Protokoll der Sitzung vom 13.11.2003

[Beifall bei der CDU, der FDP und den Grünen]

Danke schön! – Für die PDS-Fraktion hat nun der Abgeordnete Brauer das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es war aufschlussreich, was Sie sagten, Herr Stölzl! Ich habe nur die Hoffnung, Herr Kollege, dass die von Ihnen eingeforderte Theoriedebatte über Rolle und Bedeutung der Künste und ihr Verhältnis zueinander nicht von den Politikern der Abgeordnetenhausparteien geführt wird. Ich möchte niemandem zu nahe treten, aber das ist nicht unsere Aufgabe; das sollten andere erledigen.

Im Übrigen erlaube ich mir, Sie darauf hinzuweisen: Auch Sie haben seinerzeit verwaltet. Sie standen einer Kulturverwaltung vor, allerdings war das Händchen nicht ganz so glücklich.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Aber gut! Auch aus gescheiterten Versuchen kann und muss man lernen. Das Ihnen heute vorliegende Errichtungsgesetz zur Stiftung Oper in Berlin wäre nicht denk

bar gewesen ohne das Scheitern der Vorgängerversuche. Diese Erfahrungen sind dort mit eingeflossen.

[Beifall bei der PDS]

Halten Sie es durch!

Ansonsten möchte ich nur feststellen, dass wiederholte Falschbehauptungen auch nicht richtiger werden, wie dieses Geschwätz von einer fehlenden künstlerischen Autonomie der Häuser. Es ist nicht begründbar. Diese von einigen Oppositionspolitikern hoch gekochte Querfinanzierungsdebatte ist unsäglich. Es ist wirklich nicht nachweisbar. Sie beschwören hier einen Fetisch.

Letztlich ist es paradox, wenn Politiker, die gerade für künstlerische Institutionen Staatsferne einfordern, in wahre Regulierungsorgien fallen und jeden Krimskrams, Frau Meister, geregelt wissen wollen. Es betrifft große Dinge und kleine Dinge. Es ist furchtbar, was Sie hier beschwören. Warum sind Sie nicht so mutig und wollen auf der Grundlage wirklich einander widersprechender und auch ergänzender Gutachtermeinungen beispielsweise hinsichtlich der Werkstätten die Möglichkeit, ein realisierbares und sinnvolles Werkstattkonzept zu finden, nicht der

Ich möchte Ihnen noch etwas zu den Grundsatzfragen sagen, weil Sie es zum fünften Mal falsch interpretieren: Die Neuordnung der Verantwortung für die Gedenkstätten ist keine Frage zwischen dem Bund und dem Land Berlin, sondern muss eine Frage zwischen allen Bundesländern, Berlin und dem Bund werden. Deswegen ist diese Aufgabe nicht eine Aufgabe von Alice Ströver in Kommunikation mit Antje Vollmer oder Christina Weiss, sondern ist die Aufgabe des Regierenden Bürgermeisters, im Kreis der Ministerpräsidenten der Länder, um hier eine neue Verantwortung für diese Frage zu erreichen.

Ich muss Ihnen auch noch etwas sagen, weil Sie den Begriff des Ausverkaufs so kritisieren, Herr Senator: Für mich – diese Debatte gehört vermutlich in eine andere Runde als in eine Plenardebatte – stellt es sich schon anders da, wenn eine Kultureinrichtung vollständig vom Bund finanziert wird. Es erfolgt ganz automatisch – ich könnte es vielleicht exemplarisch am Haus der Kulturen der Welt darstellen – ein inhaltlicher Paradigmenwechsel. Es erfolgt ein Ausrichtungswechsel – um es am Haus der Kulturen noch einmal zu verdeutlichen –, tatsächlich auswärtige Kultur nach Berlin zu holen. Der Dialog mit den hier lebenden ethnischen Gruppen findet genau bei der Änderung der Konzeption, die im Haus der Kulturen stattgefunden hat, nicht mehr statt.

