Protokoll der Sitzung vom 09.09.2004

Aber trotz dieser positiven Entwicklung haben wir einen Strukturwandel ohnegleichen zu bewältigen gehabt. Der Rückgang des verarbeitenden Gewerbes in Berlin und ein Wegbrechen von Hunderttausenden Arbeitsplätzen in den ehemaligen Treuhandbetrieben und Verwaltungen im Ostteil der Stadt sowie die beispielslose Rückführung der Bundeshilfe für Berlin haben diesen Aderlass bei uns maßgeblich verstärkt. Dass ein solcher Funktionswandel einer Metropole aus zwei unterschiedlichen Systemen nicht genügend abgefedert wurde, ist bis heute nicht verständlich.

Ich habe mich sehr gefreut, Herr Zimmer, dass wir vorhin in der kurzen Fernsehdiskussion offensichtlich eine einheitliche Meinung vertreten haben: Der Wegfall der Berlinhilfe war ein Kardinalfehler beim Aufbau dieser neuen Bundeshauptstadt Berlin.

Danke schön, Herr Senator Wolf! – Das Wort für die SPD hat nunmehr der Kollege Krug. – Bitte schön, Herr Krug!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! 10 Jahre Berlin-Bonn-Gesetz: Darüber zu diskutieren, zu reflektieren, ist eigentlich ein abendfüllendes Programm. Was haben wir 1991 erwartet, als der Bundestag beschloss, mit Regierung und Parlament nach Berlin zu ziehen? Wie waren unsere Vorstellungen, und wie sieht das heute aus?

Ich bin damals, als dieser Beschluss in Bonn gefasst wurde, selbst in Bonn gewesen und habe den großen Schock mitbekommen, der sich damals in der Region breit machte, als die Entscheidung für Berlin fiel. Ich habe mich als Berliner gefreut und war aber auch überrascht, welche Ängste dies in der Region auslöste. Wir haben feststellen müssen, dass es gar nicht so gefährlich wurde, denn es wurde 1994 eine faire und großzügige Ausgleichsleistung an die nunmehrige Bundesstadt Bonn vereinbart.

Der Senator hat die Summen genannt, hat auch die Entwicklung genannt. Das kann ich mir alles sparen. Um dies jedoch noch einmal zu wiederholen: Bonn hat diese Chance genutzt, und wir haben in Berlin mit dem Zuzug von Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat auch ganz entscheidende Impulse erhalten. Die Baubranche boomte, die mittelständischen Betriebe haben Aufträge erhalten. Mit dem Umzug kamen Tausende Bundesbedienstete, mit ihnen kamen die Interessenvertreter, die Botschaften, die Verbände, die Medien, die Dienstleister.

Durch die Hauptstadtfunktion – das möchte ich auch noch aus der Prognos-Untersuchung aus dem Jahr 2003 anführen – sind ungefähr 4 % Steigerung des Bruttoinlandsprodukts Berlins erfolgt. Das macht auch die Arbeitsleistung von rund 52 000 Beschäftigten aus. Wir sind froh, dass der Bundestag, der Bundesrat und die Bundesregierung in Berlin sind. Wir Berlinerinnen und Berliner haben lange darauf gewartet. Der Umzug war auch ein sehr wichtiges Zeichen und hat bewirkt, dass immer mehr Chefsessel in Berlin angesiedelt werden. Auch diese Zahlen und die wohl klingenden Namen sind alle genannt worden.

Ich will noch ergänzen, dass auch viele Investoren in Berlin angehalten haben – im Schnitt pro Jahr 70 – und mit Investitionen von rund 100 bis 200 Millionen € verpflichtet werden konnten. Das hat zwar den Weggang vieler Unternehmen nicht ausgleichen können, aber es war ein wichtiger Schritt. Wenn wir heute sehen, was die Wirtschaftsförderung leistet, erkennen wir, dass wir darauf aufbauen können. Die Verbände der Wirtschaft sind fast vollständig in der deutschen Hauptstadt. Viele Argumente sprechen für Berlin – all das ist auch in der Enquetekommission ausführlich behandelt worden.

