Protokoll der Sitzung vom 28.04.2005

[Beifall bei der CDU]

Und wie es aussieht, hat man nicht die Lehren aus dem Desaster bei den Deutsch-als-Zweitsprache-Lehrern gezogen. Bei ihnen hat das alles nicht in den Fortbildungen stattgefunden, deswegen wird dort weder evaluiert noch kann korrigiert werden.

Die qualifizierende Auswahl erfolgt in der dritten Phase der Ausbildung, im Referendariat. Das macht der Bildungssenator auf seine ganz eigene Art. Er reduziert einfach die Referendariatsplätze, macht damit ausgebildete Akademiker zu Taxifahrern oder lässt sie in andere Bundesländer abwandern. Nur die, die lange genug warten können, haben danach noch eine Chance, in Berlin eingestellt zu werden – eine sehr merkwürdige Auswahl der Qualität der hier einzustellenden Lehrer.

Bei der Gelegenheit muss man auch noch die Lehrerbedarfsprognose nach unten korrigieren, Rechenfehler eingeschlossen. Ergebnis: Heute brauchen wir in so vielen Bereichen so viel mehr fachliches Personal, dass es jetzt auch ohne eine vollständige Lehrerausbildung möglich sein soll, in den Berliner Schuldienst einzutreten. Wieder einmal ein sozialer Auslesefaktor der merkwürdigen Art!

Wer in seinem eigenen Studium, das zunächst einmal gar nicht auf den Lehrerberuf ausgerichtet ist, keinen Job bekommt, kann immer noch in den Berliner Schuldienst gehen. Eine merkwürdige Art der Qualitätssicherung in der Berliner Schule!

[Frau Schultze-Berndt (CDU): Pfui!]

Außerdem möchte die Regierungskoalition plötzlich noch einen pädagogischen Mitarbeiter auf Bachelorniveau. Dafür sollen die von Sarrazin und Flierl zusammengestrichenen Universitätshaushalte neue Studiengänge aufbauen. Wie das funktionieren soll, wird uns nicht gesagt. Die Finanzen sind überall knapp. Auch das wird nicht klappen. Hätte man damals unserem Änderungsantrag zugestimmt, hätten wir ab 2007/2008 die ersten qualifiziert ausgebildeten Lehrer in den Berliner Schuldienst einsetzen können. Am heutigen Tage, 2005, murkst man erst an den Gesetzesänderungen herum.

Wie in der Wohnungsbaupolitik, in der es ein Herr Senator Nagel und seine Partei nicht schafften, auf lange Sicht umzusteuern, müssen wir für jeden Kundigen im Berliner Schulwesen auch heute feststellen: Extremer Lehrermangel wird in einem halben Jahrzehnt das Grundproblem der Berliner Schule sein. Das wird durch die heutige Gesetzesänderung nicht geändert werden. Die Kompensation durch Beschäftigte an der Berliner Schule mit reduzierter Ausbildungsqualität ist die ganz falsche Lösung. Dagegen ist mehr Qualität abseits der Fachausbildung und bei den sonstigen Kompetenzen angesagt.

[Beifall bei der CDU]

Wenn man das zusammennimmt mit den Vereinbarungen der PISA-Verliererländer, mit den Rahmenlehrplänen, mit dem Albtraum Einheitsschule, der seitens der SPD droht, mit den Neuregelungen beim Religionsunterricht, kann man nur feststellen: Der Standortfaktor Bildung wird die Leute in zwei, drei Jahren aus der Stadt treiben. Selbst Brandenburg wird demnächst als Hort einer ordentlichen Bildung fungieren können. Da regiert allerdings auch die CDU.

[Bravo! und anhaltender Beifall bei der CDU – Gelächter bei der PDS]

Danke schön, Herr Kollege Goetze! – Wir setzen fort mit der Fraktion der SPD. Das Wort hat Frau Dr. Tesch! – Bitte schön!

Danke! – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht mir jetzt so ähnlich wie vorhin Herrn Mutlu, der sich gewundert hat, warum die CDU diesen Antrag zur Priorität erhoben hat. Warum müssen wir über diese Gesetzesänderung noch einmal im Plenum reden, nachdem sie in zwei Ausschüssen ausführlich beraten wurde?

