Protokoll der Sitzung vom 27.11.2003

[Beifall bei den Grünen]

Da wird ein Engpass entstehen, vor allem im nächsten Jahr. Diese Lücke wollen Sie nicht füllen. Wir befürchten da Schlimmes. Es wird nämlich so sein, dass es ab 2005 – das ist das Paradoxe daran – eine Umlagefinanzierung in den Gesundheitsfachberufen geben wird. Es ginge um ein Jahr Überbrückung, das Jahr 2004 müsste noch überbrückt werden von der Senatsverwaltung, vom Senat. Aber das wird nicht getan, sondern die Schule wird erst mal geschlossen. Und dann, wenn der Nachwuchsmangel da ist, wird eine weitere Schule mit einem neuen Träger gesucht, aufgebaut und vermutlich mit einigem Geld für Investitionen u. Ä. wieder hochgepäppelt. Das finde ich relativ sinnlos, und vor allem finde ich das sinnlos für die armen Auszubildenden, die in diese Lücke fallen werden.

[Beifall des Abg. Hoffmann (CDU)]

Es gibt ein zweites Problem mit der Ergotherapie, da sollen Plätze verlagert werden. Das klappt auch hinten und vorne nicht. Der Senat bemüht sich überhaupt nicht, auf die Krankenkassen einzuwirken, dass diese dort endlich ihrer Verpflichtung nachkommen und diese Plätze genehmigen. Es ist alles ein Riesenchaos, und das wird sich in den nächsten Jahren rächen, wenn wir Hunderte von Pflegekräften und medizinisch-technischen Assistentinnen und Assistenten brauchen werden und der Senat keine Vorsorge getroffen hat, sondern lieber tatenlos zuschaut, wie Vivantes Schulen schließt. Und Sie werden für teuer Geld Schulen aufbauen, Ersatzprogramme auflegen oder die Pflegekräfte aus den benachbarten Ländern importieren, weil wir selbst nicht frühzeitig dafür gesorgt haben, diese auszubilden. Das ist für die Jugendlichen dieser Stadt nicht gut, und das ist für die alten Menschen nicht gut, die diese jungen Nachwuchskräfte brauchen. Der Senat sollte sich darüber den Kopf zerbrechen, wie diese Schulen gerettet werden können. Es geht nur um ein Jahr Überbrückung, bis die Umlagefinanzierung im Gesundheitswesen greift. Bis dahin sollten Sie Ihre Leistungen und ihre Pflicht erfüllen.

[Beifall bei den Grünen und der CDU]

Aber nun zu dem Antrag der Grünen. Die ehemalige Landeslehranstalt in Lankwitz beschäftigt nicht zum ersten Mal die Berliner Gesundheitspolitik; Mitte der 90er Jahre war sie schon einmal im Gespräch und wurde dann bei gleichzeitiger Bezuschussung durch das Land durch eine Überführung vom Land in die Trägerschaft eines Krankenhauses auf eine vermeintlich breitere Grundlage gestellt. Die konkrete Ausgestaltung dieser Trägergemeinschaft – ich habe mir die Grundlagen einmal durch kompetente Leute erläutern lassen – war aber so schwammig gefasst, wie es nur unter den spezifischen damaligen Zuständen im Land Berlin möglich war. So eine finanzielle Partnerschaft ohne feste Regeln und Überprüfbarkeit geht eben nur so lange gut, wie es beiden Partnern nicht so genau darauf ankommt. Somit war es kein Zufall, dass sowohl Vivantes unter seinen neuen unternehmerischen Zwängen als auch das Land Berlin unter seiner Haushaltsnotlage dieses Agreement aufkündigen wollten. Ich habe die Entscheidung von Vivantes zur Schließung der Schule ebenfalls als kurzsichtig und falsch kritisiert und kann auch 80 % der Begründung Ihres Antrags unterschreiben, insbesondere, wenn es um die Ausbildung über den eigenen Bedarf hinaus geht. Nur eins geht nicht: Erst gründen wir Unternehmen, die bewusst staatsfern organisiert sind, und wenn dann unternehmerische Entscheidungen gefällt werden, die uns als Politiker nicht passen, fordern wir schnell den Senat auf, das Unternehmen per Ordre de Mufti zu einer uns genehmen Politik zu verpflichten.

Danke schön! – Jetzt hat Herr Brinsa von der CDU-Fraktion das Wort. – Bitte sehr!