[Beifall des Abg. Pewestorff (PDS)]

Während der 10 Jahre Berlin-Bonn – ganz gleich, wer auch regierte – blieb die Wirtschaft maximal im Mittelfeld. Regierungssitz und Parlamentssitz zu sein, ist selbstverständlich noch kein Erfolgsrezept – 18 % Arbeitslosigkeit hier, 8 % in der Region Bonn sprechen da eine klare Sprache.

Auch noch ein paar Zahlen, um zu sehen, was sich eigentlich dahinter verbirgt: In Berlin arbeiten in 67 Bundeseinrichtungen gegenwärtig 22 000 Menschen. Das ist gut, aber das könnten wesentlich mehr sein. Zum Vergleich: In Bayern sind es in 167 Bundeseinrichtungen 27 000 Arbeitsplätze, und in Nordrhein-Westfalen sind es in rund 200 Bundeseinrichtungen 46 500 Arbeitsplätze, die abgesichert werden. Nach wie vor arbeiten in den Bundesministerien rund 11 000 Menschen in Bonn und nur 8 600 in Berlin. Das ist gesetzeskonform. Das ist keine Neiddebatte, aber es lässt doch auch die vielfach beklagt Bevorzugung Berlins wirklich nicht erkennen.

In den Zeiten strengster Sparsamkeit beim Bund muss jetzt die Frage erlaubt sein, ob wir nicht durch die Bündelung der Aufgaben in Berlin die Infrastrukturkosten und die Reisekosten senken können. Diese Frage muss die Politik beantworten. Deswegen ist es auch folgerichtig, im Rahmen der Föderalismusdebatte über mehr Unterstützung für die Hauptstadt zu sprechen. Wir sehen es als einen großen Erfolg an, dass die Initiative des Regierenden Bürgermeisters, die Hauptstadtfunktion Berlins im Grundgesetz zu verankern, nunmehr eine breite Unterstützung der Länder erfährt. Das Berlin-Bonn-Gesetz sagt

Es stellt sich die Frage, inwieweit der Bund und die Deutschen Berlin als Hauptstadt akzeptieren und bereit sind, unsere Stadt als politisches Zentrum der Bundesrepublik zu unterstützen. Die, wenn auch knappe, Entscheidung des Bundestags im Jahr 1991, Berlin zum Parla

ments- und Regierungssitz zu machen, war die Erfüllung des Bekenntnisses aus der Zeit der deutschen Teilung. Das Bekenntnis lautete, dass bei einer Wiedervereinigung Berlin deutsche Hauptstadt wird und die Funktionen vom Provisorium Bonn nach Berlin übertragen werden. Es war zugleich eine Verpflichtung für unsere Zukunft, hier die Einheit Deutschlands zu vollenden. Nicht umsonst wurde und wird Berlin als das Labor Deutschlands angesehen, in dem sich die Chancen, aber auch die Probleme wie in keiner anderen Stadt widerspiegeln. Das Bonn-BerlinGesetz war dabei nicht nur ein formaler Akt, um das Verhältnis Berlins zur alten Bundeshauptstadt Bonn, zum Bund und den Ländern gesetzlich zu regeln. Das Gesetz war auch ein Test dafür, inwieweit alle Akteure gemeinsam bereit waren, Berlin als das politische, aber auch das kulturelle Zentrum Deutschlands zu akzeptieren und zu verinnerlichen.