Worum geht es hier überhaupt? – Diese Gesetzesänderung wird von allen Seiten, vom Philologenverband bis zur GEW und auch von anderen gesellschaftlich relevanten Gruppen ausdrücklich begrüßt. Es handelt sich um eine Gesetzesänderung, die die Seiteneinsteigerlösung für

Lehrerinnen und Lehrer möglich macht. Auch wir wollen mehr junge Lehrerinnen und Lehrer einstellen, und wir werden das in den kommenden Schuljahren auch vermehrt tun. Es gibt aber leider so genannte Mangelfächer, die vor allen Dingen im beruflichen Bereich existieren,

[Zuruf der Frau Abg. Schultze-Berndt (CDU)]

aber auch in solchen Fächern wie Englisch, Informatik, Physik und ähnlichen. Wir können die jungen Leute nicht zwingen, diese Fächer zu studieren.

[Zuruf der Frau Abg. Schultze-Berndt (CDU)]

Ich habe es oft angeregt, aber wir haben eine freie Wahl der Studienfächer. Es stimmt nicht, dass wir überall einen Überhang von Lehrerinnen und Lehrern hätten. Das ist in Fächern wie beispielsweise Deutsch der Fall, aber nicht in den von mir erwähnten Mangelfächern.

Was wurde an der ursprünglichen Senatsvorlage durch die beiden Ausschüsse – den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung und den federführenden Schulausschuss – noch einmal geändert? – Zunächst ist es uns ganz wichtig, nochmals zu betonen, dass, solange es noch genügend Laufbahnbewerberinnen und -bewerber gibt, diese in den Schuldienst eingestellt werden, bevor diese Seiteneinsteigerregelung zum Tragen kommt. Deswegen haben wir die Wörter „in einschlägigen Fächern“ hinzugefügt.

Zweitens ist es von Bedeutung, dass diejenigen Lehrkräfte, die bereits erfolgreich in unseren Schulen arbeiten, aber über keine volle Lehrbefähigung verfügen, die so genannten LOVLs, durch diese Qualifikationsmaßnahme zu einer vollen Lehrbefähigung gelangen können. Diese Personen werden in den Schulen gebraucht. Ich habe unzählige Gespräche mit Schulleitern geführt. Die LOVLs leisten dort gute Arbeit.

[Zuruf der Frau Abg. Schultze-Berndt (CDU)]

Die Schulleiter möchten sie in den Schulen behalten und weiterqualifizieren.

Insgesamt kommen – und das ist auch keine Qualitätsminderung – solche Bewerberinnen und Bewerber in Betracht, die über einen einschlägigen Diplom-, Magister- oder Masterabschluss verfügen, der nicht länger als fünf Jahre zurückliegt, oder die in den letzten fünf Jahren nach Ablegung ihrer Hochschulprüfung eine dreijährige berufliche Tätigkeit nachweisen können. Damit wird auch die Aktualität gewährleistet. Diese Personen kommen dann in den berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst, das heißt, sie werden zu einem gewissen Prozentsatz von ihrer unterrichtenden Tätigkeit freigestellt und gleichzeitig in Seminaren und im Ausbildungsunterricht fortgebildet. Nach Abschluss dieser Ausbildung und einer Prüfung erhalten sie dann die volle Lehrbefähigung.

Jetzt gehe ich noch auf das ein, was Herr Goetze zum neuen Lehrerbildungsgesetz gesagt hat, was den BolognaProzess berücksichtigt und auf BA und MA umstellt. Das hat eigentlich gar nichts mit dieser Änderung zu tun, aber da Sie darauf eingegangen sind, erwidere ich, weil vieles

unklar, wenn nicht gar unwahr dargestellt wurde. – Erst einmal haben wir durchgesetzt, dass wir nach sechs Semestern einen einheitlichen Bachelorabschluss haben, damit der Übergang durchlässig sein kann. Die Zweiphasigkeit besteht innerhalb der Universität. Natürlich gibt es auch noch ein Referendariat. Es ist eine Verbesserung. Wir verkürzen die Studienzeit, aber wir sorgen für wichtige Inhalte. Wir haben einen früheren Praxisbezug. Wir erhöhen den erziehungswissenschaftlichen Anteil und die Fachdidaktik. Ein fertiger Lehrer beziehungsweise eine fertige Lehrerin ist er oder sie aber erst nach der Masterphase.

Letztlich gibt es noch eine Verbesserung: Wir schaffen mit dem fertigen Bachelor ein neues Berufsbild, den Lernassistenten. Diese Menschen, die wir nach sechs Semestern oder drei Jahren ausgebildet haben werden, brauchen wir dringend an unseren Schulen. Sie wissen, dass wir in Berlin die Ganztagsgrundschulen ausbauen. Dort brauchen wir zusätzliches pädagogisches Personal.

