Protokoll der Sitzung vom 13.06.2002

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bau- und Wohnungswesen sowie des Hauptausschusses zum Verzicht auf die Erhebung der Fehlbelegungsabgabe war längst überfällig und von der CDU-Fraktion auch schon seit Jahren gefordert. Allerdings, das sage ich deutlich, weil diese Beschlussempfehlung so spät kommt, kommt sie für einige Bezirke bereits zu spät. Die von Bausenator Strieder durchgeführte Befreiung von der Fehlbelegungsabgabe für einige Stadtquartiere, in den unterschiedlichsten Bezirken, hat den Problembezirken nicht geholfen, weil es den Mietern in vergleichbaren Wohnverhältnissen und in den gleichen Bezirken, insbesondere in Neukölln und Kreuzberg-Friedrichshain, nicht erklärbar war, weshalb sie Fehlbelegungsabgabe zahlen müssen und ihre Nachbarn im Nebenhaus davon befreit waren. Dies hat zu Ungerechtigkeiten in den Bezirken, in den Quartieren geführt und hat uns in den Bezirken nachweislich geschadet.

[Beifall bei der CDU]

Unsere Forderung von damals, zumindest die Bezirke Neukölln und Kreuzberg-Friedrichshain im Ganzen von der Fehlbelegungsabgabe zu befreien, war im Nachhinein richtig, weil wir den Mietern in diesen Problembereichen – ebenso denen in den Nachbarbezirken – nachvollziehbar hätten erklären können, wie schwierig die Lage zwischenzeitlich geworden ist. Sie waren dazu leider nicht bereit. Stattdessen hat es der Bausenator – und das werfen wir Ihnen vor – durch Untätigkeit dazu kommen lassen, dass die Besserverdienenden aus diesen Quartieren weiterhin weggezogen sind und es zu einer Konzentration sozialer Problemfälle gekommen ist. Dabei ist eine funktionierende soziale Mischung im sozialen Wohnungsbaubestand in Berlin lebensnotwendig. Auch in Zukunft muss in diesen Bereichen und diesen Wohnorten allen Bevölkerungschichten das Leben und Wohnen ermöglicht werden. Normalverdiener mit einer Sonderabgabe aus diesen Wohnbereichen zu vertreiben, war weder

sozial noch finanzpolitisch sinnvoll. Die Ergebnisse, Herr Strieder, sehen Sie heute in diesen Bezirken. Sie waren doch einmal Kreuzberger Bezirksbürgermeister.

[Sen Strieder: Ich bin heute noch Kreuzberger Abgeordneter, sogar direkter, Herr Wansner!]

Von Ihnen hätte ich erwartet, dass Sie auf die Probleme in diesen Bezirken eingehen. Sie haben doch eine Staatssekretärin, die dort noch länger Stadträtin war als Sie. Von Ihnen hätte ich erwartet, dass Sie auf die Probleme von Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg eher eingehen und sie nicht vor sich herschieben. Insgesamt haben Sie, seien Sie nicht böse, von Ihrem Versagen abzulenken versucht. Sie haben mit dem Quartiersmanagement einige kostenintensive Bereiche aufgebaut. Wenn Sie die Fehlbelegungsabgabe vorher abgeschafft hätten, wären dies für die Stadt Berlin sicherlich kostengünstiger gewesen. Dieses Quartiersmanagement vor Ort – das wissen Sie auch, auch Sie brauchen nicht dazwischen zu sprechen –

[Doering (PDS): Er hat nur gesagt, dass Klemann dafür verantwortlich war!]

führt in den Bezirken zu einem Eigenleben und ist verhältnismäßig teuer. Ich kann Sie nur auffordern, endlich einmal Forderungen aufzunehmen, die die Wohnungswirtschaft erhebt und zwar sich gemeinsam mit ihr und den Mietern vor Ort darüber Gedanken zu machen, wie wir die Quartiere wieder zurückbekommen, das heißt, wie wir die Menschen, die möglicherweise aus diesen Bezirken weggezogen sind, wieder zurückholen. Denn eines ist Ihnen hoffentlich klar: Wenn es uns nicht gelingt, die Quartiere wieder positiv zu entwickeln, dann wird es sicher eine Tages schwierig in der Stadt werden. Deshalb ist der Wegfall der Fehlbelegungsabgabe richtig, er kommt aber zu spät. Darum meine Bitte: Verhandeln Sie endlich mit der Wohnungswirtschaft, damit wir in Friedrichshain-Kreuzberg, auch in Neukölln, endlich wieder mehr lebenswerte Bereich erhalten.

