Protokoll der Sitzung vom 09.09.2004

Wir sind, Frau Kubala, gar nicht angewiesen gewesen auf die Gestaltung eines Tages oder einer Woche, sondern ich habe sehr kurz nach meinem Amtsantritt dafür gesorgt, dass wir uns mit der Frage der Verkehrssicherheit für

Frau Sen Junge-Reyer

Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Wir haben unseren Vorschlag zur Veränderung des Grundgesetzes in die Föderalismuskommission eingebracht. Wir haben auch in diesem Hause, in dem zuständigen Ausschuss, schon darüber beraten. Der Sinn der Angelegenheit ist, dass wir versuchen, den Hauptstadtgedanken im Rahmen der Föderalismusdebatte zu verankern. Das ist ein geeignetes Mittel, um Berlin in den entsprechenden Artikeln des Grundgesetzes als Hauptstadt zu fixieren. Dass es nicht ausreichend ist, nur hineinzuschreiben: Berlin ist Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland – was viele gern sähen –, ist aus Berliner Sicht verständlich. Daran, dass die Formulierung, die die Senatskanzlei unter meiner Verantwortung eingebracht hat, aus Berliner Sicht eine gute Formulierung wäre, halte ich nach wie vor fest. Es sollte aber auch bekannt sein, dass die Interessen der Föderalismuskommission, die Interessen der anderen 15 Länder, die Interessen der unterschiedlichen Parteien des Bundestages und die Interessen der Bundesregierung mit den Interessen Berlins nicht automatisch identisch sind. Dementsprechend ist es nicht falsch, mit einer Maximalposition in Verhandlungen hineinzugehen, denn man muss auch irgendwie wieder herauskommen.

Was sich jetzt abzeichnet, ist auch noch schwer zu erreichen. Wir sind auf einem Weg, wo mehrheitlich klar ist, dass im Grundgesetz mehr stehen wird als nur der Satz: Berlin ist Hauptstadt. Mittlerweile gibt es auch auf allen Seiten – bei der CDU, bei der FDP, bei den Grünen – viele, die uns unterstützen. Herr Ratzmann und ich hatten ursprünglich auch unterschiedliche Positionen zu den Formulierungen. Wir sind auf dem Weg, einen Kompromiss zu finden, der für Berlin mehr Vorteile bringt. Dieses Bestreben hat zwar zugenommen, der Erfolg ist aber noch nicht da. Bis zum Abschluss der Arbeit der Föderalismuskommission, bis zu einer Beschlussfassung, ist von allen Seiten noch viel zu tun. Deshalb freue ich mich, dass parteiübergreifend, auch institutionsübergreifend viele Berlinerinnen und Berliner – Verantwortliche, die in der Föderalismuskommission beteiligt sind – dort gemeinsam mit dem Senat versuchen, so viel wie möglich für Berlin zu erreichen. Sie wissen aber auch, dass irgendwann ein Punkt kommen muss, an dem Berlin Kompromisse schließen muss. Das halte ich auch nicht für schlimm, wenn letztlich mehr für Berlin herauskommt.

Kinder auseinander setzen – für Kinder schon deshalb, weil es sich hier um eine Frage des Politikfeldes Verkehrssicherheit handelt, das besonders der Prävention verschrieben ist. Ich habe zum Beispiel auf der einen Seite mit dem ADAC verabredet, dass wir uns mit der Frage auseinander setzen – und zwar durch ganz praktisches Üben –, wie Kinder und Jungendliche sicherer werden können, wenn sie auf dem Weg zur Schule das Fahrrad benutzen, aber auch, wenn sie versuchen, mit dem Fahrrad sicherer zu werden in einem Alter, in dem es unserer Meinung nach für Kinder möglich ist, sich mit einem Fahrrad im öffentlichen Verkehr zu bewegen. Auf der anderen Seite habe ich mit dem Fahrradbeauftragten verabredet, dass wir uns die Orte in Berlin, die für Kinder besonders unfallträchtig sind, anschauen, aber dass wir sie uns – darauf lege ich Wert – nicht nur anschauen, sondern dass wir miteinander klären, was zu verändern und was zu verbessern ist.

Ich will Ihnen ein drittes Beispiel für Sicherheitspolitik nennen, die der Verkehrssicherheit verpflichtet ist. Wir haben uns auseinander gesetzt mit der Frage der Sicherheit auf dem Schulweg für diejenigen, die beginnen, sich anlässlich des ersten Schulbesuchs im öffentlichen Raum zu bewegen. Sie wissen, dass wir auch auf das Verhalten der Eltern Einfluss nehmen müssen, die glauben, eine Sicherheit erreichen zu können, wenn sie die Kinder zunächst mit dem Auto in die Schule fahren. Dabei geht das Üben des Schulwegs verloren, dabei erreicht man eine vermeintliche Sicherheit. Dieses mit Schulen modellhaft zu erproben, zu sehen, wie man Eltern helfen kann, Vertrauen darauf zu haben, dass ihre Kinder lernen können, selbständiger und damit auch sicherer zu werden – das sind Beispiele für die Betonung der Verkehrssicherheitspolitik für Kinder, die nicht an eine Woche oder an einen Tag gebunden ist.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön, Frau Senatorin!

Jetzt ist der Kollege Dr. Augstin mit einer Frage an der Reihe. – Bitte schön, Herr Kollege Dr. Augstin!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat: Aus welchen Gründen hat sich der Regierende Bürgermeister in der Projektgruppe 7 der Bund-Länder-Kommission weiterhin auf die finanzielle Verankerung der bundesstaatlichen Aufgaben als Hauptstadtklausel im Grundgesetz festgelegt, obwohl schon früh absehbar war, dass eine solche detaillierte Regelung in der Föderalismuskommission auf Ablehnung stößt?

Herr Kollege Dr. Augstin! Sie fragen wohl den Regierenden Bürgermeister?

[Dr. Augstin (FDP): Genau!]

Bitte, Herr Regierender Bürgermeister! Sie haben das Wort!

In dieser Phase des Prozesses sind wir. Es war falsch zu denken, es sei schon alles gelöst, nur weil der bayerische Ministerpräsident Unterstützung signalisiert hatte. Genauso wäre es falsch, jetzt alles schon für gescheitert zu erklären. Wir befinden uns im Prozess, und jede Unterstützung, die ich in der Föderalismuskommission von Ihren Landesvorsitzenden auch erfahren habe, ist begrüßenswert. So muss es auch sein. In solchen Fragen muss man parteiübergreifend zusammenarbeiten. Ich habe den Eindruck, von Berliner Seite wird in dieser Hinsicht viel getan. Aber wir brauchen auch alle Kräfte zusammen, um die Widerstände bei der Bundesregierung und bei anderen wie z. B. dem Land Hamburg oder dem Land Nordrhein

RBm Wowereit

Ein weiterer Hinweis noch zum Schluss: In der gesamten Arbeit der Föderalismuskommission ist dieser Punkt „Hauptstadtklausel“ nur ein äußerst kleiner Teil – für uns ein wichtiger Teil, aber aus der Gesamtsicht der

Föderalismuskommission nur ein kleiner Teil. Das ist noch ein sehr latentes Gebilde, weil am Schluss ein breiter Konsens da sein muss, denn es genügt nicht, eine mehrheitliche Abstimmung zu machen, sondern es müssen immer die verfassungsändernden Mehrheiten erreicht werden. Im Prinzip müssen also alle mitmachen. Wenn einer einmal ausschert, ist das noch okay, aber im Prinzip müssen alle – und vor allem alle Seiten – mitmachen.

Deshalb arbeiten wir fieberhaft daran, dass nach Möglichkeit im November das Ergebnis vorliegt. Ich weiß nicht, ob Herr Ratzmann das anders sieht, aber ich wage heute noch nicht einzuschätzen, ob das gelingen wird, denn hierbei hängt alles von allem ab – alle Finanzierungsfragen von den inhaltlichen Fragen und umgekehrt. Dementsprechend ist noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten, damit die historische Chance, die sich durch die Arbeit der Föderalismuskommission ergibt – nämlich tatsächlich eine bessere Struktur der Zuständigkeiten, eine verbesserte Verantwortlichkeit der einzelnen Ebenen und auch eine Stärkung der Länderparlamente einschließlich des Abgeordnetenhauses von Berlin zu erreichen –, genutzt wird. Dieses Ziel ist greifbar nahe, aber wir wissen alle, dass es sehr schnell wieder in die Ferne rücken kann.

Westfalen zu überwinden, damit wir so viel wie möglich in der Verfassung verankern, und zwar nicht aus finanzieller Sicht – das auch –, sondern vor allem im Blick auf Kompetenzfragen. Die Bundesregierung soll eine Ermächtigung in der Verfassung bekommen, gerade wenn weitere Abschichtungen und Abgrenzungen zwischen den Zuständigkeiten von Bund und Ländern in der Föderalismuskommission vereinbart werden, und dafür muss eine stärkere Verankerung der Hauptstadt in der Verfassung vorgenommen werden.

Herr Dr. Augstin hat das Wort zu einer Nachfrage. – Bitte!

Herr Regierender Bürgermeister! Da ich Ihre Ansicht teile, dass wir in dieser Frage zusammenstehen sollten, frage ich noch einmal im Nachgang: Welche Anstrengungen haben der Senat und damit auch Sie bisher innerhalb der Bund-Länder-Kommission und darüber hinaus unternommen, um mit dem Bund und den Ländern zu einer gütlichen Einigung über die Hauptstadtklausel im Grundgesetz zu kommen?

[Frau Michels (PDS): Große Anstrengungen!]

Herr Regierender Bürgermeister!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Wir haben schon ausführlich in dem entsprechenden Ausschuss darüber berichtet, und wir werden das auch regelmäßig weiter tun. Es ist klar: Berlin bringt sich in die gesamte Arbeit der Föderalismuskommission kräftig ein. Ich selber bin ja auch Vorsitzender der Gruppe „Kompetenzaufteilung“ mit Herrn Ministerpräsident Teufel von der Länderseite und zwei Bundestagsabgeordneten zusammen. Die Senatskanzlei arbeitet mit großer Fachkompetenz und mit großer Anerkennung in der Föderalismuskommission mit. Wir haben von Berliner Seite sehr viele Vorarbeiten geleistet, damit die Kommission überhaupt zu Zwischenergebnisse kommen konnte. Das ist auch im Kreis aller Beteiligten anerkannt.

Ebenso versuchen wir selbstverständlich die Berliner Interessen zu vernetzen – inklusive Sachverständiger. Selbstverständlich sind wir beispielsweise im Gespräch mit Herrn Prof. Scholz oder Herrn Maier, die als Sachverständige berufen sind. Das heißt, auch die Arbeit hinter den Kulissen, um etwas zu erreichen, wird von uns intensiv betrieben, und wir haben auch schon Erfolge vorzuweisen.

Ein Hinweis: Viel Dinge sollten besser nicht in breiter Öffentlichkeit diskutiert werden, weil sich alle Kompromisse und auch alle Vorschläge, die hinter den Kulissen gemacht werden, verbrauchen, wenn sie vor die Kulissen geholt werden, weil andere dann Gegenstrategien entwickeln können.

Berlin wird alles dafür tun, dass Egoismen hintangestellt werden – jeweils von der eigenen Seite. Wir werden Länderinteressen vertreten, aber wir haben auch Verständnis für die Interessen des Bundes oder die Interessen anderer. Wenn das von allen so betrachtet wird, kann man etwas erreichen. Es ist eine historische Chance, und es ist dann für viele Jahre auch wieder die letzte Chance, etwas zu entflechten. Berlin bringt sich ein mit hoher Sachkompetenz – das sage ich auch als Kompliment an meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die anderen, die daran arbeiten. Das ist auch anerkannt in der Kommission, und darauf können wir stolz sein.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Die erste Runde der Spontanen Fragestunde nach der Stärke der Fraktionen ist damit beendet. Nun können wir die weiteren Meldungen im freien Zugriff berücksichtigen. Diese Runde wird wie immer mit dem Gongzeichen eröffnet. Mit Ertönen des Gongzeichens können Sie sich über die Ruftaste anmelden.

[Gongzeichen]

Wir beginnen mit dem Kollegen Pewestorff. – Bitte, Sie haben das Wort!

Meine Frage richtet sich an den Innensenator: Werden Beziehern von Arbeitslosengeld II, wenn sie denn Bezüge als Mitglieder einer Bezirksverordnetenversammlung bekommen, diese angerechnet? – Bei anderen Sozialleistungen wurden diese als Aufwandsentschädigung zu betrachtenden Bezüge von Mitgliedern von Bezirksverordnetenversammlungen in Berlin nicht angerechnet.

damit Arbeitsmaterialien beschafft werden und Ähnliches. Das kann man nicht als Einkommen ansehen. Aber ich kann nicht ausschließen, dass ein Rest übrig bleibt, der anders zu beurteilen ist, und der wird dann so beurteilt werden müssen wie bei allen anderen Bürgern dieser Stadt auch, wenn entsprechende Sachverhalte gegeben sind. Das muss geklärt werden.

Meine Frage richtet sich an Senator Wolf: Was bringt Sie zu der Überzeugung, dass der in Berlin bekannte Unternehmer Specker trotz seines Desasters bei dem Controlling und der Steuerung des Tempodrom-Neubaus der geeignete Vertreter des Landes Berlin im Aufsichtsrat der Wasserbetriebe ist?

Kann Herr Innensenator Körting diese Frage beantworten? – Bitte, Sie haben das Wort!

Ich muss ja! –

[Heiterkeit]

Herr Kollege Pewestorff! Über eines bin ich mir mit Kollegin Knake-Werner einig: Bezüge von Abgeordneten würden angerechnet, denn die sind einkommensersetzend.

[Pewestorff (PDS): Danach habe ich nicht gefragt!]

Bisher ist es offensichtlich so, dass Bezüge von Bezirksverordneten bei der Sozialhilfe nicht angerechnet wurden.

[Zuruf des Abg. Hoffmann (CDU)]

Wie es sich beim Arbeitslosengeld verhält, kann ich nicht beurteilen. Meines Erachtens wird es nach der Konstruktion des Gesetzes künftig darauf ankommen, ob diese Bezüge als zusätzliches Einkommen oder als ausschließliche Aufwandsentschädigung anzusehen sind. Ich kann die Frage nicht abschließend beantworten. Soweit es Aufwandsentschädigung ist, wird es mit Sicherheit nicht angerechnet. Es mag sein, dass ein Teil als einkommensersetzend angesehen wird, und dann wird er wie alle anderen einkommensersetzenden Bezüge nach ALG II angerechnet. – Wir werden das klären.

Herr Kollege Pewestorff hat das Wort zu einer Nachfrage. – Bitte schön!

Da Mitglieder von Bezirksverordnetenversammlungen nicht in ihrer Arbeitszeit tätig sind, können es – diesem Charakter entsprechend – eigentlich nur aufwandsentschädigende Leistungen sein. Wenn Sie von Dritten gefragt würden und diese Leistungen – zum Zwecke der Findung eines entsprechenden Beschlusses – charakterisieren müssten – es gab, wie Sie sich vielleicht erinnern, schon einmal bei der Berechnung von Wohngeld Unklarheiten, und das ist inzwischen behoben worden –,

[Zurufe von den Grünen]

würden Sie dann entsprechende Äußerungen und Klarstellungen vornehmen bzw. auch initiativ werden, um die Berliner rechtlichen Regelungen für die Bezüge von Bezirksverordneten noch einmal klarstellend zu verändern?

Herr Innensenator Dr. Körting – bitte!

Herr Kollege Pewestorff! Ich habe bereits gesagt, dass wir das klären werden. Das ist wohl nicht der einzige Fall, sondern es wird auch noch andere Fälle geben, wo man das zu klären hat. Sie können sicher sein, dass der Senat – und in diesem Fall Kollegin Knake-Werner federführend, denn ich habe mit den Bezirksverordneten eher in einem anderen Zusammenhang zu tun – dieses in einem vernünftigen Sinne klären wird. Immer dort, wo es um Aufwandsentschädigung geht, kann das nicht einkommensersetzend sein, weil die Leute das brauchen. Die Bezirksverordneten

ich war das selber – führen einen Teil dessen, was sie bekommen, an die Fraktionen ab,

[Hoffmann (CDU): Das ist rechtlich nicht zulässig!]

[Pewestorff (PDS): Bis wann?]