Protokoll der Sitzung vom 30.05.2002

[Beifall bei den Grünen]

Und zum Realismus gehört auch, den Haushaltsnotstand endlich anzuerkennen, Herr Matz. Das ist unabhängig davon, ob man die eigenen Hausaufgaben schon gemacht hat oder nicht. Man kann sagen, wir sind in diesem Haushaltsnotstand, und wir müssen mit dem Bund reden. Dass der Bund dann hingehen wird und völlig zu Recht sagen wird, schön und gut, aber macht erst einmal eure Hausaufgaben, ist eine andere Frage. Wir müssen uns aber selbst erst einmal eingestehen, dass wir längst in der Situation sind, weil wir sonst diese Hausaufgaben auch nie machen. Ich fürchte, wir brauchen den Druck des Bundes, damit diese Hausaufgaben gemacht werden. Ich traue es dieser Koalition allein nicht mehr zu.

[Beifall bei den Grünen]

Wir haben in unserem Entwurf der Haushaltsentlastungsgesetze auch politische Schwerpunkte definiert, denn das gehört zur Perspektiventwicklung der Stadt. Wir haben ganz klar gesagt: Die Haushaltskonsolidierung muss berücksichtigen, dass für diese Stadt die Bereiche Bildung, Wissenschaft, Kultur und die soziale Stadtentwicklung Schwerpunkte sind und dauerhaft sein müssen.

[Brauer (PDS): Sind sie ja auch!]

Ja, Herr Brauer, Schwerpunkte des Sparens sind sie bei Ihnen. Das sieht man durchaus. Die größte pauschale Midnerausgabe ist der Kulturbereich, ein klassischer Schwerpunkt, und zum Bereich Bildung habe ich schon etwas gesagt.

Im Gegensatz zur Koalition haben wir die Zahl der abzubauenden Stellen mit 15 000 Stellen im Gesetz auch beziffert und damit deutlich gemacht, dass man an diesem Ziel festhalten muss. Sie haben das nicht getan. Sie haben in diesem Jahr im Stellenplan 1 180 Stellen abgesetzt und im nächsten Jahr 1 800. Wenn man diese Zahlen für die Wahlperiode hochrechnet, kommt man auf 7 500, aber nicht auf 15 000. Umso wichtiger ist es, dass wir dieses Ziel 15 000 Stellen noch einmal bekräftigen.

Um dieses Ziel zu erreichen, muss man ein mittelfristiges Personalmanagement einführen. Man muss den Einstellungskorridor sichern, und man muss die Verwaltungsreform vorantreiben. Auch dies sind Punkte, die in unserem Gesetz auftauchen, und die auch dort hingehören, bei Ihnen aber leider fehlen.

Als vorletzten Punkt will ich benennen, dass wir uns vom Jährlichkeitsprinzip der Landeshaushaltsordnung verabschieden müssen, dass wir das, was an Modernisierungsinvestitionen und -innovationen notwendig ist, auch zu Lasten zukünftiger Haushaltsjahre machen müssen, wenn eine Refinanzierbarkeit gesichert ist. Wir können nicht immer notwendige Investitionen aufschieben, weil wir in diesem Jahr das Geld nicht haben, und damit Folgekosten in den späteren Jahren in Kauf nehmen, die viel teurer sind, als wenn wir jetzt investieren würden.

Die letzte Anmerkung: Wir wollen die Risiken beschränken. Wir wollen eine Deckung der Verpflichtungsermächtigung für folgende Haushaltsjahre in das Gesetz aufnehmen, damit es nicht, wie in der Vergangenheit möglich ist, dass wir heute Verträge abschließen, die zukünftige Haushalte, zukünftige Abgeordnete und zukünftige Generationen binden, die sich dagegen nicht wehren können. Diese Verpflichtungsermächtigungen müssen prozentual zum Gesamthaushalt gedeckelt werden, damit

zukünftig wieder politische Handlungsfähigkeit entsteht. Die fehlt uns im Moment, zumindest in großen Teilen, und das ist eine Folge der verfehlten Politik der letzten Jahre.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Danke schön! – Die FDP hat noch eine Restredezeit von 2 Minuten. Herr Dr. Lindner hat uns signalisiert, dies auch ausschöpfen zu wollen. – Bitte schön! Für 2 Minuten haben Sie somit das Wort.