[Beifall bei der CDU]

Danke schön! – Für die PDSFraktion hat nunmehr das Wort der Abgeordnete Spindler – bitte schön!

Danke, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Dass wir heute den Antrag, den die Koalition eingebracht hat und auf den die CDU-Opposition aufgesprungen ist im Ausschuss, gemeinsam mit der abschließenden Beratung des Gesetzentwurfs behandeln, zeigt ja deutlich, dass dieser rotrote Senat schneller handelt, als dieses Parlament mit seinen Anträgen vorankommt.

[Niedergesäß (CDU): Oh!]

Ich hoffe, dass das auch in Zukunft in diesem Tempo weitergeht mit diesem Senat und mit den entsprechenden Beschlüssen und Gesetzen.

[Vereinzelter Beifall bei der PDS und der SPD]

Frau Oesterheld hat zu Recht darauf hingewiesen, welche Bedeutung die Fehlbelegungsabgabe, also diese Ausgleichsabgabe, hat, in der Vergangenheit hatte und sie auch heute noch hat. Jawohl, Frau Oesterheld, diese Berechtigung ist auch gegeben. Aber gleichzeitig hat ja der Bundesgesetzgeber auch mit der Novelle des Wohnraumförderungsgesetzes im vergangenen Jahr deutlich gemacht, dass man darauf verzichten kann und wohl auch sollte, wenn der Verwaltungsaufwand in einem unangemessenen Verhältnis zu den erwarteten Einnahmen steht. Herr Kollege Schimmler hat darauf hingewiesen: Wir haben es gegenwärtig mit einem Verwaltungsaufwand im Verhältnis zu den Einnahmen von 40 bis 45 % zu tun – das ist alles andere als angemessen –, und zum Zweiten, das ist ein wohnungspolitisches Instrument, dass der Sozialwohnungsbestand als Wohnort für breite Schichten der Bevölkerung erhalten und stabile Bewohnerstrukturen gewährleistet werden sollen. Und da hilft es eben nicht mehr weiter, wenn wir so wie in den vergangenen Jahren popelweise einige Großsiedlungen herausgreifen und dort die Fehlbelegungsabgabe aussetzen, zuletzt gesche

hen am 1. Juli des vergangenen Jahres, woran Sie auch nicht ganz unbeteiligt waren, bis 2006. Damit ist dann jetzt Schluss. Wir werden in diesem Jahr für weitere 18 500 Haushalte diese Fehlbelegungsabgabe abschaffen. Das bringt für diese Haushalte durchschnittlich eine Entlastung bis zu 816 $ im Jahr, so, wie jetzt schon 89 000 Haushalte von dieser Fehlbelegungsabgabe ausgenommen sind. Zum Verwaltungsaufwand habe ich schon etwas gesagt.

Auch der Rat der Bürgermeister hat diesem Gesetz im Wesentlichen zugestimmt. Herr Kollege Schimmler hat das ja erwähnt. Am liebsten wollte der Rat der Bürgermeister, dass dies schon zum 1. Juli in Kraft tritt. Ganz so schnell geht es natürlich nicht, der 1. September ist aber auch nicht schlecht. Die Einnahmen würden sich, wenn wir die Fehlbelegungsabgabe abschaffen, in diesem Jahr auf 5 Millionen $ belaufen. Dem stehen allerdings auch Ausgaben für das Personal in Höhe von 2,4 Millionen $ entgegen. Dies ist der erste Schritt zur Abschaffung der bezirklichen Wohnungsämter. Wir hatten das im Zusammenhang mit der Abschaffung der Zweckentfremdungsverbotsverordnung hier schon ansatzweise diskutiert. Es sind dann Überlegungen anzustellen, wie wir die übrigen Aufgaben der Wohnungsämter auf andere bezirkliche Ämter übertragen können.

Herr Kollege Wansner, Sie hatten gesagt, dass die SPD da jetzt ihre Meinung geändert hätte, und ich glaube, das ist irgendwie der alte Kampf der letzten Jahre zwischen CDU und SPD. Entscheidend ist, was hinten rauskommt. Sie haben jahrelang gefordert und regiert, wir regieren jetzt und setzen um und handeln entsprechend und schaffen die Fehlbelegungsabgabe ab; und das unterscheidet uns eben.

