Protokoll der Sitzung vom 09.12.2004

Sie können das übrigens auch „Thronrede“ nennen – das ist mir egal.

[Heiterkeit bei der FDP und der CDU]

Aber wir wollen, dass hier endlich eine Generaldebatte über die künftige Politik in dieser Stadt geführt wird.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Danke schön, Herr Kollege Dr. Lindner! – Das Wort für die Fraktion der SPD hat nunmehr der Kollege Nolte. – Bitte schön, Herr Nolte!

Herr Lindner! Es ist schwierig, auf Sie sachlich zu antworten, aber ich will es trotzdem tun, weil es im Interesse der Stadt ist, einen Regierenden Bürgermeister, der sich um diese Stadt bemüht, nicht in dieser Art und Weise beleidigen zu lassen, wie Sie es – auch wenn Sie Journalisten vorschieben – tun.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Wenn Sie einen Journalisten zitieren, der über Klaus Wowereit schreibt, er sei der peinlichste Politiker der Stadt,

[Pewestorff (PDS): Der kennt Lindner nicht!]

dann möchte ich Ihnen Gustav Heinemann in Erinnerung rufen, der gesagt hat: Wenn man mit dem Zeigefinger auf den anderen zeigt, zeigen drei Finger auf einen zurück.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Dr. Lindner (FDP): Das ist sehr billig!]

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Aber wir wollen diesen Wettbewerb hier nicht vorantreiben.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Zurufe der Abgn. Brauer (PDS) und Wegner (CDU)]

Sie sind auch ein bisschen feige, wenn Sie fordern, der Regierende Bürgermeister soll die Regierungserklärung Anfang 2005 abgeben. Wenn Sie nachschauen, welche Regierungserklärungen der Regierende Bürgermeister abgegeben hat, dann sehen Sie, jeweils zu Jahresbeginn eine, eine im Februar 2002, eine im Januar 2003, eine im April 2004. Nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung ist Anfang 2005 auch wieder eine dran.

[Dr. Lindner (FDP): Dann stimmt doch zu!]

Aber jetzt können Sie sagen, er hält sie nicht, weil er sie halten wollte, sondern weil die FDP sie gefordert hat. Geschickt, aber ich denke, die Wahrscheinlichkeitsrechnung wird eintreten, der Regierende Bürgermeister wird eine Regierungserklärung abgeben. Aber wir werden sie dann von ihm hören, wenn er oder der Senat meinen, eine Regierungserklärung abgeben zu wollen, nicht wenn die FDP meint, es sei eine nötig.

[Beifall bei der SPD]

Was verlangen Sie in Ihrem Antrag? – Sie verlangen, dass der Regierende Bürgermeister in der Regierungserklärung die Perspektiven für eine zukunftsfähige und innovative Politik bis 2006 darlegt. Lesen Sie es einfach nach: Wir haben im Februar 2002 die Richtlinien der Regierungspolitik für die Legislaturperiode zur Kenntnis ge

zum Föderalismuskonzept, zur Fusion Berlin-Brandenburg, zum Flughafen Schönefeld, zur Arbeitsmarktreform. Dass der Regierende Bürgermeister da nun jeweils eine Regierungserklärung abgeben soll – – Dass ihm CDU und FDP dafür offenbar noch die beste Fernsehsendezeit zur Verfügung stellen wollen, dagegen wäre ja nichts einzuwenden. Trotzdem bleibt es sein Recht zu bestimmen, wann und in welcher Form er uns die Positionen, zu denen er sich bekennt, präsentieren will. Jedenfalls weicht er nicht aus, wie Herr Lindner es formuliert hat. Seinen Ruf als gesellschaftlicher Modernisierer unserer Stadt hat er sich verdient, und den wird er auch behalten. Da hat er Ihnen einiges voraus.

Wir sprechen uns dafür aus, dass die Fraktionen weiter mit den parlamentarischen Möglichkeiten arbeiten, die die Geschäftsordnung bietet. Das sind Anträge, Kleine Anfragen, Große Anfragen, Diskussion der Vorlagen und Berichte sowie Aktuelle Stunden.

