Protokoll der Sitzung vom 18.04.2002

Die Kleingärten stabilisieren auch soziale Verhältnisse in nachbarschaftlicher Solidarität. Das ist eine Leistung für unsere Gesellschaft, jedenfalls für die, die wir haben wollen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der PDS]

Und sie sind ein hervorragendes Beispiel für ehrenamtliche Tätigkeit.

Ich bin der Meinung, dass es durchaus Handlungsbedarf bei Kleingärten gibt. Zum Beispiel könnte man davon wegkommen, die Gurkenbeete zu zählen. Wenn die Kleingärtner sich da wohl fühlen und das Erholungsland für die Erholung nutzen, würde mir das reichen. Und ich bin auch bereit, darüber zu reden, ob die Anspruchsberechtigung neu definiert werden kann. Ich sehe nicht ein, dass man mit dem FDP-Porsche zum Kleingarten fahren muss. Daran kann man etwas tun.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS und den Grünen]

In dieser Form wird Ihr Antrag dieses Abgeordnetenhaus nicht passieren. [Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön, Herr Kollege Radebold! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat nunmehr der Kollege Hahn! – Bitte schön!

[Zurufe von der PDS – Abg. Doering (PDS): Stehen Sie doch zu dem, was Sie gestern gesagt haben!]

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Kollege Radebold! Zunächst einmal: Wenn Sie an der Nutzung der Kleingärten etwas ändern wollen, dann müssen Sie versuchen, über Ihre Bundestagsfraktion das Bundeskleingartengesetz zu ändern. Man kann zwar nicht immer das Grundgesetz unter dem Arm tragen, aber wenn man sich in der Weise äußert, wie Sie, Herr Radebold, dann tut es manchmal ganz gut, auch einmal das Bundeskleingartengesetz unter der Achsel haben. interjection: [Beifall bei der FDP]

Da ist nämlich definiert, was ein Kleingarten ist. Ich zitiere das Gesetz:

Ein Kleingarten ist ein Garten, der dem Nutzer zur nichterwerbsmäßigen Nutzung, insbesondere zur Gewinnung von Gartenbauerzeugnissen für den Eigenbedarf, und zur Erholung dient.

Das steht noch immer im Vordergrund.

[Doering (PDS): Ach was!]

Jetzt zu Ihren Auslassungen, wir würden alles plattmachen wollen. Das ist natürlich Unsinn. Wenn Sie den Antrag gelesen hätten, hätten Sie genau erkennen können, dass es uns darum geht,den dauerhaften Schutz aufzuheben. Das heißt nicht, dass da morgen irgendetwas plattgemacht werden soll, sondern dass man diesen Status ändert und für die Zukunft hier Möglichkeiten hat, ein preiswertes Angebot an Bauland zu schaffen.

Genau in diesem Zusammenhang möchte ich die Lentzeallee erwähnen, weil sie das angeführt hatten. – Herr Radebold, Sie haben doch gestern zugehört, und da haben Sie doch gehört, dass uns die Universität unmissverständlich erklärt hat, dass sie alle diese Flächen für ihre Forschungsarbeiten benötigt und dass wir aus diesem Grunde die ausgewiesene Baulandfläche nicht mehr im FNP halten können. Genau dem kommen wir entgegen, weil es uns ein wesentliches Anliegen ist, dass die Wissenschaft in Berlin alle erdenklich guten Voraussetzungen finden kann. Das ist der Grund. Dabei befinden wir uns übrigens – wie ich verstanden habe – im Einvernehmen mit allen Fraktionen – nur der SPD nicht. Aber weil wir anerkennen, Herr Radebold, dass es im Land Berlin sehr viele gibt, die im Südwesten ein Haus bauen wollen, gerade deshalb wollen wir, dass es in diesem Teil Berlins auch ein höheres Angebot an Baufläche gibt. Deswegen meinen wir, können die großen, bestens verkehrstechnisch erschlossenen Kleingartengelände langfristig als Bauland zur Verfügung gestellt werden. – Danke schön!

[Beifall bei der FDP]

Herr Kollege Radebold möchte entgegnen. – Bitte schön!

