Protokoll der Sitzung vom 17.03.2004

Sie fragen, warum sich Studentenschaften nicht in einem Dachverband zusammenschließen sollen. – Das können sie gern tun. Das Problem war nur, dass genau dieser Dachverband versucht hat, Allgemeinpolitik zu machen. So funktioniert es eben nicht, über irgendwelche Tarnverbände das zu machen, was nach der Verfassung nicht möglich ist. Wenn Sie sich die Urteilsbegründung genau ansehen, stellen Sie fest, dass sich die Studierendenschaft der FU genau auf das geänderte Berliner Hochschulgesetz berufen und gesagt hat: Dort steht, dass wir das allgemeinpolitische Mandat haben. Weshalb werden wir eigentlich verklagt? – Genau das ist das Problem. Das Berliner Hochschulgesetz in seiner jetzigen Fassung ist an dieser Stelle überhaupt nicht klar formuliert, es erweckt einen Eindruck, hinter dem nichts steht. Genau dies ist der Hintergrund für unseren Gesetzesantrag. Wenn Sie den Antrag negativ formuliert finden, ist das Ihre Einschätzung. Wir haben die Rechtsprechung übernommen und ausformuliert, damit Gesetz und Rechtsprechung zusammenpassen. Dies ist aus unserer Sicht eine dringend erforderliche Klarstellung.

[Beifall der Frau Abg. Dr. Klotz (Grüne)]

Die Studierendenschaften haben bislang u. a. den Auftrag, sich im Rahmen der sozialen und wirtschaftlichen Selbsthilfe der Studierenden öffentlich zu äußern, die politische Bildung ihrer Mitglieder voranzubringen oder auch für die Grund- und Menschenrechte einzutreten. Auch das steht in Ihrem Antrag so noch einmal drin. Aber alles das steht bei Ihnen unter einem Generalvorbehalt und wird zusätzlich eingeschränkt. Da stellt sich dann tatsächlich die Frage – weil Sie es explizit hineingeschrieben haben –, in welcher Form das noch stattfinden kann. Was haben Sie für eine Vorstellung davon? Ist dann nur noch das juristische Seminar von Ihrem Gesetz sattelfest abgedeckt? – Offensichtlich wird sogar das Eintreten für Grund- und Menschenrechte bei Ihnen unter den Generalvorbehalt bzw. den Generalverdacht gestellt, dass es sich womöglich um die Ausübung eines allgemeinpolitischen Mandats handeln könnte.

Wenn die FDP von Liberalität in diesem Punkt redet, sollte sie sich erst einmal selbst darüber klar werden, wie es mit ihrer eigenen Liberalität bestellt ist. Kern Ihres Antrags ist es, dass Sie andere Meinungen als die der liberalen Hochschulgruppen oder anderer Ihnen nahestehender Strukturen nicht akzeptieren. Ich sage Ihnen: Trennen Sie sich doch endlich einmal von diesem uralten Feindbild „linker AStA“, das Sie offenbar immer noch im Wege der Traditionspflege kultivieren und an Ihre jüngeren Mitglieder weitergeben, obwohl das inzwischen auch ein Problem gewesen ist!

[Frau Grütters (CDU): Es geht um das Thema Zwangsmitgliedschaft!]

Sie haben diese wunderbare Postkartenaktion im letzten Jahr gemacht – mit dem Che Guevara, der ja nun auch nicht so sehr heute lebt, sondern in vergangenen Zeiten gelebt hat. Da haben Sie sogar das Problem gehabt, dass Ihre eigene liberale Hochschulgruppe gesagt hat: Bleiben Sie uns weg damit! Lasst uns damit in Frieden! Jedenfalls wir an der FU werden diese Postkarte nicht verteilen, weil sie völlig an der Sache vorbei geht.

[Beifall bei den Grünen]

[Beifall bei den Grünen]

Das Wort zu einer Kurzintervention hat nunmehr der Kollege Schmidt von der FDPFraktion. – Bitte sehr!

