Protokoll der Sitzung vom 13.06.2002

und ihm ganz ausführlich Raum gegeben haben, genauso und eher länger als Herrn Boddien und anderen, seine Vorstellungen mit uns zu erörtern.

Herr Dr. Lindner! Wird eine Frage daraus? – Nein, dann war es keine Frage.

Die Frage war, ob ich das zur Kenntnis genommen habe. Bisher war es mir nicht aufgefallen, aber jetzt haben Sie es mir gesagt, und ich kann mich dem nicht entziehen, es zur Kenntnis zu nehmen.

[Gaebler (SPD): Davon findet sich aber nichts in den Anträgen!]

Das allein ist aber noch nicht die Frage, Herr Dr. Lindner, sondern die Frage ist, ob dieses stete Misstrauen gegen die heutige Ausdrucksform unserer Gesellschaft angebracht ist. Es gibt Bauwerke, bei denen die Verbindung von Alt und Neu gelungen ist, es gibt Bauwerke in der Welt, bei denen in ein historisches Ensemble hinein ganz bewusst moderne Architektur formuliert worden ist. Ich glaube auch, dass es sinnvoll ist, wenn wir dabei bleiben, dass man einem Gebäude von außen ansehen kann, was innen drin ist – ob es sich um ein Bürogebäude handelt, ob es sich um ein Wohngebäude handelt, ob es sich um eine Universität handelt, ob es sich um ein Museum handelt oder aber ob es sich um ein Schloss handelt.

[Hahn (FDP): Wo sind Sie denn hier drin?]

Was bei dieser Debatte übersehen wird ist: Es soll von außen ein Schloß sein und von innen ein moderner Ort mit den modernsten Technologien zur Auseinandersetzung mit den Kulturen dieser Welt. Die Frage, ob das so einfach und bruchlos zusammenpasst, diese Frage ist erlaubt und muss auch beantwortet werden. Wir werden dazu kommen, das Staatsratsgebäude, wie gesagt, der Business School zu überlassen und mit ihr zu vereinbaren, dass es öffentlich zugänglich bleibt. Wir werden bei der städtebaulichen Neuformulierung der Berliner Mitte nicht drum herum kommen, auch unter der Überschrift, dass die Schlossfreiheit bebaut werden soll, klipp und klar zu sagen, dass der Palast der Republik keine Zukunft hat und nicht in Form eines Kompromisses in die Neubebauung dieses Areals integriert werden kann. Ich weiß, dass das eine schwierige Debatte ist, insbesondere im Hinblick auf den Volkskammersaal, in dem die Entscheidung getroffen worden ist zum Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland. Ich hätte aber die große Sorge, dass wir nicht mehr als einen beliebigen Kompromiss in Berlin hinbekämen. Deswegen glaube ich, dass sich die Aufwendungen für die Wiederherstellung und Wiederbenutzbarmachung des Palastes der Republik nicht lohnen werden.

Der Senat hat zusammen mit der Bundesregierung vereinbart, eine Arbeitsgruppe unter Leitung von Herrn Nida-Rümelin einzusetzen, an der die verschiedenen Stellen der Bundesregierung und des Senats beteiligt sind, an der auch die ins Auge gefassten Hauptnutzer beteiligt sind. Es wird jetzt darauf ankommen, im Einzelnen darzulegen, welches Nutzungskonzept mit welchem Raumanspruch in diesen Baulichkeiten untergebracht werden soll. Auf dieser Grundlage muss ein realistisches Finanzierungskonzept vorgelegt werden.

Ich halte es für falsch, heute zu versprechen, wann der Bau dieses Schlosses beginnen kann und wann er beendet werden muss. Das größte Problem ist nämlich, dass wir bisher den Finanzier noch nicht haben.

[Beifall des Abg. Radebold (SPD)]

Und Mark Twain hat einmal gesagt: Die Wurzel allen Übels ist der Geldmangel – das ist auch hier so.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Vielen Dank, Herr Senator Strieder! Zur Besprechung der Großen Anfrage bzw. zur Beratung der Anträge steht den Fraktionen nach unserer Geschäftsordnung eine Redezeit bis zu zehn Minuten zur Verfügung. Es beginnt die CDU mit dem Herrn Kollegen Wellmann – bitte schön, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort des Senats auf die Große Anfrage der CDU ist in jeder Hinsicht enttäuschend, was uns nicht wundert nach dem ganzen konzeptionslosen Durcheinander, das Sie in der