Die Bilanz fällt zehn Jahre später sehr ernüchternd aus, nicht nur weil das Bonn-Berlin-Gesetz an sich und in seiner Umsetzung Berlin zunächst aus verschiedenen Gründen benachteiligt hat, sondern auch, weil die wirtschaftliche, finanzielle und föderale Situation Deutschlands einen Umbruch und Reformen erforderte, die Berlin in besonderem Maße trafen und bis heute noch treffen. Mit dem Gesetz wurde zwar ein Kompromiss gefunden, er sah aber vor, dass Bonn Ausgleichszahlungen in Höhe von rund 1,4 Milliarden € und mindestens 50 % der Ministerialbeschäftigten erhalten sollte. Wenn man alles zusammennimmt bedeutet dies, dass heute 11 000 Bundesbedienstete sowie sechs Ministerien mit Hauptsitz in Bonn arbeiten, in Berlin sind hingegen nur 8 000 Mitarbeiter angekommen. Ganz abgesehen von den Bundeseinrichtungen, nationalen und internationalen Organisationen, die teilweise von Berlin nach Bonn verlegt worden sind, kann man heute sagen, dass Bonn – auch mit tatkräftiger Unterstützung all derjenigen, die ohnehin nie Freunde eines Umzuges der Bundesregierung nach Berlin gewesen sind – von dem Gesetz profitiert und dies als Chance für einen Neubeginn begriffen hat. Herr Wolf hat es ausgeführt: Die Bonner können zufrieden sein mit dem, was sie erreicht haben.

ganz klar, was Berlin an Unterstützung erhalten sollte. Der Regierende Bürgermeister hat vor einigen Stunden in der Fragestunde zu diesem Thema Haltung und Vorgehensweise Berlins erläutert. Welcher Kompromiss auch immer in Kürze erzielt wird, entscheidend bleibt, dass die Hauptstadt Berlin Funktionen für ganz Deutschland wahrnimmt.

Wir anerkennen aber auch – und das hebe ich hervor –, dass die Bundesregierung bereits sehr viel für Berlin leistet. Insbesondere hat sich Bundeskanzler Schröder vielfach stark gemacht für Berlin. Im Gegensatz dazu haben wir solch ein Engagement bei den vorherigen Bundesregierungen – Herr Kohl und Herr Waigel sind bereits benannt worden – nicht feststellen können. Ich appelliere deshalb an die Bundesregierung, in den Beratungen der Föderalismuskommission ihren Part zu übernehmen und diesen Unterschied im Engagement für Berlin weiterhin sichtbar zu machen. Es geht uns dabei nicht darum, trickreich eine auskömmliche Hauptstadtfinanzierung zu regeln. Nein, wir wissen: Zum Kurs der finanziellen Konsolidierung in Berlin gibt es keine Alternative. Es gibt kein Trojanisches Pferd „Hauptstadtfinanzierung“, wo man andere über Gebühr abkassiert.

Lassen Sie mich zum Schluss den Bundespräsidenten zitieren, der vor kurzem einprägsam zu dieser Problematik formulierte:

Berlin hat Anspruch auf Hilfe. Zum einen, weil viele seiner Probleme Folgen der deutschen Teilung sind, für die die Stadt nichts kann, zum anderen, weil es niemandem in Deutschland gleichgültig sein kann und darf, wie sich die Hauptstadt der Deutschen entwickelt. Eine zuversichtliche Nation braucht eine kraftvolle Hauptstadt, und die Welt misst vor allem auch am Beispiel Berlin, wie es um ganz Deutschland bestellt ist.

In diesem Sinn sollten wir die Debatte führen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön, Herr Kollege Krug! – Das Wort hat nunmehr der Vorsitzende der CDUFraktion, der Kollege Zimmer. – Bitte schön, Herr Zimmer!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Wenn man zehn Jahre nach Verabschiedung des Bonn-Berlin-Gesetzes Zwischenbilanz zieht, stellt sich die Frage nach der Rolle Berlins im föderalen System Deutschlands 14 Jahre nach der Wiedervereinigung. Das ist der perspektivische Teil der heutigen Diskussion, denn die Retrospektive kann nur Ausgangspunkt sein für das, was künftig kommt.

Und was ist mit Berlin? – Der Umzug von Parlament und Regierung wurde verschoben und wieder verschoben während die Berlinsubventionen für das Land und die Wirtschaftsunternehmen bis 1995 zusammengestrichen worden sind. Wir sind uns völlig einig darin, dass dies in der Tat eines der größten Probleme ist, das Berlin heute noch zu tragen hat. Eberhard Diepgen hat dazu richtig festgestellt, dass zunächst mehr Arbeitsplätze des Bundes aus Berlin abwanderten als durch den Umzug nach Berlin verlagert worden sind. Die teilungsbedingten und strukturellen Altlasten blieben aber bis heute zurück.