In der Sache geht es darum, dass jeder Student gezwungen ist, an die Studierendenschaft seinen Geldbeitrag zu leisten. Dabei geht es nicht um kleine, sondern um relativ große Summen. Genau deshalb haben wir die Aufgabe, genau darauf zu achten, dass in den Zwangsverbänden mit dem Geld das gemacht wird, was Sinn und Zweck ist, nämlich sich für die Studierenden innerhalb der Hochschule einzusetzen und keine Pseudokonstruktion zu nehmen, um damit Partei und Verband spielen zu können. Politisches Engagement ist gut, aber nur dort, wo es hingehört, nicht in Zwangsverbänden, wo Viele durch Wenige vereinnahmt werden können und die Vielen keine Möglichkeit haben, sich dagegen zu wehren, außer mit Klagen. Genau deshalb ist unser Antrag nötig, damit die Studierendenschaften wissen, wo ihre Grenzen sind. Wenn es mit den Formulierungen der Vergangenheit nicht

Schmidt, Erik

Jugendhilfe in Berlin war bisher die kleine Hilfe des Staates für Kinder mit Lese- und Rechtschreibschwäche, ebenso wie die dauerhafte Betreuung von Kindern und Jugendlichen in den Heimen des Jugendaufbauwerks. Nachdem es noch in der rot-roten Koalitionsvereinbarung hieß: Wir sparen nicht an der Jugend, sondern für die Jugend. –, hat es sich der Senat zu einer Schwerpunktaufgabe gemacht, den Haushalt auch durch einen radikalen Abbau der Jungendhilfe zu konsolidieren. Begründet wird

dies mit den niedrigeren Fallzahlen und Gesamtausgaben in den anderen Stadtstaaten. Die Folgen waren radikale Einschnitte im Transferausgabeteil der Bezirke in den letzten Haushalten. In den letzten beiden Haushaltsjahren führte dies zu einer massiven Überziehung der Bezirkshaushalte. Für die Deckung der rechtlich klar gesicherten Ansprüche von Jugendlichen und Familien mussten die Bezirke andere Bereiche schröpfen. Um die abenteuerliche Einsparvorgabe durchzusetzen, kam es sogar zu der Anweisung des Senats, dass die Jugendstadträte Maßnahmen mit einem Volumen von mehr als 20 000 € selbst bewilligen sollten. Die politischen Dezernenten sollten über die richtige Hilfeplanung für den einzelnen Jugendlichen entscheiden und dabei pädagogische und fachliche Standards einbeziehen. Das ist einfach nur Unsinn, Herr Senator Böger, um es ganz deutlich zu sagen.

Für das laufende Haushaltsjahr und das kommende Jahr sind erneut drastische Kürzungen von rund 130 Millionen € bei den Hilfen zur Erziehung beschlossen worden. Dies entspricht einer Absenkung des Gesamtetats um ein Drittel. Um es auch hier einen Tag vor der Verabschiedung des Haushalts zu sagen: Kürzungen in dieser Größenordnung von einem Drittel des Gesamtetats gibt es in keinem anderen Haushaltsbereich. Die Bezirke hatten zuvor in langwierigen Verhandlungen die noch drastischeren Forderungen des Finanzsenators abgewehrt.

(D

Das Ergebnis der Einsparbemühungen der letzten Jahre ist überraschend. Die Bezirke sind weit über das Ziel hinausgeschossen und haben die Hilfen zur Erziehung stärker reduziert als gefordert.

möglich war, diese aufzuzeigen, zeigt dies, wie dringend es erforderlich ist, unseren Antrag in Gesetzesform zu beschließen, damit endlich Klarheit herrscht. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Frau Paus! Wünschen Sie zu replizieren? – Bitte schön, Sie haben das Wort!

[Gaebler (SPD): Bitte nicht replizieren!]