Herr Krüger! Wissen Sie, so geht das nicht!

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Der heißt Schruoffeneger!]

Sie sagen, die Opposition gibt keine Alternativvorschläge. Wir möchten mit Ihnen beispielsweise im Personalbereich über betriebsbedingte Kündigungen und über Arbeitszeiterhöhungen reden. Da sagen Sie, das geht nicht. Das gibt es nicht. Dann sagen wir, der Senator soll hierüber Bericht erstatten und sich dieser Thematik annehmen. Dann sagen Sie wiederum, einen Bericht darf es auch nicht geben. Jedes Mal, wenn es konkret werden soll, wollen Sie sich gar nicht mit uns unterhalten, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Wir haben am 22. September Bundestagswahl. Da haben Sie keine Lust, dass Ihnen Ihre Klientel vorhält, es würde über das Thema beispielsweise betriebsbedingte Kündigungen gesprochen werden. Darum geht es doch.

[Beifall des Abg. Ritzmann (FDP)]

Sie wollen auf der einen Seite regieren, auf der anderen Seite aber nicht mit harten Maßnahmen konfrontiert werden. Sie wollen in der Regierung sitzen, aber gleichzeitig gegen Staatsbesuche demonstrieren. Sie wollen in der Regierung sitzen, sich aber über die unangenehmen Teile nicht unterhalten. Das ist doch der springende Punkt, um den es geht.

Genauso das Thema Privatisierung: Da haben Sie als alte Staatspartei auch keine Lust, sich über die Dinge zu unterhalten. Und so geht das weiter. Und wenn wir andere Vorschläge machen, wie man beispielsweise die Wohnungsämter einsparen kann und in dem Zusammenhang fordern, dass die Zweckentfremdungverbotsverordnung wegfällt, da haben Sie natürlich alle Ihre Gründe, dass diese erhalten bleibt. Nichts ist mit einem Mentalitätswechsel. Es bleibt, wie es ist. Über unangenehme Dinge wollen Sie sich nicht unterhalten, weil Sie Angst haben, dass Sie am 22. September dafür eine Quittung erhalten.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Danke schön! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Zu den Gesetzesvorlagen der Fraktion der Grünen, Drucksache 15/493 bis 15/495, empfiehlt der Antragsteller die Überweisung an den Hauptausschuss. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke schön! Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit haben wir dies so beschlossen.

Der Vorabüberweisung des Haushaltsentlastungsgesetzes 2002 an den Hauptausschusshatten wir bereits nachträglich zugestimmt. Der Hauptausschuss soll selbstverständlich die Federführung erhalten, da weitere mitberatende Überweisungen vorgeschlagen werden, und zwar an den Ausschuss für Gesundheit, Soziales, Migration und Verbraucherschutz, an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Immunität und Geschäftsordnung, an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr, an den Ausschuss für Wirtschaft, Betriebe und Technologie, an den Ausschuss für Jugend, Familie, Schule und Sport, an den Ausschuss für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen, an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung sowie an den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung. Wer diesen Überweisungen seine Zustimmung zu geben wünscht,

den bitte ich um das Handzeichen! – Danke schön! Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit ist dies so überwiesen. Selbstverständlich gelten die jetzt eben beschlossenen Überweisungen auch für den Änderungsantrag von der Fraktion der Grünen, Drucksache 15/500-1.