Diese beiden Gesetzesänderungen zielen in dieselbe Richtung und behindern sich nicht gegenseitig. Ich bitte um Ihre Zustimmung, weil wir diese erfahrenen Personen dringend als Lehrende in unseren Schulen brauchen. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Danke schön, Frau Kollegin Dr. Tesch! – Die Fraktion der Grünen fährt fort. Das Wort hat Frau Kollegin Paus!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Tesch! „Es besteht fachlicher Bedarf an Lehrkräften im berufsbildenden Bereich und auch in allgemeinbildenden Fächern wie z. B. Englisch, Latein, Informatik oder Physik. Für die Deckung dieses Bedarfs stehen nicht immer genügend Laufbahnbewerberinnen und -bewerber zur Verfügung“ – soweit die richtige Problembeschreibung in dem Vorblatt zu diesem dreizehnten Lehrerbildungsänderungsgesetz.

Dass in Berlin in ausgewählten Fächern bereits jetzt Probleme bestehen, ausreichend qualifizierte Lehrerinnen und Lehrer zu finden, und darüber hinaus in Berlin auf einen drastischen Lehrermangel zugesteuert wird, ist nicht neu. Insbesondere wir haben vielfach darauf hingewiesen als es z. B. um die Studienplatzzahlen, die Lehrerbildungsreform oder die faktische Abschaffung des Lehramtsstudiums zu Gunsten eines ziemlich unscharfen Konstrukts namens polyvalenter Bachelor ging. Auch die Prognosezahlen der Senatsverwaltung für Bildung weisen bis mindestens 2010 einen Einstellungsbedarf von mehreren Hundert Lehrkräften pro Jahr auf. Trotzdem war die Antwort des Senats stets, eigentlich gebe es keinen erhöhten Lehrerbedarf, die Prognosen seien stets unscharf, man könne auch einfach die Pflichtstundenzahlen erhöhen, dann sehe das schon ganz anders aus und gegebenenfalls werde man den Lehrkräftebedarf durch das Anwerben

Frau Dr. Tesch

von Lehrerinnen und Lehrern aus den anderen Bundesländern decken.

Die Vorlage dieses Gesetzes zeigt, dass sich der Senat von dieser Fiktion – zum Glück – verabschiedet hat. Leider verabschiedet er sich dabei auch von Qualifikationsvorstellungen, die noch in der Diskussion um die Lehrerbildungsreform ganz nach vorne gestellt wurden: pädagogische und psychologische Kompetenzen, didaktische Kenntnisse und endlich ein Lehramtsstudium, das nicht die reine Fachwissenschaft in den Vordergrund stellt. Statt ausreichende Studienplätze zu schaffen – und in den vergangenen Jahren bereits geschaffen zu haben –, sollen die Lücken in den Lehrerkollegien jetzt mit den so genannten Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern geschlossen werden. Die Erfahrungen aus den 80er Jahren, wo das auch schon praktiziert wurde, zeigen, dass dies gut gehen kann – sie zeigen aber auch, dass das schief gehen kann.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Es gibt Bereiche – das sagen auch wir –, in denen nicht nur kein Weg daran vorbeiführt, Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger in den Lehrbetrieb zu integrieren, sondern in denen es auch sinnvoll ist, z. B. im berufsbildenden Bereich, wo es für den Fachunterricht in den neuen Berufen der IT-Branche, der Medizintechnik usw. keine Lehrerinnen und Lehrer gibt, weil es diese Studienfächer an den Universitäten nicht gibt. Dort ist es ja so – und Sie hatten darauf hingewiesen, Frau Tesch –, dass die so genannten LovLs, also die Lehrerinnen und Lehrer ohne volle Lehrbefähigung, der Normalfall sind. Es gibt weitere Bereiche, in denen es sicherlich von Interesse ist, stärker als bislang auch Leute in die Hochschulen zu holen, die nicht die klassische Lehrerkarriere mitbringen. Es ist eine Verbesserung für die bisherigen und zukünftigen Quereinsteiger und Quereinsteigerinnen, dass ihnen das berufsbegleitende Referendariat in der Form offen steht, dass sie auch die volle Lehrbefähigung erwerben können und dass sie von vornherein in den Schuldienst eingestellt werden.

[Frau Dr. Tesch (SPD): Ist ja schön!]