Herr Pape! Was Sie gesagt haben, war ein Schlag ins Leere. Sie haben erst gemeint, der Antrag der Grünen sei gut, und dann haben Sie zu erkennen gegeben, dass Sie dem Antrag überhaupt nicht zustimmen können. Das ist einmalig. Aber wir kennen Sie so aus der Ausschussarbeit.

Worüber wir reden, Gesundheitsfachberufe heute, ist uns ein ganz wichtiges Anliegen. Gerade die Ausbildungseinrichtungen, die in Berlin geschlossen werden sollen, sind ein ganz wichtiger Bestandteil der Gesundheitsprävention in Berlin und in Deutschland

Im Übrigen ginge das auch gar nicht so, wie es in Ihrem Antrag steht; denn die Schule steht nun einmal in der Verantwortung von Vivantes. Der Senat hat unter den jetzt geltenden Bedingungen keine Möglichkeit, dem Träger eine bestimmte Anzahl von Ausbildungsplätzen vorzuschreiben. Das machen die Träger und die Krankenkassen autonom; denn die Kassen zahlen auch über die Budgets der Häuser für die Ausbildung. Sie haben schon darauf hingewiesen: Ab 2005 wird unter den neuen Finanzierungsformen durch Umlage dem Land eine konkrete Verantwortung für die Feststellung des Bedarfs zugewiesen. Es wird dann auch eine größere Rolle in diesem System spielen. Ich glaube allerdings nicht, dass mit dem Jahr 2005 alle Probleme beendet sein werden, sondern wir müssen in Vorbereitung auf dieses neue System noch intensiv darüber diskutieren, wie es konkret in Berlin umgesetzt werden soll.

Nun nähme ich es dem Senat sehr übel, wenn er sich auf die jetzige Rechtslage zurückgezogen und seit dem Frühjahr nichts in der Sache unternommen hätte, wie Frau Pop es angedeutet hat. Wie wir es aber von eben diesem Senat der Tat kennen, hat er stattdessen in Person des Staatssekretärs Schulte-Sasse die Ärmel aufgekrempelt

[Heiterkeit]

und das im Rahmen seiner Möglichkeiten Liegende getan, um die bedrohten Ausbildungsplätze, wo immer möglich, zu erhalten. Da es aus den dargelegten Gründen leider nicht erfolgreich war, Vivantes und die Krankenkassen zu einem Erhalt der Lankwitzer Schule zu bewegen, ging es nun darum, bei anderen Trägern Ersatzplätze zu organisieren. Mehrfach haben wir im Gesundheitsausschuss Berichte zum Stand der Dinge erhalten. Es gibt inzwischen bereits Erfolge bei einigen Trägern, die bereit sind, wegfallende Plätze in gewissem Umfang zu ersetzen. Für den größten Teil gibt es konkrete Gespräche, die – wie ich mir vorhin noch einmal von Herrn Schulte-Sasse bestätigen lassen konnte – zu besten Hoffnungen Anlass geben. Dass dabei voraussichtlich nicht alle wegfallenden Plätze ersetzt werden können, halte ich für sehr bedauerlich, aber angesichts der starren Haltung von Krankenhausträgern und Krankenkassen, was die Ausbildung in Gesundheitsberufen anbetrifft, halte ich das durch die Senatsverwaltung Erreichte schon für einen kleinen Erfolg.

[Hoffmann (CDU): Buh!]

Wir werden uns aber in der nächsten Zeit ganz schnell mit allen Beteiligten auseinander setzen müssen, damit die anstehenden Umstrukturierungen im Vorfeld der neuen Finanzierung der Ausbildungssituation im Gesundheitswesen so ablaufen, dass der schon drohende Arbeitskräftemangel im Gesundheits- und Pflegebereich abgewendet werden kann.

Zusammenfassend kann ich zu dem Antrag sagen: Vom Ziel her durchaus Zustimmung meinerseits, nur leider ist der gewählte Weg nicht gangbar. Die Intention ist, soweit die augenblicklichen Umstände es zulassen, auch im Wesentlichen erfüllt. Somit ist der konkrete Antrag für mich eigentlich erledigt. Was die Umstrukturie

rung im Hinblick auf 2005 angeht, haben wir allerdings noch alle zusammen ein kräftiges Stück Arbeit. – Danke!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

[Beifall bei der CDU]

[Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Over (PDS)]

[Beifall bei der CDU]

und auch ein wichtiger Bestandteil der Gesundheitstherapie für die Menschen in unserer Stadt. Deshalb haben die Ausbildungseinrichtungen einen sehr guten Ruf, und die Absolventen werden, wenn sie die Ausbildung abgeschlossen haben, gern übernommen und aufgenommen.

