Protokoll der Sitzung vom 14.11.2002

und schon das Gewaltmonopol des Staates macht deutlich, dass es hierbei keine alternativen Möglichkeiten zur Aufgabenübertragung an den Staat gibt. Deshalb bleibt es dabei: Innere Sicherheit hat für uns höchste Priorität, weil sie Grundlage für ein funktionierendes Gemeinwesen ist. Oder mit den

Worten Wilhelm von Humboldts gesprochen: Ohne Sicherheit keine Freiheit!

[Wieland (Grüne): Hat sich Ihre Fraktion schon ver- schanzt? Es ist kaum noch einer da! ]

Herr Kollege Wieland, gucken Sie in Ihre eigene Fraktion! Man kann dort sehen, welche Bedeutung Ihre Fraktion dem Thema „innere Sicherheit“ beimisst.

Ohne Sicherheit keine Freiheit! – Doch genau vor diesem Hintergrund, Herr Senator Körting, waren Ihre Ausführungen eher dürftig. Es bleibt der begründete Zweifel, ob Sie den Willen und die Kraft haben, in Ihrer Koalition die Entscheidungen durchzusetzen, die dringend getroffen werden müssten, um beispielsweise die Bevölkerung wirksamer vor dieser steigenden Kriminalität und den Gefahren des Terrorismus, die beileibe nicht beseitigt sind, zu schützen. Heute haben wir eine Situation, wo wir allein beim Objektschutz mehr als nur an unsere Grenzen stoßen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang immer gern daran, dass bereits die USamerikanische Botschaft nicht durch Berliner Polizisten bewacht werden konnte, sondern dazu Beamte des Bundesgrenzschutzes herangezogen werden mussten. Ich erinnere auch daran, wie sehr Herr Senator Körting noch im letzten Jahr unter Rot-Grün nach den schrecklichen Ereignissen des 11. September von einer personellen Aufstockung bei der Polizei sprach und dass wir – ich sagte das bereits – durch die zugewiesenen Ist-Personalkosten im Bereich der Berliner Polizei faktisch seit Sommer dieses Jahres 1 300 unbesetzte Stellen bei der Schutz- und Kriminalpolizei haben. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie versucht, uns die Zahlen schöner zu rechnen, als sie in der Tat sind. Das ist das Ergebnis Ihrer Verantwortung, und aus der werden wir Sie nicht entlassen.

[Zillich (PDS): Das vermute ich auch!]

Deshalb ist es wichtig, Herr Senator, nicht nur bloße Lippenbekenntnisse abzugeben. Entscheidend ist, was Sie wirklich machen und politisch durchsetzen können. Dabei bleibt für mich am heutigen späten Abend nur die Erkenntnis, dass die Diskrepanz zwischen Worten und den dann folgenden – eigentlich müsste man sagen: ausbleibenden – Taten unübersehbar ist.

[Frau Fischer (SPD): Wer war denn vorher Innense- nator? – Zuruf der Frau Abg. Hertel (SPD)]

Ich schreibe Ihnen die Zahlen Ihres Versagens gern noch einmal in das Stammbuch: 1 300 fehlende Vollzugspolizisten, 1,2 Millionen Überstunden und über 5 000 unbearbeitete Strafanzeigen.

[Wieland (Grüne): Die hat er alle übernommen!]

Das können Sie nicht wegreden – nicht mit noch so schönen und humorvollen Erkenntnissen.

[Zurufe von der PDS]

Das ist Fakt, und das ist Ihre Verantwortung. So, Herr Senator, trägt man nicht zur Sicherheit in Berlin bei.

[Beifall bei der CDU]

Das Ergebnis Ihrer Sicherheitspolitik jedoch lässt sich aus der Veröffentlichung der Kriminalstatistik ablesen: Noch nie in so kurzer Zeit ist die Zahl der Verbrechen so nach oben geschossen wie in den vergangenen 12 Monaten. – Auch das ist ein Fakt.

[Over (PDS): Wir machen ein Quiz: Wer hat in den letzten 10 Jahren den Innensenator gestellt?]

Und das betraf insbesondere die Gewaltdelikte. Die Zahlen der einzelnen Delikte haben Sie genannt. Sie sind bekannt, und sie gleichen in der Tat einer Gruselstatistik. Herr Senator, Ihr Kommentar dazu in der „BZ“ vom 18. Oktober spricht Bände. Sie sagen, die Entwicklung bei den Delikten sei unerfreulich, bleibe aber noch im Rahmen des Hinnehmbaren. Und Ihre Parteifreundin Frau Fischer assistiert mit den Worten: „Wir müssen auf mehr Nachbarschaftshilfe setzen, auf Quartiersmanagement!“ – Die Zahlen und die Äußerungen sind zusammengenommen der Offenbarungseid des PDS-SPD-Senats auf dem Politikfeld der inneren Sicherheit. So kann es nicht weitergehen.

