Protokoll der Sitzung vom 18.04.2002

[Gaebler (SPD): Schon wieder? Immer die Gleichen!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Gewalt hat ausgeführt, dass es standardisierte Auswahlverfahren gibt. Diese sind vorgeschrieben im Verwaltungsreformgrundsätzegesetz. Da ist detailliert aufgeschlüsselt, wie eine Auswahl, insbesondere bei einer Funktion, wie sie hier der Polizeipräsident ausübt, stattzufinden hat. Fassen wir das einmal zusammen:

Die Ausschreibung wurde vor ungefähr sechs Monaten veröffentlicht mit einer dreiwöchigen Frist. Aus dem Verfahren, ein so genanntes Assessment Center, das man sich einmal genau anschauen muss, kamen Kandidaten heraus: einer mit 4,5 Punkten von 5, einer mit 2,5 Punkten, also durchaus geeignete Leute. Das Kriterium muss ja wohl sein, dass man einen Reformer sucht, einen Manager, nicht nur einen bloßen Verwalter, jemand, der konfliktfreudig die notwendigen Reformen vorantreibt in der Polizei. Das ist notwendig.

[Doering (PDS): Richtig, voll korrekt, sehen wir auch so!]

Das ist ein Kriterium, auf das auch wir besonders Wert legen.

Was haben wir jetzt erlebt? – Unprofessionell ist vielleicht die mildeste Wertung, die mir hier einfällt. Es ist vor allem der Position nicht angemessen gewesen, insbesondere diese Endlosfrist. Der Innensenator hat in den Medien immer gesagt, man könne das Verfahren noch nicht abschließen, weil nicht auszuschließen sei, dass es noch bessere Kandidaten gebe. Jetzt muss man das einmal zu Ende denken. Was heißt denn das? Jetzt hat der Senator jemanden gefunden. Wie kann er denn ausschließen, dass es nicht noch einen besseren gibt, der nächste Woche anruft?

[Beifall bei der FDP und der CDU – Vereinzelter Beifall bei Grünen]

Das ist absurd. Und das soll nur die internen Streitigkeiten innerhalb der SPD übertünchen, überspielen, die über die Medien begleitet wurden und die wir uns als Parlament anschauen mussten. Wer musste sich das noch anschauen? – Die Berlinerinnen und Berliner! Die fragen sich doch, was findet hier eigentlich statt? Ein Tohuwabohu! Man weiß nicht, was ausschlaggebend ist für die Ernennung zum Polizeipräsidenten, ist es die fachliche Eignung, ist es das Parteibuch, ist es wir-wissen-es

nicht-was, etwa die Vorliebe von einzelnen Senatsmitgliedern, die mit der Auswahl gar nicht betraut sind? Das sind Fragen, die die Leute umtreiben und die das Ansehen des Polizeipräsidenten nicht befördert haben, und vor allem nicht das dieses Senats. Wir haben eine grobe Verunsicherung innerhalb der Polizei. Was sollen denn die Polizistinnen und Polizisten glauben, was hier für ein Theater gespielt wird mit ihnen in der Situation, in der wir zwei Großveranstaltungen haben, den 1. Mai und den Besuch von George W.?

[Zuruf des Abg. Over (PDS)]

Und dann haben wir das Laienspieltheater des Berliner Senats, der das vorbereitet. So kann es, glaube ich, nicht weitergehen. Konfus ist es, konzeptlos ist es.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Spannend fand ich dann die Äußerungen des Innensenators in den Medien. Eigentlich finde er den Vorschlag seines Vorgängers gar nicht so schlecht: Halten wir doch das Parlament da raus. – Das wäre sicherlich die beste Möglichkeit von allen. Das Parlament wird völlig ausgeklammert, was die Ernennung bzw. die Wahl des Polizeipräsidenten angeht. Dann beschränken wir es nur auf das Senatstheater. Das wäre dann die absolute Katastrophe, da bin ich mir sicher.

