Ich bitte das Haus auch zu diesem Antrag um breite Zustimmung. Wir haben allen Gesichtspunkten Rechnung getragen. Wir haben ein Verwaltungsverfahren gefunden, bei dem Missbrauch ausgeschlossen wird, bei dem den betroffenen Traumatisierten in ihrer besonderen Situation Rechnung getragen wird. Das sollte die Unterstützung des Hauses erhalten. – Danke!
Danke schön, Herr Kollege Kleineidam! – Für die Fraktion der CDU ergreift das Wort der Abgeordnete Herr Henkel. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beide Beschlussempfehlungen wurden bereits hier und in den Ausschüssen debattiert. Für die CDU-Fraktion möchte ich noch einmal deutlich machen, dass es grundsätzlich dabei bleibt, dass wir selbstverständlich in Fragen von Einzelfällen humanitärer Schicksale, die es gibt und die niemand in diesem Haus leugnet, bereit sind und bereit sein müssen, mitzuhelfen, diese Fälle zu lösen.
Wir bleiben auch bei unserer Einschätzung, dass diese beiden Beschlussempfehlungen im Zeichen humanitärer Gründe stehen. Dennoch – das ist der Unterschied zwischen uns und den anderen Fraktionen hier im Haus – sagen wir, dass wir von Menschen sprechen, die nach Deutschland, nach Berlin gekommen sind, damit sie eine bestimmte Härte wie beispielsweise Gefahr an Leib und Leben nicht trifft. Wir sagen aber auch, dass der Aufenthalt für diese Personengruppe nur für die Dauer der Härte gewährt werden kann. Eine dauerhafte Integration dieser Menschen in unser Land kann und darf nicht das Ziel ergriffener Maßnahmen sein.
Bei allen unbestreitbar schlimmen Erlebnissen, die dieser Personenkreis für sich in Anspruch nehmen kann, gilt es, die Rückführung in die Heimat der Ausländer nicht aus dem Auge zu verlieren. Meines Erachtens wird bei diesem Thema – wir haben es bereits diskutiert – immer wieder der Versuch unternommen, verschiedene Maßstäbe für verschiedene Ausländergruppen zu vermischen und dabei gleich ganz außer Acht zu lassen, dass die Innenministerkonferenz für bestimmte Dinge bereits eine einheitliche Handhabung für bestimmte Bereiche bereits beschlossen hat.
Was nun die konkrete Beschlussempfehlung zur Beschleunigung der Entscheidung über Aufenthaltsbefugnisse für traumatisierte Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina betrifft, wird sich die CDU nach den Diskussionen in den Ausschüssen enthalten. Wir tun dies nicht, ohne hier noch einmal deutlich zu machen, dass uns eine festgeschriebene Zweitbegutachtung, nicht zuletzt wegen des möglichen Missbrauchs, lieber gewesen wäre. Wir sagen aber auch, dass der Änderungsantrag der Koalition besser ist als die Verfahrensweise im Augenblick.
auch wenn ich keinen Hehl daraus mache, dass mir die persönlichen Schilderungen in der Plenarpause von einigen Betroffenen unter die Haut ging. Neben den Grundsätzen der Ausländerpolitik bei humanitären Fällen, die ich eingangs kurz schilderte, darf es nicht unsere Aufgabe sein, aus humanitären Einzelschicksalen grundsätzliche Regelungen abzuleiten. Ziel einer jeden Politik auf diesem Gebiet muss es sein, nach Wegfall bestimmter Härten und nach Beendigung von Krieg in einem jeweils betroffenen Land die Menschen wieder in ihre Heimat zurückzuschicken. Insofern lehnen wir die Drucksache 15/768 ab.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Dr. Körting! Ich hoffe, dass mit dem heutigen Beschluss die unsägliche Praxis des Umgangs Berliner Behörden mit kriegstraumatisierten Flüchtlingen, die wir nun jahrelang erlebt haben, Flüchtlingen aus Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo, beendet wird. Sie haben sie im Prinzip schon mit Ihrer Weisung vom 19. August beendet. Gestern gab es noch einmal eine dreistündige Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung, in der vor einem breiten Auditorium festgestellt wurde, dass es ein zu begrüßender Fortschritt ist. Es ist allerdings auch ein Kompromiss, denn nicht alle Fragen wurden gelöst. Es ist immerhin ein Erfolg durch kooperatives Verhalten aller beteiligten Seiten, durch Ärzte, Therapeuten, Beratungsstellungen, der Innenverwaltung und durch einen Abbau von Feindbildern. Diese Praxis wünsche ich mir auch für alle weiteren zu klärenden Probleme in der Migranten- und Flüchtlingspolitik, die wir vor uns haben.
