Die heutige Debatte geht zurück auf Überlegungen beziehungsweise ein Konzept aus dem Arbeitslosenbereich, das unter dem Dach des DGB entstanden ist. Wenn der ansonsten nicht besonders erfolgsverwöhnte Senator dies aufgreift, sollten wir ihn unterstützen und sehen, ob es ein realistisches Modell ist. Wir müssen es ernst nehmen, dass allen Bedürftigen, die Interesse an Kunst und Kultur haben, die Teilhabe ermöglicht wird. Es ist deshalb nicht sinnvoll, sich jetzt gegenseitig zu beschimpfen. Vielmehr müssen wir sehen, dass Menschen, für die selbst 8 € Eintrittsgeld für ein Theater unerschwinglich sind, Frau Lange, tatsächlich eine Chance eingeräumt wird, nicht ausgeschlossen zu sein. Das ist gesellschaftspolitisch, aber auch für die Heranbildung eines neuen, jungen Publikums sinnvoll. Wir wissen, wie viele Kinder in sozial schwachen Familien leben. Deshalb sollten wir versuchen, da wir genügend freie Platzkapazitäten in den Berliner Kultureinrichtungen haben, diese sinnvoll zu nutzen. Ich glaube, dass wir zu einer guten Lösung gelangen können.
Danke schön, Frau Ströver! – Herr Brauer hat nun für die Fraktion der PDS das Wort. – Bitte schön, Herr Brauer!
Danke schön, Frau Lange! – Für die Fraktion der Grünen hat nunmehr Frau Ströver das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der CDU zum Kulturpass ist – ich finde, das kann man ruhig einmal sagen – im Prinzip gut gemeint, aber noch nicht gut genug, weil die Übertragung des Wiener Modells auf Berlin so einfach nicht möglich ist. Die Idee: Nimm eine Karte und kaufe eine zweite! – läuft ja gerade auch als Aktion der Berliner Tafel mit Lebensmitteln für sozial Schwache. Das ist im Prinzip eine gute Idee. Aber wir müssen uns fragen: Reicht das Potential an gebenden Menschen in dieser Stadt dafür aus, dass es genügend Karten gibt, damit eine Großzahl von Kunst- und Kulturinteressierten, aber sozial Schwachen in die Theater oder Museen gehen kann? – Ich denke, Frau Grütters, dass Ihr Modell im besten Fall ein ergänzendes Modell ist, aber das Problem, wie wir die Möglichkeit für wirklich sozial Schwache schaffen, am Kulturleben teilzuhaben, jedenfalls allein nicht löst,
Wir werden ja leider die Theaterkarten im teuren Bereich auch viel zu selten los, und dabei sind sie noch günstig, verglichen mit z. B. Zürich oder Wien oder Barcelona, wo ich gerade letztens war und eine durchschnittliche Opernkarte für eine Repertoirevorstellung für 155 € pro Person kaufen sollte. Das habe ich dann lieber nicht gemacht.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Grütters! Zuhören war noch nie eine Stärke von Ihnen, zumindest bei meinen beiden Vorrednerinnen sind Sie mit anderen Dingen beschäftigt gewesen. Aber vielleicht hören Sie wenigstens jetzt zu.
Na gut. Man merkt aber nicht, dass Sie zugehört haben. Sie wiederholen gebetsmühlenartig immer wieder dieselbe Leier.
Allein in Berlin leben etwa 17 % der Bevölkerung unterhalb der Armutsschwelle, das sind jeder 13. Berliner bzw. jede 13. Berlinerin. – Herr Hoffmann, es würde auch Ihnen gut tun, zuzuhören, anstatt ständig Ihre merkwürdigen Sprüche abzusondern. – Jeder 13. Mensch in dieser Stadt erhält Arbeitslosengeld II, das sind 390 000 Menschen, oder Sozialhilfe, das sind noch einmal 26 500 Personen. In diesen Zahlen sind nicht enthalten Kinder und Jugendliche sowie Rentnerinnen und Rentner mit niedrigen Renten. Das sind etwas andere Zahlen, verehrte Frau Grütters, als im schönen Wien. Auch die Verteilung des Reichtums, Frau Kollegin Ströver hat es angesprochen, ist in Wien anders als in Berlin. Was uns wichtig ist: Alle diesbezüglichen Untersuchungen weisen ei