Und heute? – Berlin steckt in einer Schuldenfalle, aus der die Stadt nicht mehr allein herauskommt und hofft auf Bundeshilfen aus Karlsruhe, während der Regierende Bürgermeister Wowereit in der Föderalismuskommission einen leidlich verzweifelten Versuch startet, mit einer so

Schon allein deswegen ist die Überarbeitung des Bonn-Berlin-Gesetzes dringend geboten. Ich fordere den Senat noch einmal auf, eine entsprechende Initiative auf den Weg zu bringen und unsere Fünf-Punkte-Agenda, die wir schon zu Beginn des Jahres vorgeschlagen haben, aufzunehmen. Wir brauchen jetzt ein Leitbild „Berlin als deutsche Hauptstadt und Metropole“ – das ist genau das, was wir vorhin im Rahmen der Diskussion über die Arbeit der Enquetekommission miteinander diskutiert haben –, in dem die Hauptstadtaufgaben geklärt und der Bund wie auch die Länder ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung für Berlin nachkommen. Um mit den anderen Bundesländern und dem Bund Einvernehmen über den Gegenstand der künftigen Hauptstadtfinanzierung erzielen zu können, muss Berlin zunächst eine klare Vorstellung

davon gewinnen, was künftig von ihr selbst angestrebt wird. Nur so lässt sich auch für die anderen Beteiligten ermessen, ob ihnen die Finanzierung dieser Leistungen vertretbar erscheint. Deshalb ist die Erarbeitung eines Hauptstadtleitbildes so essentiell, damit wir eine klare Vorstellung in der Frage haben, was die deutsche Hauptstadt leisten soll.

Am Ende dieses Prozesses kann sowohl die Ausdehnung als auch die Reduzierung oder gar Einstellung einer bestimmten Leistung stehen, aber auch die Erkenntnis, dass andere, neue Anforderungen durch Berlin zu erfüllen sind. Ein Beispiel hierfür ist die veränderte Situation nach der EU-Osterweiterung. Im Ergebnis ist das Leitbild Grundlage für eine Zielvereinbarung zwischen allen Beteiligten.

Wir brauchen jetzt einen Hauptstadthaushalt, der alle durch die Hauptstadtfunktion veranlassten Aufwendungen des Landes enthält. Die Grundlage für eine sachgerechte Beurteilung der tatsächlich für die aus dem Regierungssitz und der Hauptstadtfunktion aufgewendeten Ressourcen kann nur ein Hauptstadthaushalt sein. In diesem sind alle entsprechenden Aufwendungen nachzuweisen, die unmittelbar durch das Land Berlin getätigt werden.

Dazu zählen Personal- und Ausstattungskosten für die Berliner Polizei, die im Rahmen von Staatsbesuchen oder durch den Schutz von gefährdeten Einrichtungen entstehen ebenso wie die Unterhaltung einer leistungsfähigen Infrastruktur im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs oder das Angebot an vielfältigen kulturellen Einrichtungen, um nur wenige Beispiele zu nennen. Hier sind aber auch die expliziten und impliziten Einnahmen Berlins, die durch oder auf Grund der Hauptstadtfunktion erzielt werden, zu berücksichtigen und von einem Mehrbedarf der Stadt abzuziehen.

genannten Hauptstadtklausel die finanzielle Solidarität des Bundes und der anderen Länder über eine Grundgesetzänderung einzufordern. Diese Solidarität hat es aber in den letzten Jahren in dem Maße, in der eine Hauptstadt sie braucht, leider nicht gegeben. Dies nicht zuletzt wegen der alten Angst der Länder vor einem zunehmenden Zentralismus in Deutschland und wegen der neuen Angst, finanzielle Verpflichtungen für Berlin eingehen zu müssen. Das genau ist der Kern des Problems, das Berlin mit dem Bund und den anderen Bundesländern zu lösen hat. Dies ist aber auch die Aufgabe des Regierenden Bürgermeisters Wowereit. Seine Aufgabe ist es nicht, eine kurzlebige PR-Nummer zu starten und ansonsten die Hand aufzuhalten. Vertrauensbildende Maßnahmen im Bund und gegenüber den anderen Ländern sehen definitiv anders aus.

