Geben Sie sich einen Ruck! Es besteht die Chance für Deutschland, über einen solchen Konvent zu einem sinnvollen Ergebnis zu kommen. Das sollten Sie nicht einfach niederbügeln, sondern Sie sollten sich mit uns zusammensetzen und die Sache im Ausschuss noch einmal durchdenken. Dann werden wir aus Berlin ein gutes Signal setzen, wie wir in dieser für Deutschland so wichtigen Frage vorankommen. – Herzlichen Dank!
Danke schön, Herr Dr. Lindner! – Die SPD schließt sich an, das Wort hat Herr Kollege Zimmermann! – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lindner! Ihre Forderung, dieses Thema im Ausschuss zu diskutieren, ist schon lustig. Wir haben es gestern im Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten und Medienpolitik ausführlich diskutiert, und ich weiß nicht, wo hier noch weiterer Raum für Debatten sein soll.
Auch wir meinen ja – wie Sie –, dass die Föderalismuskommission gescheitert ist, und wir bedauern das sehr, weil die SPD in Bund und Ländern von Anfang an die Bedeutung der Föderalismusreform herausgestellt hat und wir sehr an einem Ergebnis interessiert sind. Die Reform ist nötiger denn je, und so hoffen wir, dass in einer neuen Form der Verhandlungen die bereits gefundenen Ergebnisse um weitere ergänzt und zu einem Gesamtkunstwerk zusammengebunden werden können. Das ist unsere Hoffnung und nicht, Herr Lindner, dass wir naiverweise an eine Wiederauferstehung der Kommission glauben. Die Kommission ist weg, sie ist gescheitert, und deswegen wird man nach neuen Formen suchen müssen.
Der Regierende Bürgermeister wird jede Möglichkeit nutzen, um mit seinen Kollegen und dem Bund nach einer Einigung zu suchen. Das macht er schon von sich aus, wir werden ihn aber auch noch einmal dazu auffordern. Er macht das deshalb relativ aussichtsreich, weil Berlin bereits in der Bundesstaatskommission gezeigt hat, dass es eine sehr konstruktive Rolle einnehmen kann – Stichwort Beamtenrecht, Stichwort Hauptstadtklausel, Stichwort: vermittelnde Rolle im Bildungsstreit. Deswegen gibt es eine echte Hoffnung, dass Berlin bei einer Fortsetzung der Diskussion in einer anderen Form durchaus vermittelnd helfen kann. Diesen sensiblen Prozess der Sondierung, der noch in diesen Monaten Möglichkeiten ausloten soll, sollten wir nicht mit wuchtigen Beschlüssen gefährden. Die Forderung nach einem Föderalismuskonvent klingt harmlos, kann aber gefährlich werden und die Chance für eine zügigere Lösung in diesem Jahr vereiteln. Wenn der Regierende Bürgermeister tatsächlich ins Gespräch käme und ihn die Kollegen fragten, steht eigentlich dein Parlament, das jetzt ein Konvent haben will, noch dahinter, wäre seine Position zunichte gemacht. Wir müssen klären, wie wir diese Möglichkeiten auf Regierungsebene im Parlament stützen können. Die Forderung nach einem Föderalismuskonvent würde dies konterkarieren.
Er wäre keine Hilfe. Er kommt vielleicht irgendwann, aber dann nicht als Föderalismuskonvent, sondern als einer, der andere Fragen, die bislang unbeantwortet blieben – wie etwa die Länderneugliederung –, als Verfassungskonvent berät. Das ist Zukunftsmusik; es geht darum, die jetzt mögliche Einigung zu erzielen.
Das entscheidende Problem ist aber, dass es nicht etwa an Vorschlägen für eine Einigung fehlt, sondern dass es an Entscheidungen fehlt. Diese Entscheidungen könnte ein Konvent, den Sie wollen, erst recht nicht herbeiführen. Wenn die Beteiligten der Kommission es nicht geschafft haben, dann wird ein solcher Konvent es erst recht nicht schaffen. Ihr Club der Elder Statesmen, der Ihnen da vorschwebt, wird kein Fortschritt sein, weil sich niemand an seine Vorschläge wird halten müssen. Deshalb lehnen wir diesen Vorschlag ab. Ich glaube ja, dass Sie uns wieder einmal Ihren Grafen Lambsdorff unterjubeln wollen, weil der bislang nicht dabei war, aber auf den können wir ganz gut verzichten. – Danke schön!
Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Dass die Reform des Föderalismus gescheitert ist, ist von allen als ein verheerendes Signal an die Bürger unseres Landes bezeichnet worden. Wir predigen immer wieder, dass wir Reformen brauchen, wir muten unseren Bürgern Reformen zu – siehe Hartz IV –, und wenn die Politik selbst dran ist, kriegt sie das nicht auf die Reihe. Da darf man sich nicht wundern, wenn das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Politiker in diesem Lande bei den Leuten draußen auf der Straße schwindet.