Wir wollen keine Brosamen vom Tisch der Besserbetuchten, auch wenn manch Almosen den Hunger eines Bedürftigen stillen kann, das soll willkommen sein. Wir wollen Regelungen, die deutlich machen, dass Menschen mit einem Einkommen unterhalb der Armutsgrenze einen verbrieften Anspruch auf Teilhabe am geistigen Leben Berlins haben. Wir wollen Regelungen, die verhindern, dass die soziale Ausgrenzung unabdingbar mit geistigkultureller Ausgrenzung verbunden ist. Deshalb werden wir den Senat auffordern, die Voraussetzungen zu schaffen, die es allen Berliner Alg-II-Empfängern, den Empfängern von Sozialhilfe und Asylbewerberleistungen ermöglichen, am kulturellen Leben der Stadt teilzunehmen. Die PDS schlägt vor, den Betroffenen den Zugang zu landeseigenen Bühnen durch deutlich verbilligte Abgabe unverkaufter Tickets an der Abendkasse zu ermöglichen. Hier gibt es Spielräume, und man sollte sich darüber nicht lustig machen. Wir schlagen vor, für die anderen Kultureinrichtungen Berlins Möglichkeiten der Preisgestaltung zu sondieren, um den Betroffenen und ihren Familien den Zugang zu speziellen, über den jetzigen Zustand hinaus gehenden Ermäßigungen zu ermöglichen. Hier sind Möglichkeiten der Preisgestaltung zu sondieren, es ist nicht unsere Absicht, die Institute in eine defizitäre Situation zu treiben, es gibt aber noch Möglichkeiten, die noch nicht
ausgeschöpft sind. Last but not least möchten wir die vom Bund bzw. von Bund und Land gemeinsam getragenen Einrichtungen bitten, sich dieser Initiative anzuschließen. Wie gesagt: Teilhabe am kulturellen Leben darf nicht von zufälligen Almosen abhängig sein, die PDS versteht dies als Grundrecht. Sie werden Gelegenheit haben, sich mit unseren Vorstellungen in Form einer Antragsdebatte auseinander zu setzen. Wir bitten Sie um Unterstützung. Der Kultursenator und die Koalition arbeiten an realisierbaren Lösungen. Liebe Frau Grütters! Ihr tränenreiches Gutmenschentum ist dabei nicht sehr hilfreich. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie haben wir die Eigenständigkeit der Kulturinstitutionen gepriesen. Je nach politischer Ausrichtung heißt es „Entstaatlichung“ oder „Autonomie im Handeln“. Nur bei der Preisgestaltung tun wir uns immer wieder schwer. Je nach angesagter Thematik werden unterschiedliche Säue durch das Dorf getrieben. Auf der einen Seite kann es nicht teuer genug sein – mit dem Argument, die Einrichtungen würden hoch subventioniert und es müsse etwas für die Wirtschaft und den Tourismus geschehen, die Karten müssten viel teurer sein –, auf der anderen Seite wird bei einer Debatte über Alg II das Gegenteil gefordert. Die armen Intendanten wissen vermutlich nicht mehr, wann sie überhaupt noch arbeiten sollen. Entweder sitzen sie beim Kultursenator oder bei einem Ex-Kultursenator, der gern immer mal wieder mit Freunden hinter verschlossener Tür etwas aushandelt, das er anschließend finanziell nicht verantworten muss.
nen Zusammenhang zwischen Bildungsstand und Lebenschancen nach. Alle diesbezüglichen Untersuchungen messen der Teilhabe am kulturellen Leben, der Möglichkeit und der Fähigkeit, sich mit Kunst und Kultur auseinander zu setzen, eine Schlüsselrolle zu. Der Zugang zu Bildung und Kultur wird in der Zukunft einer der entscheidenden Indikatoren für soziale Differenzierung, der Ausgrenzung und tatsächlichen Teilhabemöglichkeit am Leben dieser Gesellschaft sein. Für inzwischen 17 % der Berlinerinnen und Berliner sind diese Zugangschancen denkbar schlecht. Die Arbeitslosengeld-II-Gesetze billigen diesen Menschen ganze 2,11 € monatlich für „sonstige Freizeit- und Kulturdienstleistungen“ zu.
Jetzt kommt die CDU mit großem propagandistischen Getöse und hat die Lösung. Wie Kollegin Grütters im Radio erfahren hat – sie hat es eben dargestellt –, könnte man gut betuchte Menschen darum ersuchen, eine zusätzliche zweite Eintrittskarte zu kaufen, um diese unentgeltlich an Bedürftige abzugeben. Das Almosen bekommt einen schicken Titel „Kultur offensiv“. Private Wohltätigkeit ist schön, nur bedarf es dafür keines Abgeordnetenhausbeschlusses und keiner Senatsinitiative.
Wenn Sie Ihre Idee ernst meinen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, die sich christdemokratisch nennen, so machen Sie es doch einfach. Wer hindert Sie daran? – Schwätzen Sie nicht dauernd hier herum, rauben sich und uns kostbare Zeit! Handeln Sie, tun Sie etwas!
Reiz und Sinn privater Spendentätigkeit beruhen gerade darauf, dass sie privat finanziert und organisiert sind. Setzen Sie Ihre Idee um, Frau Grütters!
Danke schön, Herr Brauer! – Für die Fraktion der FDP hat nunmehr Frau Meister das Wort. – Bitte schön, Frau Meister!