Jetzt haben wir die Situation, dass der Senator einen Kandidaten gefunden hat. Jetzt stellt sich für die FDP-Fraktion natürlich die Frage: Wie gehen wir damit um? – Wir haben auf der einen Seite den unprofessionell, vielleicht sogar manipulativ agierenden Senat. Das wollen wir ja klären im Innenausschuss. Wir haben auf der anderen Seite einen Bewerber, der fachlich sehr qualifiziert zu sein scheint. Ich kündige hiermit an, dass sich die FDP-Fraktion den Bewerber sehr genau anschauen wird. Wir werden ihn in die Fraktion einladen

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

und Kriterien definieren, an denen wir ihn messen, und danach entscheiden, ob wir den Kandidaten wählen oder nicht. Wir können den Kandidaten Glietsch nicht für die Unfähigkeit des Senats verantwortlich machen. Das ist die Meinung der Freien Demokraten.

Wir fordern die Offenlegung des Verfahrens im Innenausschuss. Der Innensenator hat Andeutungen gemacht, dass er bereit sei, das zu unterstützen. Wenn das der Fall ist, dann sind wir froh. Wir fordern trotzdem das Abgeordnetenhaus auf, einen Beschluss zu fassen, der das zögerliche Engagement des Innensenators in diesem Bereich verstärkt.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Danke schön, Herr Kollege Ritzmann! – Das Wort hat nun für die Fraktion der PDS der Kollege Udo Wolf. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gewalt, Sie haben mit ziemlich viel Theaterdonner hier von Skandal gesprochen. Ich sagte am Montag im Innenausschuss schon, dass ich den Verlauf des Verfahrens für suboptimal halte. Einen Skandal konnte ich allerdings nicht erkennen. Wir hätten uns zwar auch ein zügigeres Verfahren gewünscht. Vor allem eines, in dem nicht während des laufenden Bewerbungsverfahrens Wasserstandsmeldungen und Namen aus der Verwaltung gesickert wären und öffentlich von interessierter Seite mit potentiellen Kandidaten gespielt worden wäre – zum Schaden aller Bewerberinnen und Bewerber. Die sorgfältige Auswahl wird erschwert, aber – wie wir am Ergebnis erkennen können – nicht unmöglich.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Fachlich sind mir keine Bedenken – auch keine der Opposition – am Kandidaten Dieter Glietsch bekannt. Die Kritik reduziert sich demnach auf das Verfahren und den Umstand, dass Herr Glietsch ein Parteibuch besitzt. Die Verfahrenskritik ist hinreichend öffentlich. Zum Parteibuch sage ich zum Schluss noch etwas.

Der Innensenator hat zum Verfahrensverlauf heute morgen in der Fragestunde – als die Medien noch da waren – etwas gesagt. Der Innensenator hat die Aufgabe, Bewerbungsgespräche zu führen, dem Senat Vorschläge zu unterbreiten, und der Senat hat die Aufgabe, dem Abgeordnetenhaus einen Kandidaten oder eine Kandidatin vorzuschlagen. Zwei Drittel des Verfahrens haben wir hinter uns. Das Abgeordnetenhaus kann in Ruhe den Kandidaten und das Verfahren prüfen. Teile der Opposition, die sich schon vor Abschluss des Bewerbungsverfahrens öffentlich ohne Not auf einen anderen Kandidaten festgelegt haben, können ihre voreiligen Entschlüsse überprüfen und gegebenenfalls revidieren. Ich habe heute von Herrn Ritzmann gehört, dass er zumindest die Bereitschaft dafür zeigt, was ein wesentlicher Unterschied zu dem ist, was Herr Gewalt hier gesagt hat.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Noch einmal deutlich: Für uns gibt es keinen Anlass, am korrekten Verlauf des formalen Verfahrens zu zweifeln. Wir glauben aber, dass die Dringlichkeit dieses Antrags heute – der problemlos über eine Verständigung der Sprecher und Sprecherinnen im Innenausschuss hätte behandelt werden können – gegenwärtig nur einen einzigen Zweck hat, nämlich kurz vor dem 1. Mai am Image des Innensenators, der neue und andere Wege beschreiten will als seine Vorgänger, zu kratzen. Es ist auch offensichtlich, dass die CDU ein Interesse daran hat, eine vernünftige Deeskalationsstrategie, die das Demonstrationsrecht achtet und möglicherweise erfolgreicher ist als das Law-and-Order-Muskelspiel der vergangenen Jahre,

[Zuruf von der CDU]

schon im Vorfeld in Misskredit zu bringen. Wenn so etwas gelänge, würden die innenpolitischen Vorstellungen eines Herr Stoiber richtig klasse aussehen.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Was allerdings das Interesse der grünen Opposition ist, dieses Verfahren zu wählen und den Antrag in dieser Form mit einzubringen und die Dringlichkeit zu beantragen, weiß ich nicht.

