Herr Gaebler, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie wenigstens zuhören könnten,
sonst könnte man ja meinen, Sie wollen überhaupt keine Antwort haben. Das ist der Punkt, dass Grundgesetz und Landesverfassung übereinstimmen müssen und dass es bestimmte wesentliche Positionen in jeder Verfassung gibt, die nicht zur Disposition des Volkes gestellt werden können. Das ist unsere Schlussfolgerung aus dem nationalsozialistischen Unrechtsregime.
Vielen Dank, Herr Dr. Wruck! Jetzt haben wir noch eine Zwischenintervention des Abgeordneten Weinschütz von der Fraktion der Grünen. – Herr Weinschütz, Ihre Zeit!
Herr Dr. Wruck! Ich schätze bisweilen im Rechtsausschuss Ihre Anmerkungen zur Rechtslage. Aber heute haben Sie mehr verwirrt als zur Aufklärung beigetragen. Da bin ich sehr enttäuscht. Sie sagen hier, laut Grundgesetz sei das alles nicht möglich. Ich möchte Sie daran erinnern: 1982 gab es auf Bundesebene gerade gemäß Grundgesetz einen Regierungswechsel.
Da hätte die SPD mit der FDP regiert. Die FDP ist dann zur CDU übergelaufen. Die neue Regierung hatte dann eine Mehrheit und hat damals per Vertrauensfrage Neuwahlen auf Bundesebene herbeigeführt. Damals ist auch das Bundesverfassungsgericht angerufen worden, und das Bundesverfassungsgericht hat genau gesagt, dass das zulässig war.
Deswegen Ignorieren Sie mit Ihrer Argumentation, das Grundgesetz verbiete so etwas, das Bundesverfassungsgericht. Das enttäuscht mich gerade bei Ihnen, weil Sie normalerweise mit den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts unter dem Arm herumlaufen. Was wir hier machen, ist vollkommen grundgesetzkonform und in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, und dabei bleibt es auch.
Habe ich das Zeichen von Dr. Wruck richtig verstanden, und das Recht haben Sie auch, auf eine Zwischenintervention zu antworten? Wir haben einen Rechtsstreit im Parlament, auf ganz hohem Niveau, wie ich meine. – Herr Dr. Wruck, zur Verfassung!
Offenbar ist es schwierig, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts richtig zu interpretieren. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, auf die Sie sich berufen, bezieht sich auf die Auflösung des Bundestages im Zusammenhang mit einem Misstrauensantrag gegen den damaligen Bundeskanzler, der nicht das Vertrauen des Bundestages erhielt, um auf diesem Weg eine Auflösung des Bundestages herbeizuführen. So ist es gelaufen. Da hat das Bundesverfassungsgericht zwei Positionen vertreten, eine Minderheitenposition und eine Position der Mehrheit – mit knapper Stimmenmehrheit. Während die einen dies gerade noch für zulässig hielten, sagten die anderen, es sei rechtsmissbräuchlich. Das ist die einzige Entscheidung, die das Bundesverfassungsgericht bisher in dieser Frage zu diesem Komplex abgegeben hat. Eine andere Entscheidung gibt es nicht. Insoweit unterstreicht das von Ihnen Erwähnte die von mir vorgetragenen Bedenken.
Ich glaube, dass damit alle Rechtsklarheiten beseitigt sind. Da mir keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen, ist die Aktuelle Stunde damit erledigt. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte Sie um Aufmerksamkeit, weil wir 3 Abstimmungen haben werden. Zum einen gibt es den Antrag der Fraktion der CDU auf Annahme einer Entschließung über Neuwahlen am 21. Oktober 2001, Drucksache 14/1362. Wer für diesen Antrag stimmt, den bitte ich um das Handzeichen! – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei zwei Stimmenthaltungen waren die Nein-Stimmen die Mehrheit. Damit ist dieser Antrag abgelehnt. Wir kommen nun zum Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der Grünen auf Annahme einer Entschließung über Neuwahlen in Berlin zum 23. September 2001. Wer diesem Antrag folgen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen! – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei einer Stimmenthaltung und Gegenstimmen der Opposition ist dieser Antrag angenommen. Wir kommen nun zum Antrag der Fraktion der PDS auf Annahme einer Entschließung über Neuwahlen in Berlin am 23. September 2001, Drucksache 14/1375. Wer für diesen Antrag der PDS stimmt, den bitte ich um das Handzeichen! – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? –. Bei zwei Stimmenthaltungen ist der Antrag der der PDS mit Mehrheit angenommen.