[Beifall bei der CDU]

Ob sich die Einwohner und Besucher einer Stadt wohlfühlen, hängt von den objektiven Kriminalitätsphänomenen, aber daneben auch in hohem Maße von dem persönlichen Sicherheitsempfinden jedes einzelnen Bürgers ab. Die Kriminalitätsfurcht unserer Bürgerinnen und Bürger – d. h. die Sorge, Opfer einer Straftat zu werden – muss in die politischen und polizeilichen Überlegungen zur Erhöhung der inneren Sicherheit mit einbezogen werden.

[Frau Seelig (PDS): Vor allem, wenn man sie stän- dig herbeiredet!]

Eine große Rolle spielen hierbei Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere wenn sich unbeteiligte Passanten körperlich bedrängt fühlen, wie es z. B. bei aggressivem Betteln oder bei offenem Alkoholkonsum in Fußgängerzonen und Einkaufspassagen vorkommt. Die Präsenz der Polizei in einschlägigen Gebieten muss deshalb

erhöht werden und darf nicht der Sparpolitik des Senats zum Opfer fallen.

Eine rechtsstaatliche Ordnung, Sauberkeit und Sicherheit sind nicht der Gipfel unserer Ethik,

[Over (PDS): Das hörte sich aber gerade so an!]

aber sie sind notwendige Bedingungen für unser Zusammenleben. Wenn Sie, Herr Senator, nun behaupten, Sie wollen die Alltagskriminalität bekämpfen, werden Sie uns an Ihrer Seite haben, sofern Sie den Worten Taten folgen lassen. Dann wollen wir aber auch wissen, was Sie konkret unternehmen wollen, um die Alltagskriminalität konsequenter zu bekämpfen.

[Over (PDS): Verfolgen Sie doch die Sitzungen des Innenausschusses!]

Ein Beispiel – um Ihre Worte zu untermauern – kann ich Ihnen gleich mit auf den Weg geben: Setzen Sie sich wie die Union dafür ein, dass GraffitiSchmierereien endlich konsequent als Sachbeschädigung geahndet werden!

[Wieland (Grüne): Er tut es! – Weitere Zurufe von der PDS]

Setzen Sie sich nicht dafür ein und bleibt es bei der Ablehnung des Union-Gesetzentwurfs durch RotGrün auf Bundesebene, dann wird eben keine Bekämpfung der Alltagskriminalität vollzogen, sondern eher eine konsequente Bagatellisierung.

[Beifall bei der CDU]

Kreativität, Toleranz und Liberalität einer Großstadt erkennt man nicht an Lärm, Dreck, Vandalismus und so genannter Massenkriminalität. Eine in diesem Zusammenhang falsch verstandene Liberalität schreckt Menschen ab und macht sie bestenfalls gleichgültig. Eine zivilisierte Innenpolitik heißt: Null Toleranz gegenüber Straftätern! – Dem Rechtsempfinden der Menschen wird nur gerecht, wer Gewalttaten konsequent und unmittelbar bestraft und gleichzeitig die Zivilcourage aller wach hält und fördert. In diesem Sinne, Herr Senator, fordere ich Sie auf, Ihrer Verantwortung gerecht zu werden und sich den Herausforderungen der Zukunft im Interesse der Menschen, die hier wohnen, im Interesse der Menschen, die hierher kommen, und im Interesse der Berliner Polizei zu stellen. – Danke schön!

[Beifall bei der CDU – Beifall des Abg. Ritzmann (FDP)]

Das Wort hat nun Frau Hertel. – Bitte schön, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie viel Sorgen und schlaflose Nächte sich die CDU um die Frage der inneren Sicherheit macht – ich muss es denn noch einmal hier am Mikrophon wiederholen und betonen –, das sieht man an der Anwesenheit der CDU-Fraktion. Also, so sehr schlimm kann es noch nicht sein, sonst wären einige mehr von Ihnen anwesend. interjection: [Over (PDS): Doch, Frau Hertel, die haben sich des- halb eingebunkert! – Klemm (PDS): Die haben Angst!]

Ach, die haben Angst. – Entschuldigen Sie bitte, aber so kann man es natürlich auch interpretieren!

