Protokoll der Sitzung vom 29.03.2000

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Wir wollen, dass der Bund die Staatsoper, das Deutsche Theater und das Konzerthaus als ehemalige preußische Kulturstätten mehrheitlich übernimmt und dafür auch die Verantwortung trägt. Dann bekommen wir auch die Abgrenzung hin, was laut Definition Hauptstadtkultur ist und was föderale Aufgabe bleiben soll.

Herr Wolf, aus meiner Sicht ist es fatal, dass Sie in einem inhaltlichen Bogenschlag zur CDU sagen, Gedenkstättenkultur sei Bundessache. Nein, es ist nicht zentrale staatliche Aufgabe. Es ist nicht aus der Geschichte gewachsen, die Erinnerungsund Gedenkstättenarbeit zu zentralisieren. Das muss weiter in den Regionen vor Ort finanziert werden. Die Verantwortung muss vor Ort bleiben. Es geht nicht, dass wir das zentralistisch in die Hand des Bundes geben.

[Beifall bei den Grünen]

Ein Punkt, an dem sich Frau Thoben verhoben hat – sie war Senatorin für Wissenschaft und Kultur – war das Problem mit dem Personal der Charite´. Wir erwarten von der Charite´, dass sie sich am Personalmanagement des Landes beteiligt, indem sie Personal an den Gesamtüberhang im Krankenhausbereich abgibt.

Wir erwarten, dass der Hauptausschuss, der heute tagt, unsere konkreten Vorschläge als Not- und Sofortmaßnahmen noch in diesem Haushalt berücksichtigt. Herr Landowsky, wir können das nicht mehr verschieben. Die Lage ist so dramatisch, dass es im Haushalt 2001 zu spät ist. Wir müssen jetzt beginnen.

[Beifall bei den Grünen]

Nur so kann es uns gelingen, Kultur- und Wissenschaftsfinanzierung wieder in ein ruhigeres Fahrwasser zu bringen.

Wir brauchen einen Runden Tisch für die Kultur, an dem die Kultureinrichtungen ebenso sitzen wie die Gewerkschaften und der Deutsche Bühnenverein. Daran muss das Parlament und der Senat beteiligt werden. Wir wollen nicht länger hinnehmen, dass unter der Führung von Bürgermeister Diepgen eine dilettantische Regierung dieser Stadt zum Gespött der gesamten Republik wird und es uns nicht gelingt, eine repräsentative Persönlichkeit zu finden, die gewillt ist, den Kultursenat seriös zu führen. Wir werden niemanden finden, der ernsthaft bereit ist, Kulturund Wissenschaftssenator zu werden, wenn Sie nicht gewillt sind, Strukturvorschläge zu unterstützen. Ich hoffe, dass Sie nicht mehr „Augen zu und durch“ machen, sondern bereit sind, jemand zu suchen, ihn zu unterstützen und nicht wie Frau Thoben gegen die Wand fahren lassen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen]

Nun hat Herr Wowereit für die SPD-Fraktion das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dieser Rede von Frau Ströver ist man fast noch beeindruckt und sprachlos, denn zu diesem Stakkato fällt einem wenig ein.

[Beifall bei den Grünen]

Herr Landowsky, ich muss Sie ein wenig korrigieren. Frau Ströver hat nicht mehr den Namen „Miss Marple der Kulturpolitik“, sondern neuerdings „Heilige Johanna der kleinen Theater“. Das hat sie sehr geärgert, weil sie gerne die „Heilige Johanna der großen Theater“ wäre. Aber nach dieser Rede passt Jeanne d’Arc besser zu ihr, und das soll so bleiben.

Herr Wolf, Sie haben überzeugend dargestellt, wie notwendig Strukturreformen speziell im Kulturbereich sind. Aber Sie hatten offensichtlich keine Rückkopplung mit Herrn Brauer, der uns im Unterausschuss Theater begleitet.

[Wolf (PDS): Laufend!]

Dann haben Sie aber etwas nicht mitbekommen, oder er vertritt nicht mehr die Meinung Ihre Fraktion. – Herr Brauer hat in der Tradition von Herrn Klein etwas Beeindruckendes gemacht. Er hat die Intendanten gefragt: Wie viel Geld brauchen Sie zusätz

lich? Sie können mit 80 Millionen DM doch gar keine gute Oper machen. Sagen sie uns doch, dass Sie 100 Millionen DM brauchen! Die PDS wird sie Ihnen besorgen. – Das hat er nicht nur bei der Oper, sondern auch bei allen anderen so gemacht. Das sind Ihre Strukturreformen, Herr Wolf.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

So kann man es natürlich machen, aber das ist mit ein Grund dafür, weshalb die PDS im Abgeordnetenhaus nicht seriös ist. Einerseits werden Strukturreformen gepredigt, andererseits wird den Leuten alles versprochen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Das passt mit anderen in diesem Haus zusammen, die heute schon erwähnt wurden. Da geht die Glaubwürdigkeit verloren, Herr Wolf, obwohl Sie sich als Sprecher im Hauptausschuss bemühen, auch konstruktive Vorschläge zu machen. Wenn Sie Ihre Fraktionskollegen einbeziehen, reicht das aber nicht aus.

[Zuruf des Abg. Cramer (Grüne)]

Ich komme zur Rücktritt der Senatorin. Nur bei der Rede von Frau Ströver ist kurz angeklungen, dass es sich um die Senatorin für Wissenschaft und Kultur handelte.

[Frau Merkel (SPD): Richtig!]

