Protokoll der Sitzung vom 17.06.2004

[Beifall des Abg. Czaja (CDU)]

beträgt 32 %. Es gibt 33 % durchschnittliche Leserinnen. Das ist in Ordnung. Ich habe es noch einmal nach Kindern trennen lassen, die in Deutschland geboren sind, und Kindern nichtdeutscher Herkunft.

[Mutlu (Grüne): Die sind auch in Deutschland geboren!]

Ja, Herr Mutlu, manche sind auch in Deutschland geboren. Ich könnte auch korrekter sagen, dass in deutsche und nichtdeutsche Herkunft getrennt wird. Wir haben immerhin festgestellt, dass fast 40 % der Kinder deutscher Herkunft gut lesen und starke Leser sind, während 60 % der Kinder nichtdeutscher Herkunft schwache Leser und Leserinnen sind.

Das ist eine Bilanz, die mich bestärkt und auch Sie in den Entscheidungen bestärken kann, die wir teils gemeinsam, teils kontrovers getroffen haben, um die Lesekompetenz zu verbessern. Zum einen sollte Kindergartenzeit Bildungszeit sein. Man muss das Lese- und Bildungsverständnis viel früher üben, ohne dass dieses als Lernen und die Kindheit zerstörend diffamiert wird. Zum anderen muss generell früher mit der Schule begonnen werden. Den um ein halbes Jahr vorgezogenen Schulbeginn halte

ich für richtig. Er kostet das Land Geld. Das ist aber sinnvoll angelegtes Geld.

Weiter muss bei den Kindern, bei denen wir vor Schuleintritt merken, dass sie sich nicht in einer Kita befinden, verpflichtend noch ein halbes Jahr vorher begonnen werden. Zum Letzten kann die ab dem kommenden Schuljahr 2005/2006 beginnende geplante Schulanfangsphase ein Jahr, in der Regel zwei Jahre, aber auch für Schüler mit Schwierigkeiten drei Jahre dauern.

Schüler, die bei diesem Test als sehr schwache Leser entdeckt werden, werden nach Lage der Dinge im Fortgang der Schule große Schwierigkeiten haben, dem Unterricht insgesamt zu folgen, und damit auch Schwierigkeiten haben, zu einem Bildungserfolg zu kommen. Deshalb muss frühzeitig korrigiert werden. Ich bitte Sie, Frau Kollegin Senftleben, immer um kritische Begleitung. Machen Sie aber nicht den Fehler – ich sage es einmal abstrakt –, auf jene zu zeigen, die jetzt die tatsächlichen Ergebnisse dokumentieren. Wir sollten gemeinsam daran arbeiten, diese Ergebnisse zu verbessern. Es ist in diesem Bereich mehrere Jahrzehnte lang ein Schleier über das gelegt worden, was tatsächlich erreicht oder nicht erreicht worden ist. Die Kolleginnen und Kollegen, die jetzt arbeiten, brauchen nicht unsere Schelte und Kritik, sondern Unterstützung und Hilfe. Wir müssen auch gezielt die Stunden „Deutsch als Zweitsprache“ – es sind immerhin fast mehr als 700 Stellen – dorthin bringen, wo sie benötigt werden.

Danke schön! – Es gibt eine Nachfrage von Frau Senftleben. – Bitte!

Herr Böger! Wann kommen die Zahlen aus Berlin und Brandenburg, die diesen Test auch durchgeführt haben? – 60 % der Kinder nichtdeutscher Herkunft können schlecht lesen. Welche konkreten Maßnahmen werden im kommenden Schuljahr ergriffen? Um wie viele Stunden handelt es sich?

Bitte schön, Herr Böger!

Die Gesamtergebnisse für Berlin liegen vor. Für Brandenburg kann ich nicht sagen, wann diese vorliegen. Ich gehe davon aus, dass dies zusammen mit den Ergebnissen für Mathematik nach den Ferien oder Ende des Sommers vorgelegt wird. Wir werden dann auch die anderen Daten haben. Ich hoffe im Übrigen sehr, dass diese Daten in den einzelnen Schulen exakt analysiert werden. Es gibt Hinweise, dass in parallelen Klassen bei sonst gleichen Ausgangsbedingungen ganz unterschiedliche Ergebnisse vorliegen. Hier muss die Ursache erforscht werden.

