Protokoll der Sitzung vom 20.02.2003

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Ich zitiere die „Süddeutsche Zeitung“ der vergangenen Woche, die wohl unverdächtig ist, hier CDU-Positionen oder amerikanische Positionen kritiklos zu übernehmen.

[Zuruf von links: Das weiß man nicht! – Frau Dr. Klotz (Grüne): Ich kann das nicht mehr hören! – Gaebler (SPD): Das kann keiner hören!]

Die „Süddeutsche Zeitung“ schrieb:

Deutschland ist in einer Sackgasse angekommen und hat – anders als Frankreich oder Russland –

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! „Berlin, Stadt des Friedens“ – das stand auf dem Transparent meiner Partei bei der Demonstration der Hunderttausenden am Wochenende in Deutschlands Hauptstadt. „Cities for peace“ ist auch der Titel einer Initiative vor allem amerikanischer Städte, der sich Berlin heute anschließt. Millionen Menschen auf der Welt haben am Wochenende für das Wichtigste demonstriert, für das man auf die Straße gehen kann: für Frieden.

In den Reden, die wir eben gehört haben, war viel vom Bild Berlins die Rede. Ich sage Ihnen einmal eines zu meinem Blick auf Berlin vom Wochenende: Ich war richtig froh am Samstag, ein Berliner zu sein, ich war froh, in einer Stadt zu leben, deren Regierender Bürgermeister den Appell europäischer Bürgermeister gegen den Krieg unterzeichnet. Ich war froh, in einer Stadt zu leben, deren Bürgerinnen und Bürger und Gäste gemeinsam mit Ministern, mit Senatoren, mit Künstlern, mit Gewerkschaftern, mit Intendanten von Opernhäusern, mit Ärzten, mit Rechtsanwälten, mit Kommunalpolitikern und politikerinnen und mit vielen, vielen anderen auf die Straße gehen für ein Ziel: Für den Frieden.

keine Hintertüren offen. Solange Schröder in Berlin regiert, wird Washington ihn als Gegner sehen, in Paris und London gilt er als überambitionierter Amateur.

Der „Stern“ von heute führt auf mehreren Seiten sehr dezidiert aus, dass das Verhältnis zwischen Deutschland und Amerika noch nie so schlecht war und dass es eine Funkstille gibt, die wahrscheinlich nicht mehr korrigierbar ist. Deshalb hoffen wir als CDU-Fraktion, dass das, was Gary Smith, der Leiter der American Academy in Berlin, heute ausführt, korrigiert werden kann. Er sagt nämlich:

Ich lebe seit 19 Jahren in Deutschland und bin erschüttert über das Ausmaß der antiamerikanischen Stimmung in diesem Land. Sie ist schlimmer und gefährlicher als zu Zeiten des Vietnamkrieges.

Dass dieses Verhältnis zwischen Deutschland und Amerika nicht den Schaden nimmt, den das Verhältnis zwischen Bush und Schröder genommen hat, dafür werben wir und haben sehr bewusst einen Antrag eingebracht, der hoffentlich konsensfähig ist. Deshalb werben wir dafür, dass heute von diesem Abgeordnetenhaus von Berlin eine Nachricht an das Volk der Vereinigten Staaten von Amerika ausgeht, so wie es die Atlantikbrücke am vergangenen Wochenende getan hat.

Ich sage dies in der Hoffnung, dass es immer noch eine Chance gibt, dass wir das allerletzte Mittel zur Bekämpfung von Terrorismus und Krieg nicht anwenden müssen.

[Eßer (Grüne): Sagen Sie das doch Herrn Bush! ]

Ich bin mir ganz sicher, dass es diese Chance nur dann gibt, wenn, wie in den vergangenen 50 Jahren, Europäer gemeinsam mit unseren atlantischen, unseren amerikanischen Freunden und den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen alles tun, um den Druck auf Diktatoren, Mörder und Menschenrechtsverletzer in aller Welt – und so auch im Falle Saddam Hussein – auszuüben. Hussein ist der Verantwortliche für diese Situation, nicht die UNO, nicht der amerikanische Präsident, nicht die Bundesrepublik Deutschland. Und es ist unsere Aufgabe, den Frieden zu wahren und unser Verhältnis zu den Vereinigten Staaten wie in den vergangenen 50 Jahren friedlich-kooperativ fortzusetzen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Das ist zum Wohle dieser Stadt, das ist zum Wohle der Menschen, die hier leben.

