Protokoll der Sitzung vom 13.06.2002

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Paragraphen miteinander zu verbinden. Hierzu höre ich keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift, die Einleitung sowie die §§ 1 und 2 der Beschlussvorlage. Der Ausschuss empfiehlt einstimmig bei Stimmenthaltung der Fraktionen der FDP und der Grünen die Annahme dieses Gesetzes. Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Deshalb schließe ich die Einzelberatungen und verbinde die Einzelabstimmungen mit der Schlussabstimmung. Wer dem Gesetz zum Staatsvertrag in der Fassung der Beschlussvorlage Drucksache 15/335 seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit ist dieses Gesetz bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP und der Grünen mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 1 C, Drucksache 15/556:

II. Lesung der Vorlage – zur Beschlussfassung – über Gesetz über die Aufhebung des Gesetzes über den Abbau der Fehlsubventionierung im Berliner Wohnungswesen, Drucksache 15/492, gemäß Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 5. Juni 2002 und des Hauptausschusses vom 12. Juni 2002

in Verbindung mit

lfd. Nr. 8, Drucksache 15/486:

Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 22. Mai 2002 und des Hauptausschusses vom 31. Mai 2002 zum Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der PDS und der Fraktion der CDU über Verzicht auf Erhebung der Fehlbelegungsabgabe, Drucksache 15/329

Wird hier der Dringlichkeit widersprochen? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Ich eröffne somit die II. Lesung, Drucksache 15/556 und schlage wiederum vor, die Einzelberatung der 3 Paragraphen miteinander zu verbinden. Hierzu höre ich keinen Widerspruch. Ich rufe auf die Überschrift, die Einleitung sowie die §§ 1 bis 3 in der Beschlussvorlage Drucksache 15/492. Eine Beratung ist bis zu 5 Minuten pro Fraktion vorgesehen. Ich erteile zunächst das Wort für die Fraktion der Grünen der Abgeordneten Frau Oesterheld. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fehlbelegungsabgabe wird erhoben, wenn eine hoch subventionierte Wohnung von Mietparteien bezogen wird, die auf Grund ihres Einkommens die normale Miete bezahlen können. Die normale Miete bedeutet die Miete bis zum mittleren Mietspiegel. Bedürftige zahlen wesentlich weniger. Die Idee ist ganz einfach: Wer eine solche Wohnung nicht wirklich benötigt, soll zumindest mit einer Ausgleichszahlung dazu beitragen, dass für andere solche Wohnungen geschaffen werden können. Ein einfaches und ein sehr gerechtes System. Darüber hinaus ist es ein wohnungspolitisches Steuerungsinstrument, mit dem man auch den unterschiedlichen Entwicklungen, den negativen Entwicklungen, begegnen kann. Zunächst wurden einzelne Häuser aus der Fehlbelegungsabgabe herausgenommen, dann Blöcke, dann ganze Siedlungen. Dann war es so, dass keiner mehr wusste, nach welchen Maßstab die Fehlbelegungsabgabe abgeschafft wurde, und es entstanden extreme Ungerechtigkeiten. Die eine Straßenseite musste Fehlbelegungsabgabe zahlen, die andere Straßenseite war befreit, und keiner konnte den Unterschied feststellen, weil mit diesem Instrument nicht differenziert genug umgegangen wurde.

Außerdem war auch klar: Das Abschaffen der Fehlbelegungsabgabe allein nützt gar nichts, wenn nicht die Hauseigentümer selbst an ihren Häusern etwas unternehmen. Das hat sich an vielen Stellen gezeigt, und deshalb ist auch der Ärger besonders groß, dass es nie eine Kombination zwischen Aufhebung der Fehlbelegungsabgabe und des In-Verantwortung-Nehmens der Hauseigentümer gab. Das waren auch schon die Fehler der Vergangenheit. Nachher musste dann mit so etwas wie Quartiersmanagement nachgeholfen werden, weil die Hauseigentümer offensichtlich dazu nicht in der Lage waren.

Jetzt aber, bei der Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe, gibt es kein wohnungspolitisches Argument mehr. Es wird auch gar nicht angeführt. Als einziges wird angeführt, dass die Verwaltungskosten so hoch seien. Und weil die Verwaltungskosten so hoch seien, lohne sich das Ganze nicht mehr. Gucken wir uns einmal an, was das Land Berlin im letzten Jahr eingenommen hat: Das sind 14 Millionen $, davon betragen die Verwaltungskosten 30 bis 40 %. Nun könnte man ja auch umgekehrt sagen, dass diese Einnahme die Kosten deckt und darüber hinaus noch einige Möglichkeiten für die Förderung von sozialen Wohnraum schafft. Aber das ist hier offensichtlich nicht mehr gewollt.