Den zweiten Teil Ihrer Frage habe ich schon im Ansatz beantwortet. Die Maßnahmen, die der Senat beschlossen hat und die wir auch im Schulgesetz festgelegt haben, werden umgesetzt. Sie werden auch wirken. Wir dürfen uns nur keiner Illusion hingeben. Das – ich habe es

doch gesagt –, was jahrzehntelang laufen gelassen wurde und worüber nicht gesprochen wurde, ändern Sie nicht durch das Umlegen eines Hebels von heute auf morgen. Das ist eine pure Illusion. Es wird sicherlich in diesen Schulen, das ist selbstverständlich, wenn die Schulen und die Lehrkräfte das Bewusstsein haben, dass 60 % der Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache schlechte und schwache Lesekompetenz haben, ein zusätzliches Training und Lernen im Unterricht angeboten werden müssen. Das ist mein energisches Bemühen. Wir haben die Deutschstunden in der Grundschule noch verstärkt, um dieses umzusetzen. Mit schnellen Ergebnissen ist nicht zu rechnen. Das darf uns aber nicht daran hindern, intensiv daran zu arbeiten.

Einen Punkt möchte ich noch anführen. Wir werden auch den Ausbau von Ganztagsgrundschulen bewusst schwerpunktmäßig dort vornehmen – nicht ausschließlich –, wo wir glauben, dass ein pädagogisches Umfeld möglichst lange gelten muss. Ich erwarte auch dringend, dass wir auf der Bundesebene mit dem Zuwanderungsgesetz Verbesserungen erhalten und nicht ständig alles blockiert und immer weiter verhandelt werden muss. Das Lernen der deutschen Sprache muss unterstützt werden. Es darf nicht einfach kommuniziert werden, man brauche es nicht. Die Schule kann hier nicht allein gelassen werden, sondern es muss gesamtgesellschaftlich im Prozess der Zuwanderung als selbstverständliches Recht und Anforderung dieses Landes gelten, dass die Menschen, die zu uns kommen und hier bleiben wollen, Deutsch lernen.

Danke schön, Herr Senator!

Jetzt ist der Kollege Mutlu mit einer Frage an der Reihe und hat das Wort!

Herr Präsident! Ich frage den Herrn Senator Körting! – Herr Senator, ist Ihnen bekannt, dass in einem Stellenangebot der Arbeitsagentur Süd kürzlich „kein Kopftuch“ als Stellenmerkmal angegeben worden ist? Wie bewerten Sie das? Wann wird der Senat, wie vor Wochen angekündigt, eine gesetzliche Regelung und Klärung in dieser Frage vornehmen und die avisierte Antidiskriminierungsstelle einrichten, damit derartige Vorfälle zukünftig unterbleiben oder auf ein Minimum reduziert werden können?

Bitte schön, Herr Senator Körting!

Herr Präsident! Herr Kollege Mutlu! Mir ist das auch nur durch Presseberichte bekannt geworden, was dort in einer Stellenanzeige formuliert worden sein soll. Ich habe dazu die Einschätzung, dass sich das im Regelfall nicht mit unseren allgemeinen Regeln vereinbaren lässt. Ich glaube nicht, dass es für einen privaten Anbieter möglich ist, nur weil ihm die Religionszugehörigkeit irgendeines Bewerbers nicht passt, ihn nicht einzustellen. Etwas anderes würde für Tendenzbetriebe gelten. Dort kann man sich anders verhalten. Natür

lich haben die Kirchen ein Recht zu sagen, sie wollten nur Kirchenangehörige einstellen. Aber ansonsten meine ich, dass Religion, Geschlecht, Ethnie und Ähnliches bei Einstellungen keine Rolle spielen dürfen.

