Wir brauchen weiterhin eine zukunftsfähige Politik, die das ökologisch Notwendige mit dem wirtschaftlich Machbaren verbindet. Dafür steht die SPD im Bund und in Berlin. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es sollte hier um Hochwasser gehen und in dem Zusammenhang wahrscheinlich auch um Klimaschutz. Es ist gegangen um Wahlkampf und Umwelt – und diesen Ball will ich aufnehmen. Denn Sie können sicherlich nicht erwarten, dass in einer nicht von uns beantragten Aktuellen Stunde wir nun solche Sachverhalte hier unberücksichtigt lassen.
Meinem Vorredner von der SPD will ich nur mal ins Stammbuch schreiben, dass fast alles, was er aufgeführt hat, argumentativ ein Rohrkrepierer ist.
Mit Bayern – und so geht das überhaupt erst einmal los in diesem Bereich Umweltschutz – hatten wir das erste Bundesland, das 1972 das Umweltministerium gegründet hat – vor allen anderen Bundesländern. In Bayern haben wir einen vorbildlichen Umweltpakt mit der Industrie, einen Umweltpakt, der in einzelnen Bundesländern als so revolutionär gilt, dass man dort gar nicht den Versuch gemacht hat, ihn möglicherweise zu kopieren oder modifiziert einzuführen. Der Kanzler der Bosse würde nie auf die Idee kommen, die einzelnen Elemente dieses bayerischen Umweltpaktes umzusetzen, weil er damit seine Freunde aus der Großindustrie wirklich düpieren würde.
Im Kompetenzteam unseres Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber haben wir die ehemalige Umweltministerin dieser Republik, die diesem Land den Ruf eingebracht hat – seitens der Gewerkschaften aufgeführt, seitens der Industrie, seitens der Medien –, Umweltweltmeister zu sein in dieser Welt, mit einem Umweltstandard gesetzlich wie im Vollzug, der seinesgleichen sucht. In der Folge werden wir uns noch anschauen, ob das auch in den letzten vier Jahren rot-grün geführter Bundesregierung tatsächlich so geblieben ist.
Zum Thema Rohrkrepierer noch eine letzte Bemerkung, lieber Kollege: Das Stichwort: 80 oder 100 Prozent weißes Recyclingpapier. Ich habe aus dem Hauptausschuss gehört, dass der Umweltsenator Strieder es abgelehnt hat, Recyclingpapier zu bestellen, weil er gesagt hat: Er schreibt nur auf weißem Papier.
Das ist der eigentliche Skandal, der hier durch die Medien gegangen ist, dass der Umweltsenator es weder kontrolliert hat, dass seinen eigenen Richtlinien zur umweltgerechten Beschaffung Rechnung getragen wird, noch dass er das selbst in seinem Haus 100-prozentig durchsetzt. Und so zeigt sich im Kleinen wie im Großen der Unterschied zwischen Ankündigung und Realität.
Lieber Kollege Wieland! Sie haben in Ihrer Rede ausgeführt, dass Sie der Versuchung widerstehen wollten, uns eine möglicherweise etwas selbstgerechte Rede zu halten. Ich glaube, dass Sie der Versuchung nicht widerstanden haben. Ich denke, dass Sie auf etliche Dinge eingegangen sind, die in der Darstellung korrekturbedürftig sind. Das fängt damit an, dass Sie behauptet haben, man würde die Wahrheiten im Umweltbereich und bei der nachhaltigen Entwicklung dieses Landes negieren. Das ist nicht der Fall. Schauen Sie sich allein die Legislaturperiode ‘95 bis ‘99 hier im Hause an. Unter dem Bereich finden Sie über 250 Vorgänge, die dieses Haus hier behandelt hat. Alle Facetten der Umweltpolitik, von Abfallwirtschaft über Klimaschutz bis hin zu Nachhaltigkeitsdebatten, sind hier abgehandelt worden, und in den folgenden Legislaturperioden bis heute ist das ebenfalls der Fall gewesen. Nun mag es sicherlich sein, dass in der öffentlichen Wahrnehmung die anderen Parteien vielleicht nicht das Prä im Umweltschutz haben, das Ihre Partei aus ihrer Gründungsphase immer noch mitbringt. Aber schon lange ist die Realität in der Berliner Politik und auch in der bundesdeutschen Politik, dass Sie mit umweltpolitischen Maßnahmen und Vorschlägen schon lange nicht mehr Vorreiter sind, sondern dass alle Parteien hier mit wirklich dezidierten Vorschlägen mit Ihnen gleichgezogen haben.