Herr Präsident! Herr Hahn, ich kenne das Bundeskleingartengesetz, und deshalb habe ich gesagt: Es gibt Änderungsbedarf, zum Beispiel beim Zählen der Gurken. Das das können wir weglassen. – Aber Sie fordern in Ihrem Antrag eine Bundesratsinitiative des Landes Berlin, um zum Beispiel die finanziellen Verhältnisse zu verändern. Und da sage ich Ihnen: Das wird Berlin nicht tun! Das können die Bundestagsfraktionen tun, wenn sie meinen, sie wollen für die Bundesrepublik insgesamt eine andere Regelung haben. Ein Interesse Berlins, das zu ändern, besteht nicht.

[Beifall bei der SPD]

Danke schön, Herr Kollege Radebold! Das war vorbildlich kurz. – Nunmehr hat der Kollege Goetze das Wort. – Bitte schön, Herr Goetze!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die FDP-Fraktion hat sich dem Thema Kleingärten in ihrem Antrag über einen rein marktwirtschaftlichen Ansatz und das Thema „Wohnungsbau“ genähert. Ich habe den Antrag eher so verstanden, dass es um das Kleingartenwesen geht, und deswegen möchte ich auch den Schwerpunkt meiner Ausführungen dort legen.

Verwendet worden sind im FDP-Antrag so klassische Begriffe – die in vielen dieser Vorträge immer wieder fallen – wie Wirtschaftsförderung, erhebliche Anhebung der Pachtzinsen, preiswertes Bauland, Wohnungseigentumsbildung, Angebotserweiterung und schleppende Wirtschaftsentwicklung, die angeblich die Frage nach den Innenstadtflächen aufwirft. Wir sind aber nicht nur rein marktwirtschaftlich orientiert.

[Beifall des Abg. Radebold (SPD)]

und vertreten daher als CDU eine soziale und ökologische Marktwirtschaft, und das bedeutet, dass diese Begriffe zu relativieren und in einen Zusammenhang zu setzen sind. Deswegen müssen wir auch von der aktuellen Sicht des Flächenangebotes hier in Berlin einfach zu dem Ergebnis kommen, dass wir kein Flächenproblem in dieser Stadt haben. Wir haben – auch dank der Eigentumsinitiative der großen Koalition und natürlich auch wegen des Verfalls der Nachfrage in dieser Stadt, und nicht nur dort, sondern auch in der gesamten Republik – eine ganz erhebliche Anzahl von Grundstücken auf dem Markt. Ein Flächenproblem besteht nicht, sondern vielmehr werden Grundstücke in einzelnen Bezirken wie Sauerbier angeboten, und man findet für den Ein- und Zweifamilienhausbau keine Käufer.

Wir haben auch kein Wohnungsangebotsproblem. Denn auf der anderen Seite wird ja immer wieder beklagt – auch von Seiten der Vermieter oder der Eigentümer von Wohnungen, für die ja auch die FDP sehr stark als Klientelvertretung agiert –, dass die Preise verfallen, sowohl die Mietpreise als auch die Kaufpreise. Ich kann daher nicht ableiten, dass wir hier einen Mangel an Angebot hätten.

Wenn ich mir zudem die Qualität manch eines Flächenangebotes, wie Sie es fordern, in der Innenstadt anschaue, dann habe ich da so meine Zweifel, dass dieses Land für den Ein- und Zweifamilienhausbau überhaupt nachgefragt wird. Denn das ist Land, das heute auch schon erhebliche Probleme für die kleingärtnerische Nutzung hat. Nehmen Sie Charlottenburg-Nord, meinen Wahlkreis: Von zwei Seiten eingegrenzt durch die Stadtautobahn, mit erheblichen Lärmbelästigungen. Das Ganze steht auf einem höchst unsicheren, aufgeschütteten Baugrund mit Bodenverunreinigungen, und ich kann mir nicht vorstellen, dass irgend jemand so wirtschaftlich unrealistisch oder ungebildet ist, dass er dahin nun sein Eigenheim baut, denn das wäre ein unkalkulierbares Risiko.