Schlossdebatte angerichtet haben. Ihre Rede, Herr Strieder, war der beste Beweis dafür; Sie haben hier im Nebel herumgestochert, keiner weiß, was Sie eigentlich wirklich wollen und gesagt haben. [Beifall bei der CDU und der FDP]

Vom Regierenden Bürgermeister weiß man, dass er eigentlich gegen den Wiederaufbau des Schlosses ist. Von Herrn Strieder weiß man das nicht so recht, weil er sich, wie so oft, in der Sache nicht äußert. Der Kultursenator Flierl hat im Abschlussbericht der Expertenkommission mit sehr blumigen und umständlichen Worten zu Protokoll gegeben, er sei für den Erhalt von Honeckers Palast, den er, so wörtlich, als Ganzes in den Neubau einbeziehen wolle. Aber da ist ja Gott sei Dank noch der Senator Sarrazin. Mit Freude haben wir in der „Morgenpost“ vom 16. Mai Ihr Bekenntnis zum Wiederaufbau des Schlosses mit barocker Fassade gelesen, vielen Dank für dieses Bekenntnis!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Bravo! von der FDP]

Mit anderen Worten: Der Senat redet durcheinander, es fehlt jegliches Konzept, was mit dieser Brachfläche im Herzen Berlins geschehen soll. Diese Konzeptionsloskeit scheint ja selbst dem Bundeskanzler inzwischen zuviel zu werden. Von dem weiß man nämlich, dass er für den Wiederaufbau des Schlosses mit barocker Fassade ist. Es scheint so, als wolle er die Planlosigkeit des Senats nicht länger mitansehen und zwar deshalb, weil dem Ansehen der Stadt inzwischen schwerer Schaden zugefügt wird. Warum ist das so? Auf dem Schlossplatz stehen seit Jahren die ruinierten Reste dessen, was Herr Flierl neulich mit einer gewissen Rührung als Erichs Lampenladen bezeichnet hat und was Wolf Jobst Siedler, allerdings viel treffender, als sozialistische Notdurftarchitektur bezeichnet hat. Mit ausländischen Besuchern traut man sich kaum noch an diesen Ort. Wenn man aus dem Dom kommt und guckt auf die Situation, so fühlt man sich in das Bukarest zu Zeit Ceaucescus versetzt.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Liebich (PDS): Peinlich!]

Mit dieser Ruine dort, ich will es noch einmal zuspitzen, ist die Situation im Herzen Berlins eine Schande. Herr Strieder, da Sie seit 1996 Bausenator sind, tragen Sie ein gerüttelt Maß Verantwortung für diesen Zustand.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von der PDS]

Wenn Sie ein Konzept zum Schloss haben, dann ist es Ihnen fabelhaft gelungen, dieses Konzept vor der Öffentlichkeit zu verschleiern.

Öffentlichen Bauherren fehlte es nach dem Krieg nur zu oft am eigenen ästhetischen Urteilsvermögen. Und deshalb haben sie die Entscheidung darüber, wie gebaut werden soll, viel zu oft Kommissionen überlassen. Die Ergebnisse waren entsprechend, ich nenne nur die urbanen Zerstörungen, welche durch die Schneisenideologie angerichtet wurden, nehmen Sie die Bundesallee oder Brandenburgische Straße. Namen wie Schwedler und, noch viel schlimmer, Riebschläger stehen für diese fatale Politik.

[Niedergesäß (CDU): Aha!]

Von der Öde sozialistischer Weltstadtarchitektur will ich gar nicht reden, wenn ich nur an den Alexanderplatz oder die KarlMarx-Allee denke. Und auch für den Schlossplatz wurden, nach schöner Nachkriegstradition, Kommissionen eingesetzt. Bei der letzten Expertenkommission schien es ja zunächst, Herr Strieder, als hätten Sie dafür gesorgt, dass die personelle Besetzung für ein Ergebnis garantieren werde, was Ihnen genehm ist.

[Sen Strieder: Sehen Sie mal, so täuschen Sie sich!]

Zu verräterisch, Herr Strieder, waren Ihre Äußerungen im zuständigen Ausschuss. Auf die Frage, was Sie nun mit dem Bericht der Expertenkommission machen wollen, haben Sie gesagt, das sei ja ganz interessant, was die Damen und Herren da so verfasst hätten, aber der Senat werde schon selbst entscheiden, wie zu verfahren sei. Aber auch hier haben Sie geirrt. Die Kommission hat nämlich ausgezeichnete Arbeit geleistet, was vor allem ihrem

Vorsitzenden, Hannes Swoboda, zu verdanken ist. Doch was passiert nun? Nach den Erklärungen des Senats – gar nichts. Der Höhepunkt der Peinlichkeit ist das Votum des Senators Flierl im Bericht. Der hat tatsächlich gesagt, wörtlich – man muss es zweimal lesen –:

Die Bebauung des Schlossplatzareals soll in einem Wettbewerb geklärt werden. Die Kommission trifft dafür keine Festlegung über die Orientierung und Baulinien der zukünftigen Bebauung.