Im Hinblick auf den Klimaschutz stellt sich die Frage, wie wir vor Ort weiter vorankommen. Wir haben zwei Enquetekommissionen zu diesem Thema hier im Hause gehabt. Das Ergebnis eines gemeinsamen Vorschlages von PDS, SPD und Grünen betrifft sämtliche Politikbereiche, die man sich nur vorstellen kann und hatten damals zum Ziel, einen allgemeinen Katalog von wünschenswerten Zielvorstellungen den Berlinerinnen und Berlinern darzulegen, mit denen man sagen wollte: Wir betreiben hier eine nachhaltige Politik. – Man hat sich da an der Weltkonferenz von 1992 in Rio de Janeiro orientiert. Alle, die annehmen, dass es in Johannesburg ähnlich läuft, die sind inzwischen – Gott sei Dank! – eines Besseren belehrt. Denn man hat sich tatsächlich auf das konzentriert, was auf dieser Welt wirklich Not tut. Die Tatsache nämlich, zu regeln, dass mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser hat; die Tatsache, zu regeln, dass Wüstenbildung voranschreitet und große Waldgebiete abgeholzt werden; die Tatsache, dass bestimmte Formen der Entwicklungszusammenarbeit über Jahre und Jahrzehnte immer noch nicht gut funktioniert haben. Das sind die wahren Probleme dieser Welt, die gelöst werden müssen, die auch in ganz anderen Dimensionen erscheinen als das, was hier als allgemeiner politischer Wunschkatalog für das Land Berlin vorgeschlagen wurde.
Ich will Ihnen einige Beispiele geben, die zeigen, dass diese Verheißungsmentalität – so nach dem Motto: Wir schreiben jetzt einmal etwas auf, was wir vielleicht in 20, 30 vielleicht auch in 50 Jahren oder niemals erreichen werden, aber wir schreiben das erst einmal auf, weil es so positiv rüberkommt – nicht mehr Ziel einer entsprechenden Politik hier in diesem Hause sein kann.
Da wird z. B. von den Grünen, SPD und PDS postuliert, man wolle in den nächsten zwei Jahrzehnten die öffentlichen Personalausgaben auf 50 % der Steuereinnahmen – nicht etwa des Haushaltsvolumens – reduzieren. Man will kein öffentliches Vermögen verkaufen. Man will die Ausgaben für vorschulische Bildung, Schulen und Hochschulen auf 20 % des Haushaltes hochziehen. Man will für jedes Kind bis zum 12. Lebensjahr einen Hort- und Kindergartenplatz finanzieren und dergleichen mehr. Mit dieser Verheißungsmentalität können Sie wirklich keine ernsthafte Politik betreiben, weil Sie die eigentlichen Probleme, die das Haus außerhalb dieser vielleicht etwas abgehobenen Umweltdebatten behandeln muss, gar nicht mehr richtig anpakken.
Auch die Arbeit, die derzeit in einer Lokalen Agenda im Land Berlin vonstatten geht, beschäftigt sich ausschließlich – wenn Sie sich die Themenkomplexe anschauen – mit ganz vorteilhaften und allgemein zustimmungsfähigen Themen. Es unterbleibt die Beantwortung der Frage: Wie wird es finanziert? Wie wirkt es sich auf die Gesellschafts-, Gesundheits- und Sozialsysteme aus? Welche Konsequenzen hat das für die wirtschaftliche Entwicklung? – Diese drei Themen, die eigentlich dominierend sein sollten in einer Nachhaltigkeitsdebatte, fallen aus und werden nicht aufgenommen.
Damit komme ich noch ganz kurz zu einigen Argumenten, die Sie zur Umweltpolitik auf Bundesebene angesprochen haben. Wir sind nach wie vor gegen die Ökosteuer ausschließlich für die Bundesrepublik Deutschland in ihrer jetzigen Form. Denn diese Ökosteuer, die Sie eingeführt haben, bringt keine Steuergerechtigkeit, denn sie soll angeblich mit ihren Einnahmen die sozialen Sicherungssysteme mitfinanzieren.
Aber z. B. Studenten, Rentner und alle, die Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld bekommen, sind nicht bei den Sozialbeiträgen in der Pflicht und kriegen daher mit ihren geringen Einkommen auch relativ die größten Abzüge.
