Protokoll der Sitzung vom 17.06.2004

Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich frage den Senat:

1. Welche Schlussfolgerungen zieht der Senat aus dem von der Senatswissenschaftsverwaltung und der Senatsbildungsverwaltung am 8. Juni 2004 durchgeführten Symposium mit Vertreterinnen und Vertretern der Berliner Hochschulen über „die Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgenderpersonen als Gegenstand von Forschung und Lehre an Berliner Hochschulen“?

2. Welche Initiativen haben die Berliner Hochschulen in diesem Zusammenhang angekündigt, und ist geplant, bei weiteren Veranstaltungen die brandenburgischen Hochschulen sowie weitere Forschungseinrichtungen der Region in diese Diskussionen einzubeziehen?

Zur Beantwortung – Herr Senator Dr. Flierl!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Hoff! Bei der gemeinsamen Veranstaltung „Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgenderpersonen“ – in Deutschland kurz LSBT – „als Gegenstand von Forschung und Lehre an Berliner Hochschulen“ am 8. Juni wurde offensichtlich, dass Forschung und Lehre zur genannten Thematik weitgehend vom Engagement einzelner Lehrender abhängen. Historische Forschung findet bisher vornehmlich außeruniversitär statt.

Der Senat bedauert die weißen Flecken in Forschung und Lehre zu gleichgeschlechtlichen Lebensweisen und ermutigt die Hochschulen zu verstärktem Engagement auf diesem Gebiet. Im internationalen Hochschul- und Forschungsraum ist die LSBT-Forschung viel weiter entwickelt. Sie läuft dort unter dem Kürzel LGBT-Research. Berlin könnte mit seinen vielfältigen Hochschulen und Forschungsinstituten Anschluss an die internationale Forschung suchen. Die Senatsverwaltung und die Hochschulen vereinbarten auf Grund der oben genannten Veranstaltung einen regelmäßigen Informations- und Erfahrungsaustausch mit dem Ziel, die gleichgeschlechtliche Lebensweise zum Gegenstand von Forschung und Lehre an den Berliner Hochschulen weiterzuentwickeln. Hierzu bedarf es einer hochschulübergreifenden Koordination, die sich auch auf die Lehrerbildung erstrecken muss.

Den Berliner Hochschulen wurde im Rahmen der Veranstaltung angeraten, ein LSBT-Netzwerk zu schaffen und gegebenenfalls einen Forschungsverbund zu gründen. Von Seiten des Zentrums für interdisziplinäre Geschlechterstudien an der Humboldt-Universität wurden weitere Aktivitäten angekündigt, so z. B. eine internationale Konferenz „Queering the Humanties“ am heutigen und morgigen Tag.

Eine Kooperation mit Brandenburger Hochschulen und Forschungseinrichtungen ist wünschbar und wird durch beide Hochschulverwaltungen auch vorbereitet.

Danke schön, Herr Senator! – Eine Nachfrage des Kollegen Hoff – bitte!

Mich würde interessieren, welche Erfahrungen – – Liebe Kollegin!

Entschuldigung, Herr Hoff! Bitte, können sich vor allen Dingen die Mitarbeiter aus den Reihen fernhalten während der Fragestunde und bitte möglichst alle anderen auch. In der hinteren Reihe kann man ganz gemütlich und leise reden, ungestört. – Bitte, Herr Hoff!

Sie hatten, Herr Senator, die Erfahrung referiert, die im internationalen Ausland gemacht wurde. Ich frage Sie, welche Erfahrungen mit diesem Thema es

in anderen Wissenschaftsregionen Deutschland gibt oder ob Berlin hier eine Vorreiterrolle eingenommen hat.

Herr Senator Dr. Flierl – bitte!

Ich habe dazu keine verfügbaren Informationen und will das gerne nachtragen. Ich hoffe, dass Berlin hier an vorderster Front operiert, bedauere aber, dass es noch keine hochschul- und ressortübergreifende Abstimmung gab. Es war eine wichtige Auftaktveranstaltung. Wir wollen diesen Impuls aufnehmen.

Eine weitere Nachfrage des Kollegen Hoff. – Bitte schön!

Ich habe bereits 2002 eine erste Anfrage zu diesem Thema gemacht. Damals ist eine ganze Reihe Initiativen angekündigt worden. Nun hat es zwei Jahre später erst diesen ersten Workshop gegeben. Was macht Sie so sicher, dass die Initiativen, die auf diesem Symposion jetzt verabredet wurden, wirklich greifen, dass es hier zu einer koordinierten Abstimmung kommt und dass möglicherweise eine Initiative wie ein Forschungsverbund realisiert wird?