Frau Oesterheld, Sie hatten gesagt, ein Computerprogramm wurde extra angeschafft. Ich finde das zwar verkehrt, wenn man davon ausgeht, dass die Fehlbelegungsabgabe abgeschafft werden soll. Nur, Ihre Logik, weil wir das Computerprogramm fälschlicherweise angeschafft haben, müsste nun die Fehlbelegungsabgabe weiter erhoben werden, ist etwas absurd.

[Vereinzelter Beifall bei der PDS und der SPD]

Zum Abschluss, Frau Oesterheld, das kann ich Ihnen auch nicht durchgehen lassen, jetzt vielleicht doch etwas ernster: Sie haben in einer Presseerklärung in dieser Woche vieles Richtige gesagt über den Sinn der Fehlbelegungsabgabe an sich. Nur eines geht nicht: wenn Sie jetzt behaupten, dass dadurch einkommensschwächere Mieter aus sozialen Wohnungen verdrängt und die Konkurrenz um preisgünstige Wohnungen steigen würde. Ich finde, hier bauen Sie einen Popanz auf, der nur zu Verunsicherung der Mieterinnen und Mieter in dieser Stadt beitragen kann. Lassen Sie also diesen Unsinn!

[Beifall bei der PDS, der SPD und der FDP]

Wenn etwas an Ihrer Presseerklärung stimmt, dann ist es mit Sicherheit Ihr Abschlusssatz, wo Sie sagen, dass mit dieser Entscheidung der rot-rote Senat die Umverteilungspolitik von oben nach unten im sozialen Wohnungebau fortsetzen würde. Das haben Sie sicherlich nicht gemeint, es ist nur ein Versprecher. Aber richtig ist dieser Satz trotzdem, zumindest auch auf anderen Gebieten. – Ich bitte Sie, diesem Gesetz zuzustimmen. Danke schön!

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Für die Fraktion der FDP hat das Wort der Abgeordnete Schmidt. – Bitte!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es wird Sie sicherlich wenig überraschen, oder vielleicht doch, dass die FDP-Fraktion dem Antrag und der Gesetzesvorlage zum Verzicht auf die Erhebung der Fehlbelegungsabgabe zustimmen wird. Wir begrüßen und unterstützen das ausdrücklich. Wir sehen auch, dass die Fehlbelegungsabgabe sehr hohe Verwaltungskosten hat. Mit ihren Ausnahmetatbeständen bzw. den regionalen Aufsplittungen ist sie auch ordnungspolitisch fragwürdig geworden. Und im Rahmen einer echten Aufgabenkritik bringt das einen echten Abbau von Bürokratie. Das begrüßen wir. – Ich möchte nur noch an die so genannten Ampelver

handlungen erinnern. Das ist in einzelnen Redebeiträgen immer sehr beliebt. Da wurde die Abschaffung der Fehlbelegung durch die FDP eingebracht. Ich habe vorhin noch mal nachgeschaut, da stand eine Klammer dahinter: Dissens SPD und Grüne.

[Beifall bei der FDP]

Deshalb auch an die PDS ein Dankeschön, dass sie da auf ihren Koalitionspartner entsprechend eingewirkt hat. Ich kann mich auch erinnern, dass wir eine Forderung nach Abschaffung der Wohnungsämter gestellt haben. Da war genau das gleiche Spiel, aber da haben wir schon sehr vernünftige Signale bekommen.

Ich kann des Weiteren nur hoffen, dass Sie einen ähnlichen Sinneswandel in Bezug auf die vorhin schon angesprochene Zweckentfremdungsverbotsverordnung bekommen, die wohl heute oder morgen dann auch durch Gerichtsurteil ihre Erledigung finden wird. – Nun möchte ich zurückkommen zur Fehlbelegungsabgabe. Aufgrund der vollen Tagesordnung und der relativ einheitlichen Meinungsäußerungen hier und im entsprechenden Ausschuss ist es der knappen Zeit nur angemessen, wenn ich hier meinen Wortbeitrag beende. Wir werden dem zustimmen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP, der SPD und der PDS]

Herzlichen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Sowohl der Fachausschuss als auch der Hauptausschuss empfehlen mehrheitlich gegen die Stimmen der Fraktion der Grünen die Annahme. Wer demnach so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen! – Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit ist dies gegen die Stimmen der Fraktion der Grünen so beschlossen. Das Gesetz haben wir damit angenommen.