Das kann ich bei dem zweiten Thema allerdings noch nicht ganz erkennen, einer Berliner Initiative für ein Bleiberecht langjährig in der Bundesrepublik lebender Roma. Es muss unser Anliegen sein, das in die Gesellschaft hineinzuvermitteln und vor allem die Roma selbst in die Debatte um Lösungswege einzubeziehen. Deshalb, Herr Präsident, erlaube ich mir meinerseits – Sie können das nicht nach dem Protokoll –, auch Gäste zu begrüßen. Zu meiner Rechten auf der Tribüne sitzen Vertreter Berliner Roma, die unsere Debatte hier heute verfolgen wollen und die auch mit Politikern dieses Hauses gesprochen haben!
Abgesehen von der unbürokratischen Aufnahme der RomaKarawane aus Nordrhein-Westfalen Anfang Juni durch die
Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales und ihre menschenwürdige Unterbringung für einige Tage – von immerhin 500 Männern, Frauen und Kindern –, erlebe ich ganz viel Ignoranz, Arroganz, Vorurteile und – das muss ich so sagen – AntiZiganismus, ähnlich wie Antisemitismus, in dieser Gesellschaft. „Lustig ist das Zigeunerleben, faria, faria, ho“, heißt es in einem bekannten Lied. Welcher Hohn ist das, frage ich angesichts einer Geschichte von Vertreibung, Verfolgung, Versklavung und des Holocaust im sogenannten Dritten Reich, einer unsäglichen Geschichte seit ungefähr 750 unserer Zeit!
Als die ursprünglich sesshaften Roma aus dem Punjab in Nordwest-Indien, ihrer ursprünglichen Heimat, durch die Heere des byzantinischen Reiches vertrieben wurden, wurden 500 000 Roma versklavt! Das waren genauso viele, wie durch den Holocaust in ganz Europa ermordet wurden. So kamen sie nach Südosteuropa und nicht etwa – liebe Kollegen –, weil das Wandern so lustig ist. So kamen sie auch zu ihrem Namen: Zigan - Zigeuner. Das heißt: arme Leute, Habenichtse. Das sind sie bis heute größtenteils geblieben. Sie wurden in Griechenland, Mazedonien, Moldawien, Rumänien, Serbien weiter als Sklaven verkauft bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Wer fliehen konnte, floh eben weiter nach Westeuropa.
Da gab es eine kurze Verschnaufpause von 70 Jahren. Von 1496 an durften sie in deutschen Landen unbestraft getötet werden. Sie durften nach der pommerschen Polizeiverordnung von 1563, nach der Polizei- und Landesordnung von 1589 in Sachsen, Thüringen und Meißen verfolgt und vertrieben werden. 1886 ordnete man im ganzen Reich die Abschiebung von Zigeunern ohne deutsche Staatsangehörigkeit an. Der Deutsche Bundesrat beschloss 1891 eine Anweisung zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens. Bayern erließ 1926 ein Gesetz zur Bekämpfung von Zigeunern, Landfahrern und Arbeitsscheuen. Die Zigeunerpolizeileitstelle München erfasste die Fingerabdrücke aller Roma und wurde 1929 zur Zentrale der Zigeunerbekämpfung in Deutschland. Sie sehen, die Nürnberger Rassengesetze der Nazis und der Holocaust an den Roma, der 500 000 betraf, hatte seine Vorgeschichte.
