Protokoll der Sitzung vom 09.03.2000

Das Abgeordnetenhaus hat Herrn Landowsky, Herrn LehmannBrauns und Herrn Wowereit gewählt.

[Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Wieland (Grüne)]

Sechs Männer im Lottobeirat, ja, klatschen Sie nur, meine Herren! Es ist wirklich ein dreister Rückfall – und Sie geben gerade ein gutes Beispiel dafür – in die Steinzeit des Patriarchats.

[Beifall bei den GRÜNEN und der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Gelächter bei der CDU]

Ja, das wollen Sie sich nicht sagen lassen! Gestern war der internationale Frauentag. Hätten Sie nur ein bisschen Traute, dann hätten Sie gesagt, dass da auch ein Platz für Frauen im Lottobeirat sein muss.

[Wowereit (SPD): Hätten Sie den Antrag dann nicht gebracht? – Zurufe von der CDU und den Grünen]

(A) (C)

(B) (D)

Deswegen wollen wir mit diesem Gesetz festschreiben, dass mindestens die Hälfte der Sitze im Lottobeirat an Frauen geht.

[Beifall des Abg. Wieland (Grüne)]

Es passt auch ins System der Berliner Filzokratie, dass übrigens – und das muss ich Ihnen auch noch einmal in Erinnerung rufen – ausgerechnet Herr Wowereit und ausgerechnet Herr LehmannBrauns just vor zwei Sitzungen außerdem noch in den Stiftungsrat Preußische Seehandlung gewählt worden sind, übrigens auch ein hübsches Gremium, das klammheimlich über viel Geld aus Stiftungsmitteln verfügt und auch dort in der Kulturszene und darüber hinaus fleißig Klientelbedienung betreiben kann.

[Zuruf von der CDU: Was?]

Ja, erinnern wir uns in Sachen Lotto noch einmal kurz daran. 1994 war es. Herr Lehmann-Brauns, Vorstandsmitglied beim LTTC Rot-Weiß, hat von den 40 Millionen DM in jenem Quartal vergebenen Mitteln allein 20 Millionen DM seinem Tennisklub für den Ausbau der Tribüne zugeschanzt.

[Beifall bei der CDU]

Und erinnern wir uns auch daran, dass Herr Buwitt immer wieder den Förderkreis „Böhmisches Dorf“ aus seinem Neuköllner Wahlkreis fürstlich bediente und dass das Unionshilfswerk sein Ernst-Lemmer-Haus in der Richard-Sorge-Straße für 1,5 Millionen DM renoviert hat.

Frau Ströver! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lehmann-Brauns?

Na klar!

Frau Ströver! Sind Sie bereit anzuerkennen, dass, obwohl ich den Kollegen Landowsky sehr schätze, ich nicht seinen Namen trage und deshalb mit dem LTTC Rot-Weiß nie etwas zu tun hatte und auch nicht in dessen Vorstand bin?

Ich habe mir schon gedacht, Herr Lehmann-Brauns, dass Sie nicht so sportlich sind wie Herr Landowsky. interjection: [Heiterkeit]

Sie haben Recht, Herr Landowsky ist das Vorstandsmitglied. – Wir brauchen einen flexiblen Lottotopf. Diesen Lottotopf benötigen wir, um Projekte aus dem Sozial-, Jugend-, Kultur- und Umweltbereich zu fördern – das ist gar keine Frage. Das Verfahren, das wir jetzt haben, ist unmöglich. Wir wissen doch, dass inzwischen außerhalb des Parlaments mit diesem Lottotopf ein Nebenhaushalt entstanden ist, und das können wir nicht mehr zulassen.

Frau Ströver! Sie müssen zum Schluss kommen.

Ja, ich komme zum Schluss! – Der Ansatz der PDS ist richtig, zu sagen: Zweckgebunden werden die Mittel, die auch heute schon einer institutionellen Förderung zugute kommen, in den Landeshaushalt eingestellt. Dieser Antrag passt als Ergänzung sehr gut zu unserem Antrag. Vielleicht können wir diese beiden Anträge in den Beratungen zusammenknüpfen. Ich sage Ihnen noch einmal: Es geht nicht mehr so weiter, dass die marode Landeskasse aus dem Lottotopf gestopft wird. Wir brauchen für die Vergabe der Lottomittel demokratische Strukturen und eine effektive Kontrolle.