Herr Schmidt! Auch Ihnen rate ich: Sehen Sie sich die Seiten des FZS an. Noch ein letzter Satz: Ihr Gesetz klärt überhaupt nichts, es macht vielmehr alles unklarer. Machen Sie deutlich, was Sie meinen mit „politische Betätigung innerhalb der Hochschule, aber kein allgemeinpolitisches Mandat“. Erklären Sie mir, wie Sie damit in irgendeiner Form Rechtssicherheit schaffen. Glauben Sie mir, das OVG braucht Ihr Gesetz nicht – wir brauchen es ohnehin nicht.

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Frau Kollegin Paus! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung – federführend – sowie mitberatend an den Rechtsausschuss. Widerspruch dazu höre ich nicht, dann wird so verfahren.

Die lfd. Nrn. 15 bis 17 sind bereits durch die Konsensliste erledigt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 18:

Große Anfrage

Hilfen zur Erziehung – Spardiktat verhindert notwendigen Umbau

Große Anfrage der CDU Drs 15/2555

Für die Begründung der Großen Anfrage hat nun die antragstellende Fraktion der CDU mit einer Redezeit von bis zu fünf Minuten das Wort und zwar der Kollege Steuer. – Sie haben das Wort bitte!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! „So, wie Ihr heute an uns spart, werden wir uns morgen um Euch kümmern“ lautete ein Motto der großen Dampferdemonstration der Liga der freien Wohlfahrtsverbände im letzten Sommer gegen den Abbau der Jugendhilfe in Berlin.

[Beifall bei der CDU]

[Zuruf von der PDS: Hört, hört!]

Dies sehen wir an der Ist-Rechnung. Was wir aber nicht sehen, sind die Jugendlichen, die keine Hilfe mehr erhalten und die Träger, die ihre Einrichtungen schließen mussten. Wir sehen aber das Jugendaufbauwerk Berlin, ein Träger, der so groß ist, dass er oder einzelne Einrichtungen die Kürzungen irgendwie überleben werden, an dem wir aber wegen seiner Größe auch die schwierige wirtschaftliche Situation beispielhaft erkennen.

Wir wollen deshalb von Ihnen wissen, Herr Senator: Wie viele Einrichtungen mussten schließen, weil sie nicht so groß sind wie das Jugendaufbauwerk und das Land Berlin nicht im Rücken haben? Wir wollen wissen, wie viele Jugendliche und Familien jetzt keine Hilfe mehr erhalten. Wir wollen wissen, wie Sie die Hilfen zur Erziehung umgebaut haben und wie die ambulanten Hilfen gestärkt worden sind, bei denen die Pädagogen direkt zu den Jugendlichen gehen und mit ihnen arbeiten, so dass wir Heimunterbringung, die wesentlich teuerer ist, verhindern können. Wir wollen von Ihnen wissen, ob Sie den Rechtsanspruch von Kindern und Jugendlichen auf Hilfen auch weiterhin garantieren können. Wir wollen wissen, Herr Senator, ob Sie Ihrer Verantwortung als Jugendsenator nachgekommen sind, oder ob Sie willfährig dem Finanzsenator nachgegeben und die Jugendlichen ihrem

Und im Übrigen, was die Lebenserfahrung betrifft – nein, Herr Rabbach, Sie können sich dann äußern –: Ich

gestehe Ihnen freimütig, es mag ja sein, dass Sie schon erlebt haben, dass es einen Umbau mit der Tendenz, etwas abzubauen oder preisgünstiger zu machen, ohne Sparzwang gab. Ich kenne es nur so, dass zumal bei Bürokratien der Sparzwang immer etwas sehr Hilfreiches ist, damit bestimmte Dinge einmal in Bewegung kommen, wenn man eben bestimmte Maßnahmen preisgünstiger oder vergleichbarer mit anderen Großstädten anbieten will. – Nein, ich gestatte keine Zwischenfragen. Sie können ja dann reden, solange Sie wollen, wenn Sie etwas zu sagen haben.