Wir sprechen uns dagegen aus, den Regierenden Bürgermeister zur Abgabe von Regierungserklärungen zu verpflichten. Er kann das nach der Geschäftsordnung tun, wann er will. Er kann das auch in Pressekonferenzen machen, wie in seinen Bilanzkonferenzen nach einem Jahr, nach zwei Jahren. Wir werden diesen Antrag aus diesem Grund ablehnen.

nommen. Da hat der Regierende Bürgermeister erklärt, was er für die gesamte Wahlperiode mit dem Senat vorhat und was auch 2005 und 2006 passieren wird. Ich verlange nicht, dass jeder die Koalitionsvereinbarung hat und liest. Aber auch dort hat die Koalition, die den Senat trägt, aufgeschrieben, was an zukunftsfähiger und innovativer Politik gemacht werden wird. Ich überreiche Ihnen gerne ein Exemplar der Koalitionsvereinbarung. Sie können sie sich vom Regierenden Bürgermeister signieren lassen. Dann ist sie noch wertvoller.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Die Schwerpunkte der Politik sind unverändert klar, und hierzu besteht überwiegend auch Einvernehmen in diesem Haus. Schwerpunkt ist die Haushaltskonsolidierung, denn sie ist die Grundlage für eine zukunftsfähige Politik für die Stadt. Die weiteren Schwerpunkte – im Abgeordnetenhaus immer wieder benannt – sind die Förderung von Bildung, Wissenschaft und Kultur sowie eine aktive Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Zu der gehört auch das, wofür sich der Regierende Bürgermeister gerade jüngst verdient gemacht hat: die Stärkung des Tourismus, die Stabilisierung des Besucherrekords, den wir 2004 haben, mehr als 12 Millionen Übernachtungen 2004, wenn man das halten oder sogar steigern kann, ist das ein Gewinn für die Stadt. Wenn der Regierender Bürgermeister nach Berlin zurückkommt und die Leichtathletikweltmeisterschaft 2009 mitbringt, wäre das möglicherweise eine Sache, zu der er eine Regierungserklärung abgeben könnte. Für die Stadt ist das jedenfalls von außerordentlicher Wichtigkeit. Falls Sie tatsächlich – wie dieser Journalist – zu der Ansicht kommen sollten, dem Regierenden Bürgermeister vorzuwerfen, dass er gerne reist, gerne feiert, gerne tanzt, wenn Sie das tatsächlich machen wollen, dann sollten Sie sich klarmachen, dass der Regierende Bürgermeister in unserer Stadt mehrere Aufgaben hat.

[Dr. Lindner (FDP): Er muss beides können, Politik machen und tanzen!]

Er ist der Oberbürgermeister dieser Stadt und der Ministerpräsident des Landes Berlin. Wir sind der Auffassung, er füllt beide Aufgaben aus.

Herr Kollege Nolte, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Trapp?

Im Moment nicht, weil ich gerade Herrn Nerger von der Berlin Tourismus-Marketing GmbH zitieren will! – Herr Nerger hält den Regierender Bürgermeister für eine große Hilfe bei der Tourismuswerbung. Er sei weltgewandt und beliebt im Ausland.

[Gelächter des Abg. Zimmer (CDU) – Ritzmann (FDP): Beliebt im Ausland!]

Dies tut der Stadt sicherlich gut. Wenn Sie es tatsächlich nicht wahrgenommen haben sollten, dass sich der Regierende Bürgermeister in seiner Rolle als Ministerpräsident des Landes Berlin zu Fragen geäußert hat, dann tun Sie mir Leid. Ich kenne jedenfalls Äußerungen von ihm zur Haushaltskonsolidierung, zur Verwaltungsmodernisierung,

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Verwaltungsreform, echt?]

Bitte kommen Sie zum Schluss, Herr Kollege!

[Dr. Lindner (FDP): Das Haus ist leer dabei!]

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön, Herr Kollege Nolte! – Das Wort für die Fraktion der CDU hat nunmehr der Kollege Henkel. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ehrlich gesagt, kann ich die Aufregung und den hilflosen Rettungsversuch von Herrn Nolte angesichts des FDP-Antrags nicht richtig nachvollziehen, denn letztlich handelt es sich bei einer Regierungserklärung um eine ganz normale Angelegenheit, um eine Selbstverständlichkeit.