[Beifall des Abg. Dr. Steffel (CDU)]

Lediglich Vivantes und auch Berlin wollen diese Ausbildungseinrichtungen schließen. Sie begründen die Absicht damit, dass sie ihre Verpflichtung nicht darin sehen, über den Bedarf hinaus auszubilden. Dabei könnte Vivantes es sich leisten, wenn Berlin diese Ausbildungseinrichtung weiterhin finanzieren würde.

[Dr. Steffel (CDU): Richtig! – Zuruf des Abg. Over (PDS)]

Vivantes und das Land Berlin entziehen sich dieser Problematik immer wieder mit dem Hinweis auf die schwierige Haushaltslage. Diese rein fiskalischen Begründungen sind zwar oberflächlich betrachtet nicht nachvollziehbar, aber inhaltlich überhaupt nicht zu verantworten.

[Abg. Pape (SPD) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Herr Abgeordneter! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Pape von der SPD?

Ich möchte gern die fünf Minuten ausnutzen. – Zu einem hat das Land Berlin, noch immer Hauptanteilseigner von Vivantes, eine Verantwortung zur Sicherung der Ausbildungsarbeitsplätze. Und hier erwarten wir auch klare Aussagen des Berliner Senats und von

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Pop! Vielleicht kann ich zur Aufklärung beitragen. Vivantes hat die Ausbildungsplätze nicht auf die vermuteten 400 heruntergefahren. Es sind immer noch 1 000 Ausbildungsplätze, und, wie ich gehört habe, wird es die bis 2010 und danach 750 Ausbildungsplätze geben.

Vivantes. Zum anderen besteht eine ganz große Verantwortung auch gegenüber den Einrichtungen, die die Ausbildung betreiben, das erworbene Know-how und das Wissen von hoher Qualität dauerhaft zu sichern und nicht etwa bei einer ersatzlosen Schließung unwiederbringlich verloren gehen zu lassen. Der Skandal ist eigentlich darin zu sehen, dass die Schule mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, aber auch die Auszubildenden seit über einem Jahr im Ungewissen gelassen werden. Entsprechende Protestschreiben liegen uns und möglicherweise auch den anderen Fraktionen vor.

[Anhaltender Beifall bei der CDU – Dr. Steffel (CDU): Bravo!]

Es ist überhaupt nicht erkennbar, welche Anstrengungen dieser Senat unternommen hat, um gemeinsam mit Vivantes die anstehenden Probleme zu lösen.

Das höchst ungewisse Schicksal der Auszubildenden können wahrscheinlich nur die Senatsmitglieder nachvollziehen, denn sie sitzen auf der Senatsbank und wissen auch nicht, wie lange sie dort bleiben werden.

[Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der FDP]

Der kleine Unterschied besteht darin, dass sich die CDU-Fraktion für den Erhalt der Ausbildungsplätze mit Vehemenz einsetzen wird.

[Beifall bei der CDU]

Die CDU-Fraktion ist deshalb der Auffassung, dass dieser Antrag noch einmal im Ausschuss für Gesundheit und Soziales beraten werden muss. Es müssen alle Möglichkeiten abgewogen und geprüft werden, mit welchen Mitteln die Ausbildungseinrichtungen in Berlin für Berlin und für die Menschen erhalten werden können.

Wir beantragen deshalb die Rücküberweisung in den Ausschuss für Gesundheit und Soziales. – Danke schön!

[Starker Beifall und Bravo! bei der CDU]

Danke schön! – Für eine Kurzintervention hat sich der Abgeordnete Herr Pape gemeldet. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die ersten Äußerungen von Herrn Brinsa zwingen mich leider dazu, hier etwas richtig zu stellen.

[Ei! von der CDU]

Sie haben offensichtlich meinen letzten Satz nicht gehört, als ich gesagt habe: „vom Ziel her durchaus Zustimmung.

[Zurufe der Abgn. Gram (CDU) und Dr. Steffel (CDU)]

Leider ist der Weg, den die Grünen in ihrem Antrag gewählt haben, überhaupt nicht machbar.“

Herr Brinsa, ich bin überrascht darüber, dass Sie in solch einer polemischen Weise hier – wir kennen Sie eigentlich anders im Ausschuss – vorgehen.

[Beifall bei der SPD – Oi! von der CDU – Zurufe]

Ich bin sehr überrascht darüber, dass Sie sich bei diesem ernsten Punkt für ein Affentheater, das Ihre Fraktion abzieht, hergeben.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Buh! Pfui! von der CDU]