Sie haben dazu, so weit ich weiß, ein neues Computerprogramm gekauft, was noch zusätzlich Personal einsparen soll. Dieses Computerprogramm ist zwar noch nicht ganz fertig, aber jetzt schaffen wir schon einmal die Fehlbelegungsabgabe ab, dann brauchen wir nämlich das Computerprogramm auch nicht mehr. Vielleicht können sie uns berichten, wie hoch die Investitionskosten für dieses Computerprogramm gewesen sind. Dies ist noch zusätzlich unsinnig.

Rechnen wir einfach nur mit 10 Millionen $, die über die Fehlbelegungsabgabe hereinkommen. Mit Kofinanzierung des Bundes sind dies 20 Millionen $. In der Altbausanierung ist eine Verfünffachung der Förderung möglich, weil sie private Investitionen in dieser Größenordnung anzieht. Das heißt, wir hätten 100 Millionen $ für die Stadterneuerung. Aber nach Ihrer Rechnerei lohnt sich ja so etwas nicht. Rechnet man dann noch die Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, die das Arbeitsamt bisher mit finanziert hat und die Sie jetzt vollkommen wegfallen lassen, dazu, wird der Nutzen noch größer. Hinzu kommen schließlich die Probleme der kleinen und mittleren Baubetriebe, die gerade in dieser Modernisierung sehr aktiv sind und ihre Betätigung finden. Sie werden von der Maßnahme besonders getroffen.

Die Milliarden Euro, die das Land noch langfristig für den sozialen Wohnungsbau ausgeben muss, bringen nicht nur Herrn Niedergesäß immer in Wallung,

[Hillenberg (SPD): Zu Recht!]

wenn er nämlich darüber schimpft, wie hoch die Kosten für diesen sozialen Wohnungsbau sind. Aber dass man jetzt ohne Not auf die daraus möglichen Einnahmen verzichtet, ist doch nur ein Geschenk an die, die eben nicht die Bedürftigen sind, weil sie sonst keine Fehlbelegungsabgabe zahlen müssten. Das ist es, was ich Ihnen vorwerfe: Dass die Geschenke an die nicht Bedürftigen gehen, während die Sparmaßnahmen im Allgemeinen immer die Bedürftigen treffen.

[Beifall bei den Grünen]

Am Deutlichsten wurde der Unsinn im Bauausschuss, als vorgeschlagen wurde: Ja, wenn die Wohnungen so gut sind, dass man höhere Mieten nehmen kann, dann subventionieren wir eben und zahlen diese Milliarden für den sozialen Wohnungsbau, aber der Hauseigentümer kann dann höhere Mieten verlangen. Das ist ja eine ganz tolle Idee. Die Vorstellung, die bei Ihnen dahinter steht, dass das Land Berlin mit Steuergeldern die subventionierte Miete zahlt und hinterher der Hauseigentümer dasteht und sagt: Weil die Fehlbelegungsabgabe weg ist, kann ich jetzt eine höhere Miete nehmen –, ist das Absurdeste, was wir je in diesem Parlament gehört haben.

[Beifall bei den Grünen]

Sie wissen alle ganz genau, dass diese Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe keine wohnungspolitische Notwendigkeit ist. Es ist ein Beglückungsgeschenk für ganz bestimmte Haushalte. Ich glaube, dass wir uns diese 10 Millionen $, die uns hier entgehen, in dieser finanziellen Situation nicht leisten können.

[Beifall bei den Grünen]

Für die Fraktion der SPD hat das Wort Herr Abgeordneter Schimmler! – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben diese Debatte sehr ausführlich im Bauausschuss geführt, und leider hat sich an den Argumenten der Kollegin Oesterheld nicht sehr viel geändert.

[Wieland (Grüne): An Ihren ja wohl auch nicht, Herr Schimmler!]

Das werden Sie jetzt gleich hören. Sie sollen nicht immer so voreilig sein, Herr Kollege Wieland.

[Wieland (Grüne): Ich kenne Sie!]

Erst einmal abwarten.

[Beifall bei der SPD]

Wir haben in den vergangenen Jahren unter verschiedensten Regierungen deutlich erkannt, dass mit der Fehlbelegungsabgabe eines in jedem Fall erreicht wird: dass bestimmte Stadtquartiere nicht mehr die Mischung haben, die sie haben sollten.