Deshalb lassen Sie uns heute eine gemeinsame Nachricht aus diesem Parlament aussenden, dass das Berliner Abgeordnetenhaus gemeinsam, einvernehmlich und hoffentlich einstimmig das Bündnis und die Freundschaft zu den Menschen in Amerika, zur amerikanischen Bevölkerung, auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten fortzusetzen gedenkt. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Das Wort für die PDSFraktion hat der Abgeordnete Herr Liebich! – Bitte sehr!

[Beifall bei der PDS, der SPD und den Grünen]

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Ich lebe auch gern in einer Stadt, die sich angesichts so einer Riesendemonstration nicht in eine Festung verwandelt, sondern die entspannt mit friedlichen Demonstranten umgehen kann und umgeht. Das war nicht immer so, aber es ist gut, dass es jetzt so ist.

[Beifall bei der PDS, der SPD und den Grünen]

Weil ein Zwischenruf vorhin, ich glaube, aus der CDU kam zum Thema 68er: Ich glaube übrigens nicht, dass das – das stand jetzt in vielen Zeitungen – die Renaissance der alten Friedensbewegung der 80er Jahre war. Es waren andere, es ist eine neue Friedensbewegung, eine Friedensbewegung aus Ost und West, und es ist vor allem eine jüngere Friedensbewegung geworden. Es sind zum Glück auch mehr als die unerschütterlichen Ostermarschierer, die sich jedes Jahr zusammenfinden. Und ich sage auch einmal eines: All die unvermeidlichen Agitatoren von Splittergruppen, die den Anwesenden durch ihre Flüstertüten erst einmal erklärt haben, warum sie eigentlich gegen den Krieg sein müssen, gingen in der Masse unter. Und eines ist auch klar: Es waren ganz sicher keine Amerikafeinde, die die Straße des 17. Juni vom Brandenburger Tor bis zur Siegessäule gefüllt haben.

[Beifall bei der PDS, der SPD und den Grünen]

Wer eine wachsende Amerikafeindlichkeit bei Berlins Jugend fürchtet, dem sage ich nur eines: Die Berliner Jugendlichen hören amerikanische Musik, sie trinken amerikanische Brause, sie haben amerikanische Turnschuhe an – ich weiß, sie heißt Cola, aber ich wollte mich nicht zur Schleichwerbung verleiten lassen, Herr Lindner!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als sich der amerikanische Schauspieler Dustin Hoffman bei der Berlinale, bei der UNICEF-Friedensgala, gegen die Politik Bushs, gegen einen Irakkrieg und gegen einen unilateralen Anspruch der USA ausgesprochen hat, hat er dafür Beifall von amerikanischen Schauspielern bekommen. Stellen Sie sich das vor. Und in Richtung der FDP, die sich immer so große Sorgen macht, dass wir in schlechte Gesellschaft geraten, sage ich: Wir begeben uns gern in die Gesellschaft von

Christopher Lee, Faye Dunaway und Roger Moore. Dustin Hoffman hat mit seinem Auftritt bei der Berlinale tausendmal mehr für die deutsch-amerikanische Freundschaft getan, als Sie es heute mit diesem schäbigen Antrag und mit dieser schäbigen Rede, die Sie hier gehalten haben, getan haben, Herr Lindner.