Wir kommen nun zum Antrag der Fraktionen der SPD, der PDS und der CDU über Verzicht auf Erhebung der Fehlbelegungsabgabe, Drucksache 15/329. Wie Sie der Drucksache 15/486 entnehmen können, ist die Fraktion der CDU dem Antrag beigetreten und hat gleichzeitig die Rücknahme ihres eigenen Antrag Drucksache 15/226 erklärt. Die Beschlussempfehlung Drucksache 15/486 hat sich durch die soeben beschlossene Annahme des Gesetzes erledigt, denn der Senat sollte darin aufgefordert werden, die rechtlich gebotenen Schritte einzuleiten. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch, dass wir dies dann auch so feststellen können.

Wir kommen somit zur

lfd. Nr. 2, Drucksache 15/490:

I. Lesung der Vorlage – zur Beschlussfassung – über Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes und des Gesetzes über die Anwendung unmittelbaren Zwanges bei der Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Landes Berlin

Der Ältestenrat empfiehlt für die Beratung eine Redezeit von bis zu 5 Minuten pro Fraktion. Hierzu höre ich keinen Widerspruch. Ich eröffne die I. Lesung und erteile zunächst das Wort für die Fraktion der CDU dem Abgeordneten Gewalt. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit Ihrem Gesetzesentwurf, Herr Innensenator, wollen Sie etwas regeln, was längst in Berlin Praxis ist.

[Doering (PDS): Was?]

Bei zahllosen Botschaften und privaten Einrichtungen wird das Vorfeld, z. B. der Gehweg, längst mit Videokameras überwacht. Selbst die Bundesregierung hat sich um die vermeintliche Berliner Gesetzeslücke – nicht wahr, Herr Wieland, Schily lässt grüßen – bislang wenig geschert. Mittlerweile werden 55 Gebäude von Bundeseinrichtungen in der Stadt mit über 1 400 Kameras, z. B. das Bundeskanzleramt, videoüberwacht, und nicht nur die Gebäude selbst, sondern, wie man am Bundeskanzleramt deut

lich sehen kann, auch das Vorfeld, Herr Innensenator. Ein Gesetzesentwurf ist dies also, der nichts in Berlin verändern wird, sondern bestenfalls das, was ohnehin schon Praxis ist, gesetzlich festschreibt, mehr nicht. Mit vorbeugender Verbrechensbekämpfung zum Schutz von Bürgerinnen und Bürgern hat das absolut nichts zu tun.

[Beifall bei der CDU – Doering (PDS): Eine sinnlose Maßnahme also?]

Nach wie vor lehnen Rot-Rot und leider auch die Grünen eine Videoüberwachung an gefährdeten öffentlichen Plätzen ab, obwohl die Berliner Polizei mittlerweile die einzige Hauptstadtpolizei in Westeuropa ist, die Videokameras auf öffentlichen Plätzen nicht aufstellen kann.

Unbegreiflich ist mir in diesem Zusammenhang, dass gerade die Sozialdemokraten in Berlin, aber auch die Grünen in Berlin, nach wie vor auf ihrer Position beharren, wo doch ihre Parteifreunde in Nordrhein-Westfalen und Brandenburg längst über ihren Schatten gesprungen sind. Nicht nur in München, Stuttgart und Leipzig, sondern auch in Brandenburg, Potsdam und Bielefeld – Herr Kollege Wieland, wo Rot-Grün regiert – gibt es längst die Videoüberwachung öffentlicher Plätze. Nur in Berlin sträuben Sie sich dagegen. Mir ist das unbegreiflich.

Mit Ihrer Weigerung, die Videoüberwachung gefährlicher öffentlicher Plätze zuzulassen, geben Sie immer wieder vor – wir werden die Argumente gleich wieder hören –, die Freiheitsrechte des Einzelnen schützen zu wollen. Sie übersehen dabei, dass der Bürger vor allem durch die Kriminalität in seiner Freiheit eingeschränkt ist und nicht durch eine Kamera.