[Beifall des Abg. Doering (PDS)]

Das hat dazu geführt, dass wir zweimal eine große Anzahl von Wohnungen, ganze Teile dieser Stadt, aus der Fehlbelegungsabgabe herausgenommen haben mit der Folge, die Sie im Gesetzentwurf jetzt auch noch einmal zahlenmäßig nachvollziehen können, dass nur noch ein geringer Teil von Einnahmen für das Land Berlin erzielt wird.

[Zuruf der Frau Abg. Oesterheld (Grüne)]

Und im Übrigen, Frau Oesterheld, werden davon nicht 30 Prozent für Verwaltungskosten, sondern, wenn Sie richtig nachgelesen hätten, bis zu 55 Prozent ausgegeben. Nicht ganz umsonst hat der Senat in seiner Vorlage darauf hingewiesen, dass die Angemessenheit der Ausgaben für Verwaltungsaufgaben ganz woanders angesiedelt worden ist, nämlich bei 15 Prozent. Sie kommen jetzt mit dem Argument, das sei jetzt sozusagen für den Rest. Dahinter steht noch immer die Überlegung, wir hätten auch noch Sozialbauwohnungen in Zehlendorf, und der Professor, der dort wohnt, weil es dort einst als Student eingezogen ist, könnte die Fehlbelegungsabgabe bezahlen.

[Wieland (Grüne): Wo wohnen Sie denn?]

Die materielle Gerechtigkeit würden wir auch bei anderen Punkten nicht immer finden, aber wie sieht es denn sonst im Stadtgebiet aus? – Auf Grund der Tatsache, dass wir die Gebiete abgegrenzt haben, finden Sie in der Stadt Straßen, wo auf der einen Seite die Fehlbelegungsabgabe noch erhoben wird, auf der anderen Straßenseite jedoch nicht. Wer sind dann die Bedürftigen oder die Nicht-Bedürftigen, von denen Sie, Frau Kollegin, gerade gesprochen haben? – Wenn Sie sich das einmal dort ansehen, woher ich komme, dem Innenstadtbezirk Mitte

[Wieland (Grüne): Sagen Sie doch „Wedding“!]

Wedding, dann sind dort die meisten Fehlbeleger – wir haben das damals von unserem Wohnungsamt untersuchen lassen – kleine Familien. Zum Beispiel der Polizist mit seiner Ehefrau, die Verkäuferin in einem Kaufhaus ist, mit einem Kind, die sind nach unseren Richtlinien bereits Fehlbeleger. Wenn Sie dann meinen, dass man die nicht unterstützen muss, dann liegen Sie augenscheinlich in Ihrer sozialpolitischen Argumentation ziemlich schief, weil Sie offensichtlich ein anderes idyllisches Bild von der Situation haben.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Gerade diese Personengruppen sollen doch von der Fehlbelegungsabgabe ausgenommen werden.

[Wieland (Grüne): Dann ändern Sie doch die Vermögensgrenzen!]

Das können wir doch nicht so einfach, wie Sie ja wissen, Herr Kollege Wieland! – Wenn Sie dann allerdings sehen, dass wir gleichzeitig erhebliche Ausgaben für die Verwaltung haben – die wir nun einsparen können –, dann ist dies ein vernünftiger Punkt.

Die Koalitionsfraktionen haben deshalb diesen Antrag im März eingebracht. Die CDU-Fraktion unterstützt den Antrag. Der Senat hat dankenswerterweise einen Gesetzentwurf eingebracht. Ich bitte Sie, sowohl unserem Antrag, wie wir ihn im Ausschuss beschlossen haben, zuzustimmen, als auch diesem Gesetz endlich zur Rechtskraft zu verhelfen. Die Bezirksbürgermeister aller Parteien haben sogar darum gebeten, dass es möglichst schon zum 1. Juli in Kraft treten soll, das werden wir nicht schaffen, aber deshalb soll uns nichts daran hindern, dass es jetzt schnell auf den Weg gebracht wird.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön! – Für die CDUFraktion hat das Wort der Abgeordnete Wansner!

[Wieland (Grüne): Noch so ein Fehlbeleger!]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Oesterheld! Ich habe sehr oft Verständnis für Ihre Forderungen im Bauausschuss. Aber seien Sie mir nicht böse, bei der Fehlbelegungsabgabe haben Sie die Zeichen der Zeit wirklich nicht erkannt.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Herr Schimmler! Bei der SPD-Fraktion allerdings hat es lange, sehr lange gedauert, bis Sie heute zu diesem Redebeitrag gefunden haben.