Ich glaube, dieses alles war für uns allesamt, egal wer letztendlich die Schuld am Scheitern haben sollte, kein Ruhmesblatt. Um so mehr ist es in unserem Interesse, dafür zu sorgen, dass man es doch noch schafft, das eigentlich vorzeigbare Ergebnis dieser Kommission zu einem endgültigen Erfolg zu führen.
Herr Dr. Lindner, da ist eben der Unterschied zwischen uns, wenn wir sagen: Es hat nichts mit Naivität zu tun. Ich würde dem Bundespräsidenten auch nicht unterstellen, dass er naiv ist, wenn er einfach noch einmal probiert, die beiden Verhandlungsführer an einen Tisch zu holen und zu versuchen, die letzten strittigen Fragen doch noch zu lösen, damit das Gesamtpaket, das schließlich über eine lange Zeit erarbeitet wurde, doch noch zum Abschluss geführt wird.
Über eines sind wir uns einig: Kriegen wir Ihren Konvent, heißt das im Klartext, das Ergebnis wird auf Null gesetzt, wir fangen von vorne an, es geht viel mehr Zeit übers Land, als wir vielleicht jetzt sparen könnten, wenn man doch noch zu einem Kompromiss käme. Insofern teile ich die Meinung des Kollegen Zimmermann an der Stelle ausdrücklich, dass man, bevor man neue Zeichen setzt und sagt, wir brauchen jetzt einen Konvent, erst auf dem Verhandlungsweg versuchen sollte, die bisherigen Ergebnisse zu retten.
Da kommt der nächste Punkt. Wir haben nicht das Problem, dass wir Lösungen brauchen, sondern letztendlich haben wir ein Entscheidungsproblem, dass sich diejenigen, die in Bundestag und Bundesrat darüber zu befinden haben, nicht einigen konnten. Die Situation wird durch einen Konvent nicht aufgelöst.
Ein anderer Punkt – das geht uns Berliner besonders an, weil es in der Föderalismuskommission ein Thema war – war die Bemühung, eine Hauptstadtklausel zu bekommen. Unfreiwilligerweise ist uns hier Zeit gegeben worden, die Position und das weitere Vorgehen noch einmal zu überdenken. Ich begrüße ausdrücklich die Erklärung des Regierenden Bürgermeisters im gestrigen Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten, dass er davon Abstand nimmt, auf separatem Wege eine Gesetzesinitiative zu starten, um im Bundesrat und Bundestag isoliert von allen anderen Reformbemühungen die Hauptstadtklausel durchzusetzen. Das ist der richtige Schritt. Dafür würde es im Bundesgebiet kein Verständnis geben, wenn wir fernab der eigentlichen Probleme letztlich nur an uns selbst dächten.
Ich appelliere an dieser Stelle – und reiche von Seiten der CDU-Fraktion die Hand –, die Chance zu nutzen und gemeinsam zu versuchen, zum Wohl unserer Stadt eine Lösung dafür zu finden. Wir haben eine 5-Punkte-Agenda aufgestellt. Wir haben die Erarbeitung eines Leitbildes für Berlin gefordert. Wir haben die Aufstellung eines Hauptstadthaushalts gefordert. Es sind genügend Vorschläge von uns gekommen, leider bisher ohne Widerhall in der Koalition. Ich erneuere deshalb ausdrücklich das Angebot, dass wir dazu bereit sind, weil es um die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt geht, eine gemeinsame Position gegenüber dem Bund und den Ländern aufzubauen. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, es ist quasi eine Auszeit. Lassen Sie uns diese gemeinsam nutzen. Dann werden wir auch gemeinsam erfolgreich mit Bund und Ländern verhandeln können. – Herzlichen Dank!
Schönen Dank, Herr Kollege Tromp! – Jetzt erhält der Kollege Hahn die Gelegenheit zu einer Kunstinter – –, Kurzintervention!
Kurz, ja! Danke schön, Herr Präsident! – Kunst überlasse ich dieses Mal anderen. Ich wollte den Kollegen Tromp ansprechen, weil das, was er vorgetragen hat, uns hier in keiner Weise überzeugt. – Lieber Herr Kollege Tromp, glauben Sie denn wirklich, wenn der Bundespräsident morgen den Bundeskanzler Gerhard Schröder und den Ministerpräsidenten Edmund Stoiber zu sich einlädt und sagt: Bitte einigt euch doch jetzt auf eine Formel; einigt euch, damit wir noch zu einem positiven Ergebnis der Föderalismuskommission kommen, dass das Erfolg hat? – Das würde doch bedeuten, dass entweder Ministerpräsident Stoiber sagen muss: Gut, Herr Bundeskanzler, Sie haben Recht, die Bundesregierung braucht Kompetenzen in der Bildungspolitik, wir als Land Bayern und die anderen Bundesländer verzichten auf diese und erlauben dem Bund künftig wesentliche Eingriffsrechte in klassisches Länderrecht. – Das glauben Sie doch selbst nicht, dass das – noch dazu vor den Wahlen in NordrheinWestfalen – geschehen kann.
