Und nun wissen wir seit gestern, dass der Erkenntnishorizont des Senators und der Koalition sich schlagartig erweitert hat. Wir wissen nämlich, dass es einen neuen rot-roten Vorstoß gibt, das Abitur nach 12 Jahren zu absolvieren. Und wir wissen auch, und das finde ich das Allerschärfste, dass der Herr Senator schon immer für 12 Jahre war, nach dem Motto: Stellen Sie sich vor, Herr Böger ist für eine zwölfjährige Schulzeit, und keiner weiß es. Und da frage ich mich: Verehrter Herr Böger, wo ist Ihr Engagement im letzten Dreivierteljahr geblieben, wenn Sie schon immer für 12 Jahre Schulzeit waren?
Und Frau Dr. Tesch plädiert seit gestern öffentlich für einen gemeinsamen Antrag Berlins mit Brandenburg bei der KMK auf Genehmigung des Abiturs nach 12 Jahren. Da könnte ich mich jetzt eigentlich gemütlich zurücklehnen und sagen: Eine späte Vermehrung der gewonnenen Einsichten, aber immerhin, Sie haben verstanden. – Ich könnte aber auch sagen: Guten Morgen, Herr Böger, aufgewacht! – Nein! – Und hier muss ich sagen, da machen Sie es sich zu einfach. Ich finde nämlich, diese parlamentarische Arbeit muss höher eingeschätzt werden, als Sie es tun. Diese muss nämlich seriös gemacht werden. Und das, was hier gemacht wurde, ist, dass sich die Bürger und Bürgerinnen dieser Stadt verschaukelt fühlen, und eben nicht nur die Opposition.
Ein günstiger Umstand, den uns der Parlamentarismus ermöglicht. Aus dieser Sicht erhoffe und wünsche ich mir, dass es Veränderungen gibt, und – Sie haben Recht – wir haben mit der Diskussion ja bereits begonnen. Es ist zunächst einmal gut, dass wir alle eine Verkürzung der gymnasialen Oberstufe begrüßen.
Die Tatsache, dass es sich nach dem Gesetzesentwurf nur um 90 Tage handeln solle, haben wir – denke ich – im Ausschuss alle auch sehr kritisch gesehen. – Da hat übrigens Frau Harant gesprochen und nicht Frau Tesch. – Es gibt aber im Übrigen auch viele Schüler, die mit 90 Tagen Verkürzung schon zufrieden wären, einfach weil sie im Augenblick in den 13. Klassen sitzen, auf das Ende warten und noch eine mündliche Prüfung vor sich haben. Sie wissen: In 80 Tagen kann man um die Welt reisen. In 10 Tagen kann man die Welt verändern. Das heißt, 90 Tage wären auch für Schüler ein Gewinn, wenn sie sich orientieren wollen, eine Berufspraxis möglich wird oder eventuell ein Studium bzw. mit der Bundeswehr begonnen werden kann. Also: 90 Tage Gewinn wären schon etwas.
Ich halte allerdings den Aufwand, der zu betreiben und vor allem schulorganisatorischer Natur ist, für eine sehr große Belastung, die auf die Lehrer zukommt. Ich halte auch den Aufwand bezogen auf die Universitäten, dass verstärkt Möglichkeiten der Aufnahme von Studenten gefunden werden müssen, für unvertretbar groß.
Und nach dieser gestrigen Horizonterweiterung frage ich Sie: Warum stehe ich hier eigentlich und diskutiere diese Gesetzesvorlagen hier und heute?
Ich fordere Sie auf: Ziehen Sie dieses Gesetz zurück, und zwar ganz schnell. Das muss gar nicht erst in den Ausschuss. Sie alle, die Sie hier sitzen, die Kollegen von RotRot, der Senator, der gesamte Senat, Sie alle haben sich absolut lächerlich gemacht. Sie sitzen hier nach wie vor gemütlich herum, ohne rot zu werden. Ich finde das ein Unding.
Von der Gesinnung her, verehrter Kollege! – Auch Sie, Frau Dr. Tesch, Sie haben im Ausschuss diese so genannte Verkürzung immer wieder verteidigt. Sie haben unsere Forderung nach 12 Jahren als unrealistisch dargestellt. Sie, verehrte Frau Schaub, die uns eigentlich so gern Recht geben wollte, aber nicht durfte.
Und auch Sie, Herr Senator, gemeinsam mit Ihrem Staatssekretär: Sie haben sich beide taub gestellt und immer wieder neue fadenscheinige Argumente pro Verkürzung um 3 Monate auf den Tisch gelegt, obwohl Sie – wie wir seit gestern wissen – schon immer für eine Verkürzung der Schulzeit auf 12 Jahre waren. Heute wird die Blamage perfekt, weil Sie dieses Gesetz nicht zurückziehen und weil wir mal wieder parlieren, aber nicht mehr.
