Protokoll der Sitzung vom 09.03.2000

Die fünfte Mündliche Anfrage über

eine weitere Justizvollzugsanstalt in Spandau/Hakenfelde

stellt der Abgeordnete Wegner von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Treffen Pressemeldungen zu, dass der Senat eine weitere Justizvollzugsanstalt in Spandau plant?

2. Wenn ja, wie weit sind die Planungen bereits fortgeschritten, und welcher genaue Standort ist dafür vorgesehen?

Für den Senat antwortet Herr Staatssekretär Rauskolb!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Wegner! Ich beantworte beide Fragen wie folgt: Die von Ihnen angesprochenen Pressemeldungen über die Errichtung einer weiteren Justizvollzugsanstalt in Spandau treffen zu. Im Hinblick auf den nun schon seit geraumer Zeit sich verschärfenden erheblichen Belegungsdruck im Männervollzug ist der Senat auf die Schaffung weiterer Vollzugseinrichtungen sowohl im geschlossenen als auch im offenen Männervollzug angewiesen. Es darf nicht dazu kommen, dass wegen Überbelegung in letzter Konsequenz Verzögerungen beim Strafantritt auftreten und auf diese Weise der Strafzweck in Frage gestellt wird. Eine die Kapazität weit übersteigende Belegung bedeutet zudem eine Gefährdung des geordneten Zusammenlebens und damit der inneren Sicherheit der Anstalten.

Vor diesem Hintergrund hat der Senat seit geraumer Zeit neben der Planung für eine geschlossene Anstalt im Kreis Teltow-Fläming nach einem geeigneten Objekt für den offenen Männervollzug gesucht. Nunmehr ist es kürzlich gelungen, ein Gebäude an der Peripherie des Polizeigeländes Radelandstraße in Spandau zu erhalten, das bisher vom Landesamt für Gesundheit und Soziales zur Unterbringung von Asylbewerbern genutzt worden ist. Das Gebäude war ohne bauliche Veränderung für die Einrichtung einer offenen Justizvollzugsanstalt mit etwa 160 Haftplätzen geeignet, befindet sich auf dem Grundstück Kisselnallee 19 und ist am 2. Februar des Jahres der Senatsverwaltung für Justiz zur Übernahme in das Fachvermögen übergeben worden. Die für die Einrichtung einer offenen Männeranstalt notwen

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StS Rauskolb

digen Planungen sind nunmehr angelaufen. Nach Erstellung eines Konzepts werden mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die erforderlichen Sanierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen vereinbart und sodann im Hinblick auf die prekäre Belegungssituation schnellstmöglich umgesetzt werden.

Vielen Dank, Herr Staatssekretär Rauskolb! – Die erste Nachfrage hat der Abgeordnete Wegner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Teilt der Senat meine Meinung, dass Spandau durch die bereits vorhandene Justizvollzugsanstalt seinen Beitrag für solche zweifelsohne erforderlichen Einrichtungen geleistet hat? – Zweitens möchte ich gerne noch wissen, seit wann die Planungen genau laufen bzw. wie lange schon an so einem Projekt in Spandau geplant wird und inwieweit Sie dann vielleicht in Zukunft den Bezirk Spandau in Ihre Planung mit einbeziehen wollen.

Herr Staatssekretär Rauskolb!

Herr Abgeordneter! Auch wenn Spandau bereits über eine Anstalt des offenen Männervollzugs verfügt, stellt die Einrichtung einer weiteren solchen Anstalt nach Auffassung des Senats keine übergebührende Belastung des Bezirks dar. Die Erfahrungen zeigen, dass sich insbesondere Anstalten des offenen Vollzugs reibungslos in ihre Umgebung einfügen und zu keinerlei Schwierigkeiten mit der näheren Nachbarschaft führen. Dies gilt umso mehr für den hier ins Auge gefassten Standort, weil es dort nahezu keine unmittelbare Wohnbebauung gibt.

Zur zweiten Frage: Diese Planungen bestehen erst seit wenigen Wochen.

Zur dritten Frage: Natürlich wird die zuständige Verwaltung auch die bezirklichen Stellen, sofern ihre Zuständigkeit gegeben ist, rechtzeitig informieren und mit ihnen die erforderlichen Gespräche führen.

Vielen Dank, Herr Staatssekretär Rauskolb! – Herr Abgeordneter Wegner! Haben Sie eine zweite Nachfrage? – Das ist nicht der Fall. Dann hat als nächster Fragesteller Herr Zillich von der PDS-Fraktion das Wort.

Ich möchte gleich im Anschluss den Senat fragen, ob er eine politische Haltung für konsistent hält, auf der einen Seite schwerere Strafen und mehr Haftstrafen zu fordern und auf der anderen Seite zu sagen: Die Gefängnisse bitte nicht bei uns!

Zweitens frage ich, mit welchem Personal der Senat neue Haftanstalten betreiben will angesichts der Situation, dass tendenziell die Haftplatzzahlen immer gestiegen sind, die Anzahl der Beschäftigten aber immer gesunken ist.

Herr Staatssekretär Rauskolb!

Herr Abgeordneter! Der Senat verzichtet an dieser Stelle auf die von Ihnen angefragte Bewertung der Auffassung Dritter.

