Protokoll der Sitzung vom 15.01.2004

über die aktuelle Stunde oder Spontane Fragestunde hinaus.

Danke schön, Herr Senator! – Zwischenfragen und Gegenrufe von der Senatsbank, Herr Regierender Bürgermeister, gibt es übrigens nicht.

[RBm Wowereit: Schade!]

Das ist eben so, schon seit jeher.

Dann hat Herr Ratzmann von den Grünen das Wort zu einer spontanen Anfrage. – Bitte schön, Herr Ratzmann!

Danke, Herr Präsident! – Ich habe eine Frage an Frau Knake-Werner. – Frau Knake-Werner, ich habe heute mit Interesse Ihr Interview im „Tagesspiegel“ gelesen, in dem Sie sagen: „Aber eine generelle Freigabe von Cannabis lehne ich ab.“ – Ich würde gern von Ihnen wissen, warum Sie zunächst der Freigabe positiv gegenübergestanden haben und jetzt, nachdem Herr Wowereit auch verkündet hat, er sei dagegen,

[RBm Wowereit: Genau!]

eher zu der CDU-Position neigen, dass das nicht freizugeben sei, und ob die Position von Ihrer Fraktion geteilt wird.

Frau Senatorin Dr. KnakeWerner hat das Wort zur Beantwortung – bitte schön!

Vielen Dank! – Herr Kollege Ratzmann, ich habe auch, nachdem Herr Wowereit sich erklärt hat, in der Öffentlichkeit sehr deutlich gesagt, dass ich diese Position nicht teile, sondern dass ich der Meinung bin, dass es notwendig ist, den Cannabiskonsum zu entkriminalisieren und damit auch die Größenordnung für den Eigenbedarf völlig freizustellen, das heißt also hier keine Verfahren mehr einzuleiten und auch die Größenordnung des Eigenbedarfs zu erhöhen. Das finde ich nach wie vor richtig.

Ich habe aber auch immer gesagt: Ich bin Gesundheitssenatorin, und dabei hat Gesundheit für mich oberste Priorität. Ich streite gegen alle Suchtstoffe, die die Gesundheit gefährden. Das gilt für Alkohol, für Zigaretten und auch für Cannabis.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Danke schön, Frau Senatorin! – Eine Nachfrage des Kollegen Ratzmann – bitte!

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, gehen Sie davon aus, dass, wenn man die Grenze für die geringe Menge im Betäubungsmittelgesetz erhöht, das automatisch zu einer Entkriminalisierung führt. Das entspricht nicht ganz der geltenden Rechtslage. Deswegen möchte ich – –

[Gaebler (SPD): Frage!]

Herr Gaebler! Wir müssen uns so viel von Ihnen hier anhören, da werden Sie das wohl einmal ertragen, wenn ich eine längere Frage stelle. – Ich würde gern von Ihnen wissen, welche parlamentarischen Initiativen Sie ergreifen wollen, um genau in diese Richtung – so verstandene Freigabe und Entkriminalisierung – voranzutreiben.

Frau Senatorin Knake-Werner, bitte schön!

Zunächst einmal gibt es bereits einen Beschluss des Senats darüber. Es ist, glaube ich, in der Frage notwendig, sich mit der zuständigen Justizsenatorin zu verständigen. Das haben wir getan. Das haben wir auch öffentlich und auf verschiedenen Veranstaltungen getan. Wir haben uns auf die Freigabe von 15 Gramm verständigt. Dazu gibt es einen Beschluss. Ich habe in dem Interview gesagt, dann muss es jetzt die entsprechende parlamentarische Initiative dazu geben. Ich bin überzeugt davon, dass die zuständigen Senatoren damit befasst sind und sie uns hier in absehbarer Zeit auf den Tisch legen. Ich habe in meinem Interview nur noch einmal gesagt: Wenn Schleswig-Holstein die Freigabe für 30 Gramm vorsieht, dann halte ich das auch für eine akzeptable Möglichkeit. Wir haben bei 15 Gramm einen Kompromiss geschlossen. Insofern ist das zunächst eine Beschlusslage, die es umzusetzen gilt.

Danke schön, Frau Senatorin!

