Protokoll der Sitzung vom 24.02.2005

[Dr. Lindner (FDP): Die grüne Visapraxis, nicht die liberale! Das ist ein Unterschied!]

Die Polemik hat jeder umsonst. Ich bemühe mich, Sachverhalte darzustellen. – In Berlin hat das dazu geführt, dass im Rahmen eines solchen Auswerteprojektes 25 Reisebüros, Hotels und ähnliche Institutionen in den Fokus genommen worden sind. Dieses Projekt ist gerade abgeschlossen worden und wird zu entsprechenden weitergehenden Ermittlungen führen. Ich kann einen Einzelfall nennen, in dem es seit dem Jahr 2001 ein Verfahren gibt. Dabei handelt es sich um ein Reisebüro mit dem bezaubernden Namen Sputnik Travel GmbH – Sie erinnern sich an den ersten Sputnik 1957. In diesem Büro wurden 4 700 Einladungsschreiben versandt. Eine stichprobenar

Sen Dr. Körting

Herr Kollege Henkel! Es gibt bei der Zahl der Abschiebungen keine derar

tigen Veränderungen, dass man aus Ihnen etwas lesen könnte.

Ich nenne Ihnen die Zahlen für Abschiebungen in die Ukraine, ich könnte sie auch für Albanien nennen: Wir haben im Jahr 1999 742 Ukrainer abgeschoben, im Jahr 2000 waren es 711, im Jahr 2001 807. Diese Zahlen bewegen sich alle auf einem Level, und ich kann keine sensationellen Veränderungen feststellen. Bei den Albanern sind die Zahlen wesentlich niedriger. Wir haben im Jahr 1999 drei Albaner abgeschoben, sieben im Jahr 2000 und 13 im Jahr 2001.

Danke schön! – Die nächste Nachfrage geht an den Kollegen Ritzmann. – Bitte!

Herr Senator! Weshalb verschweigen Sie, dass es bei der bandenmäßigen Schleuserkriminalität im letzten Jahr einen Anstieg um 226 % gegeben hat, und wie bringen Sie Ihre Verniedlichung dieses Problems mit der Aussage des Bundeskriminalamtes in Übereinstimmung, dass diese Praxis der Einreiseerleichterung durch den Fischer-Erlass eine Art moderner Form der Sklaverei sei?

tig von der Polizei beziehungsweise im Auftrag der Staatsanwaltschaft durchgeführte Überprüfung hat ergeben, dass in 78 von 99 Fällen die Erklärung gegenüber der deutschen Auslandsvertretung falsch gewesen ist. Das hat zu einem entsprechenden Verfahren geführt. Ich gehe davon aus, dass die anderen 25 Büros nach der Auswertung mit entsprechenden Verfahren bedacht werden werden.

Bei den sonstigen Zahlen, etwa dem Straftatbestand Verstoß gegen das Ausländergesetz Visaerschleichung, können wir anhand der statistischen Zahlen aus der polizeilichen Kriminalstatistik weder eine Häufung noch eine sensationelle Steigerung feststellen. Wir hatten im Jahr 2000 in Berlin 151 Fälle von Visaerschleichung, das ist – so schrecklich wie es ist – eine Normalzahl. Im Jahr 2001 waren es ebenfalls 151 Fälle, im Jahr 2002 46, im Jahr 2003 sind es 18 Fälle gewesen. Diese Fallzahlen bewegen sich nicht in Bereichen, die sensationell sind. Die Fallzahlen sagen nichts über die Dunkelziffer aus, also Fälle, die wir in diesem Zusammenhang nicht aufklären konnten.

Wir haben ferner versucht, die in Berlin eingereisten und unerlaubt aufhältlichen Ukrainer zu ermitteln. Auch hier sind die Zahlen nicht so, dass sich daraus sensationelle Dinge ergeben. Wir haben im Jahr 2001 1 103 Tatverdächtige gehabt, im Jahr 2003 413. Das heißt, wir haben schwankende Zahlen, bei denen wir aber davon ausgehen, dass sie nichts unmittelbar aussagen.