Zum Parteibuch des Kandidaten, sage ich auch im Namen der Kolleginnen und Kollegen von der SPD im Innenausschuss deutlich: Die Frage des Parteibuchs war und ist uns komplett egal.

[Beifall bei der PDS und der SPD – Zurufe von der CDU und den Grünen]

Wenngleich ich es unter diesem Gesichtspunkt durchaus reizvoll gefunden hätte, wenn sich der Kollege Wolfgang Wieland beworben hätte. Zeit genug war ja.

[Heiterkeit]

Seine fachliche Eignung steht für mich – trotz fehlender Polizeipraxis – außer Frage. Ich bin mir ganz sicher, dass er im Assessmentverfahren in der Beurteilung des freien Vortrags die beste Note erhalten hätte. Mit unserem Koalitionsvertrag zum Bereich öffentliche Sicherheit müsste er eigentlich auch recht gut leben können. Da hätte mich die Reaktion der CDU auch interessiert.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Wir machen Herrn Glietsch seine SPD-Mitgliedschaft jedenfalls nicht zum Vorwurf. Uns interessiert die fachliche Eignung und die Bereitschaft, die notwendigen Veränderungen in der Berliner Polizei im Diskurs mit Politik, Gesellschaft und Personalvertretungen anzupacken. Dazu hat unserer Meinung nach der Innensenator einen guten Vorschlag gemacht.

Wenn die Opposition sich noch mehr Informationen über den Verlauf des Verfahrens wünscht, sollen sie sie haben. Vielleicht nutzt es etwas. Und vielleicht kommt auch die Opposition zu dem Schluss, dass sie für Herrn Glietsch stimmen kann. Ich bin autorisiert, auch für die SPD-Fraktion zu sagen, dass wir Ihrem Antrag zustimmen. Es gibt kein Problem damit, das im Innenausschuss zu machen.

[Beifall bei der PDS und der SPD – Zurufe von der CDU und der FDP]

(A) (C)

(B) (D)

Danke schön, Herr Kollege Wolf! – Das Wort für die Grünen hat nun der Kollege Wieland. – Bitte schön!

[Zurufe]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Alle wollen dem Antrag zustimmen, wenngleich der Kollege Wolf eben noch erklärt hat, dass er keinerlei Verständnis hat, warum die Grünen ihn dringlich gestellt haben. Wie hätten wir ihn denn sonst stellen sollen, wenn wir noch vor der Wahl des Polizeipräsidenten diese Auskünfte begehren?

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Wir begehren sie, denn alles, was heute zu dem Auswahlverfahren gesagt wurde – insbesondere vom Innensenator –, war bestenfalls Camouflage, aber es hatte nichts mit den tatsächlichen Geschehensabläufen zu tun.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Deswegen noch einmal kurz zum Ablauf: Der Innensenator hat die Stelle ausgeschrieben. Er hatte etliche Bewerber. Er hat das gesetzlich vorgegebene sog. gruppenbezogene Auswahlverfahren gemacht – wie man hörte, sogar mit einer externen Frau aus dem hessischen Raum.

[Zuruf von Sen Dr. Körting]

Ich stelle nur meinen jetzigen Erkenntnisstand dar. Sie dürfen ihn dann auf den Punkt bringen, Herr Kollege Körting. – Also mit einer externen Beraterin. Das Ergebnis dieses Auswahlverfahrens ist gewesen, dass der amtierende Polizeipräsident der Bestqualifizierte war. Alle fragten sich, warum er nicht vorgeschlagen wird. Diese Frage hat der Innensenator bis heute nicht beantwortet. Er hat stattdessen dann Herrn Glietsch präsentiert, über den bisher niemand – auch nicht die Opposition – etwas Negatives gesagt hat – das bitte ich zu beachten. Herr Glietsch selbst sagte, er sei angesprochen worden. Man kann sich denken, von wem. Das wird man erfahren, wenn zum Verfahren gefragt wird.