Wir nähern uns ja diesem Thema auch von Seiten derjenigen, die Kleingärten nutzen. Da fällt dann auf, dass in der Antragsbegründung zwar vehement gegen niedrige Pachtpreise und ähnliches argumentiert wird und damit eine sicherlich nicht ganz unzutreffende Subventionierung auch dieses Kleingartenwesens durch geringere Einnahmen des Staates beklagt wird. Auf der anderen Seite müssen wir aber auch feststellen, dass das, was in diesem Staat und in dieser Marktwirtschaft zum Beispiel an Subventionen für Unternehmen gewährt wird, ja nun auch Dimensionen hat, die sicherlich weit über dem liegen, was hier an indirekten Subventionierungen des Kleingartenwesens festzustellen ist. Von da her kann man doch durchaus sagen: Wenn wir schon Staatsvermögen direkt oder indirekt umverteilen an Wirtschaftsunternehmen, dann können wir es uns auch erlauben, das direkt oder indirekt umzuverteilen an Leute, die wirtschaftlich schwach in dieser Gesellschaft sind.

Kleingärten sind ein Paradebeispiel für Selbstorganisation, auch für eine gewisse Form des Gesundheitsschutzes. Sie stehen für soziale Bindungen, sie stehen für gehobene Lebensqualität von Kreisen, die aus wirtschaftlichen Gründen zu anderen Finanzierungen sonst nur eingeschränkt in der Lage wären. Wir haben sehr viele wohnortnahe Lauben, das heißt, wenige hundert Meter oder einige U-Bahnstationen vom Wohnort entfernt werden die Kolonien angemietet. Wir haben in diesen Ver

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bänden inzwischen die Übernahme von Aufgaben des Staates. Schauen Sie sich einmal an, was die Kleingartenverbände in den Bezirken inzwischen von den Grünflächenämtern an Aufgaben aufgedrückt bekommen haben – kostenfrei selbstverständlich! Wenn man das alles wieder rückgängig machen und direkt durch die Bezirke finanzieren würde, käme am Ende möglicherweise nicht einmal ein Plus für die Bezirke heraus.

Die stadtklimatischen Vorteile dieser Lagen sind schon angesprochen worden. Damit ist es vertretbar, die Kleingärten in dem begrenzten Maße, wie wir sie auch im Innenstadtgebiet haben, weiterhin zu erhalten.

Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass derjenige – ich sage ausdrücklich dazu, dass ich nicht dazu gehöre –, der sich darüber Sorgen macht, dass zu viele Kleingärten bestehen bleiben, sich vor Augen halten kann, welche aktuellen Bedrohungen es gibt: Die Frage der fehlenden planungsrechtlichen Absicherung ist schon angesprochen worden. Wir haben, obwohl 2001 beauftragt, vom Senat bis jetzt noch keinen Kleingartenentwicklungsplan vorgelegt bekommen. Die rot-grüne Bundesregierung bzw. der Deutsche Bundestag haben das so genannte Datschen-Gesetz beschlossen, wo man 10 Jahre rückwirkend Erschließungskosten auf die Pächter umlegen kann – also auch auf Kleingärtner in den östlichen Stadtbezirken. Uns droht in Berlin außerdem – jedenfalls ausweislich der Koalitionsvereinbarung – ein Straßenbaubeitragsgesetz, das auch zu erheblichen weiteren Belastungen führen würde.

Aus Sicht der FDP – ausdrücklich: Das ist nicht meine Sicht! – braucht man sich also leider keine Sorgen zu machen, dass alle Kleingärten uneingeschränkt erhalten bleiben. Es ist vielmehr so, dass dort eine akute Bedrohung in vielfältigster Form vorliegt. Man muss moderat mit dem Thema umgehen, und so ist damit auch umgegangen worden. Wiederum verweise ich auf den Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf: Dort sind Kleingärten für eine Schule und für Wohnungsbau in Anspruch genommen worden. – Also, es gibt dort moderate Aktivitäten. Aber die Art, mit der man in diesem Antrag alles über einen Kamm schert, ist für uns nicht tragbar. Deswegen werden wir uns im Ausschuss auch entsprechend positionieren. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Nun hat Frau Hinz das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Hahn! Wenn man sich Ihren Antrag ansieht und zudem in die Dokumentation unseres Hauses schaut, kann man feststellen, dass die FDP-Fraktion einen Antrag aus dem Jahr 1994 jetzt wieder vorlegt.