Um den gesamten Prozess der Beratung etwas praktikabler zu machen, müssen wir für die mitberatenden Ausschüsse eine terminliche Festlegung miteinander vereinbaren, da der Hauptausschuss in der Planung die 2. Lesung des Haushaltsentlastungsgesetzes bereits für den 19. Juni 2002 terminiert hat. Es wird daher vorgeschlagen, dass Stellungnahmen beziehungsweise Empfehlungen der mitberatenden Ausschüsse – und das bitte ich das Haus aufmerksam zu registrieren, damit sich jeder auch entsprechend darauf vorbereiten kann – dem Hauptausschuss bis spätestens 19. Juni 2002 vorliegen müssen. Bis dahin nicht beim Hauptausschuss eingegangene Stellungnahmen können dann nach dieser Vereinbarung nicht berücksichtigt werden. – Zu diesen Vorschlägen habe ich jetzt keinen Widerspruch vernommen. Damit ist dies so beschlossen.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 4 B, Drucksache 15/490:

I. Lesung der Vorlage – zur Beschlussfassung – über Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes und des Gesetzes über die Anwendung unmittelbaren Zwanges bei der Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Landes Berlin

Eine Dringlichkeit war hier nicht vorgesehen, sondern vielmehr die Vorabüberweisung. Damit entfällt für heute auch die Beratung.

Wenn ich es richtig verstanden habe, wird das Wort zur G e s c h ä f t s o r d n u n g gewünscht. Damit hat der Abgeordnete Gewalt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein sehr merkwürdiges Vorgehen des Senats und der rot-roten Koalition, das hier vorliegt. Noch am Dienstag hat der Innensenator in einer spektakulären Pressekonferenz angekündigt, das ASOG sofort und dringlich zu ändern, und das UZwG auch – sprich: Videoüberwachung und finaler Rettungsschuss. Wenn man sich den Gesetzesentwurf anguckt, ist zwar nicht viel dabei herausgekommen. Es ist letztlich das geregelt, was ohnehin schon möglich ist, aber immerhin ist die Ankündigung gemacht worden. Jetzt auf einmal hört man vom Senat, die Dringlichkeit sei gar nicht mehr geboten und werde zurückgezogen. Auf der anderen Seite soll aber eine Vorabüberweisung an den Ausschuss stattfinden. Entweder ist es dringlich, dann müsste es hier besprochen und kann anschließend im Ausschuss beraten werden, oder es ist nicht dringlich, dann braucht es auch nicht vorab in den Ausschuss überwiesen werden.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Irgendwo ist da der rote Faden nicht zu erkennen. Ich halte es für völlig unmöglich, einer Vorabüberweisung zuzustimmen, wenn Sie selbst die Dringlichkeit nicht bejahen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Danke schön. Das war ein Antrag zur Geschäftsordnung. Damit müssen wir über die Vorabüberweisungen abstimmen.

Ich stelle somit zur Abstimmung, wer den Vorabüberweisungen an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung, federführend, an den Rechtsausschuss sowie an den Ausschuss für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke schön. Die Gegenprobe!

[Zurufe von der CDU: Das war eindeutig die Mehrheit!]

(A) (C)

(B) (D)