Wir erwarten – das ist der dritte und letzte Punkt, den wir in unserem Antrag vorgeschlagen haben –, dass, wenn das schon ein solches Geheimgremium aus viermal CDU und zweimal SPD ist, dass Sie dann wenigstens Ihre Entscheidungen öffentlich machen und begründen. Ich hoffe, dass Sie insoweit fair sind und an dieser Stelle in den Beratungen mitgehen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Für die Fraktion der CDU hat der Abgeordnete Gewalt das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Ströver! Wenn Sie unbedingt im Stiftungsrat der Deutschen Klassenlotterie vertreten sein wollen, dann müssen Sie sich beim Wähler beschweren, dass er Ihnen nur 8 % seiner Stimmen gegeben hat.

[Beifall bei der CDU]

Denn die Vorschlagsrechte sind nach dem d’hondtschen Höchstwahlverfahren in diesem Haus berechnet, und deshalb,

[Zuruf der Frau Abg. Künast (Grüne)]

Frau Künast – der Wähler hat nun einmal in der Demokratie das erste Wort –, haben Sie kein Vorschlagsrecht. – So einfach ist das! – Nun versuchen Sie auf Umwegen, über eine Gesetzesänderung, dieses Vorschlagsrecht zu erreichen, mit der Konsequenz, die man sich mal vergegenwärtigen muss, dass, wenn jede Fraktion in diesem Haus ein Vorschlagsrecht hätte – es können auch mal fünf oder sechs Fraktionen sein, wenn der Wähler es so will –, der Lottorat zu einer Massenveranstaltung wird. Das kann doch wohl nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

Herr Abgeordneter! Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Ströver?

Nicht bei fünf Minuten, vielen Dank! – Das heißt, dass Ihr Vorschlag schlicht und ergreifend unpraktikabel ist. Dann können Sie gleich die Entscheidungen über die Lottomittel ins Parlament legen und benötigen keinen Stiftungsrat mehr, was Ihnen wahrscheinlich auch am nächsten käme.

[Zurufe von links]

Der Antrag der PDS ist dann schon etwas ehrlicher. Auch wenn er es nicht so deutlich ausspricht, so steht wohl dahinter, dass aus den Lottogeldern letztlich Steuer- und Haushaltsmittel werden sollen. Denn wenn Sie exakt festschreiten mit einem Gesetz, wofür diese Lottomittel eingesetzt werden sollen, dann brauchen Sie keine Lottomittel mehr, sondern können die Lottomittel gleich in den Haushalt einstellen. Das wäre dann die ehrlichere Lösung.

[Brauer (PDS): Das machen Sie doch de facto!]

Nein, Lottomittel sind keine Steuermittel! Deshalb entscheidet auch ein Stiftungsrat über diese Lottomittel und nicht dieses Parlament. Dabei muss es bleiben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Für die Fraktion der PDS hat das Wort der Abgeordnete Brauer. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So falsch ist das gar nicht, was mein Vorredner sagte. Die Mittel stehen de facto im Haushaltsplan, nur sollte er darin mal ein bisschen genauer nachlesen. Leider Gottes ist dieser Plan sehr dick, und deshalb braucht es Zeit.

Wir sind der Meinung, dass eine Reform der Lottostiftung überfällig ist. Die personelle Zusammensetzung der Gremien und die damit zusammenhängende Transparenz bei der Vergabe dieser Mittel führen immer wieder zu Auseinandersetzungen. Gegenwärtig gleicht die Lottostiftung eher einem Machtkartell der Koalitionsparteien als einem ausreichend demokratisch zusammengesetzten Gremium.