Nach den Plänen Ihrer Koalition soll die Ökosteuer im Jahr 2004 16 Milliarden $ an Einnahmen bringen. Sie entlasten allerdings die Rentenversicherung nur durch 9 Milliarden $, etwa 8 Milliarden $ werden für die allgemeine Haushaltsentlastung ausgegeben. Das heißt, das, was Sie uns vorgetragen haben, vollständiger Einsatz der Ökosteuereinnahmen zur Entlastung der Sozialversicherung, findet in diesem Umfang nicht statt. Sie setzen dieses Geld auch nicht ein für irgendwelche Umweltprojekte, denn der Umwelthaushalt des Bundes ist in den letzten vier Jahren um über 7 % zurückgegangen.
Nein, ich bin gerade am Ende meiner Redezeit und verzichte darauf. – Auch der Bundeshaushalt im Umweltbereich ist deutlich zurückgegangen. Allein für Umweltexperimentiermöglichkeiten haben Sie eine Reduktion von 25 % in den letzten vier Jahren vorgenommen.
Zum Bereich Kernkraft noch ein Hinweis, denn das Thema ist etwas, das uns sicherlich auch in der zweiten Rederunde beschäftigen wird. Sie beantworten niemandem in diesem Land die Frage, warum es denn als Ausstieg festgestellt werden soll, wenn die Kernkraftwerke noch eine Restlaufzeit von 35 Jahren haben. – Das heißt, das, was Sie suggerieren, ist nun wirklich unredlich [Wieland (Grüne): Nein!]
nach dem Motto: Morgen wird abgeschaltet. – Sie erklären nichts. Sie haben nämlich im Bundestag entsprechende Anträge der Opposition abgelehnt. Sie erklären nicht, wie bei zunehmender Abschaltung von Kernkraftanlagen dann ein entsprechender Ersatz stattfinden soll. Kaufen Sie zum Beispiel Strom aus den wirklich schmutzigen Kraftwerken zu, die teilweise in Osteuropa auf wesentlich niedrigerem Standard existieren? Oder wollen Sie möglicherweise alles durch Kohle- oder Ölkraftwerke ersetzen? Dies erklären Sie nicht.
Zudem erklären Sie auch nicht, wie diese Abschaltung mit der Tatsache zu vereinbaren ist, dass Sie im Entsorgungsbereich kein geschlossenes Konzept haben.
Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss! Sie haben zwar schon bemerkt, dass Ihre Zeit abgelaufen ist, aber Sie sprechen einfach weiter. Sie sind inzwischen bei 12 Minuten.
Die rot-grüne Bundesregierung hat zwar das Endlager Konrad genehmigt, will aber gleichzeitig 13 Zwischenlager errichten. Auch das ist mit stringenter Politik nicht zu begründen. interjection: [Zurufe von den Grünen]
Hier gibt es ein Riesenmanko. Ich gehe davon aus, dass die Bilanz, die Sie vorgetragen haben, nicht haltbar ist. Wir werden uns in der zweiten Rund noch einmal mit Details auseinander setzen. Ich hoffe, dass Sie die negative Bilanz auf Bundesebene nicht auf Ihre Vorhaben in Berlin übertragen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Viele Menschen sind auch heute noch fassungslos über die gewaltige Zerstörung von Häusern, ganzen Städten und Gemeinden. Nicht nur die Bilder vom überschwemmten Zwinger und dem Dresdener Bahnhof werden allen in Erinnerung bleiben, sondern auch die verschwundenen kleinen Dörfer, deren Namen vorher keiner kannte.
Ich bin persönlich sehr beeindruckt über die Hilfsbereitschaft der Menschen in unserem Land. Ich bin aber auch beeindruckt von der Solidarität, die wir aus dem Ausland erfahren. Wir wissen alle, dass Solidarität und Hilfe nicht selbstverständlich sind. Es gibt genügend Politiker, die glauben, dass Solidarität ein Begriff aus der Mottenkiste ist. Besonders beeindruckt hat mich ein Benefizkonzert in Mosambik zu Gunsten der deutschen Flutopfer. Es zeigt sich, dass es häufig die Menschen sind, die wenig haben, die bereit sind, viel zu geben. Das darf aber nicht heißen, dass wir die, die viel haben, aus der Verantwortung entlassen können. [Beifall bei der PDS und der SPD]
Jetzt geht es darum, den Menschen schnell und unbürokratisch zu helfen. Zur Stunde berät der Bundestag ein Hilfsprogramm für die Opfer der Flutkatastrophe. Es gibt Einigkeit unter den Parteien, dass schnell, unbürokratisch und ohne große Vorschriften geholfen werden muss. Es ist nicht verwunderlich, dass es unterschiedliche Vorstellungen über die Finanzierung der Hilfe gibt.