Vor dem Hintergrund, dass die materielle, aber auch personelle Ausstattung unserer Polizei sowie der Feuerwehr seit Jahren nicht gerade rosig ist und war, können wir von Glück sagen, dass die Sicherheitslage in unserer Stadt von einer erstens guten, zweiten professionellen und drittens immer noch sehr engagierten Arbeit unserer Sicherheitskräfte gekennzeichnet ist. Dafür gebührt denen übrigens unser Dank. –Sie dürfen jetzt klatschen!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Nun möchte die Opposition allerdings unbedingt über Haufen, und zwar über viele Haufen – nicht die, über die normalerweise meine Kollegin Fischer spricht, sondern über Scherbenhaufen – sprechen. Sie möchte – und das macht die Überschrift ihrer Großen Anfrage wieder einmal deutlich – ein altes Schreckgespenst bemühen: Regiert Rot-Rot, versinkt die Stadt in Kriminalität und in Verbrechen, herrschen Mord und Totschlag auf den Straßen dieser Stadt!

[Henkel (CDU): So ist es! – Wieland (Grüne): So muss es einfach sein!]

Versuche dieser Art sind nicht neu, wir kennen sie zur Genüge aus vergangenen Wahlkämpfen. Doch muss ich Ihnen dazu sagen: Netter Versuch, aber genauso wirkungslos heute wie damals!

[Beifall bei der SPD]

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Da mir und meiner Fraktion – auch wenn deren Anwesenheit das heute gar nicht vermuten lässt – die innere Sicherheit am Herzen liegt und sie uns zu ernst ist für populistische Effekthascherei, möchte ich Ihre Große Anfrage gern mit einigen Kommentaren und grundsätzlichen Anmerkungen versehen. Es wäre müßig – und mir ist, ehrlich gesagt, jetzt auch meine Zeit zu schade –, Sie

wieder einmal und erneut darauf hinzuweisen, in welcher Haushaltssituation wir uns befinden und welche Einsparerfordernisse vorliegen. Was es mit Sicherheit nicht geben wird, Herr Henkel, ist ein CDU-mäßiges „Augen zu und durch!“ nach dem Motto: Irgendwie hat es doch sonst auch immer geklappt! – Wir müssen auch den Bereich innere Sicherheit auf mögliche Optimierungsmöglichkeiten hin prüfen.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen – Wieland (Grüne): Sehr richtig!]

Und wir müssen sehr wohl die Koalitionsvereinbarung berücksichtigen, wonach keine weiteren Einsparungen bei der Vollzugspolizei wünschenswert sind. Es wurde vom Polizeipräsidenten bereits vor einigen Monaten ein Strukturreformmodell vorgestellt und uns – Ihnen leider nicht, Herr Henkel, Sie konnten nicht anwesend sein – aktuell im Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung noch einmal etwas detaillierter dargestellt.

[Zuruf des Abg. Wieland (Grüne)]

Doch außer wirklich hanebüchenen Presserklärungen über vermeintliche oder tatsächliche kontroverse Diskussionsbeiträge in Arbeitssitzungen der Polizeiführung – übrigens, das haben Diskussionen so an sich, dass man dort auch kontrovers diskutiert –, außer solchen Beiträgen kam von Ihnen und Ihrer Fraktion nichts. Und dabei – das darf ich hier auch sagen, vielleicht ein wenig kritisch –, wäre schon das eine oder andere zu hinterfragen gewesen. Wohin z. B. mit den vielen neuen Stäben, Linien, Stabslinien? Ich bin aber optimistisch, dass wir am Ende des Jahres dann immerhin eine mit Zahlen und Fakten unterlegte Strukturreform vorgelegt bekommen, eine Strukturreform, die die Berliner Polizei und hier insbesondere die Berliner Polizeiführung in finanzieller, personeller und organisatorischer Eigenverantwortung der Direktionen und Abschnitte stärken wird.

Apropos Abschnitte und ihre Zusammenlegung: Wie und vor allem wer, meine Damen und Herren – ach, Damen sind gar nicht anwesend –, meine Herren von der CDU, hat eigentlich vor Jahren die Abschaffung der Wachen und die Zusammenlegung derselben in Abschnitte gefordert – völlig korrekt übrigens, heute noch mein Lob dafür – ? Sie waren geleitet von der völlig richtigen Überlegung, dass ja jede Wache auch 24 Stunden rund um die Uhr besetzt sein muss, mit genau den Polizeibeamten, die Sie und ich viel lieber auf der Straße sähen, nämlich Grün auf der Straße.

[Wieland (Grüne): Aber die sind nie angekommen, leider!]