Ich frage Sie: Wie geht es nun weiter? Haben wir neben den vielen Schaufensteranträgen von Rot-Rot nun auch noch Schaufenstergesetze, oder gibt es vielleicht bald noch ein neues Gesetz? Machen wir eigentlich Beschäftigungstherapie, oder müssen wir uns nicht einmal ernsthaft an die Arbeit begeben?
Ich bin für Letzteres, und in diesem Sinne, und zwar für die Schülerinnen und Schüler dieser Stadt und für die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt: Legen Sie bald ein ordentliches Gesetz zur Verkürzung der Schulzeit auf 12 Jahre vor! Da werden wir dabei sein, aber versenken Sie dieses Gesetz, und zwar möglichst schnell. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! – Frau Senftleben, ich belehre Sie nur ungern, aber wenn ich schon einmal die Chance habe, nutze ich sie auch: Dieses ist ein Gesetzesentwurf der Verwaltung, beim Senat eingereicht, und wir werden uns im Ausschuss damit beschäftigen.
Der Einwand, dass Kindergeld nicht mehr bezahlt werden würde, ist falsch, Frau Schultze-Berndt. Lassen Sie sich hierüber noch einmal informieren, und wenn Ihr Kind groß ist, werden Sie es wissen. Es ist möglich, dies auch weiter zu bekommen. Das sollte nicht das Thema sein.
Aber auch mir und meiner Fraktion erscheinen 90 Tage als zu wenig. Deshalb bin ich froh, dass der Senator das gestern verkündet hat und wir dies hoffentlich auch so im Ausschuss diskutieren, dass ein größerer Schritt in der Verkürzung gegangen wird, dass ein zwölfjähriges Abitur möglich wird. Hier im Raum sitzen einige Kollegen, die dies so gemacht haben. Es ist also möglich und machbar, auch wenn manche 14 Jahre oder noch länger für das Abitur gebraucht haben. Da ist die Spannweite groß. Wir sollten die Chance, die uns das rot-rote Bündnis gibt, auch nutzen.
Für mich ich es auch nicht so bedeutsam, ob man dies nun als Gesetz vorschreibt, dass jeder in 12 Jahren das Abitur machen muss. Es sollte aber die große Chance sein, zu verkürzen, und es sollte ein individueller Zugang, eine individuelle Gestaltung der Abiturzeit möglich sein. Da sollten wir etwas flexibler werden.
Ich wäre froh, Herr Senator, wenn Sie Ihre Möglichkeiten gemeinsam mit dem Bildungsminister von Brandenburg nutzen würden, in der KMK aktiv zu werden, um die Voraussetzungen zu schaffen, dass dieses auch auf
In 80 Tagen kann man um die Welt, und in 10 Tagen kann man die Welt verändern, und Sie hatten als Regierungsfraktion genug Zeit, eine Vorlage vorzulegen, die hier abgestimmt werden könnte.
Was tun Sie jetzt? – Sie stellen sich hin und sagen, dies sei die Vorlage der Regierung, die die Verwaltung erarbeitet hat, und der Senat mache eine Empfehlung, aber das letzte Wort sei noch nicht gesprochen. Was haben Sie denn die letzten Monate bitteschön gemacht?
Wir haben im März dieses Jahres zum Beispiel mit unserer Drucksache 15/1419 mit der Überschrift „Keine übereilte Oberstufenreform“ eine Vorlage eingebracht, wo für Berlin richtungsweisend etwas hätte getan werden können. Was haben Sie im Schulausschuss gemacht? – Sie haben mit der Regierungsmehrheit diesen Tagesordnungspunkt einfach abgesetzt. Dabei ist all das, was in diesem Grünen-Antrag steht, nichts anderes als das, was Sie gerade versuchten, uns zu vermitteln. Individualisierung, Flexibilisierung: All das haben wir schon gefordert.
Bundesebene möglich wird – mit einer sechsjährigen Grundschule, wie wir sie in Berlin beibehalten wollen. Da herrscht zurzeit eine günstige Situation. Auch der Bund ist zu Veränderungen bereit. Ich habe dazu Interviews von Frau Bulmahn gelesen. Wie die CDU mitteilt, trägt auch sie ein zwölfjähriges Abitur mit. Warum sollten nicht Rahmenbedingungen auf Bundesebene so gestaltet werden, dass ein Abitur mit sechsjähriger Grundschule nach 12 Jahren möglich ist? Ich wäre dankbar, wenn Sie sich dafür einsetzten, und ich wäre froh, wenn wir dies in Berlin, vielleicht als erstes Bundesland, auch umsetzen könnten.
Die Fragen, die da dranhängen – Zentralabitur: ja oder nein, und für welche Fächer –: Ich glaube nicht, dass wir das politisch entscheiden müssen. Da gibt es eine fachliche Diskussion, die wir auch ermöglichen sollten. Da sollten auch Mischformen möglich sein, das heißt, Zentralabitur nur für einige Fächer.