Ihre zweite Frage, bezogen auf das beabsichtigte Gesetz zu Artikel 29 der Verfassung von Berlin – nämlich zu der Frage, dass bestimmte Staatsdiener sich in ihrer Funktion besonders neutral nach außen verhalten sollen und diese Neutralität nach außen durch Symbole, durch Bekleidung nicht durchbrechen sollen: Dazu gibt es einen Referentenentwurf meiner Verwaltung, der sich im Mitzeichnungswege befindet. Ich erwarte, dass er durch den Senat laufen und zur nächsten Sitzung des Abgeordnetenhauses eingebracht wird. In diesem Zusammenhang bin ich auch unterrichtet, dass die Koalitionsfraktionen einen Entschließungsantrag vorbereiten, der insbesondere aufgeben wird, die nach EU-Richtlinien vorgesehene Antidiskriminierungsstelle – und zwar beim Beauftragten für Migration – einzurichten. Wir werden dann in Kürze etwas förmlicher mit solchen Fragestellungen umgehen als jetzt.

Eine Nachfrage des Kollegen Mutlu – bitte schön!

Ich habe das Letzte mit dem „förmlichen Umgang“ nicht verstanden. Meine Frage ist klar und deutlich: Wann wird diese Antidiskriminierungsstelle eingerichtet? Was sind die Probleme? Warum ist sie noch nicht eingerichtet? – Sie ist ja von der Gesetzgebung unabhängig.´

Herr Senator Körting – bitte!

Herr Kollege Mutlu! Wir wollen eine Antidiskriminierungsstelle einrichten sozusagen im Vorgriff auf das, was in den EU-Richtlinien für spätere Zeit vorgesehen ist. Dazu gibt es Gespräche zwischen den Koalitionsfraktionen und im Senat, wie das sinnvollerweise geschehen soll. Wir sind da viel schneller als alle anderen Bundesländer. Deshalb verstehe ich nicht, weshalb man auf die Aussage, dass wir etwas Vernünftiges machen wollen, mit der Frage reagiert: Weshalb habt ihr das nicht schon vor 10 Jahren gemacht? – Das ist eine etwas eigenwillige Grundhaltung. Wir machen das, diese Antidiskriminierungsstelle wird eingerichtet, und sie wird Bürgern, die vorbringen, sie seien wegen ihrer Rasse, wegen ihrer Religion oder ähnlicher Gründe diskriminiert worden, als Ansprechpartner zur Verfügung stehen, und man wird sie dann auch beraten können, wenn sich rechtliche Folgerungen daraus ergeben. Ich gehe davon aus, dass das noch in diesem Jahr passiert.

Jetzt ist der Kollege Hoffmann mit einer Frage dran. – Herr Hoffmann!

Ich frage Senator Körting: Wie bewertet der Senat die Situation, dass der Verbleib der Jugendfeuerwehr Johannisthal im Gebäude der Freiwilli

Sen Böger

gen Feuerwehr Johannisthal auch in Absprache mit dem Bezirksamt Treptow-Köpenick sichergestellt ist, während die Freiwillige Feuerwehr Johannisthal selber ihren Standort verlassen muss, da sie mit der Freiwilligen Feuerwehr Treptow an einem anderen Standort fusioniert werden soll, hier also eine räumliche Trennung zwischen Jugendfeuerwehr und freiwilliger Feuerwehr vollzogen wird? Die Jugendfeuerwehr ist doch immerhin Bestandteil von freiwilliger Feuerwehr.

[Pewestorff (PDS): Eine typische spontane Frage! Gerade so eingefallen!]

Herr Senator Dr. Körting – bitte!

Herr Präsident! Herr Kollege Hoffmann! Ich freue mich, dass Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr Johannisthal hier sind, um zuzuhören.

[Heiterkeit bei der PDS – Doering (PDS): Gut organisiert! Deswegen eine spontane Frage!]

Nein, ich freue mich wirklich darüber, weil es mir die Möglichkeit gibt, darzustellen, wie die Problemlage ist.