Herr Senator Dr. Flierl – bitte!

Meine Zuversicht wird unter anderem durch Ihr drängendes Nachfragen gestärkt.

[Heiterkeit]

Ich werde mich um das Thema weiter kümmern.

Danke schön! – Es gibt keine weiteren Nachfragen.

Dann rufe ich die Anfrage Nr. 5 von Frau Dr. Klotz von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu dem Thema

BVG Aufsichtsrat: Frauen ante portas

auf. – Bitte schön, Frau Dr. Klotz!

Danke schön, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:

1. Welches sind die Gründe dafür, dass der Senat bei der Besetzung des Aufsichtsrats der BVG von der in § 15 Abs. 1 Landesgleichstellungsgesetz festgelegten Regelung abgewichen ist, Gremien, insbesondere solche, die zu beruflich relevanten Fragen entscheiden und beraten, geschlechterparitätisch zu besetzen?

2. Was sind die sachgerechten Gesichtspunkte, die in besonderen Ausnahmefällen eine Abweichung von der geschlechterparitätischen Besetzung von Gremien zulassen?

Danke schön, Frau Abgeordnete! – Herr Senator Wolf, bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Klotz! Für den Aufsichtsrat der BVG bestimmt der Senat eines seiner Mitglieder für den Vorsitz und schlägt der Gewährträgerversammlung acht Mitglieder vor. Die neun anderen Aufsichtsratsmitglieder werden vom Gesamtpersonalrat der BVG bestellt.

Es stand vor wenigen Wochen die Neubesetzung des Aufsichtsrats an. Dem Senat ist es nur gelungen, für die von der Senatsseite zu bestellenden Aufsichtsratsmitglieder zwei weibliche Mitglieder vorzuschlagen. Das hat eine Reihe von Gründen. Der wesentliche besteht darin, dass wir in Führungsfunktionen, in Vorstandsfunktionen bei Unternehmen innerhalb der Wirtschaft eine eklatante Unterrepräsentanz von Frauen haben. Wir haben eine Repräsentanz von Frauen im Topmanagement der deutschen Wirtschaft von ca. vier Prozent. Das macht deutlich, dass der Personalpool, aus dem für derartige Funktionen ausgewählt werden kann, gegenüber dem männlichen Personalpool ein sehr begrenzter ist. Das macht die Schwierigkeit bei der geschlechterparitätischen Besetzung für derartige Gremien aus. Es ist auch oft so – das ist jedenfalls die Erfahrung, die wir gemacht haben –, dass die entsprechenden Frauen bei Nachfragen darauf verweisen, dass sie auf Grund des geringen Personalpools sehr viele derartige Funktionen haben. So gab es z. B. im Aufsichtsrat der BVG ein Mitglied, das wir gerne weiter nominiert hätten, das aus beruflichen Gründen darum gebeten hat, nicht mehr nominiert zu werden.

Zu Ihrer zweiten Frage, was die sachgerechten Gründe für eine von § 15 Landesgleichstellungsgesetz abweichende Gremienbesetzung sein können: Es kann einmal eine durch Gesetz vorgegebene Wahlregelung, eine gesetzlich vorgegebene Besetzung qua Amt, sein, es kann aber auch die Notwendigkeit sein, einen Aufsichtsrat vollständig zu besetzen, um damit seine Handlungsfähigkeit zu sichern.

Noch eine Anmerkung: Ihre Frage, Frau Klotz, hat den Eindruck erwecken können, dass dieser Paragraph des Landesgleichstellungsgesetzes in der Vergangenheit eingehalten wurde oder hat eingehalten werden können. Das ist leider mitnichten der Fall. Ich kann Ihnen noch einmal, um einen Überblick zu geben, sagen, dass es in den Aufsichtsräten, in die ich nach meinem Amtsantritt gekommen bin, eine Frauenquote von Null gegeben hat. Weder bei der BEHALA gab es eine Frau im Aufsichtsrat, noch bei den Berliner Wasserbetrieben, noch bei der Berliner Stadtreinigung; die BVG war die einzige Ausnahme mit zwei Frauen im Aufsichtsrat. – Herr Sarrazin verweist mich gerade darauf, dass es erst einmal eine Frau war, dann, später geändert, zwei waren.