Ich komme zu den Fragen, die Sie gestellt haben, und beantworte sie, Herr Steuer, und zwar die Fragen, die Sie gestellt haben, nicht die, die Sie jetzt noch zusätzlich hineingepackt haben. Sie haben schon eine ganze Menge Fragen gestellt, auf deren Beantwortung haben Sie einen Anspruch. Das andere müsste man im Ausschuss machen, weil Sie ganz detaillierte Zahlen haben wollen. Das kann ich nicht so hervorzaubern.

Sie fragen erstens: Was hat der Senat in den letzten 2 Jahren bei der Umstrukturierung der Hilfen zur Erziehung erreicht, und wie ist dieser Prozess angelegt worden? – Es ist wahr, wir haben nach den Vorschriften und Bitten der Scholz-Kommission gehandelt. Das finde ich – anders als Sie – richtig und notwendig angesichts der Finanzlage des Landes Berlin. Von Willfährigkeit gegenüber dem Finanzsenator kann gar keine Rede sein. Wir haben diesen Prozess so angelegt, dass wir mit den Bezirken und mit meiner Verwaltung eine Steuerungsgruppe eingesetzt haben. Diese hat geräuschlos und effektiv gearbeitet. Dafür will ich mich bei den Bezirken und bei den Jugendstadträtinnen und -stadträten bedanken. Das war sehr gut, gemeinsam zu arbeiten und nicht nur zu klagen. Dabei haben wir alle Fälle im Bereich der Hilfen zur Erziehung einer Fallrevision unterzogen. Wir haben erkannt, Herr Steuer, dass fachlich nicht erklärbare Unterschiede in der Bewilligungspraxis in den verschiedenen Bezirken deutlich geworden sind. Wir haben damit aus fachlicher Sicht eine Menge von möglichen Umsteuerungsnotwendigkeiten und auch Einsparpotentialen erkannt. Diese Erkenntnis ging so weit, dass wir dieses gesamte Projekt – ich gebe zu, mit einem komplizierten Titel – als ein Leitprojekt für Verwaltungsmodernisierung angelegt haben. Der Titel ist: Qualifizierung der Entscheidungsprozesse im Bereich Hilfe zur Erziehung.

Schicksal überlassen und die Bezirke allein gelassen haben.

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollege Steuer! – Zur Beantwortung der Großen Anfrage hat nunmehr der Bildungssenator, Herr Böger das Wort. – Bitte schön, Herr Böger!

[Rabbach (CDU): Jetzt werden wir wieder nicht die Wahrheit hören! – Wansner (CDU): Er kann es nicht!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Wansner! Sie hören von mir einige bittere Wahrheiten gleich am Anfang: Einen Tag vor der Verabschiedung des Haushalts, die bedroht ist von dem Vorwurf Ihrer Fraktion, es werde nicht genug gespart und man deshalb zum Verfassungsgericht gehen müsse, ist eine Große Anfrage mit dem Titel „Hilfen zur Erziehung – Spardiktat verhindert notwendigen Umbau“ sehr merkwürdig, um nicht zu sagen unsinnig. Die Anfrage ist sachlich und politisch unsinnig.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Zuruf des Abg. Rabbach (CDU)]

Ich erkläre Ihnen auch, weshalb. Sie müssten schweigen, Herr Kollege Stadtrat, Sie haben nämlich lange Lebenserfahrung. Aber der junge Mann im Konfirmandenanzug, der Fraktionsvorsitzende, noch nicht.

[Oh! und Gelächter bei der CDU – Zurufe von der CDU]

Ziemlich lange, und ich bin schon länger konfirmiert. – Sie insinuieren hier, Herr Steuer, die Idee der Umstrukturierung der Hilfen zur Erziehung sei eine des bösen rotroten Senats. Sie haben ein kurzes Gedächtnis und ziemlich lange Lügen, denn der Sachverhalt ist folgender: Das Umsteuern bei den Hilfen zur Erziehung entstammt den Vorschlägen der so genannten Scholz-Kommission, Professor Rupert Scholz, vielleicht bekannt.