II. Lesung des Antrags der Fraktion der Grünen über Standesämter für Lesben und Schwule öffnen – Gesetz zur Ausführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes, Drucksache 14/1064, gemäß Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung vom 25. Juni 2001
Wird der Dringlichkeit widersprochen. – Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der 9 Paragraphen miteinander zu verbinden. Auch dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann rufe ich auf die §§ 1 bis 9, die Überschrift der Einleitung in der Fassung des Antrages Drucksache 14/1064 unter Berücksichtigung der Beschlussempfehlung Drucksache 14/1359. Der Innenausschuss empfiehlt mehrheitlich gegen die Stimmen der Fraktion der CDU die Annahme. Eine Beratung ist gewünscht. Wir beginnen mit der Wortmeldung der CDU-Fraktion. Die Abgeordnete Frau Richter-Kotowski hat das Wort. Die Redezeit beträgt, wie üblich, 5 Minuten pro Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im November vergangenen Jahres haben wir hier im Plenum sehr ernsthaft das Lebenspartnerschaftsgesetz debattiert. Die CDU hat bereits zu diesem Zeitpunkt die damit zusammenhängenden verfassungsrechtlichen Bedenken geltend gemacht. Wir haben ausgeführt, dass das rot-grüne Lebenspartnerschaftsgesetz deshalb in weiten Teilen verfassungswidrig ist, weil es gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften in seiner Rechtswirkung der Ehe weitestgehend gleichstellt. An dieser grundlegenden Rechtsauffassung hat sich trotz unserer Meinung, dass gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften, die auf Dauer geschlossen werden, auch eine Absicherung erhalten sollen, nichts geändert. Mittlerweile ist das eingetreten, was wir bereits damals gesagt haben. Das Lebenspartnerschaftsgesetz ist im weiteren Gesetzgebungsverfahren auf verfassungsrechtliche Bedenken gestoßen. Die bayerische Staatsregierung hat mit Antragsschrift vom 25. April 2001 beim Bundesverfassungsgericht beantragt, dass das Lebenspartnerschaftsgesetz bis zu einer Entscheidung über einen von der bayerischen Staatsregierung noch einzureichenden Normenkontrollantrag nicht in Kraft tritt. Das heißt für uns: Da zum jetzigen Zeitpunkt nicht abgesehen werden kann, ob das Gesetz in der vorliegenden Fassung überhaupt in Kraft treten kann, sind landesgesetzliche Regelungen, wie sie im vorliegenden Gesetz formuliert werden, übereilt und falsch. interjection: [Beifall bei der CDU]
Zudem zeugt die dazu stattgefundene Diskussion von einem – gelinde gesagt – absonderlichen Verfassungsverständnis, insbesondere von dem nicht anwesenden Herrn Senator Wieland, von Verfassungstreue ganz zu schweigen. Allein dieser Aspekt genügt, um die vorliegende Gesetzesinitiative abzulehnen.
Das ist aber nicht alles. Das vorliegende Ausführungsgesetz zum Lebenspartnerschaftsgesetz ist nicht nur schlecht gemacht, sondern hilft auch den Betroffenen nicht, da es keine Rechtssicherheit bietet. Das ist nicht gut so. Neben vielen schwierigen und fachlich nicht richtigen Formulierungen, auf die ich jetzt nicht näher eingehen möchte, sind folgende Punkte, die zur Ablehnung des Gesetzes führen müssen, wichtig:
1. Die im Gesetzestext enthaltenen Festlegungen sind nicht kompatibel zu bundesgesetzlichen Regelungen. So ist das Lebenspartnerschaftsbuch kein Personenstandsbuch im Sinne des Personenstandsgesetzes. Daraus ergeben sich praktische Schwierigkeiten, vor denen übrigens alle Bundesländer stehen. Zum Beispiel erscheint dann durch fehlende bundesgesetzliche Regelungen beim Tod eines Lebenspartners im Sterbebuch die Eintragung ledig, obwohl eine feste Gemeinschaft im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes vorgelegen hat.
2. Bei der Begründung der Lebenspartnerschaft im § 2 wird kein Bezug auf § 5 Abs. 4 des Personenstandsgesetzes genommen. Das bedeutet, dass der Standesbeamte oder die Standesbeamtin auch eine Scheinehe, in diesem Fall eine Scheinpartnerschaft, zu akzeptieren hat. Das erhält insofern eine besondere Bedeutung, weil nirgendwo die Mitteilung personenstandsbezogener Daten geregelt wurde.
Jetzt komme ich zu einem wirklich schwer wiegenden Problem, das einzig und allein ein Gesetz gerechtfertigt hätte. Das ist eine Regelung zur Mitteilung personenstandsbezogener Daten. Da die Mitteilung personengebundener Daten ein Eingriff in das Grundrecht eines jeden bedeutet, müssen gerade hier saubere Regelungen getroffen werden. Gerade das fehlt aber in diesem Gesetz. Stellen Sie sich vor, ein Partner kommt aus München, der andere aus Berlin. Beide gehen eine Lebenspartnerschaft in Berlin ein. Da eine Weitergabe dieser Daten nur mit Einwilligung der Betroffenen möglich ist, kann nun der Umstand eintreten, dass bei Nichteinwilligung zur Datenweitergabe beliebig viele Partnerschaften in anderen Städten oder Bundesländern eingegangen werden können. Das kann mit anderen Folgeregelungen, beispielsweise dem Ausländergesetz, zu ernsthaften Problemen führen. Das kann doch ernsthaft keiner wollen!
Wenn Sie alle hier im Saal für wirkliche Rechtssicherheit für gleichgeschlechtlich lebende Menschen eintreten – das plakatieren Sie immer wieder –, die eine auf Dauer eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen wollen, dann stimmen Sie aus den von mir hier vorgetragenen Gründen dieser vorliegenden Drucksache aber nicht zu! Das wäre gut so!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin schon erstaunt, dass ich jeden zweiten Tag von der CDU völlig neue Gründe höre, um dieses Gesetz abzulehnen. Wir haben eine Rechtslage, nach der am 1. August 2001 das Bundesgesetz in Kraft tritt, nachdem ein neues Rechtsinstitut für Lebenspartnerschaften geschaffen wurde. Es ist auch bekannt, dass es ein Verfahren beim Bundesverfassungsgericht gibt, dessen Ausgang wir alle noch nicht kennen. Die SPD-Fraktion ist aber der Ansicht, dass wir, wenn am 1. August 2001 das Lebenspartnerschaftsgesetz in Kraft tritt, in Berlin zwingend eine gesetzliche Regelung benötigen, damit die Lebenspartnerschaften zu diesem Zeitpunkt auch geschlossen werden können.
Die in den letzten Tagen immer wieder vorgebrachten Gegenargumente haben sich durchweg nicht als stichhaltig erwiesen. Ich erspare mir daher, hier im Einzelnen darauf einzugehen. Wenn die CDU-Fraktion den über 300 000 Schwulen und Lesben im Land Berlin dieses Rechtsinstitut verweigern will, sagen Sie es klipp und klar hier im Haus. Führen Sie aber bitte nicht immer wieder vorgeschobene Argumente an.
Berlin ist eine tolerante Stadt. Das darf und soll auch in diesem Haus wieder deutlich werden. Ich bitte Sie, diesem Gesetz zuzustimmen! [Beifall bei der SPD]
Vielen Dank, Herr Kleineidam für den kurzen Beitrag. Für die Fraktion der PDS hat Herr Hoff das Wort!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Über das Gesetz zur Ausführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes für Berlin, das die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen als Antrag eingereicht hat, ist bereits bei der Einbringung im Plenum diskutiert worden. Es ist dann auch sehr umfangreich und recht qualifiziert im Rechtsausschuss besprochen worden.
Liebe Kollegin von der CDU-Fraktion, Sie haben den Eindruck erweckt, dass Sie mit dem Verfahren, hier zu einem Gesetz zu kommen, einverstanden sind. Wenn es Kritik an dem Gesetzentwurf gibt, so gehört es doch zur guten parlamentarischen Sitte, sich mit Änderungsanträgen an einem solchen Verfahren zu beteiligen, um dann im Plenum zu sagen: Diese Änderungsanträge haben wir eingebracht, und diese Kritik haben wir im Ausschuss formuliert. Sie sind aus den und den Gründen im Ausschuss nicht angenommen worden, aber wir stellen sie im Plenum noch einmal zur Abstimmung und werben um Zustimmung.
Sie machen hingegen Folgendes, und zwar in der klassischen Weise, die es seit Jahren in der Bundesrepublik gibt: Ein Bundesgesetz wird beschlossen, und dann klagt entweder eine Bundestagsfraktion oder ein Bundesland dagegen. Punkte wie § 218 oder das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung sind immer wieder vor dem Bundesverfassungsgericht gewesen, weil man sie vor allem aus politischen Gründen abgelehnt und aus politischen Gründen versucht hat, das Bundesverfassungsgericht dazu zu bringen, zu einer anderen Entscheidung zu kommen als der Gesetzgeber auf Bundesebene. – So sagen jetzt auch Sie als CDU-Fraktion im Land Berlin: Es hat diese Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegeben. Das ist alles total schwierig, und aus diesem Grund wollen wir das Gesetz nicht in Berlin und auch keinen Änderungsantrag einbringen.
Das ist aber nicht das richtige Verfahren. Wenn Sie so, wie Sie es im Plenum gemacht haben, Änderungsvorschläge vorbringen und die These äußern, Sie würden eine Rechtssicherheit der Bundesregelung auch für Berlin prinzipiell befürworten, dann tun Sie etwas dafür! – Sie haben sich aber im Ausschuss und im Plenum gegen das Gesetz als Ganzes ausgesprochen, und zwar aus politischen und nicht aus Verfahrens- oder sachlich-verfassungsrechtlichen Gründen.