Das erste Internierungslager für Roma wurde 1936 hier in Berlin während der Olympischen Spiele eingerichtet; das ist bekannt. Dann kamen Dachau und die Deportationen nach Osteuropa und Auschwitz. 1942 meldete der militärische Verwaltungschef in Serbien: „Im Interesse der Befriedung ist Serbien das erste Land, in dem Juden- und Zigeunerfrage gelöst sind.“ Serbien! Die meisten der in KZ getöteten Roma stammten aus Jugoslawien. Es waren 90 000 ermordete jugoslawische Roma!
Ich mache einen Sprung: Bundesinnenminister Otto Schily erließ am 16. September nicht etwa eine Weisung, dass Bürgerkriegsflüchtlinge aus Jugoslawien ein Bleiberecht in Deutschland bekommen. Er schloss ein Rückübernahmeabkommen, das am 1. November in Kraft treten soll, auch für Roma. Die meisten Bürgerkriegsflüchtlinge aus der Bundesrepublik Jugoslawien sind nämlich Roma. Es geht um vermutlich 70 000 bis 80 000. Der serbische Innenminister Zoran Zivkovic´ sagte kürzlich im Radio angesichts dieses Rücknahmeabkommens: „Die Roma sind alles Kriminelle.“ Was erwartet sie dann in Jugoslawien? Sie haben keine Arbeit, keine Unterkunft, keine Aufnahmenahmebereitschaft, es gibt nur Ausgrenzung. Diese Umstände sind bekannt. Dabei hoffen sie nach 8, 10 und 13 Jahren in Deutschland, wo ihre Kinder zur Schule gehen, die besser Deutsch als Serbokroatisch sprechen, endlich einmal akzeptiert und integriert zu werden. Sie sind größtenteils dazu bereit. Reden Sie mit den Roma! Reden Sie mit ihnen, und Sie werden es verstehen!
Ich denke, es kann nicht sein, dass wir über eine Initiative für ein Bleiberecht in Richtung Bundesregierung diskutieren – Herr Dr. Körting, das ist mein Anliegen in dieser Debatte – und derweil die Berliner Behörden Abschiebeandrohungen und Grenzübertrittsbescheinigungen an die Roma ausgeben. Es herrscht Panik unter den Roma in Berlin. Was passiert nach dem 1. November?
Ich komme zum Schluss! – Es kann nicht sein, dass abgeschoben wird, bis die Innenministerkonferenz eine Entscheidung getroffen hat oder das neue Zuwanderungsgesetz vielleicht neue Möglichkeiten eröffnet. Wir sollten handeln; wir brauchen eine Zwischenlösung, eine Art Moratorium.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss! – Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, in allen Fraktionen sollten wir über diese Probleme reden. Ich grenze keine Konflikte dabei aus, die es immer gibt. Aber das Lied „Lustig ist das Zigeunerleben“ sollte uns im Hals stecken bleiben, auch wenn ich ein riesengroßen, rotes, schönes Plakat gelesen habe: Die Berliner Philharmonie macht im Oktober eine Veranstaltung: „Spiel auf, Zigan!“ – Zigeunermusik aus Osteuropa. Ich hoffe, es ist keine Begleitmusik – Sie wissen, was ich meine. [Beifall bei der PDS]
Vielen Dank, Frau Kollegin Hopfmann! – Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, dass Sie einverstanden waren, dass wir zur Darlegung dieses historischen Hintergrunds etwas großzügiger mit der Zeit umgegangen sind. interjection: [Unruhe]
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aufenthaltsbefugnis für traumatisierte Flüchtlinge – dazu gab es eine Expertenanhörung. Das Ergebnis war, dass die Antragsverfahren weiter beschleunigt werden müssen, dass die Kriterien, was die Gutachten angeht, zwischen den Experten und dem Senat klarer austariert werden müssen, dass die Mitarbeiter der Behörde qualifiziert werden müssen. Das hat Sinn, das ist notwendig, und deswegen stimmt die FDP-Fraktion diesem Antrag zu. interjection: [Beifall bei der PDS]