Deutsch-amerikanische Freundschaft ist etwas anderes als die blinde Unterstützung der Bush-Regierung. Für uns drückt sich deutsch-amerikanische Freundschaft, der Berlin in ganz besonderer Weise verpflichtet sein muss, in der Unterstützung der vielen US-Amerikaner aus, die Zweifel haben am Sinn und am Nutzen eines Präventivkriegs gegen den Irak. Mit dem gestrigen Tag genau waren es 100 Städte in den Vereinigten Staaten, ihre Parlamente und ihre Regierungen, die mittlerweile Resolutionen gegen einen drohenden Irakkrieg verabschiedet haben, darunter Seattle, Washington D. C. und Austin in Texas. Resolutionen aus New York und aus unserer Partnerstadt Los Angeles sind in Vorbereitung und werden sicherlich in den nächsten Tagen eintreffen. Ich finde, diesen Cities for peace sollte dieses Abgeordnetenhaus von Berlin in tiefer Freundschaft verbunden sein.

[Heiterkeit bei den Grünen]

Ich kann auch Cola sagen, wenn es Ihnen lieber ist. Aber diese Berliner Jugendlichen sind vielleicht auch gegen die Politik von George W. Bush und Donald Rumsfeld, und das ist nicht antiamerikanisch, sondern ich finde das ausgesprochen vernünftig.

[Beifall bei der PDS und der SPD – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Es waren am Wochenende ganz normale Berlinerinnen und Berliner und Gäste der Stadt, die zu großen Teilen – Herr Müller hat es schon gesagt – sonst selten oder gar nie bei Demonstrationen zu finden waren. Es war ein gutes Gefühl, auch Freunde zu treffen, die sich sonst eher nicht für Tagespolitik begeistern können. Das Thema Frieden berührt eben viele. Und die, die dort waren, waren auch nicht alles Linke. Sie sind in ihren Ansichten sicher sehr verschieden, und auch die Differenzen der hier antragstellenden Parteien über Außenpolitik bleiben.

Deshalb ein Wort zum Antrag der CDU. Vieles, was in dem Antrag der CDU steht, können wir durchaus unterstreichen, z. B. die Formulierungen, die zum 11. September gefunden wurden, z. B. auch dass Meinungsverschiedenheiten nicht zu Brüchen von Bündnissen führen können. Aber ich sage auch, dass es Formulierungen in diesem Antrag gibt, die wir nicht teilen können. Ich nenne z. B. die Formulierung zum Engagement der Bundeswehr in Afghanistan. Sie wissen, dass die PDS dazu eine andere Position hat, deshalb werden wir diesen Antrag auch nicht mittragen können, sondern uns der Stimme enthalten.

Es ist ein wichtiges Signal, dass gerade in einer Stadt, die zum größeren Teil eine ganz besondere Verbindung mit den Vereinigten Staaten von Amerika hat, gesagt wird, was viele Menschen hier von einem Kriegsabenteuer am Golf halten – nämlich nichts. Diese Botschaft sollte das Abgeordnetenhaus von Berlin aufgreifen und andere Städte in Deutschland und der Welt ermuntern, sich anzuschließen. Ich möchte mit einem Zitat von Henry Miller schließen: „Jeder Krieg ist eine Niederlage des menschlichen Geistes.“ – Trotz aller Unterschiede: Tun wir alles dafür, dass diese Niederlage vermieden wird! – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Danke schön! – Für die Fraktion der Grünen hat nun das Wort Frau Dr. Klotz!

[Starker Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Ausdruck dieser Freundschaft und Solidarität ist die hier vorliegende Entschließung. Und ich hoffe sehr, dass sie hier auf eine breite Zustimmung trifft. Sollten allerdings FDP und CDU sich dieser Entschließung versagen, werden wir ihnen nicht blinden Antiamerikanismus vorwerfen, Herr Lindner.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Meine Fraktion unterstützt allerdings auch den Antrag der CDU, das heißt, es ist ein Anzeigentext, eine Erklärung der Atlantikbrücke, die in der „New York Times“ erschienen ist. Sie hat ein paar historische Ungenauigkeiten, aber da es eine Anzeige ist, die darauf abzielt, dass beide Völker miteinander in Freundschaft verbunden sind, werden wir auch diesen Antrag Ihrer Fraktion unterstützen, Herr Steffel.