Auch ist die Frage nach dem Sonnabendunterricht durch die Medien gewandert. Ich denke, wir als Parlament sollten uns nicht anmaßen, diesbezüglich Entscheidungen zu treffen oder Vorgaben zu machen. Das Berliner Schulgesetz, noch dazu das Reformgesetz wird solche Möglichkeiten der eigenen Gestaltung eröffnen und die demokratische Diskussion in den Schulen ermöglichen. Den Wettbewerb, welche Schule die attraktivsten Angebote macht, halte ich für interessant.
Wichtig ist, dass wir Rahmenbedingungen setzen, damit die inhaltliche Qualität nicht schlechter wird als die bisherige. Das Berliner Abitur hat durchaus auch auf Bundesebene einen guten Ruf. Dazu gehört für mich auch, dass die Gesamtschulen bezüglich ihrer Abiturstufe gestärkt werden. Ich denke, dass diese durch die fehlende Orientierungsstufe durchaus Schwierigkeiten bekommen könnten. Wir sollten darüber streiten, wie wir die Gesamtschulen dort stärken können. Die sechsjährige Grundschule als Prämisse haben wir bereits genannt. Wichtig wird sein, dass Chancengleichheit erhalten bleibt, dass also Übergänge zwischen den Schulen möglich sind und damit auch die Aufbauklassen, die gerade auch für Schüler wichtig sind, die sich später entwickeln und den Zugang zur Abiturstufe finden, erhalten bleiben.
Diese Diskussion beginnt, Frau Senftleben. Lassen Sie sie uns gemeinsam kreativ gestalten. Wir haben eine Chance, nutzen wir sie. Im Übrigen besteht die Chance seit 12 Jahren, und alle, die meinen, hier würde jemand verschaukelt und alles nur vertagt: Nein, es ist Ausdruck lebendiger Diskussion. Ich hoffe, uns gelingt die Qualität, die uns angemessen erscheint. – Danke schön!
Das ist doch keine Debatte, die uns über Nacht überfallen hat, sondern seit Monaten diskutieren in dieser Stadt Eltern, Schülergremien und Schulen, was mit der gymnasialen Oberstufe passieren soll, und Sie kommen und erzählen uns, das sei nur eine Vorlage und man diskutiere weiter. Sie hätten genug Gelegenheit dazu gehabt.
Wir haben gesagt, man kann nicht einfach hingehen und in der Oberstufe 3 Monate kürzen, sondern wenn man es ernst meint, muss man in Zeiten von PISA und IGLU endlich ein Gesamtkonzeption vorlegen. Sie können nicht ständig Stückwerk betreiben. Wenn Sie es ernst meinen, müssen Sie uns sagen, wohin es in der Bildungspolitik in dieser Stadt gehen soll. Verstecken Sie sich bitte nicht hinter dem Argument, das sei die Vorlage des Senats.
Wir hatten in unserem Antrag vom März gefordert, dass bei der Reform der gymnasialen Oberstufe auf Individualisierung und Flexibilisierung gesetzt werden soll, dass mehrere Geschwindigkeiten möglich sein sollen, nämlich 12 und 13 Jahre. Das bedeutet, dass man natürlich nicht nur anfangen kann, etwas an der gymnasialen Oberstufe zu verändern, sondern bereits mit der Vorklasse beginnen und die ganze Schule anpacken muss. Anders geht es nicht.
Im Grunde waren wir in der Diskussion viel weiter. Ich kann mich sehr wohl an die Gespräche zwischen den Parteien der Ampelkoalition erinnern, in denen wir in diesem Punkt bereits Einigkeit erzielt haben. Uns war klar, dass es eine Verdichtung in der Sekundarstufe I geben muss. Uns war klar, dass 12 Jahre möglich sein sollten. Auch 13 Jahre sollten möglich sein. Jetzt wird auch die späte Einsicht nützen, Frau Dr. Hiller. Ich hoffe, es bleibt auch dabei, dass Sie tatsächlich in der Beratung des Schulreformgesetzes – das hoffentlich bald auf der Tagesordnung steht; darauf wartet diese Stadt nämlich
drin, was der Mensch so wissen sollte. Inzwischen haben wir es weit gebracht: wenn man alle Schulbücher aufeinander legt, die im Laufe von 10 oder 13 Schuljahren durchgearbeitet werden, so ist der Turm mehrere Meter hoch, und es sieht ganz so aus, als ob er immer weiter wächst.
Computers und des Internet, in der Schule nicht. Bücher sind unentbehrliche Mittel zum Lernen, und die Qualität der Schulbücher spielt auch eine nicht unwesentliche Rolle beim Lernerfolg.
Bücher zur Hand nehmen, ist das nicht selten eher abschreckend: veraltete, äußerlich verschlissene, innen vollgekritzelte „Schwarten“ machen wenig Lust auf den Inhalt. Wenn dann die Rechtschreibung auch nicht auf dem neuesten Stand ist, wird es absurd.