Stiftung überlassen? Warum soll das im Abgeordnetenhaus oder meinetwegen durch den Senat entschieden werden? Bekennen Sie sich endlich einmal zu Ihren liberalen Grundgedanken! Tun Sie das.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Die Errichtung der Stiftung Oper in Berlin ist notwendig und vernünftig. Letztendlich bietet sie – das ist hier mehrfach gesagt worden – neben der Sicherung dieser Einrichtungen die Gewähr dafür, dass auch wieder Handlungsspielräume für andere kulturelle Bereiche im Land Berlin gewonnen werden können. Notwendig ist es allemal. Die Kultur ist einer der wenigen zukunftsträchtigen Standort- und Wirtschaftsfaktoren der Stadt. Kultur ist ein entscheidender, humanitätsbildender und -wahrender Faktor, der besonders geeignet ist, dem immer wieder auch von Ihnen beklagten Werteverlust dieser Gesellschaft Einhalt zu gebieten. Genau das ist einer der vornehmsten Verfassungsaufträge dieser Republik. Den gilt es auch gerade in Zeiten der Not zu entsprechen. Zu diesem Auftrag bekennen wir uns. Wir werden ihn auch realisieren, allen Unkenrufen zum Trotz! – Ich danke für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der PDS]

Danke schön! – Nun hat für die Fraktion der Grünen Frau Abgeordnete Ströver das Wort! – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für mich leitet sich die ganze Debatte um die Frage der Systematik des Verhältnisses zwischen Bund und Land aus einem einzigen Hintergrund ab. Wir alle – da sind wir uns vermutlich der Ernsthaftigkeit der Debatte noch nicht ganz bewusst – müssen sehr viel dafür tun, dass Berlin als Hauptstadt akzeptiert und anerkannt wird im Kanon des gesamten bundesdeutschen föderalen Systems.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Vor dem Hintergrund stellt sich die systematische Frage nach dem, was die Aufgabe im Kulturbereich ist. Das betrifft aber auch ganz viele andere Bereiche. Die Kultur ist nur, wie so oft, der Vorreiter dieser Überlegungen und Argumentationsketten. Daraus empfinde ich die Verantwortung zur Begründung einer Systematik der Kulturdebatte.

Herr Senator, erlauben Sie mir folgende Bemerkung: Ich gestatte mir als Abgeordnete immer noch, eigene Gedanken zu haben und zu Überlegungen zu kommen, die vielleicht nicht gerade der akzeptierten Linie einer rotgrünen Bundesregierung entsprechen. Sie sind aber mit meiner Fraktion abgestimmt. Ein Denkverbot als Abgeordnete lasse ich mir von niemandem auferlegen, auch nicht von Ihnen!

[Beifall bei den Grünen – Liebich (PDS): Gegen den Strom!]

[Beifall bei den Grünen]

Ich komme noch einmal konkret zur Frage des Operngesetzes. Herr Flierl, Sie können nicht sagen, dass wir im Stiftungsgesetz versucht haben zu regeln, was zu regeln war. Wenn die Staatsministerin sagt, dass sie die Staatsferne garantiert haben möchte, kann ich nicht im Stiftungsrat sagen, dass die Staatsferne stattfindet, indem das Parlament nicht mehr vertreten ist. Dann gibt es zwar eine Parlamentsferne, aber 2 Senatoren, die darin sitzen. Ich kann mich dann nicht hinstellen und sagen, dass Querfinanzierung nicht gewollt ist, sie aber nicht im Gesetz ausschließen. Sie sagen, dass die Sponsorenmittel eindeutig zuzuordnen sind. Das stimmt. Der Stiftungsrat als solcher beschließt den Wirtschaftsplan. Er kann sofort an der Stelle hingehen und sagen, dass er die Gesamtzuwendung für diesen Teilbereich, für diese GmbH mit dem nächsten Haushalt reduziert. Deswegen sind die Sponsorenmittel kein Surplus. Ein Sponsorengeld muss ein Sahnehäubchen für gute Leistungen und für ein Haus sein. Das haben Sie nicht sichergestellt!