Der abwesende Herr Wowereit hätte wissen müssen, dass der Vorschlag, die finanziellen Ansprüche der Hauptstadt im Grundgesetz zu verankern, scheitern würde, denn die rot-grüne Bundesregierung hat diese Initiative im Vorfeld abgelehnt, weil eine Klausel dem Bund hinsichtlich der Klage Berlins auf Bundeshilfen vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in eine weitaus schlechtere Position gebracht hätte. Mit seiner Leichtfertigkeit – anders kann man das kaum bezeichnen – hat Herr Wowereit ein weiteres Mal bewiesen, dass er nicht in der Lage ist, die Interessen Berlins im Bund und gegenüber den anderen Ländern angemessen zu vertreten. Das, was Berlin jetzt braucht, ist eine Initiative für einen gerechteren Interessenausgleich im föderalen System, indem ein Sonderstatus für Berlin als Hauptstadt Deutschlands festgeschrieben wird. Dazu gehört auch zur effektiveren Zusammenarbeit und zur Einsparung von Kosten die Überlegung, dass alle Bundesministerien an die Spree verlegt werden.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Heute sind einige Beamte länger damit beschäftigt, von einer Dienststelle zur anderen zu fliegen oder zu fahren als an ihrem Schreibtisch zu sitzen und zu arbeiten. Das ist höchst ineffizient und nicht im Sinn eines funktionstüchtigen Regierungsapparats.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

[Beifall bei der CDU]

Ich habe aber den Eindruck, da sind wir uns gar nicht uneinig. In dem Papier von Herrn Krüger habe ich sogar etwas Ähnliches gelesen. Sie sprachen vorhin auch davon, man müsse das auf eine angemessene Grundlage stellen. Ich stelle mir dabei allerdings die Frage, warum Sie unseren Antrag, gemeinsam mit dem Haushaltsplan einen Hauptstadthaushalt zu erarbeiten, im vergangenen Jahr abgelehnt haben.

[Krüger (PDS): Das erkläre ich Ihnen gleich!]

Mich würde freuen, wenn Sie das noch einmal ausführen würden, Herr Krüger. – Wir brauchen dazu eine Beschlussfassung des Senats und des Abgeordnetenhauses, und zwar insbesondere zum Leitbild für Berlin.

Zudem brauchen wir einen Hauptstadtgipfel, zu dem die Ministerpräsidenten der Länder und die Bundesregierung vom Regierenden Bürgermeister eingeladen werden. Nur so können Sie die Akzeptanz der Länderparlamente, der Landesregierungen, der Bundesregierung und – das ist ganz wesentlich – der Bürger in diesem Land für Berlin als Hauptstadt gewinnen.

Nicht ein Sonderstatus für Berlin – wobei Sie noch einmal sagen müssten, wie der aussehen soll; und kommen Sie mir dabei nicht wieder mit Washington DC, denn das passt nicht in die föderale Struktur der Bundesrepublik Deutschland – und Sonderrechte, sondern eine Gleichstellung und Neuordnung der Aufgabenteilung zwischen Bund und Hauptstadt – das ist die Perspektive, die wir als Koalition sehen. Wenn ich die Ausarbeitung der Kollegen Ratzmann und Klotz richtig verstanden habe, denken die Grünen auch so darüber. Das ist sicher eine Debatte über Geld, aber es ist auch eine Gestaltungsdebatte. Wenn ich mir die Vorschläge von Herrn Ratzmann und Frau Klotz anschaue, dann finde ich, dass es eine Debatte über den Umgang mit dem geschichtlichen und architektonischen Erbe, über Strukturen der inneren Sicherheit, über die Förderung kultureller Ereignisse und Einrichtungen mit Hauptstadtbedeutung und über den Erhalt und die Errichtung von kultureller, wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Infrastruktur in der deutschen Hauptstadt ist. Bevor man nach einer Bezahlung ruft, sollte man erst einmal über die gemeinsame Bestellung reden. Diese Gestaltungsdebatte ist das Spannende an der Hauptstadtdebatte. Stattdessen hören wir seit 10 Jahren und länger in jeder Debatte über das Berlin-Bonn-Gesetz den selben running gag, nämlich den über die wundersame Verdoppelung der Dienstsitze der Ministerien, wobei der größte Teil der Arbeitsplätze in Bonn verblieben sei. Wir führen aber keine Debatte darüber, wie wir Bonn etwas wegnehmen können, sondern wir führen eine Debatte über die Gestaltung der deutschen Hauptstadt.

Am Ende dieses Prozesses brauchen wir einen Hauptstadtvertrag zwischen dem Bund, den Ländern und Berlin, in dem die Aufgaben und die Finanzierung der Hauptstadtfunktionen auf eine angemessene und die Lasten gerecht verteilende Grundlage gestellt werden. Klaus Wowereit sollte unsere 5-Punkte-Agenda aufnehmen und damit seiner Verantwortung als Regierender Bürgermeister gerecht werden. Wir, die CDU-Fraktion, bieten Ihnen unsere Hilfe an und werden Sie, sofern Sie Ihre Aufgaben wahrnehmen, dabei tatkräftig unterstützen.

[Beifall des Abg. Hoffmann (CDU)]

Wir sind dazu bereit, denn in diesem Fall müssen alle Berliner an einem Strang ziehen.

Eine Anmerkung zu dem Bericht von Herrn Wolf: Sie sprachen von Ansiedlungserfolgen in Berlin, Herr Wolf, und haben dann darauf hingewiesen, dass wir Verbände und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften nach Berlin bekommen haben. Das ist alles wichtig. Aber was bringt das an Arbeitsplätzen für die Menschen in Berlin, die keine „high potentials“ sind? – Das ist eine völlig ungeklärte Frage. Das ist die eigentliche Aufgabe, die wir in Berlin lösen müssen. Wir diskutieren immer über Strukturwandel. Aber was tun wir, um diesem Strukturwandel in Berlin gerecht zu werden? – Das ist Ihre Aufgabe, Herr Wolf. Ich habe den Eindruck, dass hier definitiv zu wenig passiert. Und warum ist das so? – Weil auch der Senat eines nicht tut, nämlich neben dem Reden darüber, dass wir deutsche Hauptstadt sind, auch die Hauptstadt und ihre Funktionen zu nutzen. Man muss sie gewinnbringend einsetzen, und man muss mit diesem Pfund wuchern, um auch für die Menschen, die nicht die Chance haben, an jedem anderen Ort einen Arbeitsplatz zu finden, Arbeitsplätze und Jobs zu schaffen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollege Zimmer! – Für die Fraktion der PDS spricht jetzt der Kollege Krüger. – Bitte schön, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrter Kollege Zimmer! Ich finde es völlig richtig, dass wir die Gemeinsamkeiten und Unterschiede, die wir bezüglich des Hauptstadtthemas haben, in der zweiten Rederunde durchgehen.

Ich beginne, wie es guter Brauch ist, mit den Gemeinsamkeiten: Das betrifft beispielsweise Ihre Forderung, der Berliner Senat solle aufschreiben, was für die Hauptstadtfunktion ausgegeben wird. Das hat der Kollege Sarrazin bereits in einem eindrucksvollen Folienvortrag getan. Es sind 670 Millionen €. Davon bekommen wir vom Bund ungefähr die Hälfte ersetzt. Daran eine Debatte über Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit der Regelung für Berlin festzumachen, ist eine Verführung, der ich widerstehen möchte.