Es wird immer so getan, als sei sie lediglich die Kultursenatorin gewesen. Natürlich gibt es auch im Wissenschaftsbereich große Probleme. Diese haben sich nur nicht so stark artikuliert, aber auch dort sind Absenkungen vorgenommen worden, beispielsweise ist der Fonds der Grundstücksveräußerungen geplündert worden, aus dem Strukturmaßnahmen in den Häusern finanziert werden sollten. Das darf man bei der Debatte nicht vergessen.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Brauer?

Bitte schön!

Herr Kollege, in welchem Bundesland haben Sie an den Veranstaltungen eines Unterausschusses Theater teilgenommen? Das war offensichtlich nicht in Berlin. Vielleicht stimmt aber auch etwas mit Ihrer Wahrnehmung nicht. Bitte sehen Sie in die Protokolle!

Ich habe dort nachgesehen. Dort findet sich nichts weiter von Ihnen, Herr Brauer.

[Heiterkeit bei der SPD und der CDU – Zurufe von der PDS]

Frau Ströver, Sie machen den Vorschlag, der Bereich Wissenschaft solle zu Gunsten der Kultur geplündert werden. Das ist unehrlich und kann nicht Ihr Ernst sein.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Sie stellen sich hier hin und sagen, es müssten dringend Vorschläge zur Sanierung der Volksbühne gemacht werden. Wir haben vorgeschlagen – das tut mir für meinen Parteifreund Strieder Leid –, die Investitionen für die Volksbühne in Höhe von 8,5 Millionen DM aus der Bauverwaltung zu nehmen statt aus dem Wissenschaftsbereich. Hinzu kommen 500 000 DM für das Maxim-Gorki-Theater.

[Sen Strieder: Das machen wir gerne!]

Das Geld muss dort weggenommen werden, wo es vertretbar ist. Das ist der konstruktive Vorschlag der SPD. Wir werden das in den Haushaltsberatungen so umsetzen. Dazu brauchen Sie keinen Antrag zu stellen.

[Beifall bei der SPD]

Ich bedauere den Rücktritt der Senatorin außerordentlich. Wir haben sie alle nicht aus der aktiven Politik in Berlin gekannt. Jeder hat gewusst, dass sie keine ausgewiesenen Fachfrau für Wissenschaft und Kultur ist. Es ist immer die Frage – auch bei

der Auswahlentscheidung, die der Regierende Bürgermeister nun vor sich hat –, wen man für ein Senatsressort sucht. Muss es jemand sein, der im Feuilleton eloquent parlieren kann und dafür im politischen Bereich nichts umsetzt, oder jemand, der im politischen Bereich und gegenüber den Häusern Durchsetzungskraft hat? Wir alle haben gedacht, Frau Thoben sei eine akzeptable Kandidatin. Sie hat viele Vorschusslorbeeren erhalten. Man kann auch persönliches Verständnis für einen solchen Schritt haben. Ich finde es ehrenwert, wenn jemand sagt, es sei mit ihm nicht mehr zu machen und bestimmte eigene Grundsätze seien nicht mehr zu verwirklichen, und daraus die Konsequenzen zieht. Das machen zu wenige Politikerinnen und Politiker. Deshalb habe ich vor dieser Haltung Respekt.

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Aber ich bin auch enttäuscht über diese Haltung, da ich gedacht habe, dass diese Politikerin das Format hat, sich gegen Berliner Usancen durchzusetzen, die Dinge beim Namen zu nennen und auch unpopuläre Strukturreformen durchzusetzen.

[Zuruf der Frau Abg. Künast (Grüne)]

Das war meine Hoffnung, die allerdings enttäuscht wurde. Weder im Senat noch in den Ausschüssen habe ich diese Durchsetzungskraft verspürt.

Es spielt – wie immer – auch eine gewisse Heuchelei mit. Im Feuilleton der letzten drei Monate ist die Senatorin nicht gerade als die Königin unter den Zwergen dargestellt worden. Die Tendenzen gingen vielmehr in eine andere Richtung. Kaum war sie zurückgetreten, da wurde sie hochgepuscht und war die Beste, die es jemals gab. Alles, was vorher war, ist vergessen. Diesen Umstand darf man nicht vergessen, besonders die Opposition nicht. Für die ist nur der Senator der großen Koalition gut, der zurücktritt.

[Cramer (Grüne): Sagen sie doch mal was zu Landowsky!]

Das ist das alte Lied. Die Situation wird dadurch aber nicht besser. Die Opposition hätte es gerne, wenn die große Koalition oder der Senat durch den Rücktritt in eine Krise gerieten. Es gibt aber keine Senatskrise und auch keine bei der großen Koalition.

[Frau Künast (Grüne): Das ist eine chronische Erkrankung!]

Es ist das Problem des Koalitionspartners CDU, einen geeigneten Nachfolger zu präsentieren. Wir hoffen, dass jemand ausgewählt wird, der in der Lage ist, die großen Probleme zu bewältigen. Dass es schwierige Probleme in der Stadt gibt und dass es keine Senatorenämter gibt, mit denen man sich einen schönen Tag machen kann, etwas eröffnet und nur Gutes tut, ist seit langem bekannt. Es gibt kein Ressort, das einfach zu führen ist, wo man nicht strukturell arbeiten muss und wo man keine Schwierigkeiten hat. Das ist die Anforderung an jedes Senatsmitglied, aber auch an das Parlament. Auch wir haben es nicht mehr so leicht in den Bürgerversammlungen, den Menschen in dieser Stadt zu sagen, dass bei den finanziellen Verhältnissen nicht mehr alles so weiter geht, sondern dass wir strukturell etwas ändern müssen. Wir müssen auch mal sagen, ein Projekt kann nicht mehr weitergeführt werden. Das macht keinen Spaß und ist keine Frage von Opposition oder Koalition, sondern eine Frage von Notwendigkeit der Zukunftsgestaltung in dieser Stadt.