Die ganzen Fragen des Balletts, was aus diesem wird, wie dieses mit 88 Tänzern drei Opernhäuser bespielen wird, sind offen. Auch Sie sind in der Verantwortung. Ich komme darauf zurück, was Herr Stölzl gesagt hat. Die Unruhe, die Unsicherheit, die in der Stadt in den Häusern vorhanden ist, liegt natürlich auch in Ihrer Verantwortung. Sie waren es, der den Intendanten der Deutschen Oper entlassen hat. Sie waren es, der den Posten in einer so unsicheren Situation, in der wir jetzt sind, nicht wieder besetzt hat. Wen sollte es jetzt nicht zu der Äußerung treiben: „Vielleicht will er es gar nicht?“ Es wird Zeit. Besetzen Sie wenigstens den Intendantenposten der Deut

Sie haben den Artikel 135 des Grundgesetzes genannt und eine kleine „Öffnungsklausel“ in das Gesetz eingebaut – zumindest in der Begründung zu § 4 –, nämlich

dass die Staatsoper durch Zugriff es Bundes herausoperiert werden kann. Die Auseinandersetzung darüber muss mit dem Bund geführt werden. Niemand kann sich darauf berufen, dass Frau Weiss sagt: Entweder das wird so gemacht oder ihr bekommt die 22 Millionen € nicht. Ich schreibe vor, wie in Berlin die Opernstruktur konstruiert sein muss. –

Wir müssen die kulturpolitischen Strukturen so verändern, dass wir mit Hilfe konjunkturpolitischer Konzepte beseitigen, was das Urteil „die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ nennt. Wenn dieses Konzept stimmt und die Bereiche Wissenschaft, Forschung und Kultur sind geeignet, zu helfen, die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beseitigen, indem die Konzepte auf schwarze Zahlen abzielen, dann ließe sich völlig anders operieren. Aber Ihr Stiftungsmodell birgt so viele hemmende Barrieren, dass ein wünschbarer Erfolg nicht zu erwarten ist – es sei denn, es ist das Ziel, dass zumindest für eines der Opernhäuser, der Selbstmord auf offener Bühne in Kauf genommen wird. Da dies nicht unterstellt wird, ist überhaupt nicht zu verstehen, weshalb Sie an diesem Gesetzesvorschlag festhalten, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie sich eine Harmonisierung herstellen ließe, nämlich zwischen der Begründung dieses Verfassungsgerichtsurteils und der Notwendigkeit des Landes Berlin, die Kultur in ein konjunkturpolitisches Konzept einzubinden. In diesem Vorschlag sind Mängel enthalten, über die ich nicht hinweggehen kann, als wäre nichts passiert, sondern es muss Schlussfolgerungen geben. Dieses Opernkonzept, das Sie als Gesetz vorlegen, stellt die Behinderung einer Entwicklung dar. Es sind so viele Nachteile darin enthalten, die sich in der Kürze der Zeit nicht darstellen lassen, aber das können wir dann vielleicht noch im Ausschuss nachholen.

schen Oper, damit allen klar ist, dass es mit diesem Haus wirklich weitergeht.

[Beifall der Frau Abg. Grütters (CDU)]

In diesem Sinne werden wir weiter konstruktiv diskutieren. Wehren Sie nichts ab, wenn von der Opposition auch konkrete Vorschläge und Überlegungen kommen. Nicht alle sind nur schlecht, sondern gut gemeint im Sinne einer Sicherung der Kulturlandschaft in Berlin.

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön! – Das Wort hat nunmehr der fraktionslose Abgeordnete Herr Dr. Jungnickel. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin überrascht und verwundert darüber, dass die FDP das Thema der Aktuellen Stunde überhaupt nicht behandelt hat, und verweise in diesem Zusammenhang auf meine Kleine Anfrage vom 11. November 2002 und auf die Antwort des Senats vom 12. Dezember 2002.

Ich hoffe zu Ihren Gunsten, Herr Senator Flierl, dass Sie das, was Sie gesagt haben, in den Kernbereichen selbst nicht glauben, weil viele Unstimmigkeiten darin enthalten sind, auf die ich jedoch wegen der Kürze der Zeit jetzt nicht eingehen möchte.