Die Länder haben gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt das Lagebild Schleusungskriminalität ermittelt. Dort war festzustellen, dass die Gesamtzahlen hinauf gegangen sind, was dazu geführt hat, dass das Bundeskriminalamt bestimmte Initiativen entwickelt hat. Berlin nimmt bei der Frage Schleusungskriminalität im Jahr 2001 mit 1 138 Tatverdächtigen bundesweit den dritten Platz ein, was teilweise auf die 151 Fälle der Visaerschleichung und anderes zurückgeht. Eine wie auch immer geartete hypothetische Schadensermittlung kann ich aus dem unerlaubten Aufenthalt von Touristen in der Bundesrepublik Deutschland nicht herleiten. Dafür müsste eine Expertise darüber gefertigt werden, in welchen Fällen diese unerlaubt aufhältlichen Touristen kriminell geworden sind. Darüber liegen aber keine Zahlen vor, die wir Ihnen nennen könnten. – Danke schön!

Eine Nachfrage des Kollegen Henkel. – Bitte schön, Herr Henkel, Sie haben das Wort!

Herr Senator! Sie sagten gerade, dass die Zahlen der Schleuserkriminalität nach oben gegangen sind. Gab es signifikante Veränderungen bei der Zahl der Abschiebungen von Ukrainern vor dem Fischer-VollmerErlass und danach?

Herr Senator Dr. Körting – bitte!

Richtig ist, dass mit der Veränderung der Praxis bei den Touristenvisa die Zahlen bei den Ukrainern im Jahr 2004 zurückgegangen sind. Da hat es nur noch 246 Abschiebungen gegeben.

Herr Senator Dr. Körting – bitte!

Herr Kollege Ritzmann! Das Bundeskriminalamt untersteht mir noch nicht. Es gibt entgegengesetzte Bestrebungen des Bundesinnenminister, die ich auch nicht teile. Ich kann deshalb zu Fragen der Wertung des Bundeskriminalamtes nichts sagen.

Ich habe mich zu spezifischen Fragestellungen von Ihnen im Zusammenhang mit einer Änderung der Visapraxis im Jahr 2000 geäußert. Die Aussagen über Schleusungskriminalität aus der letzten polizeilichen Kriminalstatistik des Jahres 2004 besagen eben gerade nichts zum Jahr 2000, sondern besagen etwas generell darüber, dass wir in der Bundesrepublik und besonders in Berlin – das liegt bei einem Ballungsgebiet von dreieinhalb Millionen Menschen nahe, dementsprechend dreieinhalb Millionen Einwohner, Metropole, dementsprechend auch eine Prostitutionsszene, die hier größer als in Dinkelsbühl und die größte im Bundesgebiet ist – eine besondere Problematik mit Schleusungskriminalität haben. Übrigens besagen unsere Zahlen auch, dass wir eine Problematik haben, die die Berliner Polizei und das Landeskriminalamt, soweit es organisierte Kriminalität betrifft, offensichtlich im Griff haben. Wenn Sie sich die Zahlen der letzten fünf Jahre für OK ansehen, werden Sie feststellen, dass alles das, was an Panik verbreitet wurde – „nun werden wir von organisierter Kriminalität überrollt“ –, sich durch die Zahlen, die im Land Berlin und bundes

Sen Dr. Körting

Da gibt es in der Bundesrepublik Deutschland eine Gesetzeslage, wonach Prostitution gesellschaftlich nicht mehr ausgegrenzt und als Beruf anerkannt wird. Andererseits haben wir eine andere Situation, wenn aus dem Ausland Leute kommen, um hier in der Prostitution tätig zu werden. Da gibt es die Voraussetzungen, die wir nach dem Ausländergesetz oder nach dem Aufenthaltsgesetz haben. Da sind mir Initiativen bekannt, die sagen, dass wir das

alles freigeben sollten. Ich habe dazu eine persönliche Meinung und möchte das ironisch sagen: Wir wollen Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften. Ich bin nicht für eine Zuwanderung von qualifizierten Prostituierten.

weit geführt werden, glücklicherweise nicht bestätigt hat. Offensichtlich ist die Polizei in Deutschland und in Berlin so gut, dass OK-Leute sich hier nicht aufhalten und versuchen, ihre Zentren woanders aufzubauen.