Die tiefe Sorge, die eine große Mehrheit der Bevölkerung der Bundesrepublik derzeit umtreibt, betrifft nicht nur einen angeblich vorbeugenden Krieg gegen den Irak, dessen Staatschef ein widerlicher verbrecherischer Diktator ist, der auch nicht davor zurückschreckt, gegen sein eigenes Volk mit Giftgas vorzugehen. Die Sorge von Millionen Menschen weltweit richtet sich auch auf die Frage, wie die internationale Staatengemeinschaft künftig mit Konflikten umgeht. Gilt das Völkerrecht, gelten die Regeln der Vereinten Nationen, gilt, wie Jürgen Trittin es gestern ausgedrückt hat, der Grundkonsens der Stärke des Rechts, oder gilt das Recht des Stärkeren? – Gerade die Bundesrepublik Deutschland, die mit der Wiedervereinigung ihre nationale Souveränität wiedererlangt hat, hat die Pflicht, sich für eben diese Stärke des Rechts einzusetzen und nicht für das Recht des Stärkeren. Das ist die historische Lektion, die wir gelernt haben müssen, und es ist die künftige Aufgabe im europäischen Maßstab. Ich

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe diese Debatte mit sehr

gemischten Gefühlen verfolgt. Ich finde, Herr Müller, wenn Sie so scharf gegen Herrn Lindner vorgegangen sind, peinlich war Ihre überzogene Art und Weise, mit einem Mitglied dieses Parlament umzugehen. Ich werde Ihnen auch sagen, ich werde trotz der Formulierungsmängel für den Antrag der FDP stimmen, auch für den Antrag der CDU, aber „Berlin – City for Peace“ werde ich ablehnen. Ich will Ihnen auch sagen, warum.

Ich gehöre noch zu den Wenigen, die die Zeit ab 1933 unter täglichen Lebensgefahren erlebt haben. Ich habe andere Erfahrungen als Sie, die Sie eine richtige Lebensgefahr vielleicht noch nie erlebt haben. Seien Sie froh darüber. Das ist kein Verdienst, aber es ist so. Die Landung der Amerikaner in der Normandie war für uns in Berlin das Friedenssymbol und hat uns die Kraft gegeben, durchzuhalten.

Diese Geschichte lebt natürlich weiter. Wir haben uns die Demokratie nicht erworben, sie ist uns mehr oder weniger geschenkt worden. Wenn wir uns heute so groß entwickeln als diejenigen, die für den Frieden demonstrieren, ist das eine wunderbare Sache. Wenn 10 Millionen für den Frieden demonstrieren und wir wissen müssen, dass das ein abstrakter Begriff ist und keiner sagen kann, für welchen Frieden er eigentlich kämpft und welche Bedeutung die Freiheit für uns noch hat und welche Art und Weise für ihn politisch von Bedeutung ist, einer Diktatur die Grenzen aufzuzeigen, da muss ich Ihnen sagen: Dieser Applaus in diesem Haus – Demonstrationen haben auch ein massenpsychologisches Element, und wenn 10 Millionen demonstriert haben, dann respektiere ich die alle, aber ich bitte Sie, auch meine Position zu respektieren.

bin wirklich sehr froh, dass wir eine Bundesregierung haben, die sich dieser Verantwortung stellt und die damit, Herr Lindner und Herr Steffel, eine breite gesellschaftliche Mehrheit der Bevölkerung in diesem Land repräsentiert.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Das ist die Realität, und das ist das, was Sie auch so wurmt in dieser Frage. Es reicht nämlich bis in ihre Partei, in die CDU hinein.

Was ist die Rolle der Hauptstadt, die Rolle Berlins in diesen Tagen und Wochen? Wie die Menschen diese Rolle sehen, ist am Samstag vergangener Woche wohl mehr als deutlich geworden. Wenn zwischen Alexanderplatz und Siegessäule mehr als eine halbe Million Menschen friedlich gegen einen drohenden Irakkrieg demonstrieren, dann ist das ein klares Signal für eine friedliche Abrüstung des Irak und für eine Hauptstadt Berlin, die mit ihrer Geschichte dieser Forderung auch eine starke Stimme verleihen soll. Und anstatt, Herr Lindner, hier diese ziemlich peinliche, provinzielle parteipolitische Karte zu ziehen,