Der Ministerpräsident von Bayern hat gestern im Radiosender RBB darauf hingewiesen und seiner Besorgnis darüber Ausdruck verliehen, dass viele Länder mit der Verfassungswidrigkeit ihrer Haushalte zu kämpfen hätten. Damit komme ich zur Urteilsbegründung des Landesverfassungsgerichts Berlin, in der interessante Dinge stehen. Ich wundere mich darüber, dass Sie im vollen Wissen dieser Urteilsbegründung Ihren Antrag bezüglich der Opernstiftung nicht zurückgezogen haben, denn darin stehen auch Anweisungen, wie man mit dem Artikel 87 der Verfassung von Berlin umgehen kann, nämlich dann, wenn man ein möglichst konjunkturpolitisch definiertes ausgefeiltes und nachvollziehbares Konzept vorweist. Dann lassen sich sehr wohl Kredite aufnehmen und die Kulturlandschaft verbessern und aufbauen. Wenn ich das Verfassungsgerichtsurteil richtig gelesen habe, dann waren das Formfehler, die das Urteil notwendig machten, und es müssen völlig andere Konzepte konstruiert und nachvollziehbar begründet werden.

Wir alle wissen, dass Forschung, Kultur und Wissenschaft die einzigen Bereiche sind, mit denen Berlin Furore machen kann. Es muss also ein konjunkturpolitisches Konzept entwickelt werden, aus dem eine positive Wirtschaftslandschaft erwachsen kann, und diese kann nur durch Rückkopplungen entstehen. Ich kann Ihren Weg nicht mitgehen. Die Anträge der FDP und der Grünen sind viel interessanter als Ihre Dreierkombination.

Aus der vorhin von mir zitierten Anfrage möchte ich noch einmal die Frage Nr. 6 zitieren:

Hat der Senat eine Vorstellung davon, wie er in der Kulturpolitik einen Umkehrschub einleitet? Wie sehen seine Vorstellungen aus?

Die Antwort wird am 12. Dezember nachzulesen sein.

Das Thema „Widerspruchsrecht der beschäftigten Personen“ werde ich aus zeitlichen Gründen im Ausschuss ansprechen. – Vielen Dank!

Danke sehr! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit hat die Aktuelle Stunde ihre Erledigung gefunden.

Die Vorlage – zur Beschlussfassung – über Gesetz über die „Stiftung Deutsche Oper in Berlin“ wurde bereits vorab an den Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten sowie an den Hauptausschuss überwiesen. Ich stelle dazu die Zustimmung fest. Inzwischen hat man sich interfraktionell darauf verständigt, die Vorlage mitberatend auch an den Rechtsausschuss zu überweisen. – Dazu höre ich keinen Widerspruch.

Vizepräsidentin Michels

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Paragraphen miteinander zu verbinden, und höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe auf die

Überschrift und die Einleitung sowie die §§ 1 und 2 – Drucksache 15/1828 –.

Der Ausschuss empfiehlt mehrheitlich gegen die Stimmen von CDU und FDP die Ablehnung des Antrags. Wer dem Antrag auf Drucksache 15/1828 jedoch seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das waren die CDU und die FDP. Die Gegenprobe! – Das sind alle anderen. Damit ist dieses Gesetz abgelehnt.

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Artikel miteinander zu verbinden, und höre keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I und II – Drucksache 15/1741 –.

Zum Antrag von FDP und CDU über Staatsvertrag für die Hauptstadtkultur, Drucksache 15/2216, bitten die Antragsteller um eine sofortige Abstimmung. Von SPD und PDS gibt es jedoch den Antrag auf Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten sowie an den Hauptausschuss, über den ich zuerst abstimmen lasse. Wer der Überweisung an den genannten Ausschuss zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit haben wir die Überweisung so beschlossen.

Zu den dringlichen Gesetzesanträgen der Grünen, Drucksache 15/2221, und der FDP, Drucksache 15/2223, wird, wie bereits zur Senatsvorlage von uns beschlossen, die Überweisung federführend an den Kulturausschuss, den Rechtsausschuss sowie an den Hauptausschuss vorgeschlagen. – Ich höre dazu keinen Widerspruch, dann ist auch das beschlossen.