Die erste Runde nach der Stärke der Fraktionen ist damit beendet. Nun können wir die weiteren Meldungen im freien Zugriff berücksichtigen. Ich werde gleich diese Runde mit dem Gongzeichen eröffnen. Schon mit Ertönen des Gongs haben Sie die Möglichkeit, sich durch die Ruftaste anzumelden. Die vorher eingegangenen Meldungen sind gelöscht.

[Gongzeichen]

Das ging aber schnell. Zuerst hat Frau Hämmerling das Wort. – Bitte schön, Frau Hämmerling!

Schönen Dank, Herr Präsident! – Ich frage Herrn Senator Strieder. – Herr Strieder, wie bewerten Sie meine Sicht auf die Einzelhandelskonkurrenz am Alexanderplatz zwischen Sonae und Wal-Mart, dass es sich dabei in erster Linie um eine Konkurrenz zwischen den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, nämlich der Wohnungsbaugesellschaft Mitte, die für Wal-Mart für 70 Millionen € Tiefgarage und Ladenzeilen entwickelt, und der DEGEWO, die als Projektentwickler für Sonae Risiken in Höhe von 40 Millionen € übernommen hat, handelt? Wie bewerten Sie den Ausgang einer solchen Konkurrenz landeseigener Wohnungsbaugesellschaften für den Landeshaushalt? Meinen Sie nicht auch, dass das nur negativ sein kann für die Steuerzahlerinnen?

Das waren mehrere Fragen in einer. Herr Senator Strieder hat das Wort!

Sen Dr. Flierl

Herr Präsident, es war auch eine große Anzahl von auffällig falschen Unterstellungen in der Fragestellung.

[Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Es macht nichts, Frau Hämmerling, ich erkläre es Ihnen noch einmal, damit Sie wirklich der Reihe nach alles kriegen. – Dieses Projekt Sonae findet auf einem Grundstück statt, das die DEGEWO 1995 gekauft hat. Mittlerweile hat die DEGEWO 50 % dieses Grundstücks an Sonae verkauft. Mit diesen Einnahmen von 50 % stellt die DEGEWO die Erschließung für dieses neue Projekt her. Wenn die Erschließungsanlagen fertig gestellt sind, kauft die Sonae weitere 44 % von dieser Gesellschaft. Die DEGEWO behält dann 6 % an einer KG, die eine Einlage von 100 000 € hat. Das Risiko der DEGEWO beträgt also 6 000 €. Es wird durch ständiges Wiederholen nicht richtiger, dass es 40 Millionen € sind. Wenn Sie mir jetzt noch sagen, aber die DEGEWO habe noch einen Hochhausturm zu entwickeln, sage ich: Ja, das stimmt. Aber es gibt einen Unterschied – das sollte man als stadtentwicklungspolitische Sprecherin wissen – zwischen Entwickeln und Bauen.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Nicht so überheblich!]

Die DEGEWO wird nicht selbst bauen, sondern sie sucht nach Investoren, die diesen Bau übernehmen.

Die Kündigung von Wal-Mart finde ich ausgesprochen ärgerlich. Ich habe die WBM ermutigt, alle rechtlichen Möglichkeiten zu nutzen, die sich darstellen. Nach Auskunft der Rechtsanwälte, die das Verfahren jetzt betreuen, sind die Chancen gut. Die WBM arbeitet an dem Projekt weiter, wie vertraglich vereinbart. Es ist auch klar, dass Wal-Mart für die ersten sechs Monate ihre Verpflichtungen erfüllen wird; denn sie haben nicht fristlos gekündigt, sondern eine Kündigung zum 30. Juni ausgesprochen. Im März wird dieses Objekt übergeben werden.

Nach Darstellung der WBM liegen die behaupteten Gründe für den Ausstieg der Wal-Mart GmbH nicht vor. Zu den tatsächlichen Hintergründen gibt es unterschiedliche Spekulationen, die ich nicht öffentlich darstellen möchte. Es könnte etwas mit dem Deutschlandgeschäft insgesamt zu tun haben.