Das sind die positiven Aspekte dieses Gesetzes. Gewisse Absurditäten, die es bisher gegeben hat, werden damit endlich abgestellt. Es ist auch eine Verbesserung, dass die Fristregelung zur Aufnahme des nachträglichen berufsbegleitenden Referendariats zur Weiterqualifizierung herausgenommen wurde. Das haben Sie in dem Prozess ja immerhin noch erreicht.

Nichtsdestotrotz gibt es zwei wesentliche Punkte, die absolut nicht akzeptabel sind. Zum einen ist das die faktische Abschaffung des Referendariats durch die kalte Küche, ohne die zweite Phase durch eine entsprechende qualifizierte Art und Weise adäquat zu reformieren. Zum anderen ist es der Punkt, dass Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger bei Ihnen in allen Schulstufen und allen Schulformen unterrichten dürfen, also auch in den Grundschulen. Da gehören sie nicht hin.

[Beifall bei den Grünen]

Es widerspricht allen – und bislang übrigens von allen Fraktionen geteilten – Auffassungen über die Qualifikationen, die Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer haben müssen, nun statt Lehrerinnen und Lehrer mit dem Lernbereich Deutsch oder Mathematik Germanisten und Diplom-Mathematiker mit zwei Jahren berufsbegleitendem Referendariat als Zusatzqualifikation in die Grundschulen zu schicken. Bessere Sprachförderung, eine Stärkung der pädagogischen Qualität, eine stärkere Besinnung auf die Funktion von Schule als erzieherisch-sozialem Ort des Lernens und Begegnens – um all dies zu realisieren, sollte bereits das Studium für das Grundschullehramt deutliche Anteile von Erziehungs- und Sozialwissenschaften enthalten. Auf den Anfang kommt es an, und da wird jetzt an der pädagogischen und didaktischen Qualifikation der Lehrerinnen und Lehrer gespart. Das ist absolut nicht hinnehmbar.

[Beifall bei den Grünen]

Deswegen trägt dieses Gesetz seine Nummer anscheinend zu Recht. Besser wäre es gewesen, Sie hätten die Nr. 13 einfach ausgelassen und stattdessen ein sinnvolles Gesetz zur Reform in diesem Bereich vorgelegt. Wir werden es deswegen natürlich ablehnen.

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön! – Für die PDS-Fraktion hat das Wort Frau Abg. Schaub. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich ist es eine ziemlich übersichtliche und einfache Sache, die wir mit der Änderung zum Lehrerbildungsgesetz vorlegen. Zwei Dinge sollen geregelt werden: Zum einen soll ein Seiteneinstieg in den Lehrerberuf ermöglicht werden – und zwar auf Grundlage eines Hochschulabschlusses, Herr Goetze, nicht irgendeiner Minderqualifizierung –,

[Goetze (CDU): Das sehen aber auch nur Sie!]

der dem ersten Staatsexamen gleichgesetzt werden soll. Zum anderen wollen wir die Einführung eines berufsbegleitenden Referendariats für Lehramtsabsolventen ermöglichen, die bereits das erste Staatsexamen abgelegt haben, aber auch für Seiteneinsteiger sowie für bereits im Schuldienst Tätige, die noch keine komplette Lehrerausbildung besitzen. Das ist durchaus sinnvoll. Diese Wege in die Schule zu eröffnen dient nicht dazu, einem riesigen Lehrermangel vorzubeugen, sondern dazu, in erster Linie ganz spezifischem Lehrermangel vorzubeugen. Das ist ausführlich von Frau Dr. Tesch erläutert worden, daher muss ich das nicht wiederholen. Diese Änderung ist erforderlich, weil wir Wege eröffnen wollen, um fachlichen Fehlbedarf an qualifizierten Lehrkräften auszugleichen. Wir wollen damit auch Wege für eine größere Vielfalt beim Zugang zum Lehrerberuf öffnen. Es kann für die Berliner Schulen nicht von Schaden sein, wenn auch Menschen aus anderen hoch qualifizierten Berufen mit einem Hochschulstudium sich entschließen, den Weg in die Schule zu gehen. Dafür brauchen sie noch das pädagogische Rüstzeug, und genau das wollen wir ihnen ge

Frau Paus

ben. Insofern ist dies keine Notlösung, sondern ein durchaus gangbarer Weg, aus anderen Bereichen des öffentlichen Lebens Menschen mit entsprechender Qualifizierung in die Schule zu bekommen.