Das macht die Schwierigkeit und gleichzeitig die Notwendigkeit deutlich, dass wir gemeinsam noch erhebliche Anstrengungen vor uns haben, damit die entsprechende Bestimmung aus dem Landesgleichstellungsgesetz eingehalten wird und nicht auf die sachgerechten Gründe

ausgewichen werden muss, sondern dass wir hier aus einem entsprechenden Pool schöpfen können und das umgesetzt werden kann und zur Normalität wird.

Danke schön, Herr Senator Wolf! – Frau Dr. Klotz hat eine Nachfrage. – Bitte schön!

Um Sie an dieser Stelle zu mehr Bewegung zu animieren, habe ich unter anderem diese Frage gestellt. Ich habe noch eine Nachfrage, Herr Wolf: Welche Aufsichtsräte sind in den nächsten Monaten neu zu besetzen? Wer ist vorschlagsberechtigt für diese Positionen? Sind Sie gewillt, bei diesen zu besetzenden Aufsichtsratspositionen § 15 Landesgleichstellungsgesetz einzuhalten?

Herr Senator Wolf – bitte!

Frau Klotz! Nach meinem jetzigen Überblick stehen aus dem Stegreif für meinen Zuständigkeitsbereich in den nächsten Monaten und in diesem Jahr die Neubesetzungen der Aufsichtsräte der Messe Berlin, der Berliner Wasserbetriebe und der Berliner Stadtreinigung an. Ansonsten haben wir auch bei der Bankgesellschaft Berlin mit der neuen Hauptversammlung Neubesetzungen im Aufsichtsrat, ich glaube, keine vollständige, aber eine teilweise Neubesetzung, wenn ich das richtig erinnere.

Ich bin gewillt – und nicht nur gewillt, sondern auch verpflichtet –, den entsprechenden Paragraphen im Landesgleichstellungsgesetz zu berücksichtigen. Dass er in dieser Form eingehalten werden kann, d. h. dass wir bei all diesen Aufsichtsräten schon zu einer geschlechterparitätischen Besetzung kommen, da will ich keine falschen Hoffnungen wecken. Ich bin da sehr skeptisch. Ich werde aber von meiner Seite aus alle Anstrengungen daran setzen, einen möglichst hohen Frauenanteil zu erreichen, und bin gerne bereit, Frau Klotz, da auch Unterstützung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen anzunehmen, weil ich glaube, dass das unser gemeinsames Anliegen ist, hier weiterzukommen.

Ich will an dieser Stelle noch einen weiteren Punkt ansprechen. Es geht nicht nur um die Besetzung von Aufsichtsgremien, sondern es muss auch darum gehen, bei der Besetzung von Vorstandsfunktionen die Frauenquote zu erhöhen. Da hatten wir bei der Neubesetzung des Vorstands der BSR im letzten Jahr den erfreulichen Sachverhalt, dass wir eine Frau für den Vorstand haben gewinnen können. Ich hoffe, dass bei den nächsten anstehenden Vorstandsbesetzungen auch hier Erfolge zu verzeichnen sein werden.

[Beifall bei der PDS]

Danke schön, Herr Wolf! – Das Wort zu einer weiteren Nachfrage geht an Frau Dr. Klotz.

Ob alle Ihre Senatskollegen, Herr Wolf, so begeistert sind, wenn wir Ihnen Vorschläge

machen – ich hätte da einen für die BVG gehabt, von dem Herr Sarrazin wohl nicht so begeistert gewesen wäre.

[Pewestorff (PDS): Cramer!]

Ich möchte von Ihnen gern wissen, wie das Verfahren ist. Das haben Sie noch nicht beantwortet. Wer ist vorschlagsberechtigt? Wie sind die einzelnen Stationen, die diese Vorschläge durchlaufen? Ich glaube, ein weiterer Mangel ist, dass dieses Verfahren bisher sehr intransparent ist und dass dies einer der Gründe dafür ist, warum die Frauen, die für solche qualifizierten Positionen benötigt werden, nicht gefunden werden. Legen Sie uns bitte das Verfahren für die Besetzung von Aufsichtsratspositionen z. B. bei der Messe dar, die Sie als erste genannt haben.

Herr Senator Wolf – bitte!

Frau Klotz! Zuerst eine Anmerkung: Ich glaube, dass der Senat es insgesamt begrüßt, wenn die Fraktion Bündnis 90 konstruktive Vorschläge macht. Ob man den Vorschlägen dann im Einzelnen folgt, ist eine andere Frage.