Ebenso unrealistisch ist es doch, anzunehmen, dass der Bundeskanzler im Vorfeld der gleichen Landtagswahl erklärt: Jawohl, Herr Stoiber, Sie hatten Recht, unser Angriff auf die Bildungskompetenzen der Länder war verkehrt. Ich ziehe das alles zurück, und damit kann die Föderalismusreform zu einem positiven Ergebnis kommen. – Auch das können wir doch von der Bundesregierung nicht erwarten.
Nein, meine Damen und Herren! Der Grund für das Scheitern dieser Reform ist nicht, das man sich in einer Detailfrage nicht einig werden konnte. Die tiefere Ursache für das Scheitern ist, dass eben viel zu wenig Kompensationsmöglichkeiten für Kompetenzverluste der Länder vorhanden waren. Diese „Reform“ hätte zu keiner echten Belebung des Länderparlamentarismus geführt. Das war erkennbar, und die Länder haben die Notbremse gezogen, weil sie merkten, dass sie bei diesen Verhandlungsergebnissen verlieren werden. Das ist die tiefere Ursache des Scheiterns der Föderalismusreform. Und die Bundesregierung sah sich am Ende auch nicht so weit vorangebracht, dass Blockaden im Bundesrat aufgehoben werden würden. Deswegen hilft es auch nicht, dass man da weitermacht, wo man aufgehört hat, sondern jetzt muss das Thema umfassender und grundsätzlicher angegangen werden. Man muss neue Punkte in die Diskussion einführen. Man muss eine Gesamtreform, durchaus unter Einschluss der Länderneugliederung, ins Gespräch bringen. Das kann nur auf der Basis einer freien Diskussion ohne Verhandlungscharakter sein. Dann kann im Nachgang verhandelt werden. Wenn das Gesamtproblem einmal umrissen ist, dann ist es auch leichter, Kompromisse zu finden. Das ist der Grund dafür, weshalb wir diesen Konvent vorschlagen. Sie können getrost sein, er wird auch kommen.
Verzichten können wir nicht auf den Grafen Lambsdorff, verzichten konnte man auf Ihren Beitrag, er war peinlich und unangemessen.
Deutschland wird ohne kleinliche Bedenken vorankommen. Ein Konvent wäre das Letzte, was diesem Land schadet. Ein Konvent hat auch Europa vorangebracht und einen Verfassungsentwurf geboren. Ebenso würde ein Verfassungskonvent hier in Deutschland die föderale Ordnung sicherlich wieder auf eine bessere Grundlage stellen. Er wird kommen, ob Sie den Antrag ablehnen oder nicht, Sie werden es erleben. – Danke schön!
[Tromp (CDU): Nein. Das war keine Kurzintervention, das war eine zweite Rede! – Hahn (FDP): 2 Minuten 40 Sekunden! – Gaebler (SPD): Eine Kurzintervention bezieht sich auf die letzte Rede davor, nicht auf alle zuvor. Das hat sich auf Herrn Zimmermann bezogen!]
Herr Tromp! Ich lasse Ihnen gerne den Vortritt, aber ich wüsste auch nicht, was man darauf sagen sollte, mit Verlaub.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lindner! Man zieht sich Jacken an, aber bestimmte Jacken zieht man sich nicht an. Ihren Vorwurf der Diskussionsverweigerung weise ich ausdrücklich zurück. Diese Jacke ziehen wir uns wirklich nicht an, denn der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien hat sich von Anfang an intensiv und sehr ernsthaft mit der Diskussion um die Modernisierung des Föderalismus in der Bundesrepublik befasst. Mir tut es Leid, wenn sich die FDP sich dort nicht hinreichend beteiligt hat
oder dass das die Öffentlichkeit nicht wahrgenommen hat, aber die Jacke, dass wir uns im Parlament einer inhaltlichen Diskussion verweigert haben, kann ich nicht anziehen.
Seit der Aufnahme der Tätigkeit der Bundesstaatskommission hat der Ausschuss intensiv mehrfach Anhörungen durchgeführt, drei Anhörungen insgesamt mit dem Regierenden Bürgermeister, mit unserem Vertreter der Landtagsparlamente, mit Volker Ratzmann, jeweils zum Stand der Diskussion in der Föderalismuskommission mit konkreten Anfragen, konkreten Antworten. Wenn Sie es nicht zur Kenntnis genommen haben, tut es mir Leid.
Im Verlauf dieses Diskussionsprozesses wurden allein vom Senat drei Berichte vorgelegt, die ebenfalls diskutiert wurden. Angesichts der öffentlichen Debatte um die Rolle Berlins als Hauptstadt hatte der Ausschuss dem Abgeordnetenhaus zwei Mal entsprechende Entschließungen zur Beschlussfassungen empfohlen. Unsere parlamentarische Entschließung hatte sich damit wiederholt als vorbildhaft auch für die anderen Landtagsparlamente erwiesen und war sogar wirksame Unterstützung der entsprechenden Position des Senats und der Verhandlungsführung des Regierenden Bürgermeisters sowie des Chefs der Senatskanzlei als Kommissionsmitglieder.