Vizepräsidentin Michels

Stimmenthaltungen? – Ich schlage vor, da wir uns hier oben nicht einigen können, dass wir die Maschine benutzen. – [Dr. Steffel (CDU): So, nun bitte!] – Herr Dr. Steffel! Es betrifft alle Fraktionen. Insofern sollten wir den beiden Beisitzern noch die Möglichkeit geben – – [Dr. Steffel (CDU): Es gab schon eben eine Mehrheit!] – Herr Dr. Steffel! Sie wissen genauso gut wie ich, dass wir uns hier oben im Präsidium – wir haben uns im Ältestenrat mehrfach darüber unterhalten – einig sein müssen. Wir waren uns nicht einig. Damit ist klar, was wir machen, nämlich die Abstimmungsmaschine benutzen. Das tun wir jetzt auch. Wo ist Frau Beisitzerin? [Henkel (CDU): Das ist eine Posse!] – Ja, das kommt dabei heraus. [Dr. Lindner (FDP): Es wird so lange gewartet, bis auch noch Herr Flierl hereinhopst!] – Nein, es wird nicht so lange gewartet. Entschuldigung! Wir haben schon sehr genau festgestellt, wer von welcher Seite noch hereinkommt. [Dr. Lindner (FDP): Wie lange denn noch?] Ich glaube hier kann sich heute jede Seite an die eigene Nase fassen. [Unruhe] Wir beginnen dann mit der Abstimmung. Ich hoffe, Sie haben geprüft. [Unruhe] Wir beginnen die Abstimmung! [Gongzeichen] Ich bitte – – [Gongzeichen] Wir erwarten das Ergebnis. [Beifall bei der CDU, der FDP und den Grünen – Zurufe von der SPD] Mit Ja haben 33 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 39. Damit ist dieser Antrag abgelehnt. [Beifall bei der CDU, der FDP und den Grünen – Zurufe von der SPD: Es gab keinen ersten Gong! – Meldungen zur Geschäftsordnung bei der SPD] Ich unterbreche die Sitzung und bitte die Fraktionsvorsitzenden und Geschäftsführer hier nach vorn, um das zu klären. Hier gibt es erheblichen Widerspruch. [Dr. Lindner (FDP): Hier wird so lange abgestimmt, bis es dem Präsidium passt! – Unruhe] Ich unterbreche die Sitzung für wenige Minuten! [Unterbrechung der Sitzung von 18.23 bis 18.35 Uhr] Ich bitte, wieder Platz zu nehmen! – Nach dieser kurzen Auszeit – Sie haben ja vorhin die Situation hier im Saal mitbekommen – haben wir als Präsidium gemeinsam mit den Fraktionsvorsitzenden und den Geschäftsführern uns dazu verständigt: Es gilt das, was wir mit der Wiederholung dieses Abstimmungsergebnisses bereits auf der Anzeigetafel sehen konnten, und zwar ist dieser Antrag auf Vorabüberweisung abgelehnt worden. [Beifall bei der CDU und der FDP] – Ich glaube nicht, dass das ein Grund ist, hier Beifall zu klatschen. Denn die Situation war so, gestatten Sie mir diesen persönlichen Hinweis als amtierende Präsidentin, dass aus allen Fraktionen sicherlich Grund ist, darüber nachzudenken, wie wir hier mit Anwesenheiten und mit der ernst zu nehmenden Aufgabe verantwortungsvoll umgehen. Ich bitte, zukünftig zu beachten, dass wir selbstverständlich für die Abgeordneten nicht die Verantwortung der Anwesenheit hier im Saal übernehmen können. Das steht uns nicht zu. Ich bitte, das auch für die weitere Arbeit so zu berücksichtigen. [Unruhe]

Die I. Lesung dieses Gesetzes findet – – Ich bitte Sie, sich wieder zu beruhigen. Wir können diese Sitzung auch schließen,

[Beifall bei der CDU, der FDP, der PDS und den Grünen]

wenn wir als Präsidium hier vorn keine Möglichkeit mehr haben, die entsprechende Disziplin durchzusetzen. Die Verantwortung tragen Sie natürlich, tragen wir alle selbst. – Hier waren jetzt Wortmeldungen, habe ich da was übersehen? Herr Benneter? – Bitte schön, Herr Benneter hat das Wort! G e s c h ä f t s o r d n u n g s a n t r ä g e entsprechend unserer Geschäftsordnung immer von vorn, Herr Benneter. – Das Wort hat der Abgeordnete Benneter. – Bitte schön!

[Dr. Steffel (CDU): Bundestagswahlkampf!]

Meine Damen und Herren! Ich beantrage die Wiederholung der Abstimmung. Denn ich habe mich an der Abstimmung beteiligt, aber mein Anzeigegerät hat mir gezeigt, dass mein Votum nicht registriert worden ist.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall der PDS]

Und wenn das so ist, dann beantrage ich als Abgeordneter, dass ich an einer solchen Abstimmung auch wirklich teilhaben kann. Deshalb muss die Abstimmung wiederholt werden, wenn aus technischen Gründen meine Stimme nicht gezählt werden konnte, obwohl ich die ganze Zeit im Saal war.