Obwohl also klar ist, dass Wal-Mart nicht an diesen Ort gehen will und dass auf der anderen Seite der Bahnanlagen ein großes, neues Einkaufszentrum entsteht, gibt es mittlerweile zwei Bewerber, die sich gegebenenfalls um die frei werden Flächen von Wal-Mart bemühen und mit der WBM Kontakt aufgenommen haben. Schon daraus wird deutlich, dass es nicht um das Problem geht: Machen wir den Einzelhandel da oder da? – Der Alexanderplatz ist ein Zentrum und das Herz des Ostteils der Stadt. 125 000 Menschen steigen täglich an diesem Bahnhof um und zu. Insofern ist ganz klar: Wenn es ein Gegenstück zu der europäischen Einkaufsmeile Tauentzien/Kurfürstendamm geben soll, ist das nur der Alexanderplatz und kein anderer Standtort. Das kann kein Stern-Center, kein Ring

Center, oder wie sie immer heißen, sein. Und auch das Center am Potsdamer Platz wäre für eine solche Kraft viel zu klein.

Wir wissen, dass der Kaufhof einen Bauantrag gestellt hat. Er hat an dieser Stelle das Haus mit dem drittstärksten Umsatz in Deutschland. Man sieht daran, dass der Alexanderplatz ein ganz starker Einzelhandelsstandort ist. Ich bin sehr dafür, dass wir auch die Risiken der Flächenentwicklung im Einzelhandel betrachten, aber ich halte überhaupt nichts davon, dass Berlin seine Stärken und Chancen auf solch eine Art und Weise immer wieder herunterredet.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön, Herr Senator! – Eine Nachfrage von Frau Hämmerling? – Bitte! Eine!

Schönen Dank, Herr Präsident! – 14 Tage, nachdem wir hier das Grundstücksgeschäft der DEGEWO beschlossen haben, ist Wal-Mart ausgestiegen. Es ist die Frage, ob das etwas mit dem Deutschlandgeschäft zu tun hat. – Ist es angesichts der Tatsache, dass in Berlin die Verkaufsfläche im europäischen Maßstab die drittgrößte nach Paris und London ist und dass die Kaufkraftentwicklung in Berlin auf Platz 233 im bundesdeutschen Maßstab ist, sinnvoll, die Wohnungsbaugesellschaften des Landes Berlin quasi als Projektentwickler konkurrierender Einzelhandelsstandorte zu missbrauchen? Ist es nicht besser, dass die Wohnungsbaugesellschaften sich auf ihr Kerngeschäft, nämlich die Schaffung von Wohnungen, zurückziehen?

Herr Senator Strieder – bitte!

Small is beautiful – oder was soll das heißen?

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Das war ja schon bei der Bank- gesellschaft so falsch!]

Berlin ist nach London und Paris auch die drittgrößte Stadt, was den Tourismus anbelangt. Warum sollen wir nicht die drittgrößte Stadt bei einer Einzelhandelsfläche sein?

[Ratzmann (Grüne): Wegen der Leerstände!]

Die entscheidende Frage ist doch: Wie viel Prozent der Kaufkraft binden wir in Berlin? – Ich habe Ihnen schon einmal dargelegt, dass wir in Berlin nur 107 % der Kaufkraft binden, während Hamburg beispielsweise 122 % Kaufkraft hat. Eine Stadt, die den Anspruch hat, Metropole und Zentrum zu sein, muss Kaufkraft von außen hereinholen und nicht zulassen – was wir möglicherweise zu lange getan haben –, dass Kaufkraft nach außen abfließt.

[Zuruf der Frau Abg. Paus (Grüne)]

Das ist der entscheidende Wechsel: Wir wollen, dass die Kaufkraft, die in Berlin vorhanden ist, in Berlin bleibt.

[Zuruf der Frau Abg. Hämmerling (Grüne)]

Sen Strieder

Und wir wollen, dass weitere Kaufkraft nach Berlin hereinkommt, und dabei spielt auch der Tourismus eine Rolle.

[Zuruf der Abgn. Matz (FDP) und Frau Paus (Grüne)]

Schauen Sie sich an, wie der Dezember im Tourismus gelaufen ist – zur großen Überraschung der Hotels. Ich danke ausdrücklich den guten Weihnachtsmärkten in Berlin. Auch sie haben den Tourismus angezogen. Weihnachtsshopping in Berlin ist mittlerweile eine Marke geworden.