Wir haben in diesem Bereich zwei freiwillige Feuerwehren. Die zuständige Feuerwehrleitung hat nach langer Prüfung sich entschieden, diese beiden freiwilligen Feuerwehren zusammenzulegen. Das ist immer ein schwieriger Prozess. Ich weiß das, und ich verkenne auch bei den Kollegen der Freiwilligen Feuerwehr Johannisthal nicht, dass das für sie ein schwieriger Prozess ist. Ich kenne den Protest und die Niederlegung des Amtes. Ich bedaure das und hoffe, dass man doch noch ins Gespräch kommt.

Die Zusammenlegung der beiden freiwilligen Feuerwehren ist nach Meinung der zuständigen Feuerwehrleitung eine vernünftige Maßnahme. Eine zweite Frage betrifft die dort gut funktionierende Jugendgruppe, und wir haben von Anfang an Wert darauf gelegt, dass diese gut funktionierende Jugendfeuerwehr durch den Gesamtvorgang nicht beschädigt wird. Deshalb gibt es Gespräche auch mit dem Bezirksamt, diese Jugendfeuerwehr an ihrem Standort zu lassen. Dort wohnt übrigens ein nicht unerheblicher Teil der freiwilligen Feuerwehr im selben Gebäude, so dass ein Kontakt da ist. Und wenn die Jugendfeuerwehr dort belassen wird, kann man vielleicht auch ein Fahrzeug dort lassen, das für Übungen der Jugendfeuerwehr geeignet sein könnte. Ich glaube, dass wir das, was wir in einer solchen Situation tun können – Erhaltung der Jugendarbeit trotz Fusionierung auf einem anderen Standort –, in Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt KöpenickTreptow zurzeit realisieren, und ich glaube, dass wir damit in der Problemlage sehr angemessen und sehr sensibel – ich weiss, dass die Kollegen von der Freiwilligen Feuerwehr Johannisthal das mit dem „sehr sensibel“ anders sehen – im Interesse unserer Situation und der Feuerwehrsituation mit der Schaffung optimaler Strukturen und im Interesse der Jugendfeuerwehr agieren und zu einem Ergebnis kommen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Danke schön, Herr Senator! – Eine Nachfrage von Herrn Hoffmann – bitte!

Können Sie sich denn vorstellen, Herr Senator Körting, dass Sie das noch vor der Sommerpause in Angriff nehmen?

Herr Senator Körting – bitte!

Herr Hoffmann, ich weiß, dass mein Staatssekretär mit den Beteiligten schon Gespräche geführt hat. Ich habe vor einigen Tagen Briefe von den Kollegen der Freiwilligen Feuerwehr Johannisthal bekommen, in denen sie ihre große Betroffenheit über die Entscheidung zum Ausdruck gebracht haben. Ich habe das zum Anlass genommen, meine zuständige Abteilung zu bitten, die von uns skizzierten Lösungen auch umzusetzen und zu versuchen, mit den Beteiligten darüber zu reden, ob das nicht ein für alle angemessener Kompromiss ist.

Danke schön, Herr Senator!

Wegen Zeitablaufs hat damit die Spontane Fragestunde ihr Ende gefunden.

Bevor ich die lfd. Nr. 2 aufrufe, habe ich die Freude, in unserem Hause auf den Besuchertribünen eine Delegation aus der Ukraine unter der Leitung von Herrn Korolev begrüßen zu dürfen. Herzlich willkommen!

[Allgemeiner Beifall]

Wir freuen uns, dass Sie unseren Verhandlungen folgen. Es ist eine Delegation von Sportlern. Herr Korolev ist Abteilungsleiter im Innenministerium der Ukraine mit Dienstsitz in Donezk und ist außerdem Präsident des Polizeisportklubs Dynamo Donezk. Ein herzliches Willkommen allen Sportlern aus der Ukraine!

[Allgemeiner Beifall]

Lfd. Nr. 2:

Aktuelle Stunde

Opposition fordert neue Sparrunden, CDU und FDP drohen mit Klage – welche Folgen hat das für Berlin?