[Hahn (FDP): Was damals richtig war, ist jetzt erst recht richtig!]

Denn Sie haben damals und heute das Ziel verfolgt, Kleingärtnerinnen und Kleingärtner aus dem Innenstadtbereich zu verdrängen, Kleingartenflächen für die Bildung von Wohneigentum freizumachen und z. B. den Pachtzins zu erhöhen. Neu ist allerdings, dass Sie Kleingartenanlagen in den Liegenschaftsfonds überführen und die vor einigen Monaten verkündeten Schutzfristverlängerungen wieder zurücknehmen wollen.

Ihre Vorstellungen sind für mich und meine Fraktion schwer nachvollziehbar. Wenn man andere Publikationen liest als die, die Sie vorgestellt haben, kann man dem entnehmen, dass Berlin eine Mieterstadt und insofern nicht mit München oder anderen Städten vergleichbar ist. Es wird also in Berlin – das wird immer wieder bestätigt, und auch meine Vorredner haben darüber gesprochen – den Bedarf für Eigenheimbauflächen einfach nicht geben. Im Übrigen wurde gestern in der Ausschusssitzung sehr deutlich, dass in der Stadt doch sehr viele Flächen zur Verfügung stehen. Wir brauchen dafür nicht Kleingartenflächen in Anspruch zu nehmen.

Gerade weil die Kleingärten in Berlin eine lange Tradition haben und die Lebens- und Wohnqualität durch Kleingärten in

der Stadt geprägt ist, sollten diese in der Stadt erhalten bleiben. Ich kann nur zurückgehen auf das Jahr 1993, wo im Kleingartenkonzept schon festgeschrieben wurde, dass die Nutzung von Kleingärten für Berlin eine typische Form des städtischen Lebens ist. Es gab im Rahmen des Beschlusses zum Flächennutzungsplan eine Festlegung für einen maßnahmeorientierten Kleingartenentwicklungsplan einschließlich der Ersatzflächen. Das ist die Beschlusslage.

Wir, die PDS-Fraktion, haben schon lange diesen Kleingartenentwicklungsplan eingefordert. Nun wird er uns bald vorliegen. Die erste Vorstellung gab es im vergangenen Jahr. Wir fordern die Sicherheit für die Kleingärtnerinnen und Kleingärtner in der Stadt. Das ist wichtig für ihre Lebensplanung. Gerade in den Zeiten knapper Kassen und reduzierter Freizeitangebote – meine Vorredner haben das bereits angesprochen – ist es wichtig, diese Kleingärten als Alternative für Freizeitgestaltung und Erholung zu nutzen.

[Abg. von Lüdeke (FDP) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen von Lüdeke?

Ich habe nur noch eine Minute Redezeit und möchte das gern zu Ende vortragen.

Die geben wir Ihnen zu, wenn Sie möchten.

Ich möchte nur weiter fortfahren. – Wie gesagt, es ist für die Stadt wichtig, weil Kleingärten einen Ausgleich für fehlendes Stadtgrün darstellen.

Wir haben in unserer Koalitionsvereinbarung auf die Kleingartenproblematik Bezug genommen und sehen das etwas anders als Sie. Wir sehen nicht nur den einen Satz, den Sie herausziehen, als notwendig und wichtig an, sondern auch das Weitere. Wir werden also durchaus nicht jeden Kleingarten erhalten können, sondern wir werden für Infrastrukturmaßnahmen einzelne Kleingärten in Anspruch nehmen müssen. Trotzdem sollen die Kleingärten im Wesentlichen erhalten bleiben. Wenn eine Inanspruchnahme erfolgt, soll zudem ein nahräumlicher Ausgleich erfolgen.