Für die PDS ist es nicht akzeptabel, dass CDU und SPD ihre Alleinherrschaft in der Lottostiftung fortsetzen und selbstherrlich Gelder in mehrstelliger Millionenhöhe verteilen. Über die Vergabe entscheidet in der Stiftung Deutsche Klassenlotterie der Stiftungsrat – das ist korrekt. Es besteht jedoch die Frage, ob das ein repräsentatives Gremium ist und ob die Vergabeentscheidungen transparent und nachvollziehbar sind. – Frau

Ströver benannte es bereits, offensichtlich sind sie es nicht. – In Berlin entscheiden lediglich sechs Politikerinnen und Politiker – bis acht werden Sie ja wohl noch zählen können, Herr Kollege –, allesamt aus dem Kreis der Koalitionsparteien, über wen und in welcher Höhe das Füllhorn ausgeschüttet und wer am Jackpot beteiligt wird, um im Bild zu bleiben.

Der Vorwurf, dass es sich bei den von der Stiftung zu vergebenden Geldern quasi um einen – ich sage nicht: Neben – – Schattenhaushalt handelt, ist nicht neu und dennoch berechtigt. So werden für den Jugendhaushalt 2000 – ich möchte den Kollegen in der CDU etwas Information geben, die sie offensichtlich beim Lesen nicht gefunden haben – ca. 6,4 Millionen DM Lottogelder für Ausgaben erwartet, die 1999 in der Regelfinanzierung waren. Für gesetzliche Aufgaben des Landes – ich wiederhole: gesetzliche Aufgaben – im Bereich dieses Planes soll Lotto ca. 17,2 Millionen DM aufwenden. Im Kulturbereich fließen seit Jahren regelmäßig Mittel für den neuen Berliner Kunstverein, die NGBK, die Ausstellungen im Gropiusbau und anderes mehr. Zu erwähnen sind auch die etwa 5,6 Millionen DM für die parteinahen Stiftungen, die regelmäßig fließen. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Durch die Besetzung des Verwaltungsrates und des Stiftungsrates mit Senatoren und Politikern der Koalition werden Landeshaushalt und Stiftungstätigkeit miteinander verkoppelt, und diese Verkopplung muss aufhören. Deshalb fordern wir für die Lottostiftung ein Mitwirkungsrecht für alle im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien.

[Beifall bei der PDS]

Die Berücksichtigung der Opposition im Stiftungsrat gehört zu den Mindeststandards parlamentarischer Demokratie, notwendig ist auch eine Reformierung der bisherigen Vergabepraxis.

In den anderen Bundesländern wird der staatliche Anteil der Lottogelder entweder mit einer Zweckbindung versehen oder in den Landeshaushalt eingestellt. Die unrühmliche Ausnahme bildet Berlin. Hier wird es zwar in den Landeshaushalt eingestellt, aber es wird nicht zugegeben. Es kann nicht länger hingenommen werden, dass Lottomittel nach Gutdünken verteilt werden oder diejenigen, die am Jackpot teilhaben wollen, gezwungen sind, sich mit der Tippgemeinschaft SPD/CDU gut zu stellen. Herr Liepelt erklärte für die CDU 1997, es gehe um die gerechte Beurteilung von Anträgen und die ausgewogene Berücksichtigung von Mitteln. Genau darum geht es uns auch.

Wir wollen transparente Entscheidungen, die den Antragstellern Rechtssicherheit geben. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass für die Lottostiftung über gesetzliche Regelungen Vorgaben über die Vergabe der Lottomittel gemacht werden. Wir wollen, dass diese Entscheidungen nicht länger der parlamentarischen Kontrolle auch durch die Opposition entzogen werden. Damit würden Sie sich auch eines Teiles der Vorwürfe, die mit sturer Regelmäßigkeit begründet gemacht werden, entlasten. Unser Antrag sieht vor, dass 60 % der Lottomittel zweckgebunden in den Landeshaushalt übertragen werden, ohne dass dies pauschal geschieht. Dieser Anteil der Lottogelder wäre wirklich zweckgebunden und parlamentarisch kontrollierbar.

Eines muss ich noch hinzusetzen: Nicht länger hinnehmbar ist eine Haltung, die der SPD-Landessprecher Stadtmüller heute in die Welt setzte.