Was das Bleiberecht der Roma angeht, handelt es sich um eine Initiative für ein pauschales Bleiberecht. Wir verkennen die Situation nicht, haben allerdings innerhalb der Fraktion auch Argumente, was individuelle Prüfungen des Anspruchs auf Bleiberecht angeht, favorisiert. Es hat Sinn, bei Menschen, die seit vielen Jahren hier sind, sich in Ausbildung befinden, hier sozialisiert sind und ihre Zukunft haben, darüber nachzudenken, ob es notwendig und richtig ist, sie pauschal wieder nach Ex-Jugoslawien zurückzuschicken. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Man kann auch über Stichtagsregelungen für die diskutieren, die zeigen und nachweisen, dass sie sich in diese Gesellschaft integrieren wollen.
Eine Ausweisung bis zum 1. November sehen wir ebenfalls problematisch. Da die Innenministerkonferenz angelegt ist, an diesem Tag zu entscheiden, und das Thema auf der Tagesordnung steht, sollte der Innensenator bis dahin darüber nachdenken, ob er in diesem Bereich Fakten schafft. Aber pauschal hier zuzustimmen, halten wir nicht für richtig. Wir sehen dieses Anliegen differenziert und werden uns deswegen, enthalten.
Vielen Dank, Herr Kollege Ritzmann! – Weitere Wortmeldungen sehe und höre ich nicht. Wir können nun abstimmen, und zwar einzeln.
Zu Antrag Drucksache 15/351 empfiehlt der Ausschuss einstimmig bei Enthaltung der CDU eine Neufassung der Beschlussempfehlung Drucksache 15/567. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Danke schön, dann ist das mit Mehrheit beschlossen, bei Enthaltung der Fraktion der CDU.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 15/353. Hier empfiehlt der Ausschuss mehrheitlich gegen die Stimmen der CDU bei Enthaltung der FDP die Annahme. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dann ist er mehrheitlich so angenommen, bei Gegenstimme der Fraktion der CDU und gemischter Abstimmung der FDP – wenn ich Ablehnung und Enthaltung recht gesehen habe.
Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 11. September 2002 zum Antrag der Fraktion der FDP über Bereits der Haushaltsplan 2002/2003 war unrealistisch, Drucksache 15/693
Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 11. September 2002 zum Antrag der Fraktion der Grünen über Ersatz der Haushaltssperre durch zielgerichtetes Handeln, Drucksache 15/698
Der Ältestenrat empfiehlt für die Beratung eine Redezeit von bis zu 5 Minuten pro Fraktion. – Ich höre und sehe dazu keinen Widerspruch. Wortmeldungen liegen aus allen Fraktionen vor. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Herrn Kollegen Schruoffeneger. – Bitte schön, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir müssen heute zum zweiten Mal über die Umsetzung der Haushaltssperre, so wie sie im Land Berlin erfolgt ist, diskutieren und können jetzt, nach eineinhalb Monaten Erfahrung, die Frage stellen, was die Haushaltssperre in dieser Form gebracht hat. Sie hat gebracht: über 2 500 Beförderungen, über 53 000 Aufträge für Beschaffungen, Gutachten und Dienstleistungen, und das alles ohne Ausnahmegenehmigung des Finanzsenators – der dieser Debatte nicht folgt. Ich gebe zu, das wäre ihm höchstwahrscheinlich so peinlich oder unangenehm, dass ich ein gewisses Verständnis dafür habe, dass er geht.–