Das hat Herr Flierl zu Protokoll der Expertenkommission gegeben. Das ist nun wirklich nur noch peinlich und hilflos. Zu welchem Zweck haben Sie denn eigentlich die Kommission eingesetzt? Die haben ein Ergebnis erzielt, das Ihnen nicht passt, und deshalb muss eine neue Kommission her. Deshalb setzen Sie auch eine neue Kommission ein.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Übrigens passt in dieses Bild der heutige Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen.

[Frau Senftleben (FDP): Jawoll!]

Das ist nun wirklich das typische Wischiwaschi, was wir von Ihnen seit langem gewohnt sind.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Ihnen fehlt die Kraft für eine Entscheidung, und deshalb eiern Sie genauso rum, wie Herr Strieder das eben gemacht hat. Das zeigt jede einzelne Formulierung Ihres Antrages. Erstaunlich ist nur, dass Herr Wolf das unterschrieben hat, das ist nun wirklich weit unter seinem intellektuellen Niveau.

[Heiterkeit bei der FDP]

Was müsste geschehen? Die Kommission empfiehlt ein Bauwerk mit Grundriss und in Höhenmaßen des einstigen Schlosses in seiner baulichen Gestalt unmittelbar vor der Zerstörung. Also ein Baukörper, dessen Volumen und Baumasse genau dem alten Schloss entspricht. Dies ist richtig, denn alle historischen Gebäude drumherum – übrigens die meisten von ihnen nach dem Krieg rekonstruiert – beziehen sich in Gestalt und Ausrichtung auf das Schloss. Das gilt insbesondere für die Linden, die auf das Schloss hinführen. Und weil dies so ist, gibt es kaum noch ernst zu nehmende Stimmen, die sich dem Wiederaufbau dieses Baukörpers widersetzen. Und jetzt stellen sich eigentlich nur noch drei Fragen.

Erste Frage: Kann der Palast der Republik einbezogen werden? Diese Frage ist leicht zu beantworten. Ästhetisch und ökonomisch führt kein Weg an dem Abriss des Palastes der Republik vorbei. Die Palastruine ist unvereinbar mit einem neuen Baukörper. Allerdings, das wird Sie überrraschen, ist für die Fraktion der CDU gut vorstellbar, Teile des Palastes zu verwenden, wir denken da insbesondere an das Kellergeschoss.

[Heiterkeit bei der PDS, den Grünen und der FDP – Wieland (Grüne): Bowlingbahn!]

Die zweite Frage ist, welche Fassade mit welchem Inhalt gebaut wird. Das ist die wichtigste Frage. Bei der Beantwortung der Frage muss man sich die Umgebung ansehen. Das architektonische Gesicht der umgebenden Gebäude wird bestimmt von den großen Baumeistern Preußens Knobelsdorff, Schlüter, Nehring, Gerlach, Unger, Boumann und Schinkel. Sie haben ein einmaliges Ensemble hinterlassen. Das gilt mit Abstrichen aber auch für Raschdorffs Dom. Diesem Anspruch kann letztendlich nur eine Barockfassade entsprechen. Hier sind wir uns mit der Kommission und vor allem mit dem uns verehrten Senator Sarrazin völlig einig.

Die dritte Frage ist, welche Nutzung in Betracht kommt. Ich kann es auch mit anderen Worten formulieren: Was kommt hinter die Fassade?

Herr Kollege Wellmann! Ermöglichen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Wieland?

Herr Wieland! Bitte! Sie haben das Wort zu einer Zwischenfrage!

Herr Kollege Wellmann! Nachdem Sie nun so ausführlich Persönlichkeiten wie den früheren Bausenator Schwedler und andere bemüht haben und von einem Herumeiern von Rot-Rot, was die Wiederaufbaupläne angeht, gesprochen haben, möchte ich wissen, ob Sie sich daran erinnern können, welchen klaren Standpunkt Eberhard Diepgen und Volker Hassemer in dieser Frage hatten. Oder habe ich es falsch in Erinnerung, dass sie auch nicht den Wiederaufbau des Schlosses wollten?

Bitte schön, Herr Kollege Wellmann!