Die PDS hat ein ganzes Bündel konkreter Vorschläge gemacht, wie der Wiederaufbau in den Überschwemmungsgebieten finanziert und organisiert werden kann. Einige konkrete Punkte: Beispielsweise könnte der Verzicht der Bundeswehr auf die Transportflugzeuge vom Typ A 400 M 9,6 Milliarden $ sparen. [Beifall bei der PDS – Dr. Lindner (FDP): Ist das ein Berliner Thema?]
Das ist mehr als die Verschiebung der Steuerreform um ein Jahr einbringt. Die Verschiebung der Steuerreform ist nicht die glücklichste Lösung, wo doch gerade die zweite Stufe der Reform die kleinen und mittleren Unternehmen entlasten sollte – nachdem in der ersten Stufe besonders die Großen entlastet wurden. Die PDS wird dieser Verschiebung zustimmen, obwohl diese Maßnahme allein nicht ausreicht.
Wir halten es auch für legitim, die Banken und Versicherungen ein Notopfer erbringen zu lassen. Viele Menschen haben alles verloren. Übrig geblieben sind nur die Kredite; die Sicherheiten hingegen sind weg. Ihnen müssen die Schulden erlassen werden. Es darf nicht dem Verhandlungsgeschick des Einzelnen oder den Entgegenkommen einzelner Versicherungen oder Kreditinstitute überlassen bleiben, ob laufende Kredite gestreckt oder günstige Konditionen ausgehandelt werden können. Der Kanzler appellierte erneut an die Banken, sich an eine Vereinbarung zu halten, die eine umfassende Stundung von Zinsen und Tilgungen von Krediten von Hochwasseropfern vorsieht. Wir haben aber wenig Hoffnung, dass allein auf Appelle positiv reagiert wird. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie der Sozialpflicht des Eigentums nach dem Grundgesetz eindeutig einfordert.
Die Banken müssen ein Notopfer für die Allgemeinheit bringen, indem sie die von der Flut Betroffenen ganz oder teilweise entschulden und ihnen die Zinsen erlassen.
Wir erleben täglich, dass die Menschen mit großer Eigeninitiative die Schäden der Flut beseitigen. Es sind nicht nur die Menschen, die direkt von der Flutkatastrophe betroffen sind. Gerade aus Berlin sind viele junge Menschen spontan nach Sachsen oder Sachsen-Anhalt aufgebrochen, um dort vor Ort konkrete Hilfe zu leisten. Jetzt gilt es, die Eigeninitiative und Hilfsbereitschaft am Leben zu erhalten.
Dabei geht es nicht nur um Geld. Hilfe kann ganz unterschiedlich geleistet werden. Wir Berlinerinnen und Berliner sind dabei gefragt. Berlin nimmt die Hilfe anderer Bundesländer beim Länderfinanzausgleich in Anspruch. Wir formulieren immer wieder neue Forderungen an den Bund und die anderen Bundesländer. Aber jetzt besteht für uns die Möglichkeit, selbst zu helfen, denn nicht nur die Bundesregierung, sondern auch die Bundesländer beteiligen sich an der Finanzierung des Hilfspakts. Berlin wird auch zirka 180 Millionen $ zur Finanzierung dieses Hilfspakets beitragen. Das sind wir den Flutopfern schuldig.
Es geht aber nicht nur um die finanzielle Hilfe. Unsere Senatsmitglieder haben schnelle materielle Hilfe geleistet. Ein Beispiel: Die Sozial- und Gesundheitssenatorin hat sofort die Bereitschaft Berlins nach Dresden gemeldet, 600 Patientinnen und Patienten in Berliner Krankenhäusern aufzunehmen. Bekannt ist insbesondere, dass Frühchen in den Berliner Krankenhäusern aufgenommen wurden und damit ihr Überleben gesichert wurde. Unser heute zu wählender Wirtschaftssenator kann gleich ganz konkret anpacken.