Frau Lange hat bereits darauf hingewiesen, dass es in den Berliner Kulturinstitutionen eine Reihe von Möglichkeiten gibt, kostenlos beispielsweise in ein Museum zu gehen. Weniger als kostenlos geht nicht mehr. Es gibt auch noch eine Reihe anderer Vergünstigen: für Schüler und Studenten – wobei es mich überrascht hat, dass Studierende und Auszubildende bis Vollendung des 30. Lebensjahres verbilligte Karten bekommen –, und es gibt die Klassik-Card. Die jetzige Debatte ist ausgerichtet auf die Alg-II-Empfänger. Es spricht nichts dagegen, diesen Personenkreis zu bedenken. Was bei all diesen Debatten aber auf der Strecke bleibt, ist die seltene Spezies des normalen Arbeitnehmers – und zwar mit einem geringen Einkommen. Diese Spezies wird immer seltener, das ist Folge der Politik an diesem Standort, aber es gibt sie eben doch noch. Es gibt nicht nur Alg-II-Empfänger, Sozialhilfebeziehende und arme Rentner, es gibt auch noch viele Menschen in diesem Land – gerade bei Ihnen im Wahlkreis in Neukölln, Frau Herrmann –, die für richtig wenig Geld arbeiten gehen und versuchen, in Teilzeitarbeit und allein erziehend über die Runden zu kommen. Denen dürfen Sie all Ihre schönen Ideen auch einmal erklären.
Danke schön, Frau Meister! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zum Antrag Drucksache 15/3727 wird die Überweisung federführend an den Kulturausschuss sowie mitberatend an den Aus
schuss für Gesundheit, Soziales, Migration und Verbraucherschutz und an den Hauptausschuss empfohlen. Zum Antrag Drucksache 15/3728 soll die Überweisung ebenfalls federführend an den Kulturausschuss erfolgen sowie mitberatend an den Ausschuss für Wirtschaft, Betriebe und Technologie. – Ich höre keinen Widerspruch dazu. Dann wird so verfahren.
haben die Antragsteller inzwischen auf eine Beratung verzichtet. Die Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an beider Anträge an den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung. Der Antrag Drucksache 15/3738 soll zusätzlich mitberatend an den Ausschuss für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen überwiesen werden. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.
Jetzt kommt also die Idee: Der Bürger, dem es gut geht, kauft eine Karte für einen, dem es schlecht geht. – Dagegen spricht grundsätzlich nichts. Es spricht überhaupt nichts gegen bürgerschaftliches Engagement. Wenn die CDU-Fraktion schon einmal anfängt, sind bereits die ersten 35 Karten zusammen. Wenn wir es alle tun, sind es 141 Karten. Das sind richtig viele.
Ich weiß überhaupt nicht, warum ein bürgerschaftliches Engagement über einen Senat gesteuert werden muss. Bitte ersparen Sie dem Bürger diesen Eingriff!
Das stellen Sie sich einmal vor! Ein Ehrenamt heißt Ehrenamt, weil es ein Ehrenamt ist und nichts, was staatlich angeordnet ist, verwaltet und reguliert wird, wofür es eine Vorschrift und ein Formular gibt und fünf Personen, die es noch einmal kontrollieren. Das überzeugt mich an dieser Sache nicht. Hier kommt man schneller zum Ziel, wenn wir einfach sagen: Machen, machen, machen. Damit dürfen Sie gern anfangen. Wir folgen Ihnen gern. Bei der Zahl von Arbeitslosen, die wir haben, dürfte es für uns alle kein Problem sein, auch schon im engsten Bekanntenkreis einfach einmal jemanden mitzunehmen.
Ich glaube allerdings, dass wir – den Punkt möchte ich noch einmal ansprechen – uns darüber im Klaren sein müssen, dass die Teilnahme an Kultur nicht nur eine Frage des Einkommens ist. Ich kenne genug Leute, die mit ganz wenig Geld hingekommen sind. Da ging es immer so aus, dass sie auch mal ins Theater gehen konnten. Wenn es nur das Einkommen wäre, müssten unsere Sportstadien leer sein und alle Fußballspieler in der Oper sitzen. Ganz offensichtlich gibt es auch noch ein paar andere Kriterien, die diesen Hunger nach Kultur auslösen. Es ist eine Frage von Bildung und von Möglichkeiten, die wir haben. Es ist ein schöner Anlass, sich darüber klar zu werden, dass wir in Berlin auch besonders viele Möglichkeiten haben, diesen Hunger auf Kultur und Kunst zu stillen, was ganz viele Menschen in Westdeutschland und Ostdeutschland, in guten und weniger guten Gebieten, in ländlicher Bevölkerung überhaupt erst einmal gar nicht haben.
Ich warne – der Satz sei mir abschließend noch erlaubt – davor, womöglich den Auslastungsgrad über einen solchen, erst einmal gut gemeinten, aber vielleicht doch nicht so einfachen Weg, korrigieren zu wollen. Ich glaube nicht, dass dieser Weg zielführend ist. Der Auslastungsgrad muss schon wirklich ehrlich sein, weil wir allen Bürgern, auch unseren ärmeren Bürgern, dieses Geld aus der Tasche nehmen, mit dem wir unsere Kulturinstitutionen finanzieren. – Vielen Dank!