Ihre Frage zur Schleusungskriminalität ist relativ einfach zu beantworten: Sie sagt zu dieser Frage, die Sie gestellt haben, nichts aus. Ich habe aber eingangs gesagt – das ist sicher richtig –: Die liberale Visaerteilungspraxis hat auch zu Missbräuchen durch Kriminelle geführt, mag auch die Missbräuche von Kriminellen erleichtert haben, wie jede liberalere Praxis, wie auch § 38 des Ausländergesetzes von 1990. Das muss man nüchtern sehen. Wenn ich keine Überprüfung durch die Ausländerbehörde mehr habe, ist es leichter, in dieses Land hineinzukommen, und wenn ich erst einmal in dem Land bin, ist es leichter, auch über die Visazeit hinaus illegal hier zu bleiben. Das ist seit 1990 so, und das ist seit dem Visaerlass sicherlich zusätzlich erleichtert worden. Das ist eine Fragestellung, die wir generell haben: Wie offen ist das Land? Wie offen soll es sein? – Da habe ich eher etwas restriktivere Vorstellungen.

Frau Dr. Klotz mit einer Nachfrage – bitte schön!

Herr Körting! Ich habe eine Frage zu dem von der liberalen FDP konstruierten Zusammenhang zwischen Visavergabepraxis und Zwangsprostitution. – Ist Ihnen bekannt und teilen Sie die Einschätzung von einschlägigen Organisationen und Institutionen, die im Bereich Menschenhandel und Frauenhandel arbeiten, dass der beste Schutz vor Zwangsprostitution, vor kriminellen Menschenhändlern und Zuhältern immer noch die Legalität ist? Sind Ihnen auch diesbezügliche Briefe in dieser Frage zugegangen?

[Dr. Lindner (FDP): Ist doch absurd, Frau Klotz! Die waren doch nicht schon vorher Prostituierte!]

Herr Senator Dr. Körting – bitte schön!

Das ist jetzt eine komplizierte Frage, mit der wir das Thema Visaerteilung verlassen. Ich bin sicher, dass der Missbrauch durch Kriminelle bei den Visaerteilungen auch von diesen Kriminellen für das Einschleusen von Prostituierten oder von Zwangsprostituierten genutzt wurde, ohne dass ich dies jetzt zahlenmäßig belegen kann. Ihre Frage, Frau Dr. Klotz, ist die generelle Frage, wie ich gegen Prostitution vorgehe.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Zwangsprostitution!]

[Dr. Lindner (FDP): Die sind doch noch gar keine Prostituierten, wenn sie hier hereinkommen!]

Danke schön! – Dr. LehmannBrauns hat eine Nachfrage und hiermit das Wort.

Herr Senator! Angesichts der von Ihnen dargestellten Nichterfassbarkeit einer höheren Quantität und angesichts des massiven Zuflusses und der Tatsache, dass die um Berlin wohl keinen Bogen gemacht haben werden, muss man da nicht davon ausgehen, dass die Dunkelziffer der hier Eingeströmten besonders hoch ist, das heißt, dass auch der Schaden für Berlin besonders hoch ist?

Herr Senator Dr. Körting – bitte!

Herr Kollege Lehmann-Brauns! Ich habe versucht, die Zahlen darzustellen, die das Landeskriminalamt im Laufe der letzten Jahre ermittelt hat, unbeeinflusst von jeder politischen Wertung, einfach, wen man aufgreift, was man feststellt und was man damit macht. Man kann das auch belegen durch das, was an Razzien in Berliner entsprechenden Institutionen – Bordellen und so etwas – durchgeführt wurde. Da kann man feststellen, wer gegebenenfalls mit einem Visum gekommen ist. Auch dazu haben wir Zahlen. Bei unseren Abschiebungen in die Ukraine im Jahr 2000, die durch den BGS durchgeführt wurden, waren bei 564 ausgewerteten Abschiebungen 100 Fälle mit einem Visum, mit einem „Carnet de Touriste“ des ADAC dabei. Das heißt, in 100 Fällen von 564 lag ein Visumsmissbrauch mit einem solchen Reiseschutzpass, in diesem Fall vom ADAC, vor. Aber ich bin nicht in der Lage und wäre auch sehr vorsichtig, die – –

[Zuruf von der CDU: Die sind doch nicht um Berlin herumgegangen!]

Die sind nicht um Berlin herumgegangen, natürlich nicht! Ich habe doch gesagt: wenn Schleusungen, dann ist Berlin für eine bestimmte Klientel besonders prädestiniert – Großstadt, anonym usw. Eine Großstadt hat mehr derartige Einrichtungen als andere, kleinere Städte. Aber ich bin nicht in der Lage, Ihnen verbindlich etwas über Dunkelziffern zu sagen, und würde auch sehr davor warnen, Dunkelziffern, die nicht ermittelt sind, in den Raum zu stellen. Das Landeskriminalamt ermittelt seit 2001 in solchen Fällen. Das heißt, das, was das Land Berlin tun konnte, wird durch das Landeskriminalamt gemacht. Eine Beteiligung der Ausländerbehörde gibt es in diesen Fällen nicht.

Danke schön! – Es geht weiter mit der Abgeordneten Simon von der Fraktion der PDS mit der Mündlichen Anfrage über

Umsetzung des Influenza-Pandemieplans in Berlin

Präsident Momper

Die vordringlichste Maßnahme bei all dem ist die Sicherstellung der Versorgung mit dem notwendigen Impfstoff und mit antiviralen Medikamenten. Für Berlin kann ich nur sagen: Wir haben z. B. einen solchen Alarmplan,

eine Maßnahmeplanung, etwa im Zusammenhang mit dem Aspekt des Bioterrorismus. Beide Pläne sind auch tragfähige Grundlagen für die Umsetzung des Aktionsplans für eine Influenza-Pandemie. Deshalb bin ich der tiefen Überzeugung, dass wir ganz gut aufgestellt sind.

Was ist Sache der Krankenhäuser? – Da der Plan noch nicht konkret vorliegt, können wir noch keine genauen Angaben über die Anforderungen machen, aber eines ist schon heute klar: Im Fall der Pandemieinfluenz müssen alle Aufnahmekrankenhäuser ihre Aufnahmekapazitäten ausweiten, müssen mehr Betten zur Verfügung stellen z. B. durch frühzeitigere Entlassung von nicht gefährdeten Patientinnen und Patienten und durch die Zusammenlegung von nichtinfektiösen Patientinnen und Patienten. Das wissen die Krankenhäuser, sie kennen die Planung. Sie tun das auch jetzt schon, wenn wir ein erhöhtes Grippeaufkommen z. B. in den ersten Monaten des Jahres haben. Im Moment ist das so. Wir haben das gerade überprüfen lassen. Auch das braucht einen nicht aufzuregen. Wir haben eine Erhöhung von Grippefällen, die sich immer noch im Rahmen dessen bewegt, was uns aus den letzten Jahren bekannt ist. – Eine Pandemie ist eine wirkliche Ausnahmesituation. Hier wird es darauf ankommen, dass dann die Krankenhäuser zusätzliche Aufnahmekapazitäten zur Verfügung stellen. Auch dieses Verfahren ist den Krankenhäusern bekannt.

(D

Im Fall der Grippe-Epedemie – und das ist das Schwierige bei einer Pandemieinfluenza – kann der notwendige Impfstoff erst hergestellt werden, wenn man weiß, welcher Erreger der Verursacher für die Pandemie ist. Das macht es schwer. Man kann nicht im großen Umfang vorbeugend agieren. Man muss dann schnell reagieren und kann den Impfstoff erst dann herstellen lassen. Man muss trotzdem, weil in einer Pandemie eine gewaltige Anzahl Menschen erkrankt, Prophylaxe machen, insbesondere bei denjenigen, die nachher dafür Sorge tragen, dass die Gesundheitsversorgung der Menschen in unserer Stadt aufrecht erhalten werden kann. Das ist in etwa ein Personenkreis von ca. 150 000 Menschen in Berlin aus dem Gesundheitsbereich, dem Polizeibereich, aus dem Bereich der Feuerwehr, für den Vorsorge getroffen werden muss. Darauf müssen wir uns einstellen. In diese Richtung läuft im Moment die Absprache zwischen den Ländern und mit dem Bund, dass hier die Versorgung dieses logistisch wichtigen Personenkreises gesichert ist.

Bitte schön, Frau Simon, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Wie wird in Berlin der unter Federführung des Robert-Koch-Instituts von einer Bund-Länder-Expertengruppe erarbeitete Influenza-Pandemieplan unter Einbeziehung des für Berlin vorliegenden Katastrophenschutzplanes umgesetzt?

2. Welche Vorgaben des Pandemieplans haben dabei für Berlin eine besondere Bedeutung, welche Bettenkapazitäten werden an welchen Standorten vorgehalten, und welche Probleme hinsichtlich der Bevorratung mit Medikamenten und Impfstoffen müssen überwunden werden?

Danke schön, Frau Abgeordnete! – Das Wort hat nun Frau Dr. Knake-Werner, die Senatorin für Gesundheit.