In der Sache möchte ich zur Finanzierungssituation bemerken, dass natürlich die Einrichtung einer neuen Vollzugsanstalt – unabhängig davon, ob es eine Anstalt des offenen oder des geschlossenen Vollzuges ist – ohne neue Personalstellen, finanziert aus dem bisherigen Bestand, nicht möglich ist.

Vielen Dank, Herr Staatssekretär! – Die dritte Nachfrage hat der Abgeordnete Weinschütz von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Danke schön! – Ich begrüße zunächst für meine Fraktion, dass die Anstrengungen primär in den offenen Vollzug und nicht mehr so sehr in einen Neubau für den geschlossenen Vollzug gesteckt werden, zumal im offenen Vollzug ein großer Bedarf vorhanden ist, denn die Leute sind viel zu lange im geschlossenen Vollzug, da nicht genug Plätze im offenen Vollzug vorhanden sind.

Stellen Sie bitte eine Frage!

Man kann auch die Bürgerinnen und Bürger in Spandau aufklären kann, dass der offene Vollzug keine besonderen Gefahren mit sich bringt, da die Leute am Tage immer ihrer Arbeit nachgehen.

Die Lage der Anstalt ganz am Rande Berlins führt aber dazu, dass die Gefangenen im offenen Vollzug, die regelmäßig arbeiten sollen, im Prinzip quer durch Berlin fahren müssen. Ist der Standort hinsichtlich der Fahrwege für Leute, die nach dem Zufallsprinzip irgendwo eine Arbeit gefunden haben, nicht eher ungeeignet? Welche Alternativstandorte hat man in Erwägung gezogen, überprüft und aus welchen Überlegungen abgelehnt?

Als Frage habe ich nur die Alternativstandorte herausgehört. – Bitte, Herr Staatssekretär!

Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Natürlich denken wir stets an Alternativstandorte. Jedoch hat uns bisher noch niemand einen Alternativstandort genannt, der zu ähnlich günstigen Bedingungen in eine Haftanstalt umgewandelt werden könnte.

Vielen Dank, Herr Staatssekretär! – Die letzte Nachfrage hat der Abgeordnete Weichert von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich frage den Senat: Gibt es nach Auffassung des Senats Bezirke, die für die Errichtung einer Justizvollzugsanstalt nicht in Frage kommen? Wenn ja, welche sind das und aus welchem Grund?

Herr Staatssekretär Rauskolb!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Diese Frage ist meines Wissens bisher so zugespitzt im Senat noch nicht diskutiert worden. Ich gehe davon aus, dass wir keinen Bezirk in dieser Frage aus seiner Pflichtigkeit für Gesamtberliner Interessen entlassen können.

Vielen Dank, Herr Staatssekretär Rauskolb! Damit ist die 5. Mündliche Anfrage beantwortet.

Die Mündliche Anfrage Nr. 6 hat Frau Abgeordnete Fischer von der Fraktion der SPD über

Ermahnungen statt Verwarnungsgeld für Verkehrssünder

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Ist der Senat der Auffassung, dass angesichts der gestiegenen Zahl von Verkehrstoten die Forderung des Innensenators, die Ahndung von Geschwindigkeitsüberschreitungen ins Ermessen der Polizeibeamten vor Ort zu stellen, ein geeigneter Beitrag zur Verkehrs- und Rechtssicherheit ist?

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2. Wenn der Innensenator nach dem Motto verfahren will: „Die Unbelehrbaren müssen fühlen, aber die Belehrbaren können auch ermahnt werden“, wie will er dann sicherstellen, dass der Polizeibeamte vor Ort weiß, welcher der Verkehrssünder in der Vergangenheit vergeblich ermahnt wurde, also zu den Unbelehrbaren zählt, und welcher belehrbar ist?

Vielen Dank für Ihre Frage! – Wir sind hier zu der Auffassung gelangt, dass der Innensenator die Frage beantworten müsste.

Vielen Dank, Herr Präsident, auch dafür, dass Sie mir Gelegenheit geben, diese Frage zu beantworten und den Sachverhalt vor allem richtig zu stellen.

Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Fischer! Ich wäre sehr versucht zu sagen: Mein verehrter Herr Kollege Strieder hat alle die Fragen, die Sie gestellt haben, bereits hinreichend beantwortet.

[Wieland (Grüne): Nee, nee, nee!]

Aber der Höflichkeit halber – und weil Herr Wieland heute Geburtstag hat –, möchte ich noch zusätzlich Folgendes sagen: – Selbstverständlich kann die Ahndung von Geschwindigkeitsüberschreitungen nicht generell in das Ermessen der Polizei gestellt werden. Da es darüber hinaus eine entsprechende Forderung des Innensenators auch nicht gibt, ist die Frage nach der Geeignetheit des vermeintlichen Beitrags zur Verkehrs- und Rechtssicherheit gegenstandslos.

Im Übrigen gilt bei allen Exekutivmaßnahmen der Polizei der Grundsatz: Prävention geht vor Repression. Dieses ist Ausfluss des Verfassungsgrundsatzes der Verhältnismäßigkeit, der die Grundlage für den verantwortlichen Umgang mit dem staatlichen Gewaltmonopol bildet. Ich denke, dass insoweit auch der Abgeordnete Wieland meinen Ausführungen folgen kann.

[Wieland (Grüne): Überhaupt nicht!]