[Beifall bei der CDU]

Nicht selbstverständlich ist die Tatsache, dass ein Regierender Bürgermeister erst durch die Opposition aufgefordert werden muss, dem Parlament seine wichtigsten Vorhaben für den Rest der Legislaturperiode darzulegen. Aber wer wie der Regierende Bürgermeister erstens die Stadt so schlecht regiert und zweitens die Berlinerinnen und Berliner über seine politischen Absichten im Unklaren lässt, den muss man schon einmal an seine Pflichten erinnern und – wie mit diesem Antrag vermutlich beabsichtigt – zu seinem Glück zwingen.

[Beifall bei der CDU – Beifall des Abg. Dr. Lindner (FDP)]

Zu wichtigen Themen, wie etwa der Integration oder dem Umbau des Steuersystems, hat er nichts zu sagen. Auch zur Sanierung Berlins herrscht schon lange Funkstille.

Aber wenn er doch einmal – sozusagen notgedrungen, dem Protokoll folgend – Politik machen musste, griff er gleich richtig daneben. Wir alle erinnern uns noch gut, wie der Jurist Klaus Wowereit als Bundesratspräsident Partei- über Staatsinteressen stellte und dabei Verfassungsbruch betrieb.

Eine Zwischenbilanz nach drei Jahren Amtszeit des Regierenden Bürgermeisters Wowereit kann man deshalb getrost in einem Wort zusammenfassen: peinlich, Herr Regierender Bürgermeister! Peinlichkeiten sind es immer wieder, die Ihre Amtszeit begleiten und die Waage zwischen Repräsentieren und Regieren inzwischen mehr als deutlich zu Gunsten des bloßen Repräsentierens ausschlagen lassen.

Wenn es so ist, Herr Nolte, wie Sie sagen, dass die Schwerpunkte klar sind, dann sage ich: Umso besser, dann kann dieser Regierende Bürgermeister den Berlinerinnen und Berlinern diese Schwerpunkte auch nennen.

Seit drei Jahren spricht dieser Regierende Bürgermeister immer wieder von einem Mentalitätswechsel, den er mit seinem Senat vollziehen wolle. Was davon zu halten ist, können die Berlinerinnen und Berliner seitdem regelmäßig den Klatschspalten der Boulevardpresse entnehmen. Allein die Schlagzeilen der letzten Wochen sprechen Bände und werfen die Frage auf, welches Amtsverständnis und welches Verantwortungsgefühl Sie, Herr Wowereit, eigentlich haben. Da heißt es zum Beispiel: „Wowereit blamiert Berlin“ oder: „Wowereit – regiert er noch oder reist er schon?“ und noch schlimmer: „Wowi – peinlich unter Palmen“. Sogar über seine – wie er sich in völliger Verkennung seiner Position in einem demokratischen Staatswesen ausdrückte – „Regentschaft“ kann man in den Medien lesen.

[Zuruf des Abg. Over (PDS)]

Kein Wort jedoch darüber, wie der Regierende Bürgermeister die Probleme der Stadt lösen will, kein Wort darüber, wie er Arbeitsplätze schaffen will, kein Wort darüber, wie er Unternehmen in Berlin ansiedeln will, kein Wort darüber, wie er die Grundlagen für Verlässlichkeit und ein investorenfreundliches Klima schaffen will, und kein Wort darüber, warum Berlin mittlerweile in den verschiedensten Studien die letzten Plätze einnimmt und wie er gedenkt, dies zu ändern!

[Beifall bei der CDU]

Diese Aufzählung kann man über den Wirtschaftsbereich hinaus beliebig auf alle weiteren Politikfelder ausweiten. Kein Wort des Regierenden Bürgermeisters zu gar nichts! Hier drängst sich die Vermutung auf, Herr Wowereit, vielleicht haben Sie gar nichts zu sagen.

[Zuruf von RBm Wowereit]

Ja, das ist Ihre Arroganz, Herr Regierender Bürgermeister! – Wir sind der Auffassung, das ist erstens für einen Regierenden Bürgermeister, zumal in der deutschen Hauptstadt, zu wenig